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Und es gibt sie eben doch...

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14.12.2009
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Und es gibt sie eben doch...

Und es gibt sie eben doch…

Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Er sitzt zwischen grauen Stellwänden eingeklemmt und starrt in seinen Computer. Bis auf die Geräusche von Fingern, die auf die Computertastatur drücken, und ab und zu eine Stimme, die leise telefoniert, ist nichts zu hören. Neben ihm liegt ein Stapel Blätter.
Der kleine Wecker klingelt. Er hatte ihn von seiner Frau auf Weihnachten geschenkt bekommen, damit er nicht mehr zu spät nach Hause komme. Jedes Mal, wenn der Wecker klingelt, ist dies eine schmerzhafte Erinnerung an letzte Weihnachten. Wenn er sich daran zurückerinnert, was er nicht gerne tut, sieht er nur das eine Bild. Seine Frau steht brennend vor dem rot geschmückten Weihnachtsbaum. Sie schreit, schreit fürchterlich. Er hat sie mit Wasser übergossen. Doch es war zu spät.
„Kommst du?“
Die Stimme seiner Arbeitskollegin holt ihn aus seinen schrecklichen Gedanken zurück.
„Ja klar. Ich muss nur noch schnell meine Sachen zusammenpacken.“
„Gut, ich gehe in der Zwischenzeit schon mal raus an die frische Luft“. Ihr langer, lila Schal flattert wie Herbstlaub um sie herum, als sie mit schnellen Schritten den Büroraum verlässt.
Immer, wenn es langsam Weihnachten wird, fühlt er sich einsam. Und immer, wenn er sich einsam fühlt, arbeitet er noch mehr als sonst.
Er will gerade seinen Computer ausschalten, doch plötzlich flimmert eine Werbung über seinen Bildschirm. In grossen leuchtenden Buchstaben stehen die Worte: Weihnachtsstress? Das muss nicht sein! Trinken sie Weihnachtsmanns Nordpoltee!! Er betrachtet die Werbung lange.
„Was ist damit?“
„Nichts, nur Werbung.“

„Dieses Zwinkern des Weihnachtsmannes in der Werbung hat mich genervt. Dich auch?“ Sie schaute ihn verwirrt an: „Welches Zwinkern? Der hat nicht gezwinkert.“
„Dann habe ich mich wohl geirrt.“ Es ist ihm immer unangenehm, wenn er nicht weiss, worüber er mit ihr reden soll. Als er seinen Blick durch die Menschenmenge schweifen lässt, fängt sein Blick eine rote Mütze ein. Er möchte mehr von dieser Person sehen, die solch eine rote Mütze trägt. Gerade als er sich reckt, um die Person besser zu sehen, ertönt eine Computerstimme:
Nächster Halt, Teppichweberplatz.
Die fremde Person mit der leuchtend roten Mütze steigt aus und nun sieht er sie richtig. Es ist ein… Warum ist er um diese Zeit schon unterwegs? Er starrt ihn an und ihre Blicke treffen sich. Ihm ist es unangenehm und er will wegschauen, doch er kann nicht, und kurz bevor der Mann den Zug verlässt, zwinkert dieser ihm zu.
Schon wieder! Verwirrung.
Die Arbeitskollegin schaut ihn musternd an: „Alles in Ordnung? Ich muss bei der Nächsten raus.“
Er zögert: „Wie? Ach so, ja... ja, alles ist gut. Ich dachte nur, da war wieder… nein, alles in Ordnung.“
Sie gibt ihm einen Kuss auf die Wange und verlässt die U-Bahn.

Nächster Halt, Blumengasse.
Er steigt aus und lässt sich vom Menschenstrom mitziehen.
Zuhause nimmt er die Schlüssel hervor, schliesst die Eingangstüre auf und geht die Treppe hoch. Seine Wohnung besteht nur aus einer sehr kleinen Küche, einem noch kleineren Badezimmer, einem Wohn-, Ess- und Arbeitsraum und einer dunklen Schlafkammer. Er legt die Aktentasche weg und lässt sich in den grossen olivgrünen Ohrensessel plumpsen. Langsam schliesst er die Augen und schläft ein.
Schnee, sehr viel Schnee, und er mittendrin. Vorne am Horizont steigt eine Rauchfahne auf. Laufen, immer weiter laufen, um den Rauchverursacher zu sehen. Er steht vor einem Haus, die Tür geht auf und vor ihm steht…„Ein Weihnachtsmann?!“. Er ist aufgewacht und hat dieses Wort laut herausgeschrien. Er schaut sich in seiner Wohnung um. Warum brennt da ein Feuer im Kamin? Moment mal! Er hat doch gar keinen Kamin! Da ist ein Schatten vor dem Kamin und legt ein Holzscheit ins Feuer. Jetzt dreht er sich um. Es ist ein Mann mit einer roten Mütze.
„Was machst du in meiner Wohnung? Verschwinde!“
Der Fremde lächelt ihn freundlich an: „Aber ich wurde geschickt. Ich kann jetzt nicht gehen.“
„Verschwinde, habe ich gesagt! Und woher ist dieser Kamin?“. Er wurde immer verwirrter.
„Setz dich wieder. Ich werde dir erklären, warum ich hier bin.“
Er setzt sich, lässt jedoch den Mann mit der roten Mütze keine Sekunde aus den Augen.
„Ich bin ein Weihnachtsmann. Ich wurde geschickt, um auf dich aufzupassen und dir in dieser schweren Zeit zu helfen“. Der Weihnachtsmann lächelt ihn immer noch an.
Die Worte des roten Mannes schwirren ihm im Kopf herum und es wird ihm schwindlig. „Ach du meine Güte! Ich glaube, ich werde verrückt!“
„Glaub mir, das bist du nicht. Du bist müde. Geh doch schlafen.“
Er schaut den Weihnachtsmann immer noch verwirrt an, befolgt jedoch dessen Rat und öffnet die Türe seiner Schlafkammer.

Die Sonne scheint durch das kleine Dachfenster und kündet den Samstagmorgen an. Er öffnet langsam die Augen. Er steht auf, zieht sich an und verlässt die Schlafkammer.
Was riecht denn hier so nach Tee und Lebkuchen?
„Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?“, fragt ihn ein Mann mit roter Mütze. Ein Weihnachtsmann! Dann fällt ihm alles wieder ein. Gestern im Büro hatte es angefangen und dann war er in seiner Wohnung.
„Ja, doch, es war angenehm. Aber warum bist du immer noch hier?“
„Ich soll doch auf dich aufpassen.“
Er setzt sich und fängt an, den Tee zu trinken. „Hast du das Frühstück gemacht?“
Der Weihnachtsmann reibt sich den Bauch: „Genau, ich liebe Lebkuchen. Was hast du heute vor?“
„Ich wollte ein bisschen durch die Strassen der Stadt gehen und die Schaufenster betrachten.“
Zu Weihnachten sind die Schaufenster immer besonders schön. Überall sieht man tausende Lichter, Sterne und Tannenbäume.
In den Gassen der Stadt geht der Weihnachtsmann immer neben ihm her. Er wundert sich, dass ihn die Leute nicht schon lange angaffen, doch es scheint, als ob sie den Weihnachtsmann gar nicht bemerken würden. Er spricht den Weihnachtsmann darauf an, doch dieser antwortet nur: „Warum sollten sie? Ich bin doch nur für dich hier.“
Gemeinsam gehen sie die grosse Strasse hinunter.
Der Weihnachtsmann übernimmt die Führung und geht in Richtung Kaufhaus.
„Was willst du hier? Ich kaufe keine Geschenke.“ Ihm ist nicht wohl, doch der Weihnachtsmann reagiert nicht und geht einfach weiter.
Wenig später befinden sie sich in der Spielzeugabteilung des Kaufhauses.
Der Weihnachtsmann ist ganz ausser sich vor Freude: „Schau doch nur die vielen schönen Spielsachen an! Siehst du dort dieses Plüschrentier? Das gefällt mir.“ Er schaut es lange an. „Komm, gehen wir weiter.“ Er will sich gerade umdrehen, als er eine Frau bemerkt, die ihm heftig zuwinkt.
„Wer ist denn diese hübsche Frau?“
„Hübsch? Das ist meine Arbeitskollegin.“
„Geh zu ihr und frage sie, ob sie Lust hätte, mit dir einen Kaffee zu trinken.“
„Aber, nein, ich… .“
„Nun geh schon.“
Begrüssung. Er hasst solche Begrüssungen mit Küssen auf die Wangen und künstlichem Gelächter. Doch er fragt sie trotzdem, ob sie schon etwas vorhabe, denn er kenne da ein nettes Café.
Sie errötet leicht. „Nein ich habe nichts vor und käme gerne mit dir mit.“
Sie verlassen zusammen das Kaufhaus. Für sie zu zweit, für ihn zu dritt.

Er führt sie zum Café rouge. Die Getränke werden bestellt.
Sie schaut ihm tief in die Augen. Für ihn ist es eher unangenehm.
Was will sie von ihm? Er will doch gar nichts von ihr. Er schaut verzweifelt zum Weihnachtsmann, der die Situation gespannt verfolgt. Doch dieser zwinkert ihm nur zu. Er klatscht in die Hände und die Arbeitskollegin beginnt plötzlich in ihrer Tasche zu graben. „Entschuldige mich. Mein Telefon.“
Sie geht ein paar Schritte davon.
„Was hast du? Sie ist doch eine nette Frau.“
„Ich weiss nicht. Sie schaut mir immer so tief in die Augen. Es ist mir unangenehm.“
„Willst du nach Hause gehen?“, der Weihnachtsmann schaut ihn verständnisvoll an.
„Ja gerne.“
Er klatscht wieder in die Hände und die Arbeitskollegin kommt zurück.
„Es tut mir schrecklich leid. Ich muss jetzt gehen. Ein Notfall. Ich hoffe, wir holen das ein anderes Mal nach.“
„Da kann man nichts machen. Geh nur.“
Sie gibt ihm zur Verabschiedung wieder einen Kuss auf die Wange und geht mit schnellen Schritten und flatterndem lila Schal davon.
Klatsch
Er und der Weihnachtsmann stehen wieder in seiner Wohnung.
„Danke für deine Hilfe. Ich finde sie eben komisch.“
„Nichts zu danken, genau deshalb bin ich ja hier. Lass uns Kekse backen.“
Sie gehen zusammen in die Küche und fangen an, einen Teig zu kneten, der vorher noch gar nicht in der Küche war. Sie backen, reden und lachen bis spät in die Nacht.

Die Sonne scheint durch das kleine Dachfenster hinein und kündet den Sonntagmorgen an. Er öffnet langsam die Augen.
Er geht aus seiner Schlafkammer hinaus ins Wohnzimmer, wo schon ein fein gedeckter Tisch auf ihn wartet.
Aus der Küche kommt der Weihnachtsmann und lächelt ihn wie immer an: „Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?“
„Ja danke.“
Es klingelt an der Tür.
„Wer ist das? Ich erwarte doch gar niemanden.“
„Schau nach, aber warte noch kurz bevor du die Türe öffnest.“ Der Weihnachtsmann klatscht wieder in die Hände. Das Wohnzimmer ist plötzlich weihnächtlich dekoriert und er trägt jetzt anstatt seinem Pyjama schöne, neue Kleider.
Er öffnet die Türe und vor ihm steht seine Arbeitskollegin. Sie trägt wieder der lange, lila Schal und sie strahlt vor Glück.
„Guten Morgen. Danke für die Einladung zum Frühstück. Ich habe mich ja so gefreut nachdem ich gestern so schnell wieder gehen musste.“
Sie gibt ihm wie immer einen Kuss auf die Wange. Ihr Parfum benebelt ihn leicht.
Er schaut prüfend zum Weihnachtsmann, und dieser nickt ihm nur zu. Er bemerkt, dass irgendetwas an ihr anders ist. Sie ist hübscher als gestern und ihre Art ist anders. Sie schaut ihn nicht mehr so unangenehm an.
„Nimm doch schon mal Platz, ich gehe noch kurz in die Küche.“
„Hast du sie eingeladen?“
Der Weihnachtsmann zwinkert ihm zu und schickt ihn wieder ins Wohnzimmer zu ihr.
Aus der Küche hört er ein Klatsch.

Die Sonne scheint durch das grosse Bogenfenster hinein und kündet den Montagmorgen an. Er öffnet langsam die Augen. Alles ist so, wie er es sich immer erträumt hat. Neben ihm liegt sie und schläft noch. Er geht aus dem Schlafzimmer hinaus ins Wohnzimmer, wo schon ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum steht, unter welchem viele Geschenke liegen. Er ist glücklich.

In einem grossen Haus mitten in einem Ozean aus Schnee und Eis sitzt ein dicker Mann mit einer roten Mütze und einem roten Anzug vor seinem Fernseher und beobachtet ihn, wie er das Frühstück zubereitet. Es kommt ein zweiter roter Mann mit weissem Bart in den Raum: „Auftrag erledigt. Er ist glücklich.“
Der erste rote Mann nickt zufrieden: „Kann er sich noch an dich erinnern?“
„Nein er glaubt nicht mehr an die Existenz von uns Weihnachtsmännern.“
Der Weihnachtsmann vor dem Fernseher lacht in seinen Bart und meint: „Und es gibt sie eben doch!“

 

hey Dominik II
super schöne Geschichte!
keine Kritik.
mlg SelinaF

 

Hallo Dominik II!
Deine Geschichte ist ja wirklich was fürs Herz, gerade zur Weihnachtszeit, aber sie ist mir insgesamt zu zuckrig und vorhersehbar. Das wäre nicht schlimm, kann ja ein Stilmittel sein, doch deine Figuren bleiben zu flach, haben kein 'Leben'. Der Mann wird definiert durch eine brennende Frau, damit ist alles gesagt? Dann die 'nette' Kollegin, die nur darauf wartet, ihre Liebe verströmen zu dürfen und beim Plätzchenbacken sein wundes Herz erobert? Ich habe mich aber auch gefragt, ob du vielleicht einfach alles ironisieren willst und dehalb an manchen Stellen so eine altertümelnde Ausdrucksweise verwandt hast: 'gar niemanden erwarten' 'winzige Schlafkammer', you know? Auch das sich selbsttätig schmückende Wohnzimmer könnte ja eine gnadenlose Übertreibung sein, gar nicht zu reden von dem fernsehguckenden Weihnachtsmann...Du bist wahrscheinlich doch ein Schlitzohr, ja, ja.
Ich denke beim Lesen an die vielen amerikanischen Weihnachtsfilme und Rentierepen, die einem schon das Wasser in die Augen treiben können, so auf der Couch, in der winzigen Wohnstube bei Selbstgebackenem...
merry x-mas!
LG,
Jutta

 

Hallo Jutta

Da dies meine erste Kurzgeschichte ist, die ich geschrieben habe, bin ich froh, dass sie dir auch gefällt. Ich finde es auch gut, dass ich Kritik bekomme und, ja, vielleicht bin ich ja ein kleines Schlitzohr ;)

lG Dominik II

 

Hallo Dominik II

eine wirklich gelungene Geschichte... Passend zur Jahreszeit, in welcher eh der Winterfrust so langsam aufkommt.

Ich musste ein paar wirklich schmunzeln..
mfG Piccolo

 

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