Was ist neu

Und plötzlich Stille

Beitritt
06.08.2016
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Und plötzlich Stille

Was war das?

Warte, warte! Nochmal ganz von Anfang … Was ist das letzte, an das ich mich erinnere?

Oh ja, natürlich. Die blöde Kuh hatte mich für diesen anderen Kerl abgesägt. Dieser grenzdebile Spastiker, der ganz offensichtlich der Grund dafür ist, dass es Schuhe mit Klettverschluss auch für Erwachsene gibt. Was findet sie nur an diesem Typen?! Und vor allem, was hatte ihr je an mir gefallen, wenn sie sich jetzt an jemanden wie DEN heftet? Wir könnten verschiedener kaum sein.

Klar, er ist größer, als ich; aber das ist nicht unbedingt schwer. Er trainiert regelmäßig. Also seinen Körper. Nicht so wie ich. Mir ist es immer wichtiger gewesen, etwas im Kopf zu haben, statt überall darunter. Wie er wohl behangen ist?!

Ach was. Schluss damit. Konzentrier dich! So kommen wir nicht vorwärts.

Wie konnte sie nur?! Nach all den Jahren mich einfach so wegwerfen … Als ob es ihr nichts bedeutet hätte. Fast 10 Jahre … Einfach so verbrannt. Sie hat es nicht einmal für nötig gehalten mit mir darüber zu sprechen. Ne Trennung per WhatsApp Nachricht – mit Emojis?! Oh ja, das hat Stil. Wenn ich so darüber nachdenke, … was hat mir eigentlich die ganzen Jahre so an ihr gefallen?! Soll sie doch mit ihrem neuen Typen glücklich werden. IST MIR VÖLLIG EGAL!!!

Ach, wem mache ich was vor?! In Selbstgesprächen meistens nur mir selbst, nicht wahr?! Natürlich ist es mir nicht egal. Es zerfrisst mich innerlich. Nie hätte ich gedacht, dass ich so infantil und eifersüchtig wäre. Tja, man lernt eben nie aus.

Ich erinnere mich weiter, dass ich auf den ersten Schrecken erst mal was trinken musste, um meine Gedanken zu sortieren. An mehr erinnere ich mich dann allerdings erst mal nicht mehr. Nun ja, zumindest nicht mehr, wie ich von der „Dorfschänke“ wieder nachhause gekommen bin. Ich hoffe ich bin nicht selbst gefahren. Oh ja, richtig. Ich war ja schwer verkatert am nächsten Vormittag wieder dort, um mein Auto abzuholen. Vorbildlich … Auf meinen Autopiloten ist Verlass. Und wo ich ja sowieso schon mal da war, hielt ich es ja auch für eine gute Idee direkt ein Konterbier zu trinken. Er hier, auf der anderen Seite des Tresens, der versteht mich. Ich hab ihm offensichtlich gestern schon einiges erzählt. Warum nur, will sie mir nicht aus dem Kopf gehen?! Sie hat es nicht verdient, dass ich auch nur noch einen weiteren Moment an sie denke. Warum kann ich mich im Moment auf nichts anderes konzentrieren? Sie ist verdammt nochmal der Grund dafür, dass ich mich so beschissen fühle. Ich kann mir selbst eigentlich kein Fehlverhalten vorwerfen, es ist ALLES IHRE SCHULD. Aber doch … fehlt sie mir. Sehr sogar. Obwohl sie jetzt wahrscheinlich gerade über ihn drüber rutscht.

Sieh nur, was du HURE aus mir gemacht hast. Ich sitze an einem Donnerstagvormittag in einer Kneipe und betrin … WARTE!!! Donnerstag? Ich hätte vor drei Stunden schon bei der Arbeit sein gemusst. VERFLUCHT, VERFLUCHT, VERFLUCHT!!! Jetzt aber schnell.

Danke, ich weiß selber, wie ich aussehe, werte Kollegen. Es ist völlig unnötig mich ununterbrochen darauf hinzuweisen, dass ich unangemessen gekleidet bin und vielleicht etwas rieche, weil ich es nicht mehr unter die Dusche geschafft habe.

Jawohl Chef, ich werde selbstverständlich umgehend zu Ihnen ins Büro kommen …

Ich bin wirklich froh, dass der Bigboss so verständnisvoll ist. Obwohl er es wohl tatsächlich nur mir gegenüber sein dürfte. Immerhin habe ich ihn und die Affäre mit seiner Sekretärin lange genug gedeckt. Trotz all seiner – wie auch meiner – Bemühungen, ist das Ganze aber doch aufgeflogen und ihm ist ein heftiger Schuss vor den Bug gesetzt worden. Sie hingegen wurde umgehend entlassen. Schade eigentlich. Ich habe sie sehr gemocht. Seine Frau ist trotzdem bei ihm geblieben. Da soll doch einer die Weiber verstehen …

Nun ja, wie auch immer. Wie ging es noch weiter?! Ach ja, ich wurde für den Rest der Woche beurlaubt mit dem Rat mich zusammen zu reißen und schnell wieder in die Spur zu finden, da ich keine zweite Verwarnung bekommen würde. – Ich sehe ja ein, dass mein Auftreten bei den Kunden etwas verstörend gewirkt haben dürfte. Und ganz sicher hätte ich sie nicht anbrüllen dürfen. Sollte das noch einmal vorkommen, würde ich entlassen werden. Auf den Schreck muss ich auf jeden Fall erst mal wieder in die „Dorfschänke“.

Das unfreiwillige lange Wochenende war eigentlich nur ein Mahlstrom aus verblassenden Erinnerungen und leeren Flaschenböden. Gab es diese Woche eigentlich einen Samstag? Wie dem auch sei … Heute ist jedenfalls wieder Montag, ich habe das Wochenende genutzt, um Dampf abzulassen und reiße mich ab heute wieder fleißig zusammen. Ich will nicht mehr traurig sein. Ich blicke von nun an nach vorne. Nicht mehr zurück. Vor allem nicht an das düstere vergangene Wochenende, an dem es mir doch wesentlich schlechter ging, als ich mir erst mal eingestehen wollte. Warum sonst wohl fand ich gestern in meinem Browserverlauf eine Anleitung, wie man einen Strick bindet?!

Sei’s drum. Ich konzentriere mich nun wieder voll und ganz auf die Arbeit. Stehe frisch geduscht und glatt rasiert jedem Kunden mit Rat und Tat zur Seite. Fühlt sich gut an.

Die ersten Wochen nach der Trennung sind nun gelaufen und ich kann sagen, dass ich voll und ganz wiederhergestellt bin. Keine weiteren Aussetzer, weder bei der Arbeit, noch in der „Dorfschänke“ – auch, wenn ich inzwischen beide gleichermaßen oft besuche. Ich habe es geschafft mich selbst aus diesem Loch zu ziehen. Ich bin wirklich stolz auf mich. Um das Ganze noch zu unterstreichen, wurde ich vom Chef zum Mitarbeiter des Monats ernannt. Ich frage mich, ob er das nur getan hat, um mir etwas auf die Beine zu helfen oder ob ich es wirklich verdient habe. Wie auch immer, es fühlt sich gut und richtig an. Schließlich habe ich mich nach meinem kleinen Ausraster wirklich zusammengerissen und bin immer überpünktlich und sehr zuvorkommend gewesen. Kein Kunde konnte mich auf die Palme bringen – auch wenn er eine noch so dumme Frage hatte.

Wo wir gerade davon reden … der letzte eben war wirklich selten dämlich. Die Kategorie dämlich, die man den Mond zählen schicken kann, wenn man mal zehn Minuten Ruhe braucht. Wie ich es hasse, wenn Leute meine Zeit mit Problemen vergeuden, die mit einfachem Lesen der Bedienungsanleitung hätten gelöst werden können. Na ja, offensichtlich liest man heutzutage nichts mehr, was nicht von Freunden und Bekannten auf’s Smartphone geschickt wird. EGAL, ich bin so ausgeglichen, dass nicht einmal das mir im Moment die Laune vermiesen kann. Davon abgesehen ist gleich Wochenende. Einer, vielleicht noch zwei Kunden und dann geht’s ab in die „Dorfschänke“.

Aber was … was ist denn jetzt los?! Was macht DER denn hier? Dieser aufgepumpte Affe, was macht der hier? IN MEINEM LADEN?! Warum ausgerechnet er? Hat sie ihm nicht erzählt, dass ich hier arbeite? Oh nein. Er kommt direkt auf mich zu … ERNSTHAFT!? OB ICH DIR HELFEN KANN??? Ich fasse es nicht. Er erinnert sich nicht mal an mich.


--------


Ja, Chef. Ich weiß, ich hätte nicht wieder die Beherrschung verlieren dürfen. Und es war auch völlig unangemessen handgreiflich zu werden. Ich hätte ihn nicht schlagen dürfen, aber zu meiner Verteidigung: Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, dass ich es getan habe. Vielleicht habe ich mich nur gewehrt. Ich meine sehen Sie nur, wie ich aussehe. Ich bin auch übersät mit Blutergüssen und Platzwunden. Ach so. Er hat nur reagiert. Alle haben es gesehen. Ich verstehe. Ja, Sie haben Recht. Ich bin nicht mehr tragbar. Vielen Dank, dass Sie so viel Geduld mit mir hatten. SIE KÖNNEN MICH MAL AM ABEND BESUCHEN, SIE MIESER FREMDVÖGELNDER, ARMSEELIGER … Ich hätte nicht gedacht, dass die Security so schnell da sein würde, dass sie mich schon während meiner Hasstirade absägen konnte. Ich nehme an, dass der Bigboss mit etwas in die Richtung gerechnet haben könnte, als er mich in sein Büro rief. Vielleicht habe ich aber auch einfach wieder nur einen kleinen Blackout gehabt. Wäre nicht der erste heute gewesen.

Nun ja, wenigstens habe ich jetzt wieder Zeit, mich der „Dorfschänke“ zu widmen. Wie konnte es nur so weit mit mir kommen?! Es ist schon seltsam, wie sehr mich die Begegnung mit einem Menschen, den ich zuvor vielleicht zweimal getroffen habe, in Rage versetzen konnte. HIER, bringste mir bitte noch einen? Ach, weißte was!? Lass die Flasche einfach hier stehen. Ich habe immerhin was zu feiern … Diese blöde Mistkuh. Ob sie mich wirklich direkt aus ihrem Leben gelöscht hat?! Es gibt so viele andere Läden, wo er sein kleines Scheißproblem hätte lösen lassen können. VERDAMMT, wenn der Typ nicht so hohl wäre, hätte er überhaupt kein verficktes Problem gehabt. Dieser verdammte Trottel. WAS FINDET SIE NUR AN DIESEM TYPEN?! Ey, warum ist die Flasche denn schon wieder leer? Bring mir mal ne neue! Nein, noch habe ich nicht genug. Es ist immerhin Wochenende. Vielen Dank für deine Sorge, aber ich brauche noch eine. Jaaa, auf meine Verantwortung. Vielen Dank.

Hat sie wirklich nie mit ihm über mich geredet? Bin ich in ihrem Leben so unwichtig? Warum spukte sie denn dann so lange in meinem Kopf umher? Und warum tut sie es jetzt schon wieder? Es ist wirklich alles ihre Schuld. Ich war immer ein so selbstbewusster, aufgeschlossener Mann. Ich konnte immer gut mit allen Problemen in meinem Leben umgehen. Nichts hätte mich jemals so sehr aus meiner Routine gezogen, dass ich mich so hätte hängen lassen müssen, wie ich es im Moment tue. Und alles nur, weil sie aus mir einen Waschlappen gemacht hat. Ich habe meine Seele … Warte … Wern die Flaschn einlich immer kleiner, die du mir bringst? Gib ma nnnoch eine. Doch doch, die eine geht noch. Danach kannsch immer noch aufhörn … Geedankt. Wo war ich noch?! Meine Seele, richtig. Ich hab ihr alles gegeben. Alles, was ich geben konnte hat sie nun. Ich finde, ich müsste es ihr mal sagen gehen. Ja, wenn nicht jetzt wann dann? Viel zu verlieren habe ich ja ganz offensichtlich nicht mehr. Und ich bin beflügelt von Wut. Es ist die perfekte Zeit sie zu konfrontieren.

Den ganzen Weg zu ihr bin ich in Gedanken. Ich lege mir zurecht, was ich ihr sagen werde. Es ist wichtig, dass ich nichts vergesse. Was war das noch alles?! Ich hätte mir am besten noch in der „Dorfschänke“ ne Liste geschrieben. Ist im Moment alles gar nicht so einfach während der Fahrt. Also: Hure – klar. Ganz wichtig damit anzufangen, damit sie sofort schnallt, in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln wird. Obwohl … Wird er dann nicht auch recht schnell alarmiert? Ach egal. Auf der Arbeit hab ich mich zurückhalten müssen. Wenn er mir jetzt blöd kommt, hau ich den einfach kaputt. Beide haue ich kaputt. Die werden sich wundern. Was noch?! Sie hat mir alles genommen. Ja, das muss sie auch wissen. Was genau eigentlich? Hmm. Meine Integrität – auf jeden Fall. Meine Männlichkeit – Na ja, hieße das nicht, dass ich weibisch würde? Ich halte mir den Punkt einfach mal offen, für den Fall, dass ich den Faden verlieren sollte. Meine Jugend. Oh ja! Der wird sitzen. Mein Selbstbewusstsein, meine Freude am Leben, mein Glauben an die Menschheit. Gut, dass ich vorher in der „Dorfschänke“ war. Viele von den Sachen, die sie mir genommen hat, wären mir wahrscheinlich ohne den Abstecher dorthin nicht eingefallen. Aber Moment mal, wenn ich die beiden vorher schon kaputt haue, dann werden die ja gar nicht mitbekommen, was die Schlampe mir alles genommen hat. Vielleicht muss ich doch noch etwas umdisponieren. Ich habs! IHN haue ich einfach ganz schnell windelweich und bei ihr bin ich einfach etwas vorsichtiger, damit sie nicht ganz … OH VERDAMMT!!! Ich muss hier ja abbieg …

Wo kam die Karre denn jetzt auf einmal her? Der kann unmöglich schon auf der rechten Spur gewesen sein. Ich hätte den doch gesehen. Na ja. Ich steige mal besser aus und gucke, wie hart der Idiot mich erwischt hat. Naaa toll. Die ganze Seite ist zerbeult. Ich hoffe der Typ ist gut versichert. Warum brüllt der Doof mich denn so an? Der hat doch nur den Kotflügel und den Scheinwerfer etwas lädiert. Ja, so ist recht. Hupt doch einfach alle. Wo ist euer Problem? Hier an meinem Auto kann man doch noch super vorbeifahren, wenn man vorsichtig fährt. Es ist ja nicht so, dass wirklich die GANZE Kreuzung blockiert wäre. JA MAN, DU MICH AUCH!!! So, zurück zu dem Trottel, der mir rein gefahren ist. Warum heult denn die dicke Alte von dem so? Die beiden hat’s doch wirklich nicht so schlimm erwischt, wie mich. Oh man, jetzt fängt ER auch noch an zu weinen. Was ist denn da los. Ich geh mal hin. Wo kommt denn das Blut in ihrem Schoß her? Ich sehe gar keine Wunde …

Als mir bewusst wird, was da gerade passiert ist, bin ich starr vor Schreck. Mit weit aufgerissenen Augen, auf die schwangere Frau auf dem Beifahrersitz fixiert, gehe ich unbewusst ganz langsam Schritt für Schritt rückwärts von dem Wagen weg; an meinem Wagen vorbei auf die Kreuzung zu. Von allen Seiten werde ich wüst beschimpft und jedes einzelne Auto hupt so lange und so laut es nur kann. Oh nein, jetzt beugt er sich zu ihr. Greift er ihr wirklich … ?! Oh Gott, ich kann das nicht mit ansehen. Ich … mir wird … wird ganz schwindelig. Der Lärm, der von allen Seiten auf mich einbricht ist ohrenbetäubend. Er ist so laut, dass er mir schon beinahe unwirklich erscheint. Nichts ist jemals so laut gewesen. Die Menschen schleudern mir unverblümt ihren gesamten Hass entgegen. In der Ferne gesellen sich Sirenen dazu, beinahe zu leise, als dass ich sie hören könnte. Eine Wand aus Schallwellen, die alles verschlingt. Die einzelnen Stimmen, Hupen, quietschenden Reifen des Rettungswagens werden zu einem akustischen Mischmasch. Ich kann nichts einzelnes mehr daraus herausfiltern … und doch war da gerade noch etwas anderes. Zwei leise metallische Klickgeräusche, die irgendwie nicht so richtig in das Gesamtbild passen wollten. Völlig benommen von dem Lärm und der ganzen Szene drehe mich zurück zu dem Unfallwagen, von wo aus ein kurzer Lichtblitz zusammen mit einem noch lauteren Geräusch alles um mich herum übertönt.

Und plötzlich Stille

Was war das?

 

Ein gelungener Text, der meinen Humor genau getroffen hat. Mir haben besonders, die vielen ironischen Seitenhiebe gefallen.
Nur an manchen Sellen dachte ich, dass anstelle von einem "?!" ein einfaches "?"passender gewesen wäre.
Aber sonst hat mir dein Text sowohl vom Inhalt als auch vom Schreibstil sehr gut gefallen.

der ganz offensichtlich der Grund dafür ist, dass es Schuhe mit Klettverschluss auch für Erwachsene gibt
einer meiner Favoriten
Was war das?

Warte, warte! Nochmal ganz von Anfang … Was ist das letzte, an das ich mich erinnere?

Oh ja, natürlich. Die blöde Kuh hatte mich für diesen anderen Kerl abgesägt. Dieser grenzdebile Spastiker, der ganz offensichtlich der Grund dafür ist, dass es Schuhe mit Klettverschluss auch für Erwachsene gibt. Was findet sie nur an diesem Typen?! Und vor allem, was hatte ihr je an mir gefallen, wenn sie sich jetzt an jemanden wie DEN heftet? Wir könnten verschiedener kaum sein.

Klar, er ist größer, als ich; aber das ist nicht unbedingt schwer. Er trainiert regelmäßig. Also seinen Körper. Nicht so wie ich. Mir ist es immer wichtiger gewesen, etwas im Kopf zu haben, statt überall darunter. Wie er wohl behangen ist?!

Ach was. Schluss damit. Konzentrier dich! So kommen wir nicht vorwärts.

Wie konnte sie nur?! Nach all den Jahren mich einfach so wegwerfen … Als ob es ihr nichts bedeutet hätte. Fast 10 Jahre … Einfach so verbrannt. Sie hat es nicht einmal für nötig gehalten mit mir darüber zu sprechen. Ne Trennung per WhatsApp Nachricht – mit Emojis?! Oh ja, das hat Stil. Wenn ich so darüber nachdenke, … was hat mir eigentlich die ganzen Jahre so an ihr gefallen?! Soll sie doch mit ihrem neuen Typen glücklich werden. IST MIR VÖLLIG EGAL!!!

Ach, wem mache ich was vor?! In Selbstgesprächen meistens nur mir selbst, nicht wahr?! Natürlich ist es mir nicht egal. Es zerfrisst mich innerlich. Nie hätte ich gedacht, dass ich so infantil und eifersüchtig wäre. Tja, man lernt eben nie aus.

Ich erinnere mich weiter, dass ich auf den ersten Schrecken erst mal was trinken musste, um meine Gedanken zu sortieren. An mehr erinnere ich mich dann allerdings erst mal nicht mehr. Nun ja, zumindest nicht mehr, wie ich von der „Dorfschänke“ wieder nachhause gekommen bin. Ich hoffe ich bin nicht selbst gefahren. Oh ja, richtig. Ich war ja schwer verkatert am nächsten Vormittag wieder dort, um mein Auto abzuholen. Vorbildlich … Auf meinen Autopiloten ist Verlass. Und wo ich ja sowieso schon mal da war, hielt ich es ja auch für eine gute Idee direkt ein Konterbier zu trinken. Er hier, auf der anderen Seite des Tresens, der versteht mich. Ich hab ihm offensichtlich gestern schon einiges erzählt. Warum nur, will sie mir nicht aus dem Kopf gehen?! Sie hat es nicht verdient, dass ich auch nur noch einen weiteren Moment an sie denke. Warum kann ich mich im Moment auf nichts anderes konzentrieren? Sie ist verdammt nochmal der Grund dafür, dass ich mich so beschissen fühle. Ich kann mir selbst eigentlich kein Fehlverhalten vorwerfen, es ist ALLES IHRE SCHULD. Aber doch … fehlt sie mir. Sehr sogar. Obwohl sie jetzt wahrscheinlich gerade über ihn drüber rutscht.

Sieh nur, was du HURE aus mir gemacht hast. Ich sitze an einem Donnerstagvormittag in einer Kneipe und betrin … WARTE!!! Donnerstag? Ich hätte vor drei Stunden schon bei der Arbeit sein gemusst. VERFLUCHT, VERFLUCHT, VERFLUCHT!!! Jetzt aber schnell.

Danke, ich weiß selber, wie ich aussehe, werte Kollegen. Es ist völlig unnötig mich ununterbrochen darauf hinzuweisen, dass ich unangemessen gekleidet bin und vielleicht etwas rieche, weil ich es nicht mehr unter die Dusche geschafft habe.

Jawohl Chef, ich werde selbstverständlich umgehend zu Ihnen ins Büro kommen …

Ich bin wirklich froh, dass der Bigboss so verständnisvoll ist. Obwohl er es wohl tatsächlich nur mir gegenüber sein dürfte. Immerhin habe ich ihn und die Affäre mit seiner Sekretärin lange genug gedeckt. Trotz all seiner – wie auch meiner – Bemühungen, ist das Ganze aber doch aufgeflogen und ihm ist ein heftiger Schuss vor den Bug gesetzt worden. Sie hingegen wurde umgehend entlassen. Schade eigentlich. Ich habe sie sehr gemocht. Seine Frau ist trotzdem bei ihm geblieben. Da soll doch einer die Weiber verstehen …

Nun ja, wie auch immer. Wie ging es noch weiter?! Ach ja, ich wurde für den Rest der Woche beurlaubt mit dem Rat mich zusammen zu reißen und schnell wieder in die Spur zu finden, da ich keine zweite Verwarnung bekommen würde. – Ich sehe ja ein, dass mein Auftreten bei den Kunden etwas verstörend gewirkt haben dürfte. Und ganz sicher hätte ich sie nicht anbrüllen dürfen. Sollte das noch einmal vorkommen, würde ich entlassen werden. Auf den Schreck muss ich auf jeden Fall erst mal wieder in die „Dorfschänke“.

Das unfreiwillige lange Wochenende war eigentlich nur ein Mahlstrom aus verblassenden Erinnerungen und leeren Flaschenböden. Gab es diese Woche eigentlich einen Samstag? Wie dem auch sei … Heute ist jedenfalls wieder Montag, ich habe das Wochenende genutzt, um Dampf abzulassen und reiße mich ab heute wieder fleißig zusammen. Ich will nicht mehr traurig sein. Ich blicke von nun an nach vorne. Nicht mehr zurück. Vor allem nicht an das düstere vergangene Wochenende, an dem es mir doch wesentlich schlechter ging, als ich mir erst mal eingestehen wollte. Warum sonst wohl fand ich gestern in meinem Browserverlauf eine Anleitung, wie man einen Strick bindet?!

Sei’s drum. Ich konzentriere mich nun wieder voll und ganz auf die Arbeit. Stehe frisch geduscht und glatt rasiert jedem Kunden mit Rat und Tat zur Seite. Fühlt sich gut an.

Die ersten Wochen nach der Trennung sind nun gelaufen und ich kann sagen, dass ich voll und ganz wiederhergestellt bin. Keine weiteren Aussetzer, weder bei der Arbeit, noch in der „Dorfschänke“ – auch, wenn ich inzwischen beide gleichermaßen oft besuche. Ich habe es geschafft mich selbst aus diesem Loch zu ziehen. Ich bin wirklich stolz auf mich. Um das Ganze noch zu unterstreichen, wurde ich vom Chef zum Mitarbeiter des Monats ernannt. Ich frage mich, ob er das nur getan hat, um mir etwas auf die Beine zu helfen oder ob ich es wirklich verdient habe. Wie auch immer, es fühlt sich gut und richtig an. Schließlich habe ich mich nach meinem kleinen Ausraster wirklich zusammengerissen und bin immer überpünktlich und sehr zuvorkommend gewesen. Kein Kunde konnte mich auf die Palme bringen – auch wenn er eine noch so dumme Frage hatte.

Wo wir gerade davon reden … der letzte eben war wirklich selten dämlich. Die Kategorie dämlich, die man den Mond zählen schicken kann, wenn man mal zehn Minuten Ruhe braucht. Wie ich es hasse, wenn Leute meine Zeit mit Problemen vergeuden, die mit einfachem Lesen der Bedienungsanleitung hätten gelöst werden können. Na ja, offensichtlich liest man heutzutage nichts mehr, was nicht von Freunden und Bekannten auf’s Smartphone geschickt wird. EGAL, ich bin so ausgeglichen, dass nicht einmal das mir im Moment die Laune vermiesen kann. Davon abgesehen ist gleich Wochenende. Einer, vielleicht noch zwei Kunden und dann geht’s ab in die „Dorfschänke“.

Aber was … was ist denn jetzt los?! Was macht DER denn hier? Dieser aufgepumpte Affe, was macht der hier? IN MEINEM LADEN?! Warum ausgerechnet er? Hat sie ihm nicht erzählt, dass ich hier arbeite? Oh nein. Er kommt direkt auf mich zu … ERNSTHAFT!? OB ICH DIR HELFEN KANN??? Ich fasse es nicht. Er erinnert sich nicht mal an mich.


--------


Ja, Chef. Ich weiß, ich hätte nicht wieder die Beherrschung verlieren dürfen. Und es war auch völlig unangemessen handgreiflich zu werden. Ich hätte ihn nicht schlagen dürfen, aber zu meiner Verteidigung: Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, dass ich es getan habe. Vielleicht habe ich mich nur gewehrt. Ich meine sehen Sie nur, wie ich aussehe. Ich bin auch übersät mit Blutergüssen und Platzwunden. Ach so. Er hat nur reagiert. Alle haben es gesehen. Ich verstehe. Ja, Sie haben Recht. Ich bin nicht mehr tragbar. Vielen Dank, dass Sie so viel Geduld mit mir hatten. SIE KÖNNEN MICH MAL AM ABEND BESUCHEN, SIE MIESER FREMDVÖGELNDER, ARMSEELIGER … Ich hätte nicht gedacht, dass die Security so schnell da sein würde, dass sie mich schon während meiner Hasstirade absägen konnte. Ich nehme an, dass der Bigboss mit etwas in die Richtung gerechnet haben könnte, als er mich in sein Büro rief. Vielleicht habe ich aber auch einfach wieder nur einen kleinen Blackout gehabt. Wäre nicht der erste heute gewesen.

Nun ja, wenigstens habe ich jetzt wieder Zeit, mich der „Dorfschänke“ zu widmen. Wie konnte es nur so weit mit mir kommen?! Es ist schon seltsam, wie sehr mich die Begegnung mit einem Menschen, den ich zuvor vielleicht zweimal getroffen habe, in Rage versetzen konnte. HIER, bringste mir bitte noch einen? Ach, weißte was!? Lass die Flasche einfach hier stehen. Ich habe immerhin was zu feiern … Diese blöde Mistkuh. Ob sie mich wirklich direkt aus ihrem Leben gelöscht hat?! Es gibt so viele andere Läden, wo er sein kleines Scheißproblem hätte lösen lassen können. VERDAMMT, wenn der Typ nicht so hohl wäre, hätte er überhaupt kein verficktes Problem gehabt. Dieser verdammte Trottel. WAS FINDET SIE NUR AN DIESEM TYPEN?! Ey, warum ist die Flasche denn schon wieder leer? Bring mir mal ne neue! Nein, noch habe ich nicht genug. Es ist immerhin Wochenende. Vielen Dank für deine Sorge, aber ich brauche noch eine. Jaaa, auf meine Verantwortung. Vielen Dank.

Hat sie wirklich nie mit ihm über mich geredet? Bin ich in ihrem Leben so unwichtig? Warum spukte sie denn dann so lange in meinem Kopf umher? Und warum tut sie es jetzt schon wieder? Es ist wirklich alles ihre Schuld. Ich war immer ein so selbstbewusster, aufgeschlossener Mann. Ich konnte immer gut mit allen Problemen in meinem Leben umgehen. Nichts hätte mich jemals so sehr aus meiner Routine gezogen, dass ich mich so hätte hängen lassen müssen, wie ich es im Moment tue. Und alles nur, weil sie aus mir einen Waschlappen gemacht hat. Ich habe meine Seele … Warte … Wern die Flaschn einlich immer kleiner, die du mir bringst? Gib ma nnnoch eine. Doch doch, die eine geht noch. Danach kannsch immer noch aufhörn … Geedankt. Wo war ich noch?! Meine Seele, richtig. Ich hab ihr alles gegeben. Alles, was ich geben konnte hat sie nun. Ich finde, ich müsste es ihr mal sagen gehen. Ja, wenn nicht jetzt wann dann? Viel zu verlieren habe ich ja ganz offensichtlich nicht mehr. Und ich bin beflügelt von Wut. Es ist die perfekte Zeit sie zu konfrontieren.

Den ganzen Weg zu ihr bin ich in Gedanken. Ich lege mir zurecht, was ich ihr sagen werde. Es ist wichtig, dass ich nichts vergesse. Was war das noch alles?! Ich hätte mir am besten noch in der „Dorfschänke“ ne Liste geschrieben. Ist im Moment alles gar nicht so einfach während der Fahrt. Also: Hure – klar. Ganz wichtig damit anzufangen, damit sie sofort schnallt, in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln wird. Obwohl … Wird er dann nicht auch recht schnell alarmiert? Ach egal. Auf der Arbeit hab ich mich zurückhalten müssen. Wenn er mir jetzt blöd kommt, hau ich den einfach kaputt. Beide haue ich kaputt. Die werden sich wundern. Was noch?! Sie hat mir alles genommen. Ja, das muss sie auch wissen. Was genau eigentlich? Hmm. Meine Integrität – auf jeden Fall. Meine Männlichkeit – Na ja, hieße das nicht, dass ich weibisch würde? Ich halte mir den Punkt einfach mal offen, für den Fall, dass ich den Faden verlieren sollte. Meine Jugend. Oh ja! Der wird sitzen. Mein Selbstbewusstsein, meine Freude am Leben, mein Glauben an die Menschheit. Gut, dass ich vorher in der „Dorfschänke“ war. Viele von den Sachen, die sie mir genommen hat, wären mir wahrscheinlich ohne den Abstecher dorthin nicht eingefallen. Aber Moment mal, wenn ich die beiden vorher schon kaputt haue, dann werden die ja gar nicht mitbekommen, was die Schlampe mir alles genommen hat. Vielleicht muss ich doch noch etwas umdisponieren. Ich habs! IHN haue ich einfach ganz schnell windelweich und bei ihr bin ich einfach etwas vorsichtiger, damit sie nicht ganz … OH VERDAMMT!!! Ich muss hier ja abbieg …

Wo kam die Karre denn jetzt auf einmal her? Der kann unmöglich schon auf der rechten Spur gewesen sein. Ich hätte den doch gesehen. Na ja. Ich steige mal besser aus und gucke, wie hart der Idiot mich erwischt hat. Naaa toll. Die ganze Seite ist zerbeult. Ich hoffe der Typ ist gut versichert. Warum brüllt der Doof mich denn so an? Der hat doch nur den Kotflügel und den Scheinwerfer etwas lädiert. Ja, so ist recht. Hupt doch einfach alle. Wo ist euer Problem? Hier an meinem Auto kann man doch noch super vorbeifahren, wenn man vorsichtig fährt. Es ist ja nicht so, dass wirklich die GANZE Kreuzung blockiert wäre. JA MAN, DU MICH AUCH!!! So, zurück zu dem Trottel, der mir rein gefahren ist. Warum heult denn die dicke Alte von dem so? Die beiden hat’s doch wirklich nicht so schlimm erwischt, wie mich. Oh man, jetzt fängt ER auch noch an zu weinen. Was ist denn da los. Ich geh mal hin. Wo kommt denn das Blut in ihrem Schoß her? Ich sehe gar keine Wunde …

Als mir bewusst wird, was da gerade passiert ist, bin ich starr vor Schreck. Mit weit aufgerissenen Augen, auf die schwangere Frau auf dem Beifahrersitz fixiert, gehe ich unbewusst ganz langsam Schritt für Schritt rückwärts von dem Wagen weg; an meinem Wagen vorbei auf die Kreuzung zu. Von allen Seiten werde ich wüst beschimpft und jedes einzelne Auto hupt so lange und so laut es nur kann. Oh nein, jetzt beugt er sich zu ihr. Greift er ihr wirklich … ?! Oh Gott, ich kann das nicht mit ansehen. Ich … mir wird … wird ganz schwindelig. Der Lärm, der von allen Seiten auf mich einbricht ist ohrenbetäubend. Er ist so laut, dass er mir schon beinahe unwirklich erscheint. Nichts ist jemals so laut gewesen. Die Menschen schleudern mir unverblümt ihren gesamten Hass entgegen. In der Ferne gesellen sich Sirenen dazu, beinahe zu leise, als dass ich sie hören könnte. Eine Wand aus Schallwellen, die alles verschlingt. Die einzelnen Stimmen, Hupen, quietschenden Reifen des Rettungswagens werden zu einem akustischen Mischmasch. Ich kann nichts einzelnes mehr daraus herausfiltern … und doch war da gerade noch etwas anderes. Zwei leise metallische Klickgeräusche, die irgendwie nicht so richtig in das Gesamtbild passen wollten. Völlig benommen von dem Lärm und der ganzen Szene drehe mich zurück zu dem Unfallwagen, von wo aus ein kurzer Lichtblitz zusammen mit einem noch lauteren Geräusch alles um mich herum übertönt.

Und plötzlich Stille

Was war das?

Warte, warte! Nochmal ganz von Anfang … Was ist das letzte, an das ich mich erinnere?

Oh ja, natürlich. Die blöde Kuh hatte mich für diesen anderen Kerl abgesägt. Dieser grenzdebile Spastiker, der ganz offensichtlich der Grund dafür ist, dass es Schuhe mit Klettverschluss auch für Erwachsene gibt. Was findet sie nur an diesem Typen?! Und vor allem, was hatte ihr je an mir gefallen, wenn sie sich jetzt an jemanden wie DEN heftet? Wir könnten verschiedener kaum sein.

Klar, er ist größer, als ich; aber das ist nicht unbedingt schwer. Er trainiert regelmäßig. Also seinen Körper. Nicht so wie ich. Mir ist es immer wichtiger gewesen, etwas im Kopf zu haben, statt überall darunter. Wie er wohl behangen ist?!

Ach was. Schluss damit. Konzentrier dich! So kommen wir nicht vorwärts.

Wie konnte sie nur?! Nach all den Jahren mich einfach so wegwerfen … Als ob es ihr nichts bedeutet hätte. Fast 10 Jahre … Einfach so verbrannt. Sie hat es nicht einmal für nötig gehalten mit mir darüber zu sprechen. Ne Trennung per WhatsApp Nachricht – mit Emojis?! Oh ja, das hat Stil. Wenn ich so darüber nachdenke, … was hat mir eigentlich die ganzen Jahre so an ihr gefallen?! Soll sie doch mit ihrem neuen Typen glücklich werden. IST MIR VÖLLIG EGAL!!!

Ach, wem mache ich was vor?! In Selbstgesprächen meistens nur mir selbst, nicht wahr?! Natürlich ist es mir nicht egal. Es zerfrisst mich innerlich. Nie hätte ich gedacht, dass ich so infantil und eifersüchtig wäre. Tja, man lernt eben nie aus.

Ich erinnere mich weiter, dass ich auf den ersten Schrecken erst mal was trinken musste, um meine Gedanken zu sortieren. An mehr erinnere ich mich dann allerdings erst mal nicht mehr. Nun ja, zumindest nicht mehr, wie ich von der „Dorfschänke“ wieder nachhause gekommen bin. Ich hoffe ich bin nicht selbst gefahren. Oh ja, richtig. Ich war ja schwer verkatert am nächsten Vormittag wieder dort, um mein Auto abzuholen. Vorbildlich … Auf meinen Autopiloten ist Verlass. Und wo ich ja sowieso schon mal da war, hielt ich es ja auch für eine gute Idee direkt ein Konterbier zu trinken. Er hier, auf der anderen Seite des Tresens, der versteht mich. Ich hab ihm offensichtlich gestern schon einiges erzählt. Warum nur, will sie mir nicht aus dem Kopf gehen?! Sie hat es nicht verdient, dass ich auch nur noch einen weiteren Moment an sie denke. Warum kann ich mich im Moment auf nichts anderes konzentrieren? Sie ist verdammt nochmal der Grund dafür, dass ich mich so beschissen fühle. Ich kann mir selbst eigentlich kein Fehlverhalten vorwerfen, es ist ALLES IHRE SCHULD. Aber doch … fehlt sie mir. Sehr sogar. Obwohl sie jetzt wahrscheinlich gerade über ihn drüber rutscht.

Sieh nur, was du HURE aus mir gemacht hast. Ich sitze an einem Donnerstagvormittag in einer Kneipe und betrin … WARTE!!! Donnerstag? Ich hätte vor drei Stunden schon bei der Arbeit sein gemusst. VERFLUCHT, VERFLUCHT, VERFLUCHT!!! Jetzt aber schnell.

Danke, ich weiß selber, wie ich aussehe, werte Kollegen. Es ist völlig unnötig mich ununterbrochen darauf hinzuweisen, dass ich unangemessen gekleidet bin und vielleicht etwas rieche, weil ich es nicht mehr unter die Dusche geschafft habe.

Jawohl Chef, ich werde selbstverständlich umgehend zu Ihnen ins Büro kommen …

Ich bin wirklich froh, dass der Bigboss so verständnisvoll ist. Obwohl er es wohl tatsächlich nur mir gegenüber sein dürfte. Immerhin habe ich ihn und die Affäre mit seiner Sekretärin lange genug gedeckt. Trotz all seiner – wie auch meiner – Bemühungen, ist das Ganze aber doch aufgeflogen und ihm ist ein heftiger Schuss vor den Bug gesetzt worden. Sie hingegen wurde umgehend entlassen. Schade eigentlich. Ich habe sie sehr gemocht. Seine Frau ist trotzdem bei ihm geblieben. Da soll doch einer die Weiber verstehen …

Nun ja, wie auch immer. Wie ging es noch weiter?! Ach ja, ich wurde für den Rest der Woche beurlaubt mit dem Rat mich zusammen zu reißen und schnell wieder in die Spur zu finden, da ich keine zweite Verwarnung bekommen würde. – Ich sehe ja ein, dass mein Auftreten bei den Kunden etwas verstörend gewirkt haben dürfte. Und ganz sicher hätte ich sie nicht anbrüllen dürfen. Sollte das noch einmal vorkommen, würde ich entlassen werden. Auf den Schreck muss ich auf jeden Fall erst mal wieder in die „Dorfschänke“.

Das unfreiwillige lange Wochenende war eigentlich nur ein Mahlstrom aus verblassenden Erinnerungen und leeren Flaschenböden. Gab es diese Woche eigentlich einen Samstag? Wie dem auch sei … Heute ist jedenfalls wieder Montag, ich habe das Wochenende genutzt, um Dampf abzulassen und reiße mich ab heute wieder fleißig zusammen. Ich will nicht mehr traurig sein. Ich blicke von nun an nach vorne. Nicht mehr zurück. Vor allem nicht an das düstere vergangene Wochenende, an dem es mir doch wesentlich schlechter ging, als ich mir erst mal eingestehen wollte. Warum sonst wohl fand ich gestern in meinem Browserverlauf eine Anleitung, wie man einen Strick bindet?!

Sei’s drum. Ich konzentriere mich nun wieder voll und ganz auf die Arbeit. Stehe frisch geduscht und glatt rasiert jedem Kunden mit Rat und Tat zur Seite. Fühlt sich gut an.

Die ersten Wochen nach der Trennung sind nun gelaufen und ich kann sagen, dass ich voll und ganz wiederhergestellt bin. Keine weiteren Aussetzer, weder bei der Arbeit, noch in der „Dorfschänke“ – auch, wenn ich inzwischen beide gleichermaßen oft besuche. Ich habe es geschafft mich selbst aus diesem Loch zu ziehen. Ich bin wirklich stolz auf mich. Um das Ganze noch zu unterstreichen, wurde ich vom Chef zum Mitarbeiter des Monats ernannt. Ich frage mich, ob er das nur getan hat, um mir etwas auf die Beine zu helfen oder ob ich es wirklich verdient habe. Wie auch immer, es fühlt sich gut und richtig an. Schließlich habe ich mich nach meinem kleinen Ausraster wirklich zusammengerissen und bin immer überpünktlich und sehr zuvorkommend gewesen. Kein Kunde konnte mich auf die Palme bringen – auch wenn er eine noch so dumme Frage hatte.

Wo wir gerade davon reden … der letzte eben war wirklich selten dämlich. Die Kategorie dämlich, die man den Mond zählen schicken kann, wenn man mal zehn Minuten Ruhe braucht. Wie ich es hasse, wenn Leute meine Zeit mit Problemen vergeuden, die mit einfachem Lesen der Bedienungsanleitung hätten gelöst werden können. Na ja, offensichtlich liest man heutzutage nichts mehr, was nicht von Freunden und Bekannten auf’s Smartphone geschickt wird. EGAL, ich bin so ausgeglichen, dass nicht einmal das mir im Moment die Laune vermiesen kann. Davon abgesehen ist gleich Wochenende. Einer, vielleicht noch zwei Kunden und dann geht’s ab in die „Dorfschänke“.

Aber was … was ist denn jetzt los?! Was macht DER denn hier? Dieser aufgepumpte Affe, was macht der hier? IN MEINEM LADEN?! Warum ausgerechnet er? Hat sie ihm nicht erzählt, dass ich hier arbeite? Oh nein. Er kommt direkt auf mich zu … ERNSTHAFT!? OB ICH DIR HELFEN KANN??? Ich fasse es nicht. Er erinnert sich nicht mal an mich.


--------


Ja, Chef. Ich weiß, ich hätte nicht wieder die Beherrschung verlieren dürfen. Und es war auch völlig unangemessen handgreiflich zu werden. Ich hätte ihn nicht schlagen dürfen, aber zu meiner Verteidigung: Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, dass ich es getan habe. Vielleicht habe ich mich nur gewehrt. Ich meine sehen Sie nur, wie ich aussehe. Ich bin auch übersät mit Blutergüssen und Platzwunden. Ach so. Er hat nur reagiert. Alle haben es gesehen. Ich verstehe. Ja, Sie haben Recht. Ich bin nicht mehr tragbar. Vielen Dank, dass Sie so viel Geduld mit mir hatten. SIE KÖNNEN MICH MAL AM ABEND BESUCHEN, SIE MIESER FREMDVÖGELNDER, ARMSEELIGER … Ich hätte nicht gedacht, dass die Security so schnell da sein würde, dass sie mich schon während meiner Hasstirade absägen konnte. Ich nehme an, dass der Bigboss mit etwas in die Richtung gerechnet haben könnte, als er mich in sein Büro rief. Vielleicht habe ich aber auch einfach wieder nur einen kleinen Blackout gehabt. Wäre nicht der erste heute gewesen.

Nun ja, wenigstens habe ich jetzt wieder Zeit, mich der „Dorfschänke“ zu widmen. Wie konnte es nur so weit mit mir kommen?! Es ist schon seltsam, wie sehr mich die Begegnung mit einem Menschen, den ich zuvor vielleicht zweimal getroffen habe, in Rage versetzen konnte. HIER, bringste mir bitte noch einen? Ach, weißte was!? Lass die Flasche einfach hier stehen. Ich habe immerhin was zu feiern … Diese blöde Mistkuh. Ob sie mich wirklich direkt aus ihrem Leben gelöscht hat?! Es gibt so viele andere Läden, wo er sein kleines Scheißproblem hätte lösen lassen können. VERDAMMT, wenn der Typ nicht so hohl wäre, hätte er überhaupt kein verficktes Problem gehabt. Dieser verdammte Trottel. WAS FINDET SIE NUR AN DIESEM TYPEN?! Ey, warum ist die Flasche denn schon wieder leer? Bring mir mal ne neue! Nein, noch habe ich nicht genug. Es ist immerhin Wochenende. Vielen Dank für deine Sorge, aber ich brauche noch eine. Jaaa, auf meine Verantwortung. Vielen Dank.

Hat sie wirklich nie mit ihm über mich geredet? Bin ich in ihrem Leben so unwichtig? Warum spukte sie denn dann so lange in meinem Kopf umher? Und warum tut sie es jetzt schon wieder? Es ist wirklich alles ihre Schuld. Ich war immer ein so selbstbewusster, aufgeschlossener Mann. Ich konnte immer gut mit allen Problemen in meinem Leben umgehen. Nichts hätte mich jemals so sehr aus meiner Routine gezogen, dass ich mich so hätte hängen lassen müssen, wie ich es im Moment tue. Und alles nur, weil sie aus mir einen Waschlappen gemacht hat. Ich habe meine Seele … Warte … Wern die Flaschn einlich immer kleiner, die du mir bringst? Gib ma nnnoch eine. Doch doch, die eine geht noch. Danach kannsch immer noch aufhörn … Geedankt. Wo war ich noch?! Meine Seele, richtig. Ich hab ihr alles gegeben. Alles, was ich geben konnte hat sie nun. Ich finde, ich müsste es ihr mal sagen gehen. Ja, wenn nicht jetzt wann dann? Viel zu verlieren habe ich ja ganz offensichtlich nicht mehr. Und ich bin beflügelt von Wut. Es ist die perfekte Zeit sie zu konfrontieren.

Den ganzen Weg zu ihr bin ich in Gedanken. Ich lege mir zurecht, was ich ihr sagen werde. Es ist wichtig, dass ich nichts vergesse. Was war das noch alles?! Ich hätte mir am besten noch in der „Dorfschänke“ ne Liste geschrieben. Ist im Moment alles gar nicht so einfach während der Fahrt. Also: Hure – klar. Ganz wichtig damit anzufangen, damit sie sofort schnallt, in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln wird. Obwohl … Wird er dann nicht auch recht schnell alarmiert? Ach egal. Auf der Arbeit hab ich mich zurückhalten müssen. Wenn er mir jetzt blöd kommt, hau ich den einfach kaputt. Beide haue ich kaputt. Die werden sich wundern. Was noch?! Sie hat mir alles genommen. Ja, das muss sie auch wissen. Was genau eigentlich? Hmm. Meine Integrität – auf jeden Fall. Meine Männlichkeit – Na ja, hieße das nicht, dass ich weibisch würde? Ich halte mir den Punkt einfach mal offen, für den Fall, dass ich den Faden verlieren sollte. Meine Jugend. Oh ja! Der wird sitzen. Mein Selbstbewusstsein, meine Freude am Leben, mein Glauben an die Menschheit. Gut, dass ich vorher in der „Dorfschänke“ war. Viele von den Sachen, die sie mir genommen hat, wären mir wahrscheinlich ohne den Abstecher dorthin nicht eingefallen. Aber Moment mal, wenn ich die beiden vorher schon kaputt haue, dann werden die ja gar nicht mitbekommen, was die Schlampe mir alles genommen hat. Vielleicht muss ich doch noch etwas umdisponieren. Ich habs! IHN haue ich einfach ganz schnell windelweich und bei ihr bin ich einfach etwas vorsichtiger, damit sie nicht ganz … OH VERDAMMT!!! Ich muss hier ja abbieg …

Wo kam die Karre denn jetzt auf einmal her? Der kann unmöglich schon auf der rechten Spur gewesen sein. Ich hätte den doch gesehen. Na ja. Ich steige mal besser aus und gucke, wie hart der Idiot mich erwischt hat. Naaa toll. Die ganze Seite ist zerbeult. Ich hoffe der Typ ist gut versichert. Warum brüllt der Doof mich denn so an? Der hat doch nur den Kotflügel und den Scheinwerfer etwas lädiert. Ja, so ist recht. Hupt doch einfach alle. Wo ist euer Problem? Hier an meinem Auto kann man doch noch super vorbeifahren, wenn man vorsichtig fährt. Es ist ja nicht so, dass wirklich die GANZE Kreuzung blockiert wäre. JA MAN, DU MICH AUCH!!! So, zurück zu dem Trottel, der mir rein gefahren ist. Warum heult denn die dicke Alte von dem so? Die beiden hat’s doch wirklich nicht so schlimm erwischt, wie mich. Oh man, jetzt fängt ER auch noch an zu weinen. Was ist denn da los. Ich geh mal hin. Wo kommt denn das Blut in ihrem Schoß her? Ich sehe gar keine Wunde …

Als mir bewusst wird, was da gerade passiert ist, bin ich starr vor Schreck. Mit weit aufgerissenen Augen, auf die schwangere Frau auf dem Beifahrersitz fixiert, gehe ich unbewusst ganz langsam Schritt für Schritt rückwärts von dem Wagen weg; an meinem Wagen vorbei auf die Kreuzung zu. Von allen Seiten werde ich wüst beschimpft und jedes einzelne Auto hupt so lange und so laut es nur kann. Oh nein, jetzt beugt er sich zu ihr. Greift er ihr wirklich … ?! Oh Gott, ich kann das nicht mit ansehen. Ich … mir wird … wird ganz schwindelig. Der Lärm, der von allen Seiten auf mich einbricht ist ohrenbetäubend. Er ist so laut, dass er mir schon beinahe unwirklich erscheint. Nichts ist jemals so laut gewesen. Die Menschen schleudern mir unverblümt ihren gesamten Hass entgegen. In der Ferne gesellen sich Sirenen dazu, beinahe zu leise, als dass ich sie hören könnte. Eine Wand aus Schallwellen, die alles verschlingt. Die einzelnen Stimmen, Hupen, quietschenden Reifen des Rettungswagens werden zu einem akustischen Mischmasch. Ich kann nichts einzelnes mehr daraus herausfiltern … und doch war da gerade noch etwas anderes. Zwei leise metallische Klickgeräusche, die irgendwie nicht so richtig in das Gesamtbild passen wollten. Völlig benommen von dem Lärm und der ganzen Szene drehe mich zurück zu dem Unfallwagen, von wo aus ein kurzer Lichtblitz zusammen mit einem noch lauteren Geräusch alles um mich herum übertönt.

Und plötzlich Stille

Was war das?

der ganz offensichtlich der Grund dafür ist, dass es Schuhe mit Klettverschluss auch für Erwachsene gibt
Das war einer meiner Favoriten
Ach, wem mache ich was vor?! In Selbstgesprächen meistens nur mir selbst, nicht wahr?!
Hier hätte ich nur ein Fragezeichen gesetzt.

 

Was war das?

Mit diesem Fazit,
@The Sinister Mister ,
hast Du die Kritik schon vorweg genommen.
Mir drängt sich der Vergleich mit einem schrecklichen Unfall auf; Man weiß, dass man wegsehen sollte, aber es gibt so eine seltsame Faszination für das Grauen, die in vielen von uns steckt und der gibt man dann nach. Und man liest weiter. Zeile um Zeile. Und das Grauen steigert sich ins Unermessliche.
Und mittendrin denkt man, der Tiefpunkt wäre erreicht, doch dann geht es weiter.
Dieses Trash-Meisterwerk hätte gute Chancen als Drehbuch für einen neuen Til Schweiger-Film.

Ich sehe, dass Du schon vor drei Jahren hier aufgeschlagen bist. Hast Du seitdem auch irgend etwas auf der Seite gelesen? Falls nicht: Mach Mal! Lies die Geschichten der anderen, gerade bei den Empfehlungen sind wirklich gute Sachen dabei. Lies Bücher, ebooks ... Im Bereich Horror schreibt Stephen King wirklich gute Kurzgeschichten.
Und dann versuchs noch einmal! Aber lass Dir nicht wieder so lange Zeit. Sonst wird das nichts.

Schöne Grüße!
Kellerkind

 

Hi @The Sinister Mister!

Freut mich, dass du nach längerer Zeit hier wieder etwas veröffentlicht hast. Hast du in der Zwischenzeit denn gar nichts geschrieben, oder wolltest du es nur nicht hier posten? Egal. Schön, dass du das Schreiben noch nicht aufgegeben hast!

Gut, dann zum Text. Solche Erzählungen im Inneren Monolog/Stream of Consciousness sind mir persönlich meistens etwas zu anstrengend. Ich verstehe schon den Impuls, das Innenleben des Protagonisten komplett nach außen zu kehren, vor allem wenn er eigentlich die einzige handelnde Person der Geschichte ist. Jedoch finde ich ein personales Erzählen in dritter Person dafür irgendwie kunstvoller und angenehmer zu lesen, weil zwischen Innen- und Außenperspektive gewechselt werden kann. Klar, man kann sich die Handlung durch die Wahrnehmung des Protagonisten schon erschließen, aber ich erkenne keinen wirklichen Mehrwert in dieser Erzählweise.

Die Handlung dreht sich letztlich nur darum, dass er nach langer Zeit verlassen wird, beruflich und privat abstürzt und

letztlich besoffen von Alkohol und Wut einen schlimmen Unfall baut. Das ist im Grunde natürlich nichts Außergewöhnliches, ist aber nicht schlimm. Das Ende finde ich persönlich etwas unrealistisch. Ich mein, die Geschichte spielt doch in Deutschland, oder? Wer hat da bitte eine Knarre im Wagen dabei, wenn er seine schwangere Frau zur Entbindung fährt? Find ich over the top, und auch unnötig. Wäre doch schlimmer, wenn er mit der Schuld leben müsste, oder?
Mit Selbstreflexion hat es der Protagonist aber eh nicht so. Ich mein, dass die Beziehung nach zehn Jahren zerbrochen ist, liegt natürlich nur an der Frau (Hure!) und ihrem Neuen (Spasti!). Diese Gefühle sind zwar im ersten Augenblick nachvollziehbar, aber sollte er sich nicht vielleicht auch irgendwann mal selbst hinterfragen? Hat er keine Freunde, die ihn auffangen? Was ist mit seiner Familie? So wirkt er auf mich wie ein selbstgerechter, unsympathischer Griesgram, bei dem man sich fragt, wie es die Frau überhaupt zehn Jahre lang mit ihm aushalten konnte. Und wahrscheinlich war die Tendenz zu Alkohol und Gewalt in Konfliktsituationen bei ihm schon immer vorhanden - auch das dürfte die Beziehung bereits belastet haben. Aber davon erzählst du nichts. So kommt für mich der Absturz und die Eskalation in dieser Intensität irgendwie zu plötzlich. Wie gesagt, emotional zwar nachvollziehbar, aber längst nicht jeder reagiert nach einer Trennung auf diese Weise. Mach mir noch deutlicher, warum er es nicht packt, damit klar zu kommen, und stattdessen komplett abschmiert!

Schöne Grüße

 

Hallo TSM,

Ich hätte vor drei Stunden schon bei der Arbeit sein gemusst.

Denkt das dein Prota im Suff oder denkst du (der Autor), dass dieser Satz grammatikalisch richtig ist?
Jedenfalls hat mich diese Zeile (zugegeben) sehr erheitert. :lol:

Gruß, Ronnie

P.S.
Man könnte es mit der Version versuchen:
Ich hätte schon vor drei Stunden bei der Arbeit sein müssen.


Die Figur ist noch immer nicht ganz fit im Kopf und verläuft sich schon in kurzen Sätzen.

 

Hi @The Sinister Mister!

Freut mich, dass du nach längerer Zeit hier wieder etwas veröffentlicht hast. Hast du in der Zwischenzeit denn gar nichts geschrieben, oder wolltest du es nur nicht hier posten? Egal. Schön, dass du das Schreiben noch nicht aufgegeben hast!

Gut, dann zum Text. Solche Erzählungen im Inneren Monolog/Stream of Consciousness sind mir persönlich meistens etwas zu anstrengend. Ich verstehe schon den Impuls, das Innenleben des Protagonisten komplett nach außen zu kehren, vor allem wenn er eigentlich die einzige handelnde Person der Geschichte ist. Jedoch finde ich ein personales Erzählen in dritter Person dafür irgendwie kunstvoller und angenehmer zu lesen, weil zwischen Innen- und Außenperspektive gewechselt werden kann. Klar, man kann sich die Handlung durch die Wahrnehmung des Protagonisten schon erschließen, aber ich erkenne keinen wirklichen Mehrwert in dieser Erzählweise.

Die Handlung dreht sich letztlich nur darum, dass er nach langer Zeit verlassen wird, beruflich und privat abstürzt und

letztlich besoffen von Alkohol und Wut einen schlimmen Unfall baut. Das ist im Grunde natürlich nichts Außergewöhnliches, ist aber nicht schlimm. Das Ende finde ich persönlich etwas unrealistisch. Ich mein, die Geschichte spielt doch in Deutschland, oder? Wer hat da bitte eine Knarre im Wagen dabei, wenn er seine schwangere Frau zur Entbindung fährt? Find ich over the top, und auch unnötig. Wäre doch schlimmer, wenn er mit der Schuld leben müsste, oder?
Mit Selbstreflexion hat es der Protagonist aber eh nicht so. Ich mein, dass die Beziehung nach zehn Jahren zerbrochen ist, liegt natürlich nur an der Frau (Hure!) und ihrem Neuen (Spasti!). Diese Gefühle sind zwar im ersten Augenblick nachvollziehbar, aber sollte er sich nicht vielleicht auch irgendwann mal selbst hinterfragen? Hat er keine Freunde, die ihn auffangen? Was ist mit seiner Familie? So wirkt er auf mich wie ein selbstgerechter, unsympathischer Griesgram, bei dem man sich fragt, wie es die Frau überhaupt zehn Jahre lang mit ihm aushalten konnte. Und wahrscheinlich war die Tendenz zu Alkohol und Gewalt in Konfliktsituationen bei ihm schon immer vorhanden - auch das dürfte die Beziehung bereits belastet haben. Aber davon erzählst du nichts. So kommt für mich der Absturz und die Eskalation in dieser Intensität irgendwie zu plötzlich. Wie gesagt, emotional zwar nachvollziehbar, aber längst nicht jeder reagiert nach einer Trennung auf diese Weise. Mach mir noch deutlicher, warum er es nicht packt, damit klar zu kommen, und stattdessen komplett abschmiert!

Schöne Grüße


Guten Morgen,

Ich habe lange Zeit nicht geschrieben, weil mir die Zeit dazu fehlt. Ich habe zwischendurch zwar immer wieder einige Ideen, komme allerdings nicht dazu diese nieder zu schreiben.

Zur Geschichte:
Ich habe mich für diese Perspektive entschieden, um noch etwas deutlicher zu machen, dass die handelnde Figur krankhaft narzisstisch ist, sich selbst für fehlerfrei hält und die Meinung anderer als irrelevant abtut. Da es ihm so völlig an der Fähigkeit zur Reflexion fehlt, muss er natürlich immer andere für alles verantwortlich machen, was in seinem Leben schief läuft. So kommt er auch nicht über seine Trennung hinweg, sondern steckt sozusagen in einer Abwärtsspirale fest.
Der 'selbstgerechte, unsympathische Griesgram' trifft es also schon ganz gut.

 

Zur Geschichte:
Ich habe mich für diese Perspektive entschieden, um noch etwas deutlicher zu machen, dass die handelnde Figur krankhaft narzisstisch ist, sich selbst für fehlerfrei hält und die Meinung anderer als irrelevant abtut. Da es ihm so völlig an der Fähigkeit zur Reflexion fehlt, muss er natürlich immer andere für alles verantwortlich machen, was in seinem Leben schief läuft. So kommt er auch nicht über seine Trennung hinweg, sondern steckt sozusagen in einer Abwärtsspirale fest.
Der 'selbstgerechte, unsympathische Griesgram' trifft es also schon ganz gut.

Okay, den Charakter deines Protagonisten hast du damit auf jeden Fall deutlich rübergebracht. Natürlich macht ihn das alles andere als sympathisch. Und das ist auch okay. Aber in so einen Menschen kann ich mich (auf diese Weise) eben überhaupt nicht einfühlen. Ich bau keine emotionale Verbindung zu ihm auf, hab kein Mitleid mit ihm. Und warum sollte ich so eine Geschichte dann lesen wollen? Du sperrst mich in den Kopf eines griesgrämigen Narzissten, der zwischen besoffenem Selbstmitleid und Hass auf seine Ex, ihren Neuen, seinen Job, andere Verkehrsteilnehmer und generell die ganze Welt hin und her pendelt. Warum sollte ich mir das antun? Welche neue Perspektive eröffnet sich mir dadurch? Wie ein Narzisst tickt, erfährt man hier ziemlich schnell, okay. Aber sonst? Ich finde die Hauptfigur zu einseitig, zu sehr egoistisches Arschloch. Kann man ihn bemitleiden? Eher nicht. Gibt es eine überraschende Wendung, eine weitere Bedeutungsebene? Leider auch nicht.

Kurzgeschichten müssen keine Heldengeschichten sein, ganz im Gegenteil. Sie zeigen oft in gnadenloser Deutlichkeit menschliche und gesellschaftliche Unzulänglichkeiten. Aber wie gesagt, weder kann ich mich in deinen Protagonisten richtig einfühlen, noch eröffnen sich mir durch seine Geschichte neue Perspektiven oder ein größerer Sinnzusammenhang.

Wie stehst du denn persönlich zu deinem Protagonisten? Tut er dir irgendwie leid? Das soll jetzt nicht auf die bescheuerte Frage hinauslaufen, was uns der Autor mit dieser Geschichte sagen will, aber es würde mich halt interessieren, ob du selbst eine emotionale Verbindung zu deiner Hauptfigur aufgebaut hast. Hast du dir Gedanken darüber gemacht, warum er so geworden ist? Oder wie z.B. die Beziehung aussah, die die Frau jetzt nach zehn Jahren plötzlich per WhatsApp beendet hat? Wenn du solch einen Hintergrund zumindest andeuten würde, könnte man sich mit dem Protagonisten auch besser emotional connecten.

 

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