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Und ihre Herzen waren mit Schrecken erfüllt

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23.02.2014
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Und ihre Herzen waren mit Schrecken erfüllt

Ich bin mit euch; so festigt denn die Gläubigen. In die Herzen der Ungläubigen werde Ich Schrecken werfen. Trefft sie oberhalb des Nackens und schlagt ihnen jeden Finger ab!
– Aus dem Koran

Heute würden sie es in die Luft jagen, daran bestand kein Zweifel. Die Löcher waren gebohrt, die Sprengkörper verkabelt. Mit großem Stolz betrachtete Abu Kassem sein Werk.
100 kg Sprengstoff, einmal rundherum um die Zikkurat gelegt – die Arbeit eines ganzen Tages. Wie viel länger hatte es wohl gedauert, dieses Monument einst zu errichten? Jahre? Jahrzehnte? Und wie lange hatte es hier gestanden, unberührt inmitten dieser Wüste? Abu Kassem kannte keine Antwort auf diese Fragen.
Man hatte ihm gesagt, dass das Bauwerk sehr alt sei. Sehr viel älter als der Prophet. Und dass sein Makel vom Antlitz der Welt getilgt werden müsse, am besten vor laufender Kamera. Ohne die Aufnahme war eine solche Sprengung wertlos.
Einen besonderen Anlass, es heute zu tun, gab es nicht. Den gab es nie. Aber irgendwann mussten sie es ja tun, und wenn nur, um den Kuffar im Westen zu zeigen, dass mit ihnen noch zu rechnen war. Dass sie sich nicht einschüchtern ließen von Fernlenkraketen, den Drohnen und anderen feigen Waffen der Amerikaner. Dass Allah mit ihnen war.
Abu Kassem schritt ein letztes Mal die Seiten des Bauwerks ab und kontrollierte die Verkabelung. Zwei Männer folgten ihm in geringem Abstand. Sie trugen AK-47-Sturmgewehre und große Messer an ihren Gürteln. Es waren gute Männer; sie hatten viele Ungläubige getötet und den Ruhm Allahs gemehrt. Für Abu Kassem waren sie wie die eigenen Söhne.
Yalla Samir!“, rief er und winkte den größeren der beiden Männer zu sich heran. „Schau doch bitte, ob du Kamerastativ und Banner auf dem Hügel dort aufstellen kannst.“
Samir nickte und eilte dann zurück zu einem weißen Geländewagen, der etwas abseits der Zikkurat parkte. Der andere, ein hagerer Mudschaheddin mit dichtem, rotem Bart und modischer Sonnenbrille, blieb zu Füßen des Bauwerks stehen und legte den Kopf in den Nacken. Auf der Spitze des Stufentempels flatterte die Fahne der Brigade, rot wie das Blut ihrer Feinde, darauf ein weißer Krummsäbel und die arabischen Worte „Es gibt keinen Gott außer Allah“.
„Nun, mein Bruder, wie denkst du darüber?“ Abu Kassem legte eine Hand auf die Schulter des Mannes, der sich Yussuf al-Britoni nannte, und folgte seinem Blick. „Das ist doch mal ein großer Haufen Steine.“
Yussuf nickt anerkennend. „Im Internet ließ sich ein bisschen was darüber finden. Die Kuffar streiten noch, warum das hier steht. Es gibt keine Spuren einer Stadt oder so. Das alles ist ja erst vor einem Jahr ausgegraben worden.“
„Ja, sie haben die Hälfte ihrer Ausrüstung zurückgelassen, als wir kamen und sind wie Feiglinge in die Stadt geflohen. Wie viel mag ihnen dieser Götzentempel wohl bedeutet haben, wenn sie nicht mal dafür kämpfen wollten?“
Der Rotbart nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie in die Tasche seiner Tarnweste. Seine linke Augenhöhle war leer. Amerikanische Granate.
„Samir hat in einem Kloster einige Meilen südlich von hier ein paar Schriften entdeckt, die die Mönche dort versteckten“, fuhr er fort. „Darin heißt es, dass dies ein böser Ort sei, heimgesucht von Teufeln und Djinns.“
„Achso?“ Abu Kassem spuckte geräuschvoll in den Sand. „Dann ist unser Werk umso gerechter. Was habt ihr mit den Mönchen gemacht?“
Wallah, zwei wollten Schutzgeld zahlen, aber der Abt hat sich geweigert.“ Der Rotbart umschloss den Schaft seines Messers und grinste fröhlich. „Er erfuhr die Barmherzigkeit Gottes, inschallah.“
Samir kam den Hügel hinabgerannt, das Sturmgewehr wippte lustig auf seinem Rücken auf und ab.
Mit rotem Kopf erreichte er den Fuß der Zikkurat.
„Kamera. Steht“, keuchte er und rang nach Luft. „Alles bereit zum Drehen.“
„Gut gemacht, Bruder. Von dort oben können wir die Explosion perfekt einfangen. Ich hätte allerdings gern ein paar zusätzliche Winkel. Das kommt besser.“ Er deutete auf einen Dünenkamm, der die Ausgrabungsstätte nach Süden hin flankierte. „Sei ein guter Junge und film das Ding mit deinem Samsung von da drüben.“
„Klar doch.“ Samir machte kehrt und wollte gerade loslaufen, da hielt Abu Kassem ihn am Arm zurück.
„Was ist noch?“
„Yussuf sagt, dass du bei den Kuffar Schriftrollen gefunden hast?“
„Hab ich. Sie waren in einer Statue versteckt. Ich hab sie gefunden, als ich einen Altar in ihrer Kapelle zerstörte.“
Abu Kassem kratzte sich an der Nase. „Und wo sind diese Papiere jetzt?“
„Na, im Auto. Ich möchte sie in Ramadi zu Geld machen. Für die Brigade natürlich.“
„Hast du sie gelesen?“
„Nicht alle, nur ein bisschen. Sind ziemlich altertümlich geschrieben.“
„Vielleicht können wir ja etwas davon im Video verwenden.“
Samir strich sich mit der linken Hand durch den schwarzen Flaum an seinem Kinn und schien zu überlegen.
„Indirekt, ja. Es geht darum, was für ein Ort das hier früher war.“
„Und woher wussten die Christen das?“
„Gar nicht, die haben den Text nur aufbewahrt. Jedenfalls hat das der Abt gesagt. Es ist die Abschrift eines älteren Textes. Der Autor … Yussuf, du hast doch den Abt befragt. Wie war noch gleich sein Name?“
Yussuf zuckte mit den Schultern. „Irgendein Astronom, der vor tausend Jahren in Damaskus wirkte. Seine Lehren sind haram. Wenn ihr mich fragt, sollten wir die Schriften verbrennen.“
„Ich möchte mir selbst ein Bild machen, dann entscheide ich, was mit den Texten passiert“, entgegnete Abu Kassem und klang dabei strenger, als von ihm beabsichtigt. Er räusperte sich.
„Und dieser Gelehrte, was wusste er über diesen Ort zu berichten?“
Samir schaute betreten zu Boden.
„Nun, diese Zikkurat ist das Haus eines Gottes“, begann er zögerlich. „Eines bösen Gottes, dessen Hunger mit Menschenblut gestillt werden muss. Darum pilgerten die Götzendiener an diesen Ort und opferten bei bestimmten Sternenkonstellationen ihre Erstgeborenen.“
„Was für Hunde“, grunzte Yussuf und kratzte mit seinem Messer über das Mauerwerk. „Jagen wir das Ding endlich hoch und sehen zu, das wir zurück zu unseren Frauen kommen.“
„Gut.“ Abu Kassem ließ die Fingerknöchel knacken. „Diese Opfergeschichte gibt dem ganzen erst die richtig Schärfe. Mit der passenden Musik unterlegt wird das eine Million Clicks auf Youtube machen, inschallah.“
„So Gott will!“, pflichtete Yussuf bei und schob sein Messer zurück in die Scheide.

„Wie sieht es bei dir aus?“ Abu Kassem presste das Walky-Talky an seinen Mund und brüllte gegen den starken Wind, der von Osten her aufgezogen war. Das Funkgerät gab ein Knacken von sich.
„Wir sollten jetzt anfangen“, hörte er Samir aus dem Lautsprecher sagen. „Bevor es noch stürmischer wird.“
Abu Kassem fluchte. Der Himmel hatte sich vor einer halben Stunde schlagartig verdunkelt. Für die Qualität der Bilder war dies natürlich alles andere als vorteilhaft.
„Na gut“, schrie er in das Funkgerät. „Geh trotzdem in Position und halt schön drauf. Erschrick dich nicht vor dem Knall!“
„Was?“
„Du sollst dich nicht erschrecken!“
„Kein Wort verstanden. Ich bin dann soweit. Ende.“
Abu Kassem reichte Yussuf das Funkgerät und stellte sich vor das hektisch flatternde Banner der Brigade.
„Kamera läuft“, sagte Yussuf.
„Feinde Gottes!“, begann Abu Kassem und hob drohend den Zeigefinger gen Himmel. „Allahs Gericht möge über euch kommen wie ein Sturm. Jenen, die den Propheten, alayhi as-salam, spotten, werden die Köpfe auf den Rücken gelegt. Jenen, die die Scharia missachten, werden die Hälse durchgeschnitten wie Vieh auf der Schlachtbank. Jenen, die sich mit den Ungläubigen verbünden, wird Gerechtigkeit widerfahren!“
Yussuf deutete mit einer Handbewegung an, dass er zu leise sprach. Abu Kassem nickte und justierte mit selbstsicherer Geste seine Gürtelschnalle.
„Heute zermalmen wir die letzten Zeugen der Ungläubigen und reinigen dieses Land von den Spuren ihrer Barbarei. Diese alten Steine bedeuten uns nichts. Sie sind so wertlos wie die Kuffar. Ihre Trümmer sind das schönste Denkmal, dass wir zu Ehren Allahs errichten können.“ Er riss seinen Zeigefinger so weit nach oben, als wollte er damit in den Himmel stechen. „Takbir!“, schrie er und in seinen Augen glühte der Zorn auf die Feinde des Propheten.
Allahu Akbar!“, rief Yussuf zurück, erst etwas verhalten, dann aber immer lauter und aggressiver.
Abu Kassem gab ein Zeichen, worauf Yussuf die Kamera auf die Zikkurat richtete.
„So, wie diese Steine zerbersten, werden auch die Lügen der Amerikaner und der Zionisten zerbersten, welche die Feinde Gottes sind.“
Die anschließende Detonation ließ die Erde erzittern. Yussuf hielt sich schützend die Hände vor die Ohren, während Abu Kassem einige Schritte zurückwich. Ein großer Staubpilz bildete sich über der Stelle, wo eben noch der Tempel gestanden hatte und wurde schnell von den Windböen in Richtung Westen getragen. In der Ferne hallte der Donner der Explosion für einige Sekunden nach.
„Wow, habt ihr das gesehen?“, dröhnte Samirs aufgeregte Stimme aus dem Funkgerät. „Wo sind denn die ganzen Steine hin?“
„Hast du alles drauf, Großer?“, wollte Yussuf wissen. Aber als er sah, was Samir meinte, hielt er inne und ließ das Walky-Talky sinken. Der aufziehende Sturm hatte den Staub der Detonation mit sich genommen und gab den Blick auf die Explosionsstelle frei. Doch da war nichts. Kein Trümmerhaufen und auch kein Krater. Nur ein riesiges, klaffendes Loch im Boden. Vom Hügel bis zum Dünenkamm war der Wüstenboden weggesackt.
„Was ist das denn?“, fragte Abu Kassem und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. Das Loch war von rechteckiger Form und erinnerte an einen Schacht, der von ihrer Position aus beinahe senkrecht in die Tiefe führte.
„Vielleicht ein altes Tunnelsystem, das unter der Druckwelle nachgegeben hat“, mutmaßte der Rotbart und klang dabei wenig überzeugt. „Manchmal sind die Anlagen unter einem solchen Tempel größer als der Tempel selbst.“
Aber Abu Kassem schüttelte nur den Kopf und zeigte nach unten. „Aber doch nicht in solchen Ausmaßen. Guck doch mal. Das ist eine Rampe oder so.“
„Eine Rampe für was?“
„Was weiß ich?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich bin Sprengmeister und kein Archäologe.“
„Komm, lass uns abhauen!“, sagte der Rotbart.
„Samir?“, rief Abu Kassem ins Funkgerät. „Wir fahren los. Beweg dich zum Wagen.“
Yussuf begann, dass Kamerastativ abzubauen, hielt dann aber inne und reckte den Kopf in Richtung Abhang.
„Hörst du das?“
Abu Kassem runzelte die Stirn und lauschte angestrengt in das Tosen des Windes. Tatsächlich konnte er jetzt ein Geräusch vernehmen. Ein leises Pfeifen lag in der Luft. Es drang aus dem riesigen Loch und klang, als würde jemand einen langanhaltenden, falschen Ton auf einer Flöte spielen.
Kurz darauf begann der Boden zu vibrieren. Erst war es nur ein leichtes Dröhnen, das unter den Sohlen zu spüren war. Das Kamerastativ geriet ins Schwanken und kippte schließlich nach vorne über.
„Ein Erdbeben!“, hörten sie Samir aus dem Walky-Talky rufen. „Bleibt alle, wo ihr seid!“
Die Worte waren kaum gesprochen, da nahmen die Stöße schon an Stärke zu. Abu Kassem schlug der Länge nach auf den Boden, Yussuf folgte wenige Sekunden später. Das leise Pfeifen war einem schrillen, ohrenbetäubenden Ton gewichen. Ein Orchester verrückt gewordener Flötisten saß in der Tiefe und pustete sich die Seele aus dem Leib.
„Fuck!“, entfuhrt es dem Rotbart, der Mühe hatte, auf dem abschüssigen Untergrund Halt zu finden. Mit jeder Erschütterung rutschte er weiter den Hügel hinab.
„Ramm dein Gewehr in den Sand!“, schrie Abu Kassem ihm hinterher, doch der Lärm aus Wind und unterirdischem Grollen ließ seine Worte ungehört verhallen. Immer schneller glitt Yussuf dem Schlund entgegen. Im Getöse vernahm der Sprengmeister einzelne Wortfetzen, die aus dem Funkgerät zu ihm herüber drangen.
„... normal! Geht nicht an das … Dschahannam … für uns als Warnung geschrieben!“
Der Rotbart war jetzt nur noch wenige Meter von der Kante des Schachts entfernt. Gleich würde er in der bodenlosen Dunkelheit verschwinden.
Dann, mit einem Mal, verstummte das schrille Geräusch und die Erde hörte auf zu zittern. Abu Kassem spuckte Sand, atmete tief ein und robbte an den Rand des Hügels. Einige Meter weiter unter sich sah er Yussuf, der ebenso perplex zu ihm hinauf blickte.
Alhamdu Illahi, ich lebe noch“, lachte der Rotbart und reckte seine Faust in die Luft. „Ich lebe noch!“
„Sieh zu, dass du hier hoch kommst!“
„Ganz komisch riecht es hier“, rief Yussuf zurück und rümpfte die Nase. „Irgendwie so richtig komisch. Ich weiß auch nicht.“
Etwas schob sich aus dem Schacht. Abu Kassem konnte es sehen, aber der Rotbart war bereits auf die Knie gefallen und erbrach sein Frühstück in den Sand. Hinter ihm wuchs ein Ding aus der Tiefe, ein schwarzer, ledriger Schlauch, dessen breiter werdende Spitze in einer Art Kugel endete. Der Fortsatz war gerade mal so groß wie ein Kindskopf, ein wulstiger Knoten, der nach einem unbekannten Takt zuckte und pochte. Der Geruch von Fleisch, das zu lange in der Sonne lag, ging von der Erscheinung aus und schwappte aus der Senke und über Abu Kassem hinweg. Er spürte, wie sein Magen rebellierte und sich unter dem Gestank zusammenzog. Ein saurer Geschmack trat auf seine Zunge.
„Hinter dir, Bruder!“, presste er in einem letzten Versuch hervor, Yussuf auf das Ding aufmerksam zu machen. Aber der Rotbart bemerkte ihn nicht, sondern kniete vornüber gebeugt in seinem eigenen Erbrochenen und wimmerte leise vor sich hin.
Der Schlauch war inzwischen beträchtlich in die Höhe gewachsen, fünf Meter vielleicht, und pulsierte mit zunehmender Intensität. Mit einem schmatzenden Geräusch öffnete sich der Knoten und entblößte ein faustgroßes Organ, dessen Oberfläche mit Nesselfäden überzogen war.
„Die Hand Shaitans“, hauchte Abu Kassem, dessen Entsetzen nun blanker Panik gewichen war. Er griff nach seiner Kalaschnikow und zielte. Seine Arme zitterten. Die erste Salve verfehlte den Schlauch um einige Meter. Die zweite traf das schwarze Fleisch, zeigte aber keinerlei Wirkung. Stattdessen wurden die Fäden immer länger und berührten Yussuf schließlich am Rücken. Der Rotbart schrie wie ein Tier, als die Spitzen mühelos durch seine Kleidung und in das darunterliegende Fleisch drangen. Dann wurde er in die Höhe gehoben, als hätte man seinen Körper an einem Kranseil befestigt.
Abu Kassems Augenlieder flatterten. Der Anblick des zappelnden Mannes in den Fängen dieser Erscheinung war zu viel für ihn. Ein langgezogener Schrei entwich seiner Kehle. Dann rollte er auf den Rücken und begann zu schluchzen.

Samir ließ das Funkgerät sinken und starrte fassungslos auf das Schauspiel, dass sich ihm auf der anderen Seite der Senke bot. Yussuf klebte wie ein Insekt in den Fängen einer tödlichen Pflanze und zeigte kaum noch Anzeichen von Leben. Abu Kassem lag am Rand des Hügels und schien ohnmächtig geworden zu sein.
Er musste von hier weg, nur noch weg. Ungefähr hundert Meter von seiner Position entfernt parkte der weiße Geländewagen und hatte das Beben zumindest äußerlich unbeschadet überstanden. Ohne lange zu überlegen, stolperte Samir die Düne hinunter und hielt auf das Auto zu. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie die fremdartige Kreatur aus den Tiefen Yussufs Taille jetzt völlig umschlossen hatte und langsam in den rüsselartigen Körper zog. Ein gurgelndes Röcheln ertönte und Knochen knackten, als das Becken des Kämpfers unter dem Druck der Umklammerung nachgab und brach.
In Samirs Ohren rauschte das Blut. Noch immer war der Jeep viel zu weit entfernt. Wind peitschte ihm entgegen und seine Beine zitterten vor Überanstrengung. Mehrmals stolperte er, fiel in den Sand und musste sich mühsam wieder aufrappeln. Auch konnte er jetzt die Ausdünstungen der Erscheinung riechen. Es war ein Aasgestank, nicht unvertraut, aber tausendmal intensiver, als alles, was er bisher in seinem Leben gerochen hatte. Tränen traten ihm in die Augen.
Völlig außer Atem erreichte er schließlich die rettende Autotür, riss sie auf und schwang sich hinter das Steuer. Das Funkgerät hatte er auf der Düne zurückgelassen, aber immerhin steckte der Zündschlüssel noch in seiner Hosentasche. Es brauchte ein paar Anläufe, bis er das Schloss traf.
„Komm schon, nun komm schon“, keuchte er, während seine Augen weit aufgerissen in den Rückspiegel starrten. Ein zweiter Schlauch, ebenso gewaltig wie der erste, war nun hinter dem Hügel aufgetaucht und wuchs in den Himmel.
Stotternd sprang der Motor an. Samirs Herz machte einen Satz. Er legte den Geländegang ein und nahm den Fuß von der Kupplung. Dröhnend drehte der Motor auf. Die Reifen suchten nach Halt. Dann zuckte der Wagen einen halben Meter nach vorne. Und blieb stehen.
„Scheiße!“
Noch einmal startete Samir den Motor, ließ die Kupplung kommen und drückte aufs Gas. Links und rechts schossen Sandfontänen an den Fenstern vorbei, dann kam der Wagen in Fahrt. Zur Rechten lag eine schmale Zufahrtsstraße, die die Ausgräber angelegt hatten. Er schlug das Lenkrad ein und hielt auf sie zu.
Plötzlich bemerkte er eine Bewegung im Rückspiegel. Jemand lief ihm hinterher und fuchtelte dabei wie wild mit den Armen. Es war Abu Kassem.
Samir bremste scharf, stieß die Beifahrertür auf und ließ die Hupe ertönen.
„Los jetzt!“. schrie er und seine Stimme klang dabei so brüchig wie rissiges Papier. Aber Abu Kassem kam nur langsam voran. Immer wieder geriet der Mann ins Schlingern und drohte umzukippen. Eine große Wunde klaffte auf seinem Oberkörper.
„Oh Mann.“ Samir schüttelte resigniert den Kopf. „Es tut mir so leid!“
Im Rücken des Verletzten war ein dritter Schlauch aufgetaucht und begann, über den Rand des Hügels hinweg nach neuer Beute zu suchen. Das fremdartige Sinnesorgan glitt dicht über dem Boden und folgte Abu Kassems Blutspur. Durchsichtige Nesselfäden zuckten nach vorne. Doch der Sprengmeister merkte nicht, dass der Tod ihm auf den Fersen war. Unbeirrt hielt er auf den parkenden Geländewagen zu.
Samir schloss die Tür und rollte weiter in Richtung Zufahrtsweg – erst langsam, dann immer schneller. Auf keinen Fall konnte er zulassen, dass dieses Ding noch näher an ihn herankam. Der Abstand zu Abu Kassem wuchs, bis dieser nur noch ein dunkler Fleck im Rückspiegel und schließlich ganz aus seinem Sichtfeld verschwunden war.

Mit versteinerter Miene starrte Samir auf den Weg. Im Westen neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen und entflammte das Land in tiefrotem Licht. Rauchsäulen stiegen in der Ferne auf, vielleicht die Spuren eines Gefechts. Er machte kehrt und fuhr in die entgegengesetzt Richtung. Nach einiger Zeit bemerkte er, dass seine Hände so fest um das Lenkrad geklammert waren, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Er lockerte den Griff und holte tief Luft. Langsam fiel die Anspannung von ihm ab, doch sein Verstand war von einer seltsamen Schwere erfüllt. Die Gedanken flossen träge dahin und waren trotzdem kaum zu fassen. Ihm war, als ob jemand seine Erinnerung genommen, und durch Watte ersetzt hatte.
Er blickte zur Tankuhr. Das Benzin reichte noch knapp für 300 Kilometer Strecke, das war alles, was ihn im Moment interessierte. Ohne Ziel fuhr er in die Nacht, während die ersten Sterne kalt und hämisch vom Firmament auf hin herab funkelten.
Bei Anbruch des nächsten Morgens bemerkte er ein Schimmern am Horizont. Zunächst konnte er kaum etwas erkennen, doch je näher er kam, umso deutlicher wurde das Bild. Es waren Jeeps. Eine Kolonne aus Geländewagen schob sich ihm auf der sandigen Piste entgegen. Bärtige Männer in Tarnkleidung, bewaffnet mit russischen MGs und Panzerfäusten, saßen auf den Ladeflächen und deuteten bereits aus der Ferne in seine Richtung. Über dem vordersten Auto flatterte die Fahne der Brigade.
Samir bremste und wartete. Die Sonne hob sich als glühender Feuerball über die Hügelkette im Osten und brachte die Luft über der Straße zum Flimmern. Knirschend kamen die Reifen vor ihm zum Stehen. Es waren gut ein Dutzend Fahrzeuge, alles nagelneue Modelle. Jemand rief ihm zu, er solle seine Hände zeigen. Samir gehorchte.
„Wer bist du?“ Ein dicker Mudschaheddin mit ergrautem Bart stieg aus dem ersten Fahrzeug. Er trug eine Kalaschnikow und deutete mit dem Lauf auf Samir. „Was hast du allein hier draußen verloren?“
Samir bemerkte sofort, dass das Arabisch des Mannes hölzern war. Er sprach mit starkem Akzent und sein Aussehen war wenig typisch für diese Region. Vermutlich gehörte er zu einer Abordnung tschetschenischer Kämpfer, die diesen Sektor hier kontrollierten.
„Was ist, bist du taub?“, fragte der Dicke gereizt.
Weitere Männer stiegen aus ihren Wagen oder sprangen von den Ladeflächen. Einige näherten sich der Kolonnen-Spitze.
„Ich heiße Samir al-Haznam.“
„Und kannst du dich ausweisen, Samir al-Haznam?“ Der Tschetschene verzog argwöhnisch das Gesicht. „Ich habe dich hier noch nie gesehen.“
Samirs Griff ging an die Westentasche, um seinen Ausweis zu zeigen. Aber die Tasche war leer. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt.
„Irgendwo hier muss ich ihn haben. Etwas Geduld bitte. Gleich finde ich ihn.“
Er durchsuchte die anderen Taschen, drehte alle nach außen, kontrollierte jede Möglichkeit zweimal. Aber der Ausweis blieb verschwunden. Bestürzt starrte er auf den Boden.
„Muss ihn verloren haben.“
„Mein Sohn, schau mich an ...“, sagte der Tschetschene jetzt mit einem fast zärtlichen Ton in der Stimme. „Du musst keine Angst haben. Wenn du ehrlich zu mir bist, wird dir nichts geschehen. Verstehst du?“
Samir nickte, schwieg aber weiterhin.
„Also, was machst du allein hier draußen? Und woher hast du diesen Wagen?“
„Ich gehöre zur Brigade. Ich diene unter Abu Kassem beim Sprengkommando.“
„So so“, brummte der Mann. „Und wo ist Abu Kassem jetzt?“
„Er ist tot.“
Der Mann stieß ein scharfes Zischen aus und biss sich auf die Unterlippe. „Tot sagst du? Wie ist er gestorben?“
„Er starb … bei einer Explosion. Es gab einen Unfall.“
„Wo ist das gewesen?“
„Bitte, das kann ich nicht sagen. Ich muss nach Ramadi und mit einem direkten Vorgesetzten sprechen.“
Der Tschetschene stieß ein kehliges Lachen aus. „Du bist weit weg von Ramadi, mein Sohn“, grunzte er sichtlich amüsiert und der Patronengurt auf seiner Brust bebte dabei. „Hier bin ich dein Vorgesetzter. Und wenn du mich fragst, dann haben wir hier einen Fahnenflüchtigen aufgegriffen, der sich nach Norden absetzen wollte.“ Er gab ein Zeichen. „Durchsucht den Jeep!“
„Nein bitte, ich ...“ Die Faust des Tschetschenen traf Samir frontal am Kinn und fegte ihn von den Beinen. Gleich darauf spürte er den Stiefel des Mannes auf seinem Hinterkopf. Der Dicke verlagerte sein ganzes Gewicht auf das Bein und presste ihn tief in den Staub. Samir bekam kaum noch Luft. Männer liefen an ihm vorbei und begannen, den Geländewagen zu durchsuchen. Er konnte hören, wie sie auf Russisch miteinander diskutierten. Dann hob sich der Stiefel und Samir konnte wieder frei atmen.
„Was haben wir denn hier?“ Der Tschetschene wedelte mit einem Satz alter Schriftrollen vor seinem Gesicht. „Was sind das für Aufzeichnungen?“
Wieder sagte jemand etwas auf Russisch.
„Genau. Sieht antik aus.“ Die Augen des Dicken überflogen den Text, dann schüttelte er den Kopf. „Das Gekrakel eines Wahnsinnigen.“ Er drehte sich zu seinen Kämpfern und gluckste vor Freude, als er in schlechtem Arabisch aus dem Text zitierte.
„Schrecklich sind die namenlose Dingen, die unter dem Sand der Länder des alten Babylons in Höhlen und Tunneln hausen und von denen die Tafeln sagen, dass SIE Götter seien, die vor Anbruch des Menschengeschlechts von den Sternen kamen. Das Volk von K’n-yan stieg zu ihnen hinab. Im urzeitlichen Mu verehrte man sie an grässlichen Altären aus schwarzem Basalt. Das vergessene Sarnath fürchtete sie. Kadath in der kalten Wüste hat sie gesehen, doch welcher Mensch kennt Kadath?“
Einige der Männer lachten verhalten, anderen zuckten nur mit den Schultern oder schauten mit leerem Blick in die Ferne.
„Davon hast du dir auf dem Schwarzmarkt sicher eine ganz hübsche Summe erhofft.“
Samir schüttelte mit dem Kopf, aber er war viel zu müde, um sich noch weiter zu wehren. Ein dünnes Rinnsal Blut versickerte vor seinen Augen im Sand. War es sein eigenes?
„Genug damit, mein Sohn. Du kennst das Gesetz. Möge Allah deiner Seele gnädig sein.“
Samir wurde von starken Händen gepackt und in eine aufrechte Position gezerrt. Jemand legte ihm von hinten eine Binde um die Augen und zog sie grob in seinem Nacken fest. Er biss die Zähne zusammen, als er aufgerichtet und an einen anderen Ort gebracht wurde. Sie gingen nur wenige Schritte. Wieder wurde er zu Boden gedrückt, diesmal in eine kniende Position. Eigentlich hätte er Angst fühlen müssen, aber er blieb ganz ruhig.
„Kamera läuft“, hörte er noch eine Stimme sagen. Dann kam das Messer.

 
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Guten Morgen,

ja, die Geschichte ist durchaus von Lovecraft inspiriert, aber soll mitnichten ein reines Pastiche sein.
Ich schrieb sie unter dem Eindruck aktueller Geschehnisse im Nahen Osten, die mich beschäftigen. Als Archäologe sehe ich die Zerstörung von Nimrut und Palmyra durch die Hände von fanatischen Barbaren und stehe hilflos davor. Wut sucht sich ein Ventil. Mit dieser Geschichte nehme ich literarische Rache. Nicht nur, indem ich die Mudschaheddin durch den sprichwörtlichen Fleischwolf drehe, sondern auch, in dem ich ihren Glauben als die wahre Barbarei entlarve.

 
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Hi Exilfranke,

Alter, damit hast du mich voll erwischt. Eigentlich wollte ich nur kurz reinlesen, aber gleich nach den ersten Sätzen bin ich richtig hängengeblieben. Das ist eine exzellente Geschichte, meiner Meinung nach deine beste, kann aber auch daran liegen, dass ich kein expliziter Fantasy-Fan bin, und dieser Text meinem Sujet entspricht.
Ich finde, du machst hier echt alles richtig. Angefangen von den Figuren, die du (zum Glück) nicht als Abziehbildchen-Monster darstellst, sondern als echte Menschen, die auch ambivalent sein können auf ihre Art, die modische Sonnenbrillen tragen und scharf auf Youtube-Likes sind. Auch die ganzen kleinen arabischen Floskeln hast du toll und richtig angewendet, inschallah, Kuffar, richtig klasse und macht die Story richtig authentisch. Ich finde, was der Reiz bei dieser Geschichte ausmacht, ist eben genau das, dass man eintauchen kann in IS-Kreisen, dass man echt das Gefühl hat, da gerade zuzuschauen. Das sind so Details wie, dass tschetschenische Kämpfer für ein gewisses Gebiet zuständig sind usw.
Ja, auch das Horror-Element hat mir gut gefallen, die Krakenarme, die da aus dem Boden kommen ... und die unvorhergesehene Wendung zum Schluss, dass der Prot aufgegriffen wird und von anderen Rebellen hingerichtet wird, sowas gibt einer Geschichte das i-Tüpfelchen. Also ich habe da gar nichts zu meckern, diesmal kriegst du nur Lob. Ach doch, und zwar das vorangestellte Zitat: Das habe ich mir nicht durchgelesen. Das war irgendwie für mich ziemlich lahm, also ich würde gleich mit dem Text anfangen, aber das ist reine Geschmackssache.
Du hast noch ein, zwei Tippfehler drinnen, v.a. dass/das-Fehler, da würde ich noch mal drüberschauen, nur des Perfektionismus Willen. ;)


Langsam fiel die Anspannung von ihm ab, doch sein Verstand war von einer seltsamen Schwere erfüllt. Die Gedanken flossen träge dahin und waren trotzdem kaum zu fassen. Ihm war, als ob jemand seine Erinnerung genommen, und durch Watte ersetzt hatte.
das ist für mich der beste Satz. Echt ganz große klasse.

Er konnte hörte, wie sie auf Russisch miteinander diskutierten.
Er konnte hören

Wirklich, das ist eine sehr sehr sehr gute Geschichte, ich könnte mir vorstellen, dass das empfohlen wird.

Viele Grüße,
zigga

 
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Sie schreien "Allahu Akbar", ich schreie "Ph'nglui mglw'nafh Cthulhu R'lyeh wgah'nagl fhtagn"!

Das hat mir echt sehr gut gefallen.

Die Terroristen, die sich wie ein Kamerateam benehmen, während sie ihren Anschlag vorbereiten, die Bigotterie, das Vorgehen, als sei das ein weiterer Tag auf der Baustelle - und dann irgendein Ding, Blut, Blut, Eingeweide und Krawall. Karma eben.

Da sticht der Exilfranke hervor und etwas Anderes hätte ich mir von dir auch nicht gewünscht. Und wie sehr ich mir gewünscht hätte, dass den Vollidioten da unten genau dasselbe zugestoßen wäre.

Heute mal kein Gemecker von meiner Seite. Die Geschichte hat mir ausnehmend gut gefallen.

 
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Lieber zigga,

Das ist eine exzellente Geschichte, meiner Meinung nach deine beste, kann aber auch daran liegen, dass ich kein expliziter Fantasy-Fan bin, und dieser Text meinem Sujet entspricht.

wow, das ist ja mal eine positive Rückmeldung, die mich aus den Socken haut. Vielen Dank für dieses Lob.

Ich finde, du machst hier echt alles richtig. Angefangen von den Figuren, die du (zum Glück) nicht als Abziehbildchen-Monster darstellst, sondern als echte Menschen, die auch ambivalent sein können auf ihre Art, die modische Sonnenbrillen tragen und scharf auf Youtube-Likes sind.

Möglicherweise habe ich mit im Rahmen der Recherche ein wenig zu intensiv mit den Gepflogenheiten und der Denke des IS beschäftigt als gesund ist. Einige Bilder, die ich gesehen habe, werde ich nun nicht mehr los. Leider. Es war für mich daher auch eine Gratwanderung, wie menschlich ich dieses Idioten darstellen sollte. Aber das sind nun mal Produkte unserer Zeit. Der IS ist ein modernes Phänomen, das sich zwar einer archaischen Vorstellungswelt bedient, aber vom ganzen Handeln her in den Gepflogenheiten des 21. Jhds. und des Kommunikationszeitalters verhaftet ist. Das wollte ich zur Geltung bringen. Die Geschichte sollte darüberhinaus keine reine Hass-Fantasie sein, aber ich wollte die Schweine leiden lassen. Es gab eine Version, die war holzschnittartiger, aber das hat nicht funktioniert. Mir ist das nicht immer leicht gefallen.

Ich finde, was der Reiz bei dieser Geschichte ausmacht, ist eben genau das, dass man eintauchen kann in IS-Kreisen, dass man echt das Gefühl hat, da gerade zuzuschauen. Das sind so Details wie, dass tschetschenische Kämpfer für ein gewisses Gebiet zuständig sind usw

Gut, dass das auch so rüberkommt. Ich hatte mich beim Schreiben übrigens ganz bewusst für eine namenlose "Brigade" entschieden. Klar, der IS ist gemeint, aber ich wollte es bei den deutlichen Parallelen belassen.

und die unvorhergesehene Wendung zum Schluss, dass der Prot aufgegriffen wird und von anderen Rebellen hingerichtet wird, sowas gibt einer Geschichte das i-Tüpfelchen.

Genau. Am Ende landen wir wieder in der Realität, wo die wahren Monster zu Hause sind.

Das habe ich mir nicht durchgelesen. Das war irgendwie für mich ziemlich lahm, also ich würde gleich mit dem Text anfangen, aber das ist reine Geschmackssache.

Da war ich mir selbst nicht sicher. Ich glaube, damit nehme ich bereits zu viel vorweg. Deswegen habe ich es jetzt herausgenommen.

Vielen Dank für dein überwältigendes Feedback. Ich freue mich.

Lieber NWZed,

Die Terroristen, die sich wie ein Kamerateam benehmen, während sie ihren Anschlag vorbereiten, die Bigotterie, das Vorgehen, als sei das ein weiterer Tag auf der Baustelle - und dann irgendein Ding, Blut, Blut, Eingeweide und Krawall. Karma eben.

Karma is a bitch.

Heute mal kein Gemecker von meiner Seite. Die Geschichte hat mir ausnehmend gut gefallen.

Danke für deine positive Einschätzung. War mal ein Versuch, etwas mit Realitätsbezug zu schreiben. Die Realität hat mir die Story quasi abgenötigt, normalerweise meide ich sowas ja aus gutem Grund. Aber hier war es eine Art Bewältigung. Klar, niemandem ist damit geholfen, aber zumindest konnte ich meiner Verachtung Ausdruck verleihen.

Ftaghn!

Exilfranke :)

 

Lieber Exilfranke,

es ist schon von der Grundprämisse ziemlich schwierig einen einigermaßen ordentlichen Text zu einer aktuellen politischen Situation zu schreiben, der nicht seicht ist und allzusehr der Nachrichtenlage geschuldet, ja tendenziös ist.

Aber dieser Text schafft es gleichzeitig spannend zu sein. Wirklich gelungen, weil er es schafft, nur zu beschreiben und gar nicht erst in dümmlichem Moralgeschwafel zu versickern.
Klasse Dialogführung, lebendige Charaktere, alles sehr durchdacht und ausgezeichnet komponiert.
Ja, das schreit nach einer Empfehlung :) Wer organisiert das eigentlich?
Einige deiner Texte sind einfach nur spannend und unterhaltend, dieser Text ist weitaus mehr. (Vielleicht solltest du ja des öfteren aus Wut und Ohnmacht heraus schreiben :))
An manchen Stellen vielleicht zu plakativ und sicher könnte man auch versuchen tiefer in das Denken dieser Männer einzudringen...

Mal schauen, ob ich im noch Einzelanmerkungen zusammen bekomme:

Nicht ohne Stolz betrachtete Abu Kassem sein Werk.
zweifelt er ? warum nicht: mit großem Stolz?

Und das sein Makel vom Antlitz der Welt getilgt werden müsse, am besten vor laufender Kamera.
Dass sein Makel ... oder noch eleganter: sein (der) Makel müsse....

wenn nur, um den Kuffar im Westen zu zeigen, dass mit ihnen noch zu rechnen war.
noch zu rechnen? ich würde das Füllwort weg lassen...

„Er erfuhr die Barmherzigkeit Gottes, inschallah.“
denken die wirklich so?

„Sei ein guter Junge und filme das Ding mit deinem Samsung von da drüben.“
mit dem Samsung =? sagt das jemand so?

„Hast du sie gelesen?“
„Nicht alle, nur ein bisschen. Sind ziemlich altertümlich geschrieben.“
du bist ja der spezialist; ist es einem einfachen araber möglich diese schrift zu lesen?

Darum pilgerten die die Götzendiener an diesen Ort und opferten bei bestimmten Sternenkonstellationen ihre Erstgeborenen.“

wird das eine Million Clicks auf Youtube machen, inschallah.“
„So Gott will!“,
besser noch mal inschallah...

„So, wie diese Steine zerbersten, werden auch die Lügen der Amerikaner und der Zionisten zerbersten, welche die Feinde Gottes sind.“
in der Erregung verwendet wohl kaum einer einen relativsatz mit "welche" besser womöglich: die lügen der amerikaner und zionisten, der feinde allahs....

„Ganz komisch riecht es hier“,
eigenartig klingt vielleicht besser, komisch passt nicht in den sprachduktus zuvor...

„Sieh zu!“ schrie er
hier verstehe ich nicht, was gemeint ist...

„Muss ihn verloren haben.“
„Mein Sohn, schau mich an.“, sagte der Tschetschene jetzt mit einem fast zärtlichen Ton in der Stimme. „Du musst keine Angst haben. Wenn du ehrlich zu mir bist, wird dir nichts geschehen. Verstehst du?“
Samir nickte, schwieg aber weiterhin.
„Also, was machst du allein hier draußen? Und woher hast du diesen Wagen?“
ff.: sehr guter Dialog

Mehr davon bitte :) !

viele Grüße
Isegrims

 
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Moin Isegrims,

„Er erfuhr die Barmherzigkeit Gottes, inschallah.“

denken die wirklich so?


Nun, zumindest reden sie so. Da schwingt immer viel Zynismus, Nihilismus und Verachtung mit. Wenn du sowas abkannst, dann schau dir mal ein Interview mit Denis Cuspert (früher Deso Dogg, jetzt Abu Talha al-Almani) an und achte darauf, wie sich da gebärdet wird. Fromme Phrasen werden dort mit süffisantem Grinsen vorgetragen, als wolle man gar nicht erst verbergen, nur einen Grund zum Schlachten von Menschen zu suchen. Das Todenhöfer-Interview mit dem deutschen Konvertiten und Jihadisten Abu Qatadah ist auch sehr aufschlussreich.

es ist schon von der Grundprämisse ziemlich schwierig einen einigermaßen ordentlichen Text zu einer aktuellen politischen Situation zu schreiben, der nicht seicht ist und allzusehr der Nachrichtenlage geschuldet, ja tendenziös ist.

Erwischt. Neulich noch sprachen wir darüber, und ich sagte dir, dass ich zur Gegenwart nichts zu sagen habe. Nun ist es aber doch passiert, wenn auch auf meine eigene Art und Weise.

Aber dieser Text schafft es gleichzeitig spannend zu sein. Wirklich gelungen, weil er es schafft, nur zu beschreiben und gar nicht erst in dümmlichem Moralgeschwafel zu versickern

Ich glaube, manche Dinge sind so schrecklich, dass sie keiner Überzeichnung und moralischem Kommentar bedürfen.

Klasse Dialogführung, lebendige Charaktere, alles sehr durchdacht und ausgezeichnet komponiert.

Vielen Dank. :)

Einige deiner Texte sind einfach nur spannend und unterhaltend, dieser Text ist weitaus mehr. (Vielleicht solltest du ja des öfteren aus Wut und Ohnmacht heraus schreiben).

Ich hoffe insgeheim, dass mir die Realität nicht noch weitere Steilvorlagen bietet. Allerdings bleibt wenig Grund zu Optimismus, nicht wahr?

Nicht ohne Stolz betrachtete Abu Kassem sein Werk.

zweifelt er ? warum nicht: mit großem Stolz?


Ja, das klingt absoluter. Find ich gut, habe es entsprechend geändert.

wenn nur, um den Kuffar im Westen zu zeigen, dass mit ihnen noch zu rechnen war.

noch zu rechnen? ich würde das Füllwort weg lassen...


Manchmal tun Füllwörter Not, um die Satzmelodie klingen zu lassen. Ohne das "noch" klingt der Satz nicht mehr rund, der Textrythmus ist gestört.

In diesem konkreten Fall erfüllt das "noch" allerdings noch einen anderen Zweck. Es spielt auf den Mechanismus der IS-Ideologie an, den Westen mit immer heftigeren und aufsehenerregenden Akten der Zerstörung zu schockieren. Standrechtliche Erschießungen, wie zu Beginn der Arabellion, locken niemanden im Westen mehr hinterm Ofen hervor ... schon gar nicht die Medien. Und die will man ja erreichen. Also ging man erst dazu über, die Köpfe abzuschneiden (ich betone das so deutlich, weil in den Medien häufig nur von "Köpfen" die Rede ist, was für mich eine Verharmlosung des Tatbestands darstellt), später dann Menschen bei lebendigem Leib zu verbrennen oder zu kreuzigen. Der IS bedient damit sozusagen auch den Mechanismus unserer Medien nach Superlativen und singulären Ereignissen (+++breaking news+++), muss ihn bedienen, sonst verschwindet er in der medialen Bedeutungslosigkeit. Der nächste gesprengte Palmyra-Tempel wird bereits ein weit geringeres mediales Echo hervorrufen, als es der erste tat. Irgendwann werden die Gizeh-Pyramiden dran glauben müssen. Das alles schwingt in dem Wörtchen "noch" mit.

„Sei ein guter Junge und filme das Ding mit deinem Samsung von da drüben.“

mit dem Samsung =? sagt das jemand so?


Ja, mhhh. Weiß nicht. Habs mal mit Smartphone ersetzt.

du bist ja der spezialist; ist es einem einfachen araber möglich diese schrift zu lesen

In diesem Fall ist es ja nur die Abschrift eines antiken Textes. Nehmen wir mal an, die Kopie der Mönche ist 200 Jahre alt, dann wäre es für einen alphabetisierten Araber kein Problem, diese zu lesen.

wird das eine Million Clicks auf Youtube machen, inschallah.“
„So Gott will!“,

besser noch mal inschallah...


Stand da am Anfang, aber das klang nicht schön. Geschrieben klingen Doppelungen nie schön. Ich habe mich dazu entschlossen, hier die deutsche Übersetzung zu wählen. Für mich funktioniert das. Nicht jeder Leser mag wissen, was inschallah heißt, insofern hatte ich hier die Chance, das einmal übersetzt einfließen zu lassen.

in der Erregung verwendet wohl kaum einer einen relativsatz mit "welche"

besser womöglich: die lügen der amerikaner und zionisten, der feinde allahs....


Darüber denke ich nochmal gründlich nach.

Sieh zu!

hier verstehe ich nicht, was gemeint ist...


Haha, das liegt daran, dass "Sieh zu!" anscheinend ein norddeutscher Ausdruck ist. War mir bis eben gar nicht bewusst, aber diese Redewendung nicht überall gleichermaßen verstanden zu werden.

"Sieh zu, dass du Land gewinnst", das heißt so viel wie "Beeil dich". Im Text steht nun "Los jetzt!"

Isegrims, vielen Dank für deine fundierte und anregende Kritik! War mir ein Vergnügen, mich damit auseinandersetzen zu dürfen. :)

Exilfranke

 

„So, wie diese Steine zerbersten, werden auch die Lügen der Amerikaner und der Zionisten zerbersten, welche die Feinde Gottes sind.“
in der Erregung verwendet wohl kaum einer einen relativsatz mit "welche" besser womöglich: die lügen der amerikaner und zionisten, der feinde allahs....
Darüber denke ich nochmal gründlich nach.
Nur kurz: Ich finde, das mit dem Relativsatz passt. Die Mudschaheddin reden ja hier kein Deutsch, die propagieren die Sprengung auf Arabisch, und würde man das 1:1 ins Deutsche übersetzen, würde das so heißen und der Relativsatz nicht aufgesetzt wirken. Also das kommt vom Satzklang eher authentisch rüber, wenn da der Relativsatz steht. Aus Interviews oder Videoausschnitten, die ins Deutsche übersetzt sind, hört man die ja auch immer so reden, in dem Duktus - zumindest kommt das mir so vor. Nur so ein Gedanke, weil mir das beim Lesen schon aufgefallen ist, und mir das aber gut gefallen hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Exilfranke,

hier muss ich meinen Respekt einbringen vor Deiner Courage, diese Geschichte zu schreiben. Astreiner Stil, völlig überzeugend, aufwendig recherchiert und mit viel, viel Fleiß in die richtige Form gebracht. Hut ab!
Sicherlich schreibt man komprimierter, eindringlicher, wenn im Brustkasten eine Flamme lodert. An dieses Scheißthema wagen sich nur die Besten! Das ist mein erster Eindruck.
Ich habe Deine Geschichte dreimal gelesen. Und dann wusste ich, warum.
Du avisierst im Nachtrag:

Nicht nur, indem ich die Mudschaheddin durch den sprichwörtlichen Fleischwolf drehe, sondern auch, in dem (indem) ich ihren Glauben als die wahre Barbarei entlarve.
Hier würde ich deren Barbarei nicht als Glauben bezeichnen, das sind verschiedene Schuhe. Sie benutzen den Glauben als Vorwand für ihre Schweinereien.
Aber ich lese auch:
Ich bin mit euch; so festigt denn die Gläubigen. In die Herzen der Ungläubigen werde Ich Schrecken werfen. Trefft sie oberhalb des Nackens und schlagt ihnen jeden Finger ab!
– Aus dem Koran

Aus dem Koran?
Da muss ich zurückrudern. Dann sollte dieses Buch auch nicht von Salafisten auf deutschen Marktplätzen verteilt werden – denn was ist das? Anstiftung zu Mord, zu Terror, Volksverhetzung für den muslimischen Teil unserer Bevölkerung?


Ein paar Belanglosigkeiten zwischendurch:

... und reinigen dieses Land vor (von) den Spuren ihrer Barbarei.
War es sein Eigenes?
... dass seine Hände so fest um das Lenkrad geklammert waren, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

Etwas abgegriffen.
... eine ganz hübsche Summer erhofft.“
Er konnte hören, wie sie auf Russisch miteinander diskutierten.
Tschetschenen sprechen unter sich tschetschenisch – vermute ich?
„Schrecklich sind die namenlose Dingen, die unter dem Sand der Länder des alten Babylons in Höhlen und Tunneln hausen und von denen die Tafeln sagen, dass SIE Götter seien, die vor Anbruch des Menschengeschlechts von den Sternen kamen. Das Volk von K’n-yan stieg zu ihnen hinab. Im urzeitlichen Mu verehrte man sie an grässlichen Altären aus schwarzem Basalt. Das vergessene Sarnath fürchtete sie. Kadath in der kalten Wüste hat sie gesehen, doch welcher Mensch kennt Kadath?“
Hier, mein sehr verehrter Exilfranke, habe ich das Gefühl, dass Du nach guter alter Fantasy-Manier die Erde verlässt. Ist viel Text, der die Geschichte unnötig in die Länge zieht.

Insgesamt hätte ich mir mehr ungekünstelte Darstellung des marodierenden Wahnsinns erhofft. Bilder, die den Leser schocken und betroffen machen. Die ihm klarmachen, dass dieser Irrsinn heute und morgen – und nicht in der Märchenstunde geschieht. Dieser Wüstenschlauchkrake war mir unnötig beim Ernst Deiner Geschichte. Du hast das heiße Eisen angefasst, aber nicht geschmiedet. Das hätte eine aufwühlende Anklage sein können, statt Märchenpanorama hätte sie von geschändeten Mädchen und gekreuzigten Opfern berichten müssen.

Ich sag das nur, weil Du im Nachtrag schreibst:

Wut sucht sich ein Ventil. Mit dieser Geschichte nehme ich literarische Rache.
Von Wut und Rache habe ich andere Vorstellungen.
Der tag ‚Horror’ kommt bei mir nicht gut an. Normalerweise wird damit eine unterhaltsame Gruselgeschichte angekündigt – eine erfundene selbstverständlich. Doch bei Deinem Thema liegt die Sache anders. Da gibt es nur einen tag: ALLTAG! Wie irre auch immer.

Exilfranke, schmolle nicht – wie werden uns wieder vertragen!
Mach’s gut
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Morgen zigga,

Nur kurz: Ich finde, das mit dem Relativsatz passt. Die Mudschaheddin reden ja hier kein Deutsch, die propagieren die Sprengung auf Arabisch, und würde man das 1:1 ins Deutsche übersetzen, würde das so heißen und der Relativsatz nicht aufgesetzt wirken. Also das kommt vom Satzklang eher authentisch rüber, wenn da der Relativsatz steht.

Ja. Ich hatte beim Schreiben auch eher das Gefühl, dass das schon gewollt so salbungsvoll vorgetragen wird. Hatte mich jetzt auch gegen eine Änderung entschieden. Ob aufgebrachte Menschen generell "einfacher" sprechen, weiß ich nicht. Muss aber nicht zwingend sein.

Guten Morgen josefelipe,

Exilfranke, schmolle nicht – wie werden uns wieder vertragen!

Kein Grund zur Sorge, ich bin dir nicht wütend.

hier muss ich meinen Respekt einbringen vor Deiner Courage, diese Geschichte zu schreiben. Astreiner Stil, völlig überzeugend, aufwendig recherchiert und mit viel, viel Fleiß in die richtige Form gebracht. Hut ab!
Sicherlich schreibt man komprimierter, eindringlicher, wenn im Brustkasten eine Flamme lodert. An dieses Scheißthema wagen sich nur die Besten! Das ist mein erster Eindruck.

Vielen Dank, jetzt aber zum ernsten Part. ;)

Hier würde ich deren Barbarei nicht als Glauben bezeichnen, das sind verschiedene Schuhe. Sie benutzen den Glauben als Vorwand für ihre Schweinereien.

Ja und Nein. Sicher suchen viele der dort kämpfenden Jugendliche nur einen Grund, ihre Gewaltfantasien auszuleben. Warum das auch viele europäisch sozialisierte, gebildete junge Männer anspricht, ist ein Thema für sich, aber es ist nun mal so. Auf der anderen Seite fände ich es zu einfach, den IS vom Islam zu entkoppeln. Der Kopf der Bewegung, Abu Bakr al-Baghdadi, ist promovierter islamischer Theologe und das Islamverständnis des IS ein Rückgriff auf schon immer im Islam praktizierte und gelehrte Glaubenssätze und – Achtung – moderne Theologie.

Aus dem Koran? Da muss ich zurückrudern. Dann sollte dieses Buch auch nicht von Salafisten auf deutschen Marktplätzen verteilt werden – denn was ist das? Anstiftung zu Mord, zu Terror, Volksverhetzung für den muslimischen Teil unserer Bevölkerung?

Im Koran stehen auch andere Suren, die Mord verdammen, aber auf die hier vorangestellte wird sich von islamistischen Extremisten oft bezogen. Korane können im Übrigen gerne in Fußgängerzonen verteilt werden, das ist vom Grundgesetzt, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem darin verankerten Recht auf Mission gedeckt. Schade nur, dass das so prominent von Salafisten geschieht (ich habe selbst einen Koran der LIES!-Aktion im Regal stehen), die bewusst junge Menschen ansprechen und mit niedrigschwelligen Angeboten in ihre extremistischen Kreise locken. Am Ende sind das Vorfeld-Gruppierungen, deren Vertreter dann gerne selbst mal einen Abenteuer-Urlaub im Kalifat buchen.

Tschetschenen sprechen unter sich tschetschenisch – vermute ich?

In der Tat, es gibt eine tschetschenische Sprache. Kalt erwischt.

„Schrecklich sind die namenlose Dingen, die unter dem Sand der Länder des alten Babylons in Höhlen und Tunneln hausen und von denen die Tafeln sagen, dass SIE Götter seien, die vor Anbruch des Menschengeschlechts von den Sternen kamen. Das Volk von K’n-yan stieg zu ihnen hinab. Im urzeitlichen Mu verehrte man sie an grässlichen Altären aus schwarzem Basalt. Das vergessene Sarnath fürchtete sie. Kadath in der kalten Wüste hat sie gesehen, doch welcher Mensch kennt Kadath?“
Hier, mein sehr verehrter Exilfranke, habe ich das Gefühl, dass Du nach guter alter Fantasy-Manier die Erde verlässt. Ist viel Text, der die Geschichte unnötig in die Länge zieht.

Guilty as charged. Um eine völlig in der Realität verhaftete Geschichte zu schreiben, fehlt mir wohl die Lust. Bzw. hege ich einen Widerwillen dagegen, einer Geschichte höhere Qualität zu bescheinigen, nur, weil sie gänzlich in der Realität verhaftet ist. Das ist so eine deutsche Sichtweise auf Literatur, die ich schon immer nicht so wirklich nachvollziehen konnte. Aber ich verstehe deinen Einwurf und verstehe auch, dass das nicht jeder prickelnd findet. Der Leser ist gepackt von der realitätsnahen Schilderung irakischer Zustände und muss sich dann plötzlich mit Tentakelmonster und Fantasie-Texten herumschlagen. Doch, das kann sogar ein Ärgernis sein. Sorry, dass ich dich auf eine falsche Fährte gelockt habe. Vielleicht kann ich aber den Textabschnitt doch noch in ein für dich nachvollziehbares Verhältnis rücken.

Hintergedanke war es, den dicken Tschetschenen aus diesem pseudo-religiösen Text zitieren und darüber schmunzeln zu lassen. Er zeigt Belustigung aufgrund dieses "Gekrakel eines Wahnsinnigen". Denkt man nun über die Geschichte hinaus, so wird dieser Tschetschene wohl in absehbarer Zukunft weitere Gräuel begehen, und diese zur Rechtfertigung oder als göttlichen Sendungsauftrag mit den passenden Ausschnitten aus dem Koran unterlegen. Hier tritt, gemessen an dem erfundenen Beispiel, eine Bigotterie zu Tage, die von der Person aber gar nicht als solche erkannt wird. Das eine ist "wahnsinniges Gekrakel", das andere "heiliges Wort des Propheten". Diese Praxis des "Nicht-Reflektierens" habe ich auch vorher schon angesprochen, bspw. an der Stelle, wo sich der Rotbart über die Praxis der Menschenopfer bei den Babyloniern mokiert.

ie ihm klarmachen, dass dieser Irrsinn heute und morgen – und nicht in der Märchenstunde geschehen. Dieser Wüstenschlauchkrake war mir unnötig beim Ernst Deiner Geschichte. Du hast das heiße Eisen angefasst, aber nicht geschmiedet. Das hätte eine aufwühlende Anklage sein können, statt Märchenpanorama hätte sie von geschändeten Mädchen und gekreuzigten Opfern berichten müssen.

Der tag ‚Horror’ kommt bei mir nicht gut an. Normalerweise wird damit eine unterhaltsame Gruselgeschichte angekündigt – eine erfundene selbstverständlich. Doch bei Deinem Thema liegt die Sache anders. Da gibt es nur einen tag: ALLTAG! Wie irre auch immer.

Ich finde deine Sicht darauf herrlich einleuchtend und nachvollziehbar. Kein böses Blut deswegen.

josefelipe, ich danke dir für deinen detaillierten Bericht, wie die Geschichte auf dich gewirkt hat.

Einen produktiven und angenehmen Tagen wünscht dir aus dem sonnigen Hamburg,

Der Exilfranke :)

 
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Hallo Xil-Franke,

denkt man an den Wert, den die Literaturkritik dem Doktor Faustus beimisst, kann man nicht sagen, die deutsche Sicht sähe Qualität nur dort, wo Realität beschrieben wird. Das Magische wird durchaus geschätzt, jedenfalls ist das mein Eindruck.

Die Frage ist allerdings, ob es eine gute Idee ist, einen aktuellen, politischen Konflikt in der Literatur mit den Mitteln von Magie und Fantasy aufzulösen, so wie Du das tust. Das hat etwas Kindliches, Regressives und ähnelt (rein von der Denkart her) den regressiven Strategien islamistischer Terroristen: Ein rationales Bedenken der Situation und ein ebensolches Vorgehen wird zugunsten einer Utopie geopfert. Die Utopie der Islamisten besteht darin, eine Welt nach (ihrem) Bild des Islam zu schaffen und die Utopie Deiner Geschichte will die Terroristen mit Hilfe eines Monsters bestrafen, richten. Beide Konzepte sind gleichermaßen irrational und erinnern an die Rachephantasien eines Kindes.

Trotzdem (oder gerade deshalb?) hat das Ganze einiges an Anziehungskraft. Wünschen wir nicht alle gelegentlich Kräfte aus dem Bereich des Übernatürlichen herbei, um unsere Situation zu verbessern, Schmerzen zu lindern, Fehler wieder gut zu machen? Ich kann den Impuls durchaus verstehen und habe nichts dagegen einzuwenden, sich an solchen Phantasien abzuarbeiten.

Ich stimme Josefelipe aber in dem Punkt zu, dass der Rückgriff auf das Magische es schwer macht, aus dem Konflikt etwas Konstruktives zu entwickeln, etwas woraus man als Leser, der sich mit Dir dem Autor in den Dialog begibt, etwas lernen kann. Rachephantasien mindern kurzzeitig vielleicht den Schmerz, aber sie helfen insgesamt nicht sonderlich, scheint mir.

Diese Beschränkung könnte man auch beim Schreiben einer Fantasy-Geschichte vielleicht aufheben, aber dann müsste die Konstruktion über das gängige Bild des Terroristen hinausgehen. Du zeigst sie uns so, wie wir sie uns vorstellen. Nicht als Klischee, aber auch nicht sonderlich überraschend, sondern gewieft, verblendet und skrupellos, so wie die allgemeine Rezeption sie ausweist.

Deine Geschichte will nicht helfen, das Verständnis des behandelten Konfliktes zu verbessern, und das muss sie auch nicht unbedingt. Weil sie das aber nicht tut, das jedoch mit Mitteln der Literatur möglich wäre, verliert sie an Wert, zumindest für den Leser, der in Literatur eine Kunst sieht, die über die Grundbedingungen der menschlichen Existenz reflektiert und daraus die Form einer Geschichte fabriziert. Das hat demnach nicht per se etwas mit dem Magischen zu tun, sondern damit, dass der Lösungsansatz bei Dir lautet "Uffn Kopp haun, die Penner!"

Handwerklich finde ich es gut gemacht. Bei der Beschreibung des Tempeleinbruchs scheint mir das Ganze zu schnell abzulaufen. Wenn so ein Areal wegsackt, dann klopft man sich nicht zwei Minuten später den Sand vom Tarnanzug. Ansonsten gern gelesen.

Gruß Achillus

 
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Das ist ja eine sehr deutsche Diskussion, wenn es um die Trennung des ernsten Fachs vom unterhaltenen Fach geht, wie man es ja besonders aus der Musik kennt (E-Musik, U-Musik). Wie so häufig ist der Kerngedanke ein richtiger, und in der Musik hat es die Vormachtstellung der Deutschen in der klassischen Musik ganz sicher erhalten und vielleicht gar bekräftigt, auch wenn "uns Deutschen" in der Folge Abende wie "Last Night of the Proms" nie so lässig gelingen werden wie den Briten.

Dabei hat die Verbindung beider Seiten eine bis in die Antike reichende Tradition, die über Shakespeare bis in die Moderne reicht. Achillus hat somit auch zurecht Goethe angeführt, um zu zeigen, daß E und U sich nicht ausschließen müssen.

Trotzdem erkennt man in dieser Diskussion die deutsche Ordnungsliebe wieder, die hier bei manchen auch noch auf eine, wie mir scheint, fehlende Bekanntschaft mit der literarischen Gattung einhergeht, in deren Geist Exilfrankes Geschichte aber offensichtlich steht, nämlich der anglo-amerikanischen Groschen-, also der Pulp-Romane, welche dem Exilfranken für seine Geschichten regelmäßig als Vorbild zu dienen scheinen, hier explizit der Horrorgeschichten des H.P. Lovecraft (Ctulhu).

Sicher muß man diese Gattung nicht mögen, aber zäumt man das Pferd von dieser Seite auf, haben wir es hier mit einer Geschichte zu tun, die durch und durch vom Geist Lovecrafts durchdrungen ist, ohne zu kopieren. Dazu gehört das Beschreiben des eigentlich unmöglichen, die nichteuklidische Architektur, das Aushebeln der Naturgesetze (hier: Das Aufziehen des Sturms, das Fehlen des Schutts, die undurchdringbare Schwärze unterhalb der Ziggurat, unförmiges, unvorstellbares Böses, dessen Motivation für den Menschen nicht nachvollziehbar ist). Aber auch in einem weiteren Sinn ähnelt Exilfrankes Geschichte ihren Vorbildern, nämlich im Bezug auf das aktuelle Zeitgeschehen. Die Mi-Go, eine außerirdische Rasse in Lovecrafts Universum, stammen vom Pluto, der 1930 erst entdeckt worden ist. 1931 schrieb Lovecraft eine seiner bekanntesten Geschichten "The Whisperer in Darkness", in der er eben diese den Pluto bevölkernden Mi-Go beschreibt, und so erkennt man in der Sprengung der Ziggurat die aktuellen Sprengungen Palmyras wieder und vielleicht auch die Sprengungen der Buddha-Statuen durch die Taliban vor einigen Jahren.

In meinen Augen hat Exilfranke hier - in Bezug auf die "Ernsthaftigkeit" jedenfalls - alles richtig gemacht. Er hat ein brandaktuelles, schreckliches Thema aus seiner Warte beleuchtet, die nunmal weniger Klassik ist als Rock. Dies aber als Makel sehen zu wollen, weil man dem Schrecken nur "ernst" begegnen könne, erscheint mir unnötig überheblich. Es ist vielmehr eine Geschichte in ihrem eigenen Recht, eine Horrorgeschichte eben, die viel realer ist, als irgendeiner von uns sich wünschen wird. Aber wird sie dadurch nicht noch umso gruseliger?

Mit besten Grüßen
Degendorff

PS: die vorangestellte Stelle aus dem Necronomicon vermisse ich übrigens. Die verhindert auch das Mißverständnis, daß die Geschichte noch besser wäre, wenn sie diese speziellen Horrorelemente nicht beinhaltete. Dann wäre es aber eben eine völlig andere Geschichte.

Und insofern ist, innerhalb des Cthulhu-Universums, die Stelle mit den Schriftrollen auch in jeder Hinsicht stimmig und leidet auch nicht unter dem Verlesen durch den Tschetschenen: daß Samir die Rollen lesen konnte, denn Abdul Al Hazred schrieb nun mal in arabisch (wenn jemand den 1200 Jahre alten Koran lesen zu können glaubt, wird er wohl auch jüngere Schriftrollen lesen können); daß Mönche das Wissen um dieses verborgene unsagbar Böse bewahrt haben; am Ende auch die absolute Geistlosigkeit der Brigadisten, zu meinen, die einzige Wahrheit zu kennen, und dafür aufgrund ihrer Überheblichkeit (den einzig Wissenden getötet zu haben) letztlich die bitterste Pille schlucken zu müssen.

 
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Lieber Achillus,

vielen Dank für deinen ehrlichen Kommentar. Degendorff hat mir schon einiges zum Thema Kontext vorweggenommen, von daher versuche ich mich an einer komprimierteren Antwort.

Die Frage ist allerdings, ob es eine gute Idee ist, einen aktuellen, politischen Konflikt in der Literatur mit den Mitteln von Magie und Fantasy aufzulösen, so wie Du das tust.

Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass das eine Spitzenidee ist. Kommt natürlich auch darauf an, was man mit dem Text erreichen will. Der IS ist bereits entlarvt, da gibt es wohl kaum noch Arbeit zu verrichten. Ich wiederhole nur, was ich als bekannt voraussetze. Wenn darüber hinaus noch jemand ein paar neue Aspekte über die zynische Denke dieser Menschen hinzugewinnt, umso besser. Ich habe mich dazu entschieden, den IS in Konkurrenz mit der fantastischen Idee eines kosmischen Horrors treten zu lassen. Ich glaube, das passt. Da ich dem Leser gemeinhin zutraue, Wahrheit von Fiktion zu trennen, sehe ich nicht mal die Gefahr, den IS mit dieser Gegenüberstellung zu verharmlosen.

Das hat etwas Kindliches, Regressives und ähnelt (rein von der Denkart her) den regressiven Strategien islamistischer Terroristen: Ein rationales Bedenken der Situation und ein ebensolches Vorgehen wird zugunsten einer Utopie geopfert.

Würdest du das etwas ausführen? Ich will dich nicht missverstehen, aber so, wie es da steht, finde ich es missverständlich.

Die Utopie der Islamisten besteht darin, eine Welt nach (ihrem) Bild des Islam zu schaffen und die Utopie Deiner Geschichte will die Terroristen mit Hilfe eines Monsters bestrafen, richten. Beide Konzepte sind gleichermaßen irrational und erinnern an die Rachephantasien eines Kindes.

Selbst wenn ich eine Utopie zeichnen würde (Welche sollte das sein? Eine, in der Arschlöcher im Namen der Gerechtigkeit von kosmischen Entitäten aufgefressen werden?), dann ist sie doch im Rahmen der Fiktion und dem Genre, in dem sie sich bewegt, legitim. Ich zeige ja keinen Idealzustand, den es herbeizuwünschen gilt. Ich verarbeite eine Situation, die mich beschäftigt, mittels der literarischen Instrumente, die ich zu beherrschen glaube. Ich sehe darin wenig Kindliches oder Regressives. Der Rahmen ist dabei nicht nur fantastische Spinnerei, sondern, wie bereits weiter oben ausgeführt, ein literarisch etablierter Kanon. Die Idee des Cosmic Horrors, wie ihn Lovecraft verstand, war die pessimistische Annahme, dass wir Menschen nur bedeutungslose Ameisen in einem für uns nicht zu begreifenden Wechselspiel kosmischer Mächte sind. Das Monster hat überhaupt keinen Sinn, der dem Menschen zugänglich wäre. Es ist einfach da. Es ist ihre Geistlosigkeit und Unbedachtheit, ihre Selbstüberschätzung, die in ihr Verderben führt. Aber als Strafe? Die Dschihadisten strafen sich selbst. Der einzige Widerspruch hier wäre wohl, dass die Form der Erlösung, die der Leser verspüren mag, nicht im Sinne Lovecrafts wäre.

Ich stimme Josefelipe aber in dem Punkt zu, dass der Rückgriff auf das Magische es schwer macht, aus dem Konflikt etwas Konstruktives zu entwickeln, etwas woraus man als Leser, der sich mit Dir dem Autor in den Dialog begibt, etwas lernen kann. Rachephantasien mindern kurzzeitig vielleicht den Schmerz, aber sie helfen insgesamt nicht sonderlich, scheint mir.

Gekauft, aber ich möchte auch keine Weltverbesserungs-Prosa schreiben. Hätte ich ein literarisches Werkzeug entdeckt, dem IS das Handwerk zu legen oder einen konstruktiven Ansatz zur Lösung des Konflikts zu bieten, ich würde ihn nicht an dieser Stelle breittreten.

Du zeigst sie uns so, wie wir sie uns vorstellen. Nicht als Klischee, aber auch nicht sonderlich überraschend, sondern gewieft, verblendet und skrupellos, so wie die allgemeine Rezeption sie ausweist.

Nachvollziehbar. Man kann da noch weitaus näher und tiefer gehen. Die Außensicht dominiert hier klar über der Innensicht.

Deine Geschichte will nicht helfen, das Verständnis des behandelten Konfliktes zu verbessern, und das muss sie auch nicht unbedingt. Weil sie das aber nicht tut, das jedoch mit Mitteln der Literatur möglich wäre, verliert sie an Wert, zumindest für den Leser, der in Literatur eine Kunst sieht, die über die Grundbedingungen der menschlichen Existenz reflektiert und daraus die Form einer Geschichte fabriziert.

Ja, ich sehe, das Leute so über Literatur denken. Und respektiere das auch. Ich kann mich da aber nicht reindenken.

Achillus, bevor wir uns in einer Diskussion darüber verzetteln, was Literatur ist, kann und sollte, möchte ich nochmal einwerfen, dass dein Lob nicht untergegangen ist und registriert wurde. Ich befürchte, dass wir für das Thema einfach unterschiedliche Antennen haben, aber das ist auch nicht weiter tragisch. Ich freue mich, dass mir dein Kommentar die Gelegenheit gegeben hat, mich auf dieser Ebene nochmal mit dem Geschriebenen auseinanderzusetzen. Vielen Dank dafür.

Einen schönen Abend wünscht

Der Exilfranke :)

 

Lieber Degendorff,

vielen Dank für dein Kommentar. Ich kann das alles weitestgehend unterschreiben und bin ganz angetan, dass du den Kontext meiner Arbeiten so scharfsinnig umschreiben konntest.

Trotzdem erkennt man in dieser Diskussion die deutsche Ordnungsliebe wieder, die hier bei manchen auch noch auf eine, wie mir scheint, fehlende Bekanntschaft mit der literarischen Gattung einhergeht, in deren Geist Exilfrankes Geschichte aber offensichtlich steht, nämlich der anglo-amerikanischen Groschen-, also der Pulp-Romane, welche dem Exilfranken für seine Geschichten regelmäßig als Vorbild zu dienen scheinen, hier explizit der Horrorgeschichten des H.P. Lovecraft

Nur kurz, weil es mir unter den Finger brennt. Das Lovecraft und auch andere Genre-Autoren damals in Pulp- und Groschenromanen (zu deutsch auch passenderweise "Schundroman") publiziert haben, sagt wenig über die Qualität Ihres Schaffens oder den Einfluss aus, den ihre Werke hatten. Die Pulps waren eben zur damaligen Zeit eine Möglichkeit, Geschichten jenseits der gängigen literarischen Konventionen zu veröffentlichen. Das war teilweise richtig abseitiges Zeug, welches dem elitären Literaten schon damals nur ein pikiertes Stirnrunzeln abgerungen hätte. Nun, heute ist es Teil der Popkultur und hat Leser wie Autoren gleichermaßen inspiriert.

Lieber Feuerwanze,

vielen Dank für deine positive Rückmeldung. Schön, dass es hier doch so viele Lovecraft-Fans gibt. Lovecraft-inspirierte Geschichten sind immer ein zweischneidiges Schwert ... es gibt einige richtig Gute, aber auch viel Kroppzeug. Wenn meine zur ersteren Gruppe zählt: Umso besser.

Als großer Fan von Lovecraft ist es natürlich eine Freude für mich mit anzusehen, wie Übeltäter durch übernatürliche Kräfte bestraft werden.

Ja, das mag vielleicht so rüberkommen, und sicher hatte ich auch als grundlegenden Impuls beim Schreiben diesen Rachegedanken. Aber wie ich bereits weiter oben schrieb: Das Monster hat überhaupt keinen Sinn, der dem Menschen zugänglich wäre. Es ist einfach da. Es ist die Geistlosigkeit und Unbedachtheit,die Selbstüberschätzung der Dschihadisten, die in ihr Verderben führt. Aber als Strafe? Die strafen sich ja selbst. Der einzige Widerspruch hier wäre wohl, dass die Form der Erlösung, die der Leser verspüren mag, nicht im Sinne Lovecrafts wäre.

Einen schönen Tag wünscht,

Exilfranke :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Allah ist groß,
Allah ist mächtig,
Steht er auf'm Stuhl,
Misst er ein Meter sechzig
Volksmund​

Heute würden sie es in die Luft jagen, daran bestand kein Zweifel.

Wenn schon kein Zweifel besteht, warum diese entbehrliche würde-Konstruktion,

lieber Exilfranke?

Ein Jammer, dass die Siegermächte des Ersten Weltkrieges im Vorderen Orient nicht nur willkürliche Grenzen aufgrund geopolitischer Interessenlagen zogen, die dann auch noch bis zu den unseligen Golfkriegen der bushranger immer wieder verteidigt und erneuert wurden, sondern dass deren Lingua franca schleichend auch unsere Köpfe erobert, wobei vergessen wird, dass das would mehr bedeutet als das schlichte würde. Es täte, um den Faden wieder aufzunehmen, das schlichte Futur I.

Und also schaut dann ein Lawrence-Verehrer mitsamt der Weisheit der sieben Säulen vorbei, der den Namen Lovecraft wohl kennt, aber eher der Macht der (Nächsten-)Liebe i. S. von Solidarität vertraut als irgendwelchem Aberglauben, das in Monstern lustig Urständ feiert, als hätte nicht der Mensch an sich das Zeug zum Ungeheuer!

Und geben wir es gleich zu, von des

Abu Kassem
Konsorten, ob aus Dinslaken oder Tschetschenien, ist Bildung und Stand des Wissens, dargestellt an Fragen um die Zikkurat, auch hierorts eher bescheiden, dass ggfs. erguugelt wird, um nicht als unbedarft dazustehn.

Wenn es denn einen überhaupt interessiert.

Dass Du schreiben kannst, ist mir bekannt. Dass Du aber zu weniger Ironie neigst, als sie selbst ein Karl May aufgebracht hat, bedauer ich. Aber warum sich niemand der Flüchtigkeit (wie Sand, Wind und Zeit) erbarmte, bleibt mir ein Brezel.

Abu Kassem schritt ein letztes Mal die Seiten [d]es Bauwerks ab und …
Samir machte kehrt und wollte gerade loslaufen, da hielt Abu Kassem ih[n] am Arm zurück.
Abu Kassem kratz[t]e sich an der Nase.
„Jagen wir das Ding endlich hoch und sehen zu, das wir zurück zu unseren Frauen kommen.“
„Feinde Gottes!“[,] begann Abu Kassem …
„Takbir!“[,] schrie er ...
„Komm[,] lass uns abhauen[!]“, sagte der Rotbart.
„Bleibt alle[,] wo ihr seid ...
..., Yussuf folg[t]e wenige Sekunden später.
Dann, mit einem Mal, verstummte[...] das schrille Geräusch und die Erde hörte auf zu zittern.
Ein lang[g]ezogener Schrei entwich seiner Kehle. Dann rollte er auf den Rücken und begann zu schluchzen.
„Los jetzt!“[,] schrie er
„Mein Sohn, schau mich an[entwede "!" oder "..."]“, sagte der Tschetschene

Und - Zufall oder Vorherbestimmung? - wird ein Schlusswort mitgeliefert
… und gluckste vor Freude, als er in schlechtem Arabisch aus dem Text zitierte.
„Schrecklich sind die namenlose Dinge[...], ...

Vielleicht hätte es mehr in Richtung Marketing, PR (Video-Aufzeichnung) gehen sollen ... Der Ansatz ist ja da. Wie es da steht, versucht Beelzebub Satan auszutreiben - aber wer wäre dann Luzifer, der gefallene lichte Stern?

Friedel

 

Hallo Exilfranke,

wie Du ja bemerkt hast, betrachte ich Deine Geschichte voller Sympathie. Tatsächlich arbeite ich seit einigen Wochen an einem Text mit einem ähnlichen Thema. Vielleicht sind einige Zweifel und Bedenken deshalb auch schnell bei der Hand, weil mich das bei meiner eigenen Geschichte beschäftigt.

Das hat etwas Kindliches, Regressives und ähnelt (rein von der Denkart her) den regressiven Strategien islamistischer Terroristen: Ein rationales Bedenken der Situation und ein ebensolches Vorgehen wird zugunsten einer Utopie geopfert. Die Utopie der Islamisten besteht darin, eine Welt nach (ihrem) Bild des Islam zu schaffen und die Utopie Deiner Geschichte will die Terroristen mit Hilfe eines Monsters bestrafen, richten. Beide Konzepte sind gleichermaßen irrational und erinnern an die Rachephantasien eines Kindes.

Würdest du das etwas ausführen? Ich will dich nicht missverstehen, aber so, wie es da steht, finde ich es missverständlich.

Das Kindliche bzw. Regressive Deines Textes besteht meiner Ansicht nach in dem Muster, eine unliebsame oder schmerzhafte Realität magisch wegzuzaubern. Ein Kind phantasiert sich einen Schutz- oder Wächtergeist herbei, in Deiner Geschichte ist es ein außerirdisches Monster, das die bösen Kräfte vernichtet.

Natürlich ist das vom gewählten Genre her legitim. So kämpfen IndianerJones und Captain America ja auch gegen Nazis und böse Kommunisten. Doch eine wirklich erwachsene Sicht auf die zugrunde liegende Problematik wird man es wohl nicht nennen können.

Dazu fallen mir besonders zwei Dinge ein: Erstens zeichnest Du die Bösewichter nicht auf eine erwachsene, sondern auf eine kindliche Weise. Sie sind eben komplett Verworfene, die unschuldigen Menschen die Hälse durchschneiden, alte Tempel sprengen und die Zivilisation durch ihr barbarisches Treiben bedrohen. Indem Deine Geschichte die IS-Leute nur von dieser Seite aus zeigt, dämonisiert sie sie. Das Problem bei der Dämonisierung besteht aber eben immer darin, dass man nicht mehr erkennt, mit wem man es eigentlich zu tun hat.

Zweitens ist Deine Lösung, also die Frage, wie "die Welt" auf diesen Konflikt reagieren wird, magisch, gewissermaßen ein Zaubertrick. So ähnlich hoffen Kinder, dass der brutale Mitschüler eines Tages von einem Schutzgeist hinweggefegt wird. Oder in religiösem Glauben meint so mancher, dass seine Feinde eines Tages im Feuer der Hölle schmoren werden. Doch das alles wird nicht geschehen. Es sind lediglich Phantasien der Ohnmacht, die helfen, den Schmerz über das erlittene Unrecht zu ertragen.

Und hier liegt meiner Ansicht nach der Irrtum über das Wirken des Karma. Es ist schon so, dass Karma eine negative Rückwirkung auf den Urheber destruktiver Handlungen bedeutet. Aber das ist eben leider nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist, dass auch Unschuldige unter diesem negativen Karma leiden werden. Karma wirkt nicht deshalb, weil eine böse Tat stets zu ihrem Urheber zurückfindet, sondern deshalb, weil es nicht zwischen den Menschen unterscheidet: das Destruktive einer Handlung zerstört alles in Reichweite. Und weil sich der Urheber zwangsläufig in Reichweite befindet, gibt es für ihn kein Entkommen. Für viele andere Unschuldige aber ebenso wenig.

Und dies ist dann der letzte Gedanke, der mir dazu noch interessant erscheint. Sowohl die Zeichnung der Bösewichter, als auch die Lösung des Konfliktes durch ein Monster laufen bei Dir hier in einer Weise ab, die den Leser beruhigt. Es ist beruhigend zu wissen, dass es Bösewichter auf der Welt gibt, denn das erklärt auch so wunderbar das Böse selbst. Wie verstörend wäre es hingegen, sich damit zu befassen, dass auch ganz normale Menschen unbeschreiblich schreckliche Dinge tun. Und es ist beruhigend, dass die Bösewichter schließlich bestraft werden. Und zwar scheinbar, ohne dass es die "guten Menschen" Opfer kostet.

Zwar geht in Deiner Geschichte ein Tempel, ein Kulturgut verloren, was ja auch schlimm ist, aber ansonsten liegen die Verluste nur bei den bösen Jungs.

Die erwachsene Sicht auf die Dinge wäre hingegen, dem Leser den Schmerz abzuverlangen, dass der Kampf gegen Unmenschlichkeit, Grausamkeit und Wahnsinn immer Opfer kosten wird.

Das alles mindert zumindest für mich nicht den Lesespaß an Deiner Geschichte.

Gruß Achillus

 

Mit dem Hinweis auf Regression hat Achillus sicherlich recht,

lieber Exilfranke,

und das kindliche, quatsch, kindische Wesen ist ja von den oberen Zehntausend und Hollywood nebst Silicon Valley fürs niedere Volk gewollt.

Anfang des Jahres verknüpfte die Zeit einmal die Ästhetik Hollywoods und der Popkultur mit der Selbstdarstellung der orientalischen Variante des Faschismus. Die Parallelen finden sich in Kleidung, Gestik und Sprache des Hip-Hoppers und des jungen Dschihadisten bis hin zu traditionellen Bildern der Männlichkeit.

Wenn man aber so will, findet sich alles schon in der "Dialektik der Aufklärung", insbesondere den Auslassungen über die Kulturindustrie.

Der Zeit-Artikel vom 12. 2. 2015 findet sich auch unter Zeit Online "Die Lust am Krass-Sein". Wie viel Pop steckt im Terrorkrieg des Islamischen Staates? Ein Erklärungsversuch von Moritz von Uslar.

Schönes Wochenende wünscht vorsorglich der

Friedel

 

Hallo Exilfranke,

hat mir sehr gut gefallen. :thumbsup:

Bin allerdings etwas zwiespaltig, ob die Textstellen z.B. mit der modischen Sonnenbrille oder wo er „Fuck!“ ruft, die Typen nicht eher verharmlost oder ob sie einfach nur gut aufzeigen, dass sie mit der Zeit gehen. :confused:

Die Monstersache fand ich gut; das passte herein.

Nur noch ein paar Kleinigkeiten:

In Samirs Ohren rauschte das Blut. Noch immer war der Jeep viel zu weit entfernt.Wind peitschte ihm entgegen und seine Beine zitterten vor Überanstrengung.
Leerfeld vor „Wind“.

Er blickte zur Tankuhr. Das Benzin reichte noch knapp für 300 Kilometer Strecke, das war alles, was ihn im Moment interessierte. Ohne Ziel fuhr er in die Nacht, während die ersten Sterne kalt und hämisch vom Firmament auf hin herab funkelten.
Bei Anbruch des nächsten Morgens bemerkte er ein Schimmern am Horizont.
Hier würde ich einen Absatz machen, weil ein neuer Tag beginnt.

Er durchsuchte die anderen Taschen, drehte alle nach außen, kontrollierte jede Möglichkeit zweimal.
Sehr schön. Klasse!

„Mein Sohn, schau mich an.“, sagte der Tschetschene jetzt mit einem fast zärtlichen Ton in der Stimme.
Da ist ein Punkt in der wörtlichen Rede zuviel.

Liebe Grüße,
GoMusic

P.S.. Was machen eigentlich die Eulen? Würde da gerne weiterlesen. :read:

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber GoMusic,

P.S.. Was machen eigentlich die Eulen? Würde da gerne weiterlesen.

Ja ... kann ich mir vorstellen. Und ich würde gerne weiterschreiben. Allein, die Zeit reicht momentan nicht. Ich bin mit der Geschichte an einem kritischen Punkt angelangt, dessen Bearbeitung viel Zeit beansprucht. Und die habe ich momentan nicht. Insofern liegen die Eulen temporär auf Eis. Ich hoffe, im Laufe des Oktobers das nächste Kapitel zu Ende zu stellen. Bis dahin muss ich mich mit Kurzgeschichten warm halten.

hat mir sehr gut gefallen.

Danke dir! :thumbsup:

Bin allerdings etwas zwiespaltig, ob die Textstellen z.B. mit der modischen Sonnenbrille oder wo er „Fuck!“ ruft, die Typen nicht eher verharmlost oder ob sie einfach nur gut aufzeigen, dass sie mit der Zeit gehen

Inwiefern "verharmlosen"? Vielleicht liegt diesem Eindruck der Irrtum zu Grunde, die Islamisten seien allesamt archaische Männer aus einer archaischen Stammesgesellschaft. Die mag es sicher geben, aber nicht gerade wenige IS-Kämpfer sind im Westen aufgewachsen und sozialisiert worden. Ihre Art zu denken entspricht auf perverse Art der unseren, und natürlich ist die Identität, welches sie im Dschihad verkörpern, eine selbstgewählte. Ihr geistiger Horizont ist dabei der des Westens, vor diesem agieren und reagieren sie. Yussuf Al-Britoni ist recht offensichtlich englischer Staatsbürger, sein Hintergrund könnte der eines Rappers oder eines Jungen sein, der in der westlichen Gesellschaft seine männlichen Ideale nicht mehr ausleben konnte. Von daher stellt sein "Fuck!" keinen Widerspruch dar.

Die von dir angesprochenen Fehler habe ich ausgebessert! Danke für deinen Kommentar!:)

Exilfranke :)

Lieber Friedrichard,

vielen Dank für deinen Kommentar und die Zeit, die du aufgewendet hast, zahlreiche Fehler aufzustöbern. Habe mich bereits gewissenhaft ihrer Beseitigung gewidmet.

Zum ersten Satz:

Heute würden sie es in die Luft jagen, daran bestand kein Zweifel.

Es täte, um den Faden wieder aufzunehmen, das schlichte Futur I.

Ich sehe deinen Punkt, finde aber, dass in "würde" noch viel mehr mitschwingt. Zum einen klingt darin die vorausgegangene Arbeit nach, die Abu Kassem in sein "Werk" investiert hat, als auch ein gewisses Herbeisehnen des Augenblicks. Das mag mglw. grammatikalischer Mumpitz sein, aber zumindest ist das mein subjektives Textgefühl. Ein "werden" wirkt auf mich weit neutraler in der Bewertung des Vorgangs. Ohje, ob ich das gut rüberbringen kann, was ich damit sagen möchte?

Und also schaut dann ein Lawrence-Verehrer mitsamt der Weisheit der sieben Säulen vorbei, der den Namen Lovecraft wohl kennt, aber eher der Macht der (Nächsten-)Liebe i. S. von Solidarität vertraut als irgendwelchem Aberglauben, das in Monstern lustig Urständ feiert, als hätte nicht der Mensch an sich das Zeug zum Ungeheuer!

Ich hätte natürlich auch eine platte Ungeheuer-Geschichte schreiben können, in der die IS-Kämpfer reines, oberflächliches Schlachtvieh gewesen wären. Meine Entscheidung fiel aber darauf, etwas tiefer zu gehen, und den Aspekt des "Menschen als Ungeheuer" als wahren Schrecken stärker herauszuarbeiten. Möglicherweise ist mir das erfolgreich gelungen, so dass manche Leser das Monster nunmehr als störendes Beiwerk empfinden. It's tricky, aber damit muss ich nun leben. Mein Ziel war es, eine von Lovecraft inspirierte Horrorgeschichte schreiben in einem Setting, dass mich derzeit beschäftigt. Dieses Setting und deren Akteure wollte ich möglichst glaubhaft darstellen. Nicht mehr, aber auch kein My weniger. Es ist eine Horrorgeschichte, das ist sie vom Typus her, als solche habe ich sie angelegt und als solche wird sie von mir "verkauft". Wenn ich Rinderhack als solches bezeichne, dann kann ich darüber streiten, ob das Rind eine vernünftige Fleischqualität hat, aber es ist sinnlos festzustellen, dass Rinderfilet besser sei.

Dass Du schreiben kannst, ist mir bekannt. Dass Du aber zu weniger Ironie neigst, als sie selbst ein Karl May aufgebracht hat, bedauer ich. Aber warum sich niemand der Flüchtigkeit (wie Sand, Wind und Zeit) erbarmte, bleibt mir ein Brezel.

Ich habe Karl May leider nie gelesen, kann daher nur wenig über dessen Einsatz von Ironie sagen. Wenn ich allerdings den Yussuf al-Britoni die Barbarei der heidnischen Babylonier in Hinblick auf deren Menschenopfer beklagen lasse, dann schwingt da doch eine ganz gute Portion Ironie mit. Genauso in der Szene, in der der Tschetschene aus den antiken Texten zitiert und das Geschriebene als Wort eines Wahnsinnigen bezeichnet – kurz bevor er im Namen Allahs einem Typen den Hals abschneidet. Das ist natürlich Ironie aus der Handlung heraus und kein direkter Kommentar des Erzählers. Das einleitende Koranzitat und das abschließende Zitat aus dem mystischen Text des syrischen Astrologen bilden dabei Rahmen wie Gegenpol.

und das kindliche, quatsch, kindische Wesen ist ja von den oberen Zehntausend und Hollywood nebst Silicon Valley fürs niedere Volk gewollt.

Puh. Bitte verstehe mich jetzt nicht falsch lieber Friedel. Ich bin nicht dezidiert links und kann mich daher wenig in diese, ja Verschwörungstheorie (?) hineindenken. Sicher wird in Hollywood auch Schrott produziert, sicher auch viel gefälliges ... aber das sagt doch wenig über die Handwerkskunst aus, die in so einen Film mit einfließt. Und auch von der Handlung her seichtes Kino kann künstlerisch anspruchsvoll oder emotional-ansprechend sein, wenn man als Cineast weiß, wie hoch der Aufwand und der künstlerische Input ist, die ein Blockbuster-Movie erfordern. Hollywood als Machtinstrument der oberen Zehntausend zur Verdummung der Massen halte ich für einen sehr elitären Standpunkt, dem ich so nicht zustimmen kann. Möglich, dass ich ein Kulturbanause bin oder sich meine Rezeption von Kultur auf andere Bereiche erstreckt.

Anfang des Jahres verknüpfte die Zeit einmal die Ästhetik Hollywoods und der Popkultur mit der Selbstdarstellung der orientalischen Variante des Faschismus. Die Parallelen finden sich in Kleidung, Gestik und Sprache des Hip-Hoppers und des jungen Dschihadisten bis hin zu traditionellen Bildern der Männlichkeit.

Danke für den Link. Generell würde ich die Meinung des Autors wohl sekundieren, wenn es darauf hinausläuft, einen Grund für die Anfälligkeit junger Männer im Vorhandensein falscher Vorbilder (Bushido, Gangster-Rap bspw.) zu sehen. Das ist aber auch nur die halbe Wahrheit. Es ist meine Überzeugung, dass sich maskuline Aggression und jungenhafter Idealismus pädagogisch nicht unterdrücken lassen, sondern gefördert, toleriert und anderweitig aufgefangen werden müssen. Es gibt viele Untersuchungen, die den Verdacht nahelegen, dass heutige Erziehung in KiTas und Schulen zu stark weiblich dominiert ist. Jungs raufen aber auch mal ganz gerne. To put it in a nutshell: Der heroische Typ Mann ist in der westlichen Gesellschaft tot, die Veranlagung dazu aber nicht. Der IS wirkt als Ventil attraktiv auf diesen Typus Mann.

Wenn man aber so will, findet sich alles schon in der "Dialektik der Aufklärung", insbesondere den Auslassungen über die Kulturindustrie.

Adorno hatte recht,
die Welt ist schlecht,
die Welt ist schlecht.
Und auch der alte Brecht,
der hatte recht,
diese Welt,
so wie sie ist,
ist einfach schlecht.

Lass mich raten. Die Gegenkur zu dieser "Kulturindustrie" ist das moderne, subventionierte Theater? :wein:

Friedel, in einigen Punkten liegen wir wohl nicht beieinander, das ist aber auch nicht schlimm. Danke für deine Zeit und ein tolles Wochenende wünscht dir,

Der Exilfranke :)

Lieber Achillus,

Tatsächlich arbeite ich seit einigen Wochen an einem Text mit einem ähnlichen Thema. Vielleicht sind einige Zweifel und Bedenken deshalb auch schnell bei der Hand, weil mich das bei meiner eigenen Geschichte beschäftigt.

Ich bin gespannt, wie du dich dem Thema näherst. Vermutlich ist dein Ansatz ein anderer. Ich kopiere nochmal, was ich Friedel bereits schrieb:

Ich hätte natürlich auch eine platte Ungeheuer-Geschichte schreiben können, in der die IS-Kämpfer reines, oberflächliches Schlachtvieh gewesen wären. Meine Entscheidung fiel aber darauf, etwas tiefer zu gehen, und den Aspekt des "Menschen als Ungeheuer" als wahren Schrecken stärker herauszuarbeiten. Möglicherweise ist mir das erfolgreich gelungen, so dass manche Leser das Monster nunmehr als störendes Beiwerk empfinden. It's tricky, aber damit muss ich nun leben. Mein Ziel war es, eine von Lovecraft inspirierte Horrorgeschichte schreiben in einem Setting, dass mich derzeit beschäftigt. Dieses Setting und deren Akteure wollte ich möglichst glaubhaft darstellen. Nicht mehr, aber auch kein My weniger. Es ist eine Horrorgeschichte, das ist sie vom Typus her, als solche habe ich sie angelegt und als solche wird sie von mir "verkauft". Wenn ich Rinderhack als solches bezeichne, dann kann ich darüber streiten, ob das Rind eine vernünftige Fleischqualität hat, aber es ist sinnlos festzustellen, dass Rinderfilet aber besser sei.

Ich glaube, das trifft es ganz gut und wäre auch mein Schlusssatz zu dieser Diskussion. Das schmälert deine Meinung keineswegs, sondern soll nur in den Fokus rücken, was ich erzählen und erreichen wollte. Ich bin mir völlig bewusst, dass dieses Thema auf zig reifere und unbequemere Arten behandelt werden kann. Und Hut ab vor dem, der das schreiben möchte. Ich bin es nicht, und ziehe es daher weiterhin vor, meine inneres Kind zu pflegen. :D

Nochmals vielen Dank für die interessante Auseinandersetzung!

Und schönes Wochenende!

Exilfranke :)

 

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