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Und sonst? Alles klar?
UND SONST? ALLES KLAR?
„Wissen Sie eigentlich, wie scheißegal mir das ist?“ schnauzte ich den Streifenpolizisten wütend an und ging ohne ein weiteres Wort zu sagen weiter. Die gelben Wolken über mir sahen aus wie Frauen von Rubens gemalt. Dick und fett. Und ab und zu drangen kleine dunkelgrüne Wolken in das ansonsten perfekte Himmelsbild. Sabbernde Hunde, die ohne zu wissen warum mit dem Schwanz wedelnd feuchte Fotzen leckten und anschließend gestreichelt wurden. „Scheiße!“ fluchte ich leise. Was mußte sich das Double einer drittklassigen Schauspielerin auch ausgerechnet direkt vor meinem Haus umbringen? Ein unspektakulärer Tod. Nichts besonderes. Lauf in den Mund geschoben, abgedrückt, Hirn verteilt, fertig! Das Blut störte mich nicht. Die Wände in meiner Wohnung waren mit Blut gestrichen. Ich weiß noch, acht Nutten hatte ich benötigt. Okay, vielleicht war eine davon keine Nutte gewesen. Schulterzuckend und darauf bedacht, den Dreck meiner Schuhsohlen ordentlich auf dem Abtreter zu verteilen, schloß ich die Tür zum Haus auf. Öfters spielte ich mit dem Gedanken, den Abtreter hochzuheben und einfach nach unten zu verschwinden, aber dann überfielen mich nostalgische Gefühle. Eine bonbonfarbene Welt wie diese einfach so zu verlassen? Nein, dachte ich. Noch hast du nicht viel geleistet. Noch bist du nicht bereit dafür.
Meine Auffassung von Religion und dem ganzen Kram, müssen Sie wissen, läßt sich am einfachsten so ausdrücken: Es gibt keinen Beweis für die Existenz einer übernatürlichen Macht, bis eben diese übernatürliche Macht einen Beweis für ihre Existenz gebracht hat. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht. Eine Gebrauchsanleitung für einen neuen Fernseher ist kompliziert. Für mich. Für Sie vielleicht nicht, für mich aber schon. All die vielen Tasten und Funktionen. Manchmal habe ich den Eindruck, die Verfasser solcher Gebrauchsanleitungen haben im besoffenen Zustand Muse Nummer Fünf angefleht. Oder gerade an den Titten rumgespielt. Kein gutes Zeugnis für Muse Nummer Fünf. Was hat das mit Religion zu tun? Gar nichts! Und wenn Sie weiterlesen, sind Sie einfach ein blödes Arschloch. Selbst schuld! Schauen Sie sich lieber mal die Bäume an, die an den Straßenrändern vor vielen Jahren gepflanzt wurden. Schon merkwürdig, nicht wahr? Manche sehen aus wie fickende Schweine. Zu absurd? Und wenn schon. Wissen Sie eigentlich, wie scheißegal mir das ist?
Durch die Fenster hindurch hatte ich einen guten Überblick auf unsere Nachbarstadt. Was auch immer als Gott von wem auch immer angebetet wurde, hatte keine gute Arbeit geleistet. Trostlos wirkten die dunklen Schornsteine, die ununterbrochen giftigen, von qualvollen Gesichtern durchzogenen Rauch in den schönen gelben Himmel bliesen. Klar, das mit den Gesichtern stammt von mir. Aber wenn Sie jetzt aus den Augenwinkeln heraus mal in eine Ecke in Ihre ach so schönen Wohnung blicken... Na? Alles klar? Die Nachbarstadt hatte außer ihren Schornsteinen nichts zu bieten. Deshalb war die Wohnung so billig. Wer wollte schon Schornsteine sehen. Wer wollte überhaupt so etwas sehen? „Scheiß drauf!“ murmelte ich und ging in die Küche. Die wenigen Kakerlaken, die meinen Angriff auf ihre Welt überlebt hatten, begrüßten mich mit einem selbstgefälligen Grinsen. Ich hob resignierend die Arme. „Kann ich den Kühlschrank öffnen?“ Stumm nickten die schätzungsweise zwanzig Insekten, die Spalier standen. Ich hätte alles gegeben, um in diesem Moment zu wissen, wie es wohl wäre, wenn jetzt Salut befohlen würde. Kühlschranktür auf. Bier raus. Kühlschranktür zu. Rückzug aus der Küche. Der einzige Raum, wo man an einigen Stellen noch die ursprüngliche Farbe der Tapete erkennen konnte. Schwuchteliges Rosa. Das Blut meiner damaligen und bisher einzigen Lebensgefährtin hatte nicht ausgereicht, um alles zu übermalen. Ihr Kopf lag auf dem Nachttisch links von meinem Bett. Den Maden, die unermüdlich das Fleisch von den Knochen nagten, hatte ich Namen gegeben: Herakles, Perseus, Jason. Wenn man genau hinsah, konnte man Werbebotschaften der großen Medienkonzerne erkennen. Schöne Scheiße!
Erschreckend ist doch die Tatsache, daß viele denken, sie hätten es drauf. Wie erschreckend muß es wohl sein, wenn die naiven und bisher in den Olymp getriebenen Überschätzten erkennen, daß sie es eben nicht drauf haben? Sie haben weitergelesen? Wozu? Die Scheiße hier geht Sie doch gar nichts an! Leben Sie ruhig weiter in Ihrer schönen heilen Welt! Glauben Sie eigentlich an Schleichwerbung?
Irgendwann fing das ständige Klingeln an zu nerven. In aller Ruhe kappte ich die Verbindung zu meinem anderen Ich. Ich hatte nichts dagegen, daß ich in einer anderen Welt ein langweiliges und gutes Leben hatte. Voll mit Geld, Macht und dicken sonnengebräunten Titten. Aber hier? Lächelnd öffnete ich die Tür. Zwei Polizisten sahen mich an. „Hallo.“ sagte ich. „Na? Schon mal darüber nachgedacht, die Uniform zu wechseln?“ Schnell schob ich mit meinem rechten Fuß den Abtreter zur Seite. Das dunkle Loch schrie geradezu nach mir. Es war wohl an der Zeit. War sie das wirklich? Naja...
Naja. Heute sitze ich meistens am Brunnen eines kleinen Dorfes irgendwo in Absurdistan. Ich bin verantwortlich dafür, daß alle genug Wasser bekommen. Manchmal mache ich mir einen Spaß und verschiebe die beiden großen Berge. Keinen interessiert es. Haben alle zuviel Macht. Kann jeder. Über mir am braunen Himmel sehe ich die Unterseite des Abtreters. Wenn ich will, kann ich zurück in meine Wohnung. Mit all dem Blut an den Wänden. Mit all den Resten der Nutten, die unzähligen Fliegen eine Existenzberechtigung geben.
Aber wissen Sie was? Im Grunde genommen ist mir das scheißegal! Okay, ich hab die Nutten gefickt. Okay, ich hab sie anschließend auf den Boden und an die Wände verteilt. Nennen Sie es von mir aus pervers. Ist mir scheißegal! Und bevor Sie sich aufregen, beweisen Sie mir bitteschön erst einmal, daß es einen Himmel gibt, der silbern glänzt. Das können Sie nicht? Ich wußte es. Sie blödes Arschloch! Aber die Geschichte bis zum Schluß lesen und nach dem Sinn fragen, was? Tolle Leistung!
ENDE
copyright by Poncher
06.09.2002