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Und plötzlich sah ich das Foto!
Und plötzlich sah ich das Foto, es war eine alte Aufnahme. Zu sehen waren zwei Jugendliche, in typischen 90er Jahre Klamotten. Labbrige Pullis, Jeans mit leicht ausgestelltem Bein, Buffalos. Wie alt mochten wir gewesen sein? Nach einiger Zeit fiel es mir wieder ein. 1995 war es gewesen. Wir waren 14 und gerade in der 8. Klasse auf dem Gymnasium als das Foto gemacht worden war.
Der Junge, Kai, mit roten Haaren, Sommersprossen und grünen Augen. Als ich daran dachte musste ich unwillkürlich lachen. Seine Sommersprossen waren nicht nur auf der Nase, nein er hatte eigentlich fast überall im Gesicht Sommersprossen. Sogar einige auf dem Ohr.
Als ich mich jetzt so auf dem Bild sah, fand ich mich geradezu albern, wie ich da mit meinen Buffalos stand. Ich weiß aber noch genau wie stolz ich damals war, als ich sie mir gekauft hatte. Mein Vater, der 1991 einen Arbeitsunfall hatte und erst seit ein paar Monaten einen Umschulung zum Feinmechaniker machte, verdiente nicht viel. Meine Mutter war Sekretärin bei einem EDV-Berater, Herr Reisewitz. Voll der Chaot pflegte meine Mutter immer zu sagen. Insgesamt bekam ich meine 20 Mark Taschengeld und damit musste ich hinkommen. Aber ich wollte damals unbedingt meine Buffalos, also hab ich sie mir mühsam zusammengespart. Mit Treppe putzen bei den Nachbarn oder einkaufen für Nachbarn. 4 Monate hab ich gebraucht, dann war es soweit gewesen. Kai und ich fuhren nach Köln wo ich mich dann auf die Suche nach meinen Schuhen machte. Es gab da tausend verschiedene Modelle, in allen Farben. Wobei, wenn ich so drüber nachdenke fällt mir auf das es da eher graue, weiße und schwarze Schuhe gab. Bunt wie heute? Nein, das gab es zu der Zeit nicht! Damals war die Devise noch, bloß nicht auffallen. Meine Buffalos...das letzte Paar in grau weiß. Größe 38. Und welche Größe hatte ich? Natürlich 39. Und nun? Naja ich probierte sie an, und was tut Frau nicht alles wenn es um DIE Schuhe geht. Sie drückten ein wenig, klar bei einer Nummer zu klein, Ich stolzierte durch das Geschäft um zu gucken ob ich das aushalten kann. Nach einigen Runden um die Regale, schmerzten meine Füße doch schon ein klein wenig! Aber das waren sie...diese Schuhe und sonst keine. Also kaufte ich sie. Monate lang hab ich sie getragen, trotz schmerzender Zehen. Mein Selbstbewusstsein erhielt einen richtigen Kick, alle hatten zu dieser Zeit solche Schuhe, jetzt endlich hatte ich sie auch. Dass sie bald schon wieder out sein würden...naja, was kümmerte mich das.
Ich blickte wieder auf das Foto...Aber warum ist es in der Zeitung? Ich begann den Text zu lesen. Es war nur ein kleiner Text.... Ich suche Dich stand da...Kai suchte mich? Aber warum? 15 Jahre waren seit unserem letzten Treffen vergangen. Er war nach Hamburg gezogen weil sein Vater versetzt wurde. Aus unseren Versprechen uns wieder zu sehn wurde nicht viel. Ferienjobs oder sonstige Verpflichtungen hielten uns wohl davon ab...oder wie man auch so schön sagt...aus den Augen aus dem Sinn! Seltsam war es doch gewesen, immerhin war Kai mehr als 10 Jahre lang mein bester Freund gewesen.
Kennengelernt hatten wir uns im letzten Jahr im Kindergarten. Er war mit seinen Eltern gerade in unsere Straße gezogen. Und wie das so ist im Kindergarten...entweder mag man sich oder eben nicht. Verstellungskünste oder Aufschneidereien sind da noch nicht nötig. Man tut was man fühlt und nichts anderes...einfach war's. Als wir im Sandkasten saßen, es war ein schöner Sommertag mit Sonnenschein, kam es zwischen Kai und mir zu einigen Handgreiflichkeiten. Ich wollte mit aller Gewalt die rote Schüppe haben mit der Kai grade fleißig Löcher buddelte. Und wenn ich mir mal was in den Kopf gesetzt hatte, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, konnte ich auch mal rabiat werden. Schon wieder lachte ich, in meiner Erinnerung schwelgend. Also haute ich ihm einfach meinen grünen Eimer über den Kopf. Er schrie auf und brüllte dann direkt wie am Spieß weiter. O weh, damit hatte ich nicht gerechnet. Was sollte ich denn jetzt tun. Ich sah schon wie die Erzieherin auf uns zu gestürmt kam. Ich blickte nach rechts, nach linkes...keine Lösung in Sicht. Also kippte ich mir kurzerhand ein Häufchen Sand ins Gesicht und musste vor lauter Sand in den Augen jetzt auch heulen. Mensch, was war ich doch für ein Biest. Als ich jetzt auch heulte blickte Kai mich auf einmal erschrocken an.
Meine Tränen waren ihm wohl nicht geheuer. Auf jeden Fall hielt er mir plötzlich die Schüppe hin.... Da trockneten die Tränchen aber schnell. Ich nahm die Schüppe und seit dem Tag waren wir die dicksten Freunde. Der arme Kai, der war viel zu nett für mich.
Während der gesamten Grundschulzeit und auch später auf dem Gymnasium war er mein allerbester Freund gewesen. Bis zu dem Tag als er plötzlich wegziehen musste....
Und dann nach 15 Jahren sah ich plötzlich das Foto, in unserer Lokalzeitung.
Ich war gerade von der Arbeit heimgekommen und hatte es mir mit einem Tee auf der Couch gemütlich gemacht... erstmal Zeitung lesen und nun?? Nun saß ich hier und schwelgte in Erinnerungen.
Ich warf einen Blick auf die Uhr.... 21 Uhr, da werde ich wohl in der Redaktion der Zeitung keinen mehr erreichen. So ein Mist. Also morgen.
Den ganzen Abend fielen mir lustige Dinge aus unserer gemeinsamen Zeit ein. Auf unserer Abschlussfahrt nach Guidel zum Beispiel, gab es auf dem Weg zum Strand einen Bauernhof. Am 2. Tag unserer Klassenfahrt stand auf einmal ein Karton mit Küken an der Einfahrt. Zuerst hatten wir die Küken nicht weiter beachtet. Wir liefen fleißig mit unserer Klasse zum Strand...unsere 1. Segelstunde stand an. Nach einem anstrengenden Tag auf dem Meer, kamen wir wieder an dieser Einfahrt vorbei. Dunkle Gewitterwolken versammelten sich am Himmel. Und immer noch stand dieser Karton dort. Morgens hatten wir gesehen das 6 Küken darin gesessen hatten. Jetzt waren es nur noch drei und eins hatte es wohl nicht geschafft. Die anderen beiden waren weg. Kai und ich sahen uns an. Julia und Nina die die Kiste auch gesehen hatten blieben bei uns stehen. Als wir alle das tote Küken betrachteten, konnten wir nicht einfach weiter gehen. Also nahmen wir sie mit. Denkbar schlechte Idee, mitten auf einer Klassenfahrt in einer Jugendherberge. Aber so waren wir...der Karton verschwand hinter Kais Rücken. Julia Nina und ich teilten uns mit Jessi und Anna ein Zimmer. Wie sich herausstellte verguckten die beiden sich auch direkt in die Küken. Somit war das mit der Unterbringung zunächst mal kein Problem. Aber 4 Tage später sollte es zurück nach Hause gehen. Die Küken, die wir mit Vogelfutter gefüttert hatten, piepsten und tobten durch die Kiste. Wie sollten wir sie in den Bus kriegen, geschweige denn, 10 Std ruhig halten. Wir überlegten lange hin und her. Aber uns fiel nichts ein. Nach langen zögern entschlossen wir uns unseren Sportlehrer einzuweihen. Natürlich sagte er das auch den anderen Lehrern. War ja klar...lach. Heute lachte ich drüber, aber alleine bei der Erinnerung an die Strafpredigt bekomme ich heiße Ohren. Naja die Lehrer, nicht umsonst Erwachsen und vernünftig brachten dann die Tierchen in ein Tierheim. Oh weh, was haben wir Mädels geheult. Kai hatte nur still dem Karton hinterherblickend daneben gestanden.
Mit diesen Gedanken ging ich ins Bett...
Am nächsten Morgen, gerädert von einer Traumreichen Nacht, von dessen Details mir allerdings nichts genaues mehr in den Kopf wollte rief ich also in der Redaktion an. Nach einigen Weiterleitungen und jede Menge Knacksen in der Leitung, ertönte eine dunkle Stimme..."Kai Abels. Guten Tag!?" Mir stockte der Atem, sollte es wirklich so sein das Kai wieder in der Stadt war? „Hallo Kai, hier ist Andrea. Ich...." „Andrea...ehrlich? Das gibst ja nicht das Du Dich so schnell meldest." Ich lachte auf, immer noch genauso schnell der Kerl..."Doch, das gibt es. Ich bin's tatsächlich." Wir unterhielten uns eine halbe Stunde lang, viele Erinnerungen wurden herausgekramt, er erzählte mir wie es kam, dass er wieder in Köln war. Er hatte nach dem Journalismus Studium eine Zeitlang in Hamburg bei einer Zeitung gearbeitet. Aber er hatte unsere Heimat immer vermisst. Als er dann das Angebot bekam für eine unserer größeren Lokalzeitungen zu arbeiten, schlug er gleich zu. Seit zwei Wochen war er erst wieder in der Stadt. „Und dann machst Du Dich gleich auf die Suche nach mir?" fragte ich ungläubig. „Ja klar, immerhin warst Du meine beste Freundin!!!"
Das Ganze ist jetzt drei Monate her. Wir sind wieder Freunde...vielleicht sogar ein wenig mehr...wer weiß was die Zukunft noch bringt. Aber das ist eine andere Geschichte!!!