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Unberührbar

Geo

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24.02.2015
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Unberührbar

Jetzt steht er vor mir – drahtig und entschlossen. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Trotzdem fasziniert mich diese Gestalt. Ohne Gesicht und ohne Gnade bringt er den Tod. Der Tod ist sein Geschäft. Ich versuche meine Augen von ihm abzuwenden. Und doch haben wir viel zu besprechen - viele Fragen müssen beantwortet und viele Details geklärt werden. Nervös war ich schon seit mir der Meister die Aufgabe übertragen hat. Das Werk muss seinen Anfang finden. Alles muss so geschehen, dass der Henker seiner hehren Pflicht nachkommen kann. Das Werkzeug muss in höchster Perfektion der Hand dienen, die es führt.

Schon oft bewiesen sich meine Schwerter im Kampf. Im Kampf Mann gegen Mann. Ritterlich und fair. Keine Keulen und Schnabelhämmer sind es, die unsere Schmiede verlassen, sondern dem edlen Kampf dienende Waffen. So wertvoll, dass ich mir in zwei Leben keines leisten würde können. Die Aufnahme in die Gilde steht bevor. Nun muss ich mich beweisen. Ein Werkzeug des Todes wird es sein, das verlässlich zu dienen hat.

Mit dem Zirkel nehme ich Arm- und Fingerlängen des Henkers – bedacht, ihm nicht näher als notwendig zu kommen, und ihn auf keinen Fall zu berühren. Schwer habe ich gerungen, ob ich dem Auftrag gewachsen bin. Eine Waffe zu schmieden ist das Eine, ein Richtwerkzeug zu erschaffen das Andere. Eine Waffe dient dem Kampf, ein Richtwerkzeug dient der Obrigkeit. Beide dienen dem Tod.

Den armen Sünder hängen zu sehen scheint zu gewöhnlich. Hinrichtungen mit blutiger Hand sollen die Beutel der Edlen füllen. Die Gräuel der Zeit haben die Menschen stumpf werden lassen.

Das Volk verlangt Abwechslung.
Das Volk verlangt Ablenkung.
Das Volk will unterhalten werden.
Man muss dem Volk etwas bieten.
Alle lechzen nach Blut und das Gold glänzt verführerisch.

Die Obrigkeit hat diesem Wunsch Rechnung getragen und dem Scharfrichter den Auftrag erteilt, ein Richtschwert in Auftrag zu geben. Die beste Ware beim besten Schmied.

Damit auch hierorts mehr Leute der Hinrichtungen beiwohnen.
Damit auch hierorts mehr Blut fließt - und mehr Geld.

Die Staatskassen sind leer. Darum soll das Blut dem Gold dienen. Darum soll die Neuerung des Enthauptens mit dem Schwert Einzug halten.

Der Anger ist schon Tage vor der Hinrichtung voll mit fahrendem Volk. Der Tross ist gewaltig. Für jeden ist etwas dabei. Alle Geschmäcker, seien sie auch noch so abartig, werden bedient. Das Geld regiert und das Grauen verkauft sich gut: Vor Zauber schützender Tand, Ablassbriefe für die ganz Gläubigen, Tücher mit dem Blut der Gehängten, Fingerknochen für den Geldbeutel - all das soll hier den Besitzer wechseln. Seltene Düfte von unbekannten Gewürzen, Tees und Rauchwaren durchziehen die Gassen. Allerlei Darbietungen und Vergnügungen biedern sich an.

Am Richtplatz angekommen, erwartet mich die Hauptattraktion. Ein entstellter Krüppel wird unter derbem Gejohle vorgeführt. Eine Mischung aus gieriger Erwartung und offen zur Schau gestellter Erregung beherrscht die Masse. Und das Verlangen nach Abwechslung - das Verlangen nach Blut.

…………………………..

Breit und lang liegt sie vor mir. Schön anzuschauen ist sie. Wohlige Schauer laufen mir über den Rücken. Die Klinge ist wohl gelungen; nun werde ich sie zur Vollendung bringen!

Den Knauf habe ich gering ausgelegt, damit er die Wucht des Hiebes nicht zähmt. Das untere Ende der Klinge habe ich gerundet und drei Löcher in sie geschlagen. Niemand soll dieses Werkzeug als Waffe missbrauchen können. Den Griff umwickle ich traditionell mit gedrehtem Silber. Die Parierstange ist kurz und schmal; eher Zier als Handschutz. Kein anderes Schwert soll diese Klinge je kreuzen. Bei der Wahl der Gravur hat mir der Henker freie Wahl gelassen. Bedächtig und konzentriert meißle ich den kalten Stahl.

"When ich thu dis Schwert erheben, schenk ich dem Sünder das evge Leben"

Die ersten Buchstaben gehen leicht von der Hand. Span um Span frisst sich der Meisel in das Eisen. Geduldig zieht sich die Arbeit über die Stunden.
…………………………..

Der fremde Geruch mahnt zur Vorsicht. Allerlei Beutelschneider und Diebesgesindel mischen sich unters Volk. Die Art von Lärm bin ich nicht gewohnt. Ich bin ein Mann der Tat. Ich bin ein Schmied. Das Sammelsurium der Eindrücke lässt mir das Blut schneller werden. Ein Zahnloser zerrt mich in ein Zelt, in dem zwei Zwerge einen Affen in Ketten vorführen und mit Prügel auf ihn einschlagen. Laut schreit die gequälte Kreatur und setzt sich erneut zur Wehr. Mir ist nicht nach Kuriosität. Ich löse mich und gehe meines Weges.

Keine drei Armlängen neben mir poltert der Karren vorbei. Gerade zur rechten Zeit habe ich mich eingefunden. Der arme Sünder wird zum Richtplatz gebracht. Die Schergen prügeln ebenfalls auf ihn ein - warum dann im Zelt dafür zahlen?

Zwei Schergen stützen den Verurteilten. Zur sehr hat ihn die peinliche Befragung und die Prügel während des Transportes geschwächt. Hoffentlich hält er bis zur Hinrichtung durch.
Stille. Schlagartig verstummt jedwedes Geräusch. Nur vereinzeltes Greinen von Kindern und Siechen ist zu hören. Ich sehe in erwartungsvolle Gesichter, als der Büttel das Urteil verkündet. Meine Gedanken derweil sind andere:

Die erste Hinrichtung mit blutiger Hand.
Die erste Hinrichtung mit dem neuen Richtschwert.
Die erste Hinrichtung mit dem von mir erschaffenen Werkzeug.

Rundherum setzt nach der Verlesung der Lärm wieder ein. Ein Raunen geht durch die Menge, als der Henker das Schafott betritt. Mit einer ausladenden Geste lüpft er das Tuch und bietet der jubelnden Menge das Schwert dar. Gegen alle vier Himmelrichtungen präsentiert er das todbringende Instrument und die Menge jubelt in erregter Vorfreude.

Auf dem Richtplatz wirkt er größer als in der Werkstatt. Vom Blut getränkt ist seine Kutte. An Schweinen soll er sich versucht haben, heißt es. Um das Schwert beim großen Spektakel mit sicherer Hand zu führen. Zehn Hiebe und mehr waren bei ungeübten, mit der Anatomie nicht vertrauten Todesknechten schon von Nöten, um einem Verurteilten den Kopf zu nehmen. Eine Schande ist das für diesen Berufszweig. Sind doch unter den vielen Säufern und Abdeckern auch Könner am Werk.

Mit dem ersten Hieb muss es vollbracht sein. Das ist er mir schuldig, der Unberührbare. Was er in Händen hält, habe ich erschaffen. Tadellos hockt es in seiner Hand, perfekt verlängert es den todbringenden Arm. Eine morbide Vorstellung liefert er schon jetzt. Immer wieder schwillt das Gejohle der Menge an, wenn er das Schwert in Richtung des Verurteilten schwingt. Großes Können und viel Übung zeigt er beim waagrechten Schlag. Exakt im neunzig Grad Winkel führt er den tödlichen Schlag vor. Als er in meine Richtung blickt, deutet er eine Verbeugung an. Ich erwidere seine Geste und neige mein Haupt ebenfalls. Die Leute mustern mich staunend. Im Augenwinkel nehme ich die offenen Münder wahr.

Der Schmied! - raunt es verhalten durch den Pöbel. Die meisten überrage ich um einen Kopf. Die Schultern sind breit geworden in den letzten Jahren. Erst jetzt bemerke ich meine rußverschmierten Arme; gleich von der Schmiede aus bin ich zur Richtplatz geeilt. Diese Mal will ich rechtzeitig vor Ort sein. Rechtzeitig um mein Werkzeug zu ehren. Durch die lederne Gesichtsmaske funkeln seine Augen. Ich halte dem Blick stand. Nun weiß er, dass ich ihn begleite. Nicht nur mein Richtschwert, auch er durchläuft heute eine Prüfung.

Seine erste Hinrichtung mit blutiger Hand.

Wieder ein Aufschrei des Publikums, als er hinter dem armen Sünder Stellung bezieht. Nun folgt der Auftritt des Pfaffen. Wieder wird es still. Obwohl keiner das Latein versteht, blicken doch alle betroffen zu Boden. Der Anschein zählt. Der Geistliche bekreuzigt sich.

Stille. Kein Geräusch stört die feierliche Zeremonie.

Das peinliche Verhör hat den Verurteilten gezeichnet. Die herausgerissene Zunge und die abgetrennten Hoden hängen an einem Riemen um seinen Hals. Blutige Furchen an Kinn und Brust zeugen vom Gebrauch der Ketzergabel. Blutüberströmt ist auch der Unterleib vom Spreizen. Unzucht hat der Sünder begangen. Einige Knaben des Ortes sind befragt worden. Die Lichtesten sollen sie nicht gewesen sein. Und was gesagt und aufgeschrieben wurde, weiß nur der Inquisitor. Die stumpfen Augen des Verurteilten sind der Beweis der erwiesenen Gnade. Die Kundige soll ihn besucht und mit allerlei Kraut die Schmerzen gedämpft haben. Da hat sich die Obrigkeit nicht lumpen lassen. Nicht dass den Verurteilten zu früh die Kraft verlässt – und am Ende die Hinrichtung nicht dem Protokoll folgend - vollendet werden kann.

Ein Schwall schwarzes, halbverdautes Blut speit der Verurteilte aus und besudelt damit des Pfaffen Kruzifix. Wie lange mochte er das Würgen schon unterdrückt haben? Die Menge zeigt sich entsetzt. Was für eine Gottlosigkeit! Wütend schlägt der Pfaffe dem Delinquenten das Kruzifix mehrmals kräftig ins Gesicht, wischt es an dessen Hemd notdürftig ab und zieht mit beleidigter Miene von dannen. Was für eine Gottlosigkeit! Was für eine Schweinerei! Stundenlang wird der fromme Kirchenmann das schöne, goldene, mit Steinen reich verzierte Sakral nun reinigen müssen.

Die Buhrufe verstummen, als die Schergen die Folterinstrumente präsentieren. Jubelrufe sogar von den Kindern, als Brand- und Spreizeisen, Gelenksschrauben und der Zungenreißer hochgehalten und symbolisch vorgeführt werden. Wahrliche Meisterstücke der Plattnerzunft und der Harnischmacher sind diese Objekte! Ich wende mich ab und gehe in ein Hurenzelt. Eine Rothaarige grinst mir am Eingang entgegen. Noch fast alle Zähne hat sie, obwohl sie sicher schon dreißig Lenze zählt. Ich gebe ihr den Obolus und besteige sie. Sie ist es gewohnt, hart genommen zu werden. Wortlos schiebe ich sie danach beiseite und verlasse das Zelt. Was sind diese Bedürfnisse doch kurzweilig!

Sofort werde ich wieder Teil der grölenden Masse. Auf dem Richtplatz geben Feuerschlucker eine Darbietung. Gekonnt schockieren sie die Menge mit meterhoch gespienen Feuerlanzen. Ein Trommelwirbel kündet den kommenden Höhepunkt an. Bis jetzt hatte der Henker Gelegenheit, die Anatomie des Verurteilten zu studieren. Trifft er einen Wirbel oder gar die Schulter wird er wohl mit Schimpf und Schande seines Amtes enthoben werden. Die Glocken läuten nun ebenfalls. Machtdemonstration der Kirche. Mit festem Schritt nähere ich mich der Hinrichtung. Wohlan – lasst es geschehen!

Stille. Glocken und Trommeln verstummen. Kein Vogelgezwitscher, kein Räuspern, nicht einmal der Wind stört diesen weihevollen Moment. Die Stille ist spürbar, dumpf und voll aufgeladener Spannung.
Stille. Totenstille. Die Welt hat aufgehört zu atmen. Der Henker bringt das Schwert in waagrechte Positur. Im Halbkreis schneidet die Klinge die Luft. Aufrecht mit verbundenen Augen kniet der arme Sünder und ergibt sich seinem Schicksal.
Verlangsamt nehme ich das grausige Geschehen wahr. Ich sehe die heraustretenden Adern des Verurteilten, meine, seinen Schweiß riechen zu können. Sein Blick geht ins Leere. Mühelos dringt die Klinge durch Haut, Fleisch und Mark. Kein ausgefranster Schnitt. Alles glatt durchtrennt; so glatt, dass der abgeschlagene Kopf am Rumpf ruhen bleibt. Ich habe auch beim Schleifen ganze Arbeit geleistet.

Ein wahrlich gekonnter Hieb. Henker und Schwert haben die Feuertaufe bestanden. Kein Blut dringt aus der Schnittstelle. Noch immer scheint die Welt ringsum eingefroren. Kein Ton dringt an mein Ohr. Der Henker fasst den Schädel des Hingerichteten am Schopf und hält ihn in die Menge. Die Augen des Geköpften blicken ungläubig und seine Lippen formen unhörbare Worte. Ich sehe weit aufgerissene Münder und gierige Fratzen. Erst jetzt passiert es. In pulsierenden Tiraden ergießt sich der rote Lebenssaft des Sünders über Schergen, Henker und Schafott. Erst jetzt nehme ich den gewaltigen Lärm der Meute wieder wahr. Die Welt erwacht in grausiger Ekstase.

Ein wahrlich ohrenbetäubender Lärm! Was für ein gelungen Spektakel! Die Menschen drängen zum Toten, um ein paar Tropfen des Lebenssaftes abzubekommen. Ist billiger als nachher die blutgetränkten Tücher beim Henker zu kaufen!

Der Körper des Toten fällt nach vorne. Die Welt um mich versinkt in einem lustvollen, roten Rausch. Die vorher körperlich spürbare Spannung weicht einer dumpfen Gelöstheit. Wie war doch der Tag gelungen! Es werden noch viele Köpfe rollen. Allein der leeren Kassen wegen. Ich wende mich ab und gehe nach Hause. Noch nach hundert Schritten vernehme ich das Gejohle.

Es ist vollbracht, die Menge hat bekommen was sie verlangt.
Es ist vollbracht, der Edlen Beutel haben sich gefüllt.

 

Hallo Geo,
schon wieder ein Text, der in den Tiefen zu verschwinden droht.
Aber erst mal Willkommen hier. Ob du dich allerdings freuen wirst, dass ich deinen Text aus dem Untergrund hochgeholt habe, weiß ich nicht so genau. Gemocht habe ich ihn nämlich leider nicht.
Dabei schreibst du jetzt gar nicht mal schlecht, wenn man mal von doch noch ganz schön vielen Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern absieht. Klar, das ist eher formal, aber es lenkt doch durch die Holprigkeit vom Lesen ab und Kommas strukturieren nun mal den Lesevorgang, erleichtern ihn also auch. Auch sonst gibt es ein paar Holprigkeiten. Wie beispielsweise Zeitfehler und das gleich zu Beginn. Ich muss ehrlich sagen, das sollte einfach nicht gleich am Anfang passieren, wenn der Text sich noch mit dem Leser anfreundet und umgekehrt. Und es lässt sich doch mit ein bisschen Überarbeitung vermeiden.
Warum ich den Text nicht so mochte? Das liegt hauptsächlich am Inhalt. Man fragt sich ja wirklich, ob es da eine einzige sympathische Seele in deinem Text gibt. Der Schmied, der vor lauter Berufsstolz wie ein Technokrat wirkt, der zwar alles aufzählt, was es an Grusligem in dieser Gesellschaft gibt, aber keinen Funken Mitgefühl hat außer für sein blödes Henkerdingens. Und die zweite große Figur, die Masse, der zuliebe man sich die Hinrichtungsinszenierung hat einfallen lassen. Ich bin da immer vorsichtig, die Deutung, dass sich spätfeudale oder auch auch Herrscher zu Beginn der Moderne oder gar heutige Herrscher die blutigen Folter- und Hinrichtungsszenerien nur ausgedacht haben, weil das Volk es so dringend verlangt, sie also nur dem blutgierigen Pöbel nachkommen, ich finde das ist immer so eine furchtbar bequeme Sichtweise.
Du hast hier noch einen anderen Anknüpfungspunkt, warum statt des Hängens das Schwert zur Hinrichtung benutzt wurde. das Geld. Das fand ich einen wesentlich interessanteren Punkt als einfach immer dieses angebliche der blutrünstigen Masse Nachgeben.
Aber das ist wohl eine ziemliche Geschmackssache jetzt meinerseits und vielleicht gibt es andere Leser, die deine Geschichte da freundlicher beurteilen.

Eine Sache aber noch, die jetzt nichts mit Geschmack zu tun hat. Du solltest aufpassen, dass deine Wortwahl nicht zu sehr aus dem heutigen Sprachgebrauch entstammt oder Dinge benennt, die man damals noch gar nicht wusste.
Ein paar Beispiele: attraktiv, lukrative Einnahmequelle, Zeitlupe, Adrenalin. Es gibt noch mehr, aber den rest findest du bestimmt selbst. Ansonsten ist mir nämlich aufgefallen, dass dein Text versucht, viele zeitlich passende Begriffe und Vorgänge einzubauen, da fand ich es dann erst recht schade, wenn einen solche Wörter wie Zeitlupe oder Adrenalin raushauen.
Ach und noch ein Tipp, ich würde nicht gleich im ersten Satz das Wort Gugel benutzen. Man hat zwar den Tag "historisch" im Kopf, aber Gugel, ich weiß nicht, ob das jetzt wirklich so bekannt ist als Kopfbedeckung. Nimm doch lieber Kapuze. Oder wandele es anders ab, will sagen, lass den Lesern einen Moment Zeit, in den von dir historischen Abschnitt einzusteigen. Später, wenn man in der Szene drinist und sich verortet hat, verträgt sich das besser.

Viel Spaß hier noch bei uns.
Viele Grüße
Novak

 

Hallo Geo,

herzlich willkommen bei den Wortkriegern.
Ich fange mit den Kleinigkeiten an:

Ein Werkzeug des Todes wird es sein, das verlässlich zu dienen hat.
Eine Waffe zu schmieden ist das Eine, ein Richtwerkzeug zu erschaffen das Andere.
Das klingt so, als ob es nur diese beiden Möglichkeiten gibt. Vielleicht klingt es besser, wenn Du den bestimmten Artikel streichst z.B. eine Waffe zu schmieden ist eine andere Aufgabe als ein Richtwerkzeug zu erschaffen ...
Das Volk verlangt Abwechslung.
Das Volk verlangt Ablenkung.
Das Volk will unterhalten werden.
Man muss dem Volk etwas bieten.
Alle lechzen nach Blut.

Die Obrigkeit hat diesem Wunsche

Wer hat denn diesen Wunsch formuliert? Das Volk? Ein Flugblatt? Eine Meinungsumfrage? Oder nicht doch einfach die Obrigkeit?
Der Anger ist schon Tage vor der Hinrichtung voll mit fahrendem Volk. Der Tross ist gewaltig.
Vorher schribst Du, dass Krieg herrscht und der sehr teuer ist. Da wundert es mich, dass so viele Menschen von dem Krieg offensichtlich gar nicht betroffen sind und anscheinend auch gar kein Interesse haben, sich am Krieg zu bereichern. Das scheint mir eher unüblich.
Den Knauf habe ich gering ausgelegt
gering klingt nicht gut - klein schmal gedrungen ...
Den Griff umwickle ich traditionell mit gedrehtem Silber.
"When ich thu dis Schwert erheben, schenk ich dem Sünder das evge Leben"
Ich weiss nicht, ob dieser Satz nicht zu sehr nach dem eher missglückten Versuch, altertümlich zu wirken, klingt.
Nicht dass den Verurteilten zu früh die Kraft verlässt
Was für ein gelungenes Spektakel!

Bei der Gugel war mir klar, jetzt wirds mittelalterlich. Offensichtlich trägt der Henker auch nicht die "Gugel", die bei Amazon angeboten wird. In der Folgezeit benutzt Du dann immer mal moderne Begriffe, die in diese Zeit nicht passen. Das stört ein wenig.

Letztlich lässt der Text zu viele Fragen offen: Warum führt die Obrigkeit die Hinrichtungsart Köpfen ein?
Enthauptungen wurden im Mittelalter nur bei Adeligen durchgeführt und nur Mitglieder des Hochaldels durften sich hinknien, so dass der Henker freihändig zuschlagen musste. Alle anderen mussten ihren Kopf auf den Richtblok legen. Diese Regeln galten jetzt für Britannien, aber damit wird diese Frage -*Warum Enthauptung eines Sexualstraftäters - noch drängender. Nach Deinem Text kommt es möglicherweise gar nicht auf die Tat an, sondern auf andere ausserhalb liegende Ursachen. Das könnte (und sollte) genauer dargestellt werden.
Und am Schluss:

Es ist vollbracht, die Menge hat bekommen was sie verlangt.
Was bedeutet das nun für den Schmied? Das Schwert scheint sein*Gesellenstück für die Aufnahme in die Gilde zu sein. Sieht er also das Geschehen nur unter diesem Aspekt? Kommt die Einführung der Enthauptung seinen eigenen Ambitionen entgegen? Aus Deinen Andeutungen wird mir nicht klar, ob der Schmied diese neue Hinrichtungsmethode (aus Überzeugung) gut heißt. Dass die Menge schreit "Kopf ab" und den leidenden Menschen gar nicht sieht, ist ja nun hinreichend bekannt, aber bleiben der Schmied und der Henker von diesem Gechehen völlig unberührt? Mir fehlen Emotionen. Jetzt ist die Geschichte eigentlich ein Zeitungsbericht über die Einführung der Hinrichtung. Objektiv und leidenschaftslos und damit weckt sie bei mir auch eher Abscheu und Ablehnung.

Liebe Grüße

Jobär

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Geo

Wir kennen uns bereits.

Deine letzte Geschichte hast du vor fünf Monaten eingestellt. Danach bist du vermutlich in die Wildnis gegangen und hast in einer Klause über das Wesen des Schwertes nachgedacht. Ich dachte, dass von dir wahrscheinlich nichts mehr kommt. Tja, so kann man sich täuschen.

Fast hätte ich die neue Geschichte übersehen. Vielleicht war es ein Zufall, der sie mich übersehen ließ. Vielleicht lag es aber auch am unscheinbaren Titel. Unberührbar? Inzwischen weiß ich, was gemeint ist. Ohne Kenntnis der Geschichte wirkt der Titel dagegen eher nichtssagend.

So, wie ich das sehe, knüpfst du nicht nur mit der Hauptfigur und beim Thema an deine erste Geschichte an, sondern auch mit der Vortragsweise. Ich rede jetzt absichtlich nicht von Stil, weil das verfrüht wäre nach zwei Geschichten. Aber was meine ich genau? Ich meine zum Beispiel:

Das Volk verlangt Abwechslung.
Das Volk verlangt Ablenkung.
Das Volk will unterhalten werden.
Man muss dem Volk etwas bieten.
Alle lechzen nach Blut.

Ein Hang zur rhythmisierenden Elementen.

Ferner eine wahrnehmbare und nützliche Distanz zum Erzählten, aus der heraus die Geschichte gegliedert wurde.

Gewichten kann man die einzelnen Teile auch. Darin glaube ich, schwächelt deine Geschichte. Der Stolz des Gesellen auf sein Werk ist zwar unüberhörbar, der Grund hierfür wird aber bloß angetönt. Beschäftigt mit dem Rummel der Hinrichtung hast du es unterlassen, zu erzählen, wieviel Zeit, Kraft und Mühe der Geselle aufwenden musste, bis sein zwiespältiges Meisterstück in der Hand des Scharfrichters lag. Ich weiß aufgrund deiner ersten Geschichte, wieviele ohrenbetäubende Hammerschläge und schallende Maulschellen, wieviel Geduld und Wille notwendig waren, bis aus einem Fegler der Meistergeselle wurde. Neue Leser lesen aber ohne Vorwissen. Sie können den beschriebenen Berufsstolz wahrscheinlich nicht nachempfinden. Wenn du also das Schmieden des Schwertes teils erzählen würdest, mehr gewichten würdest, dann, glaube ich, dann würde die Geschichte hinzugewinnen. Der Ort dazu wäre, so meine Sicht, in jenem Teil, in dem du die Bauweise des Knaufs und der Parierstange schilderst.

Das untere Ende habe ich gerundet und drei Löcher geschlagen. Niemand soll dieses Werkzeug als Waffe missbrauchen können. Den Griff wickle ich traditionell mit gedrehtem Silber. Die Parierstange – nur angedeutet. Kein anderes Schwert soll diese Klinge je kreuzen.

Ich kann mir zwar denken, dass die drei Löcher irgendwie dazu führen, dass das Schert kaputt ginge, vielleicht zerbrechen würde, wenn es im Kampf gegen ein anderes Schwert geschlagen würde, aber ich verstehe eigentlich nicht, warum diese drei Löcher sich so auswirken. Ich stelle mir nämlich drei simple Löcher im Knauf vor, die sich irgendwie halt einfach so auswirken? Allerdings irritierte mich diese Ungewissheit nur so schwach, dass ich deswegen nicht etwa aus dem Lesefluss fiel.

Die Schultern sind breit geworden, in den letzten Jahren.

Kreativer Umgang mit Satzzeichen. Wieso ein Beistrich nach «geworden»? – Vielleicht ist er versehentlich hineingerutscht oder du willst die zuletzt angefügte Information durch den Beistrich zusätzlich betonen. Auf mich wirkt das meistens so, als wollte man potenziell begriffsstutzige Leser unbedingt zwingen, einen Teil des Gedankens besonders zu betonen. Dabei ist die Aussage schon betont durch den umgestellten Satzbau. Der Satz lautet ja nicht «Die Schultern sind in den letzten Jahren breit geworden.»

Irgendwo hatte es noch zwei einfache Schreibfehler.

Apropos Können: Die hiesigen Henker waren auch Könner. Von einem gewissen Johann Georg Reichle heißt es, er habe mit dem Schwert geköpft wie sonst keiner. Habe er Missetäter auf dem Stuhl gerichtet, durchtrennte er den Hals so waagrecht, so schnell und sauber, dass der Kopf nicht abfiel, sondern auf den Schultern sitzen blieb. Im Jenner des Jahres 1764 geschah es gar, dass einem Gerichteten beide Teile des Halses wieder zusammenfroren, und zwar so, dass sein Blut weiter kreisen konnte. Der Geköpfte ging danach in ein Wirtshaus und fing an, mit einigen Herren über das Für und Wider der Todesstrafe zu disputieren. Freilich hätte er das besser unterlassen, denn wie er darüber hitzig wurde, und wegen der Wärme in der Wirtsstube, taute sein Hals wieder auf, und so poltere ihm doch noch der Kopf zu Boden.

Zurück zu deiner Geschichte: Die Zeitlupenscene hat mir gefallen. Das plötzliche Aussetzen der Geräusche, Stimmen und Töne konntest du gut vermitteln.

Was gibt es noch zu sagen? – Halt den Nacken steif und lass dir den Schneid nicht abkaufen!

Gruß teoma

 
Zuletzt bearbeitet:

Gott zum Gruße, werte(r) teoma!

Danke für Deine ermunternden Worte; oder wie Mark es sagen würde: "Von einem schönen Kompliment kann ich zwei Monate leben."

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Natürlich kann sich der Unberührbare die Kapuze der Gugel statt ins Gesicht gezogen haben. Wer vermag sich der Details erinnern - nach so langer Zeit....

Werter Novak!
Werter Jobär!

Danke der geraden Worte! Ich war sehr erstaunt ob der ausführlichen Kritiken! Letzten Endes habe ich alles so niedergeschrieben, wie es sich am 13. Juli 1551 zugetragen hat; habe weder etwas geschönt, noch etwas dazu erfunden.

Bewusst habe ich auf viel Emotionales verzichtet. Zu sehr quälen mich noch heute die Dämonen dieser Zeit. Wollte ich die Geschichte ausführlich darlegen, so müsste ich sehr weit ausholen: Um die Kindheit zu beschreiben, die Wertigkeit von Leib und Leben und die Grausamkeiten jener Zeit -
Was hinter Ohren geschrieben wurde, wer mit wem unter der Decke steckte, was unterm Hund war und wer wen nicht im Stich gelassen hat.

Die Hinrichtung am 13. Juli 1551 wäre dann nicht nur Höhe- sondern auch Wendepunkt. In "Die Klinge" habe ich von meiner Lehrzeit berichtet. Was vorher passierte und was danach kam, wäre nicht weniger erzählenswert, sprenge jedoch den Rahmen der Kurzgeschichte.
Zu den Phänomenen der Natur, zum Leben in dieser Epoche und den Bedürfnissen des gemeinen Volkes sollte ich im Rahmen einer Novelle Stellung beziehen.

Die Orthographie, so bitte ich Euch und Konrad Alexander Friedrich Duden, seht mir bitte nach. Ich bin Schüler und Handwerker - nicht Poet. Als ich des Schreibens kundig gemacht wurde, waren Sprache und Wort noch nicht genormt.

So beuge ich mein Haupt vor soviel Wissen, Interesse und kundigen Worten seitens Eurer Federn und werde die vorgeschlagenen Verbesserungen in mir wirken lassen und hernach nach bestem Wissen - und bescheidenem Können - umzusetzen versuchen.

Euer Geo

 

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