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Unausweichlich - Sonnengestalt

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11.06.2017
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Unausweichlich - Sonnengestalt

Die Sonne im dreckigsten Herzen Frankfurts verschwand schon allmählich unausweichlich hinter den Blocks, wie so oft dieser lauen Herbsttage. Die blutrot gefärbte Skyline, die breiten Straßen bedeckt mit feurig-flammendem Laub. Eine Main-Metropole erstrahlt in den idyllisch-warmen Farbtönen, die so hart mit dem kühlen Glas und Stahl ihrer Hochhäuser kontrastieren.

Unweit der Börse, der Anzugträger – und ebenfalls unweit des Rotlichts, der Kriminellen und Prostituierten. Inmitten des Frankfurter Molochs, wo unschuldige Seelen verloren gehen. Im Bermuda-Dreieck der Unbefleckten, im Heizkessel zwischen allen sieben Todsünden lokalisiert: Ein Spielplatz.

Genauer gesagt: Die traurige Karikatur von dem, was mal ein Spielplatz gewesen sein musste. Insgesamt wenig liebevoll angelegt. Von kaltem Stahl statt saftigen Bäumen umzäunt. Statt wildem Rasen mit allerhand bunter Wildblumen finden sich nur Grasreste, Kippenstummel und Sand, der mit Glassplittern verziert ist. Statt verschiedenen Spielgeräten gibt es nur eine kaputte Schaukel, eine besprühte Rutsche, die in der Mitte durchzubrechen droht. Mittig eine stark verwitterte, beklebte und bekritzelte Bank, die mittlerweile Zentrum des verwahrlosten Ortes gewesen ist. An einer Stelle in unmittelbarer Zaunnähe, die einst der Sandkasten gewesen sein musste, ist jetzt ein kleiner verstreuter Haufen Sand, der gefüllt ist mit benutztem Spritzbesteck, Zigaretten, Exkrementen und Kondomen. Statt unbeschwerten Kindern tummeln sich hier nur Drogenabhängige, Kleinkriminelle, Prostituierte und solche hoffnungslose Jugendliche, die schließlich auch so enden werden. Unausweichlich.

Irgendwo ein Kinderlachen. Nur von kurzer Dauer. Ganz leise, fast schüchtern, zurückhaltend. Und schon wieder verstummt.

Die versifften und gescheiterten Existenzen am Abgrund schreckten ob dieses göttlichen Klingelns auf, sie hoben ihre Köpfe, die gerade mitten im Genuss, in Gesprächen und Geschäften vertieft waren, blitzschnell – wie Geier, die etwas noch Lebendiges, doch ihre baldige Aas-Mahlzeit bemerken. Nach dem Ende des Engelslachens war die Situation vollkommen verdreht: Alle waren sich ihrer sinnhaften Wahrnehmung bewusst, doch schien für alle das eben gehörte auch ausgesprochen surreal. Sie schauten sich noch kurz um, doch natürlich fanden sie nichts, was dem glücklichen Glucksen äußerlich entsprach. Ihr Blick war getrübt von der Hoffnungslosigkeit des Lebens.

Doch mitten auf dem kleinen Sandhäufchen saß der kleine Engel: Ein vielleicht 6-, vielleicht 7-jähriges Mädchen, gekleidet in ein Kleidchen aus weißem Leinen, barfuß, barhäuptig, mit blondem, geflochtenen Haar und von der Natur geröteten Wangen. Ihr war es irgendwie gelungen, in diesem Dreck ein einziges, kleines, verkümmertes Gänseblümchen aufzufinden. Es war beinahe welk – die weißen Blütenblätter vergilbt, das Blütengelb nur noch zur Hälfte vorhanden, der Stiel geknickt – als sie es mit einer Leichtigkeit von den schwachen Wurzeln im Drecksand abriss. Es war eine unausweichlich verlorene Existenz, ein Spiegel für die Anwesenden im Spielplatz ‚Bellevue‘.

Das Engelchen nahm diese hoffnungslose Blume in ihre kleinen Hände, stanzte mit dem Fingernagel ihres rechten Daumens einen Spalt in den Stiel. Und das Gänseblümchen blutete. Sie schlängelte ein weiteres bereits totes Gänseblümchen in das dadurch entstandene Öhr. Das zweite Exemplar war ebenfalls welk, bereits leicht eingetrocknet, es hing in einem anderen, welches wiederum in einem anderen, welches wiederum in einem, welches wiederum in … Sie hatte ein Band aus Gänseblümchen gebastelt, stieß erneut ein Loch in das Blümchen am anderen Ende und verknüpfte so beide Enden zu einem Kranz der Unschuld, bestehend aus unausweichlich trauernden, leidenden, sterbenden Gänseblümchen. Sie nahm das zerbrechliche Konstrukt vorsichtig jeweils zwischen ihre kleinen Zeigefinger und Daumen, reckte die Ärmchen zu ihrem Haupt – und krönte sich selbst vorsichtig in Anwesenheit der Verlorenen Bürger Frankfurts.

Als der Kranz ihr feingold-schimmerndes Haar berührte und sich perfekt um ihren Schädel legte, schien das blutrote Licht der Abenddämmerung auf ihr froh-feierliches, aber ernst dreinblickendes Gesicht. Es schien, als begreife sie die Bedeutung dieses Moments mit ihrem jungen Verstand nur zu gut. Das sie erhellende Leuchten und die prickelnde Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht brachten sie erst zum Schmunzeln und schließlich musste sie kurz kichern, weil sie im Gesicht die Sonne spürte während sie an den im Schatten liegenden Armen Gänsehaut vor Kälte hatte. Sie dachte „Diese Welt ist makaber“, und lachte mehr in sich hinein als heraus. Doch genügten diese engelsgleichen Laute, die Frohsinn versprachen, um die Aufmerksamkeit der dunklen Gestalten auf dem Spielplatz auf sich zu ziehen.

Sie beide – der Engel und die grauen Gefallenen – erkannten ihre fundamentale Andersartigkeit sofort. Während die Verbrauchten sich mit ihrem Oberkörper zum Kindlein drehten, sich zu ihm beugten, einige kleine Schritte in ihre Richtung vornahmen – erhob sie sich, mit der Anmut einer blaublütigen Herrscherin, langsam von ihrem Sandhaufen. Die Sonnenstrahlen erhellten und –wärmten nun ihr ganzes Gesicht, ihre grünen Augen leuchteten Feuerrot, es schien, als würde ihre Seele in Flammen stehen. Ein besonders abgewracktes Exemplar der Gattung Mensch – sein Gesicht aschgrau, kaum Leben sprach aus seinen Augen, das Gesicht zur Hälfte unter einer viel zu großen, schwarz ausgewaschenen, mit Flicken übersäten Kapuze verborgen – ging mutig auf sie zu; er hatte nichts mehr zu verlieren. Zwei, drei Schritte entfernt von ihr blieb er stehen. Man merkte förmlich, wie die ganzen zu Tode Verurteilten ihre Luft vor Spannung anhielten.

Das Engelchen richtete sich noch ein bisschen gerader auf, hob das Kinn ein wenig an – wie majestätisch dieser kleine Mensch doch wirkte. Sie drehte sich auf dem Fuße um, ging langsam elegant, fast hüpfend, wippend dem Tor entgegen. Sie öffnete und schloss selbiges mit einer feinen Bewegung ihrer Hand, schlüpfte hindurch und ließ die grau-tote Menschenmasse unausweichlich alleine in ihrem Drecksloch zurück. Sie schritt den asphaltierten, kaugummiversehrten Bürgersteig voller Zigarettenreste, Kronkorken und Glasscherben entlang, vorbei an überfüllten öffentlichen Mülleimern, Glas- und Altkleidercontainern, unter S-Bahn-Unterführungen hindurch, dann unter einer wild plakatierten Autobahnbrücke hindurch, unter der es nach Marihuana, Zigaretten und Alkohol stank; schließlich einen leichten Hügel hinauf, der Sonne schritt sie gemächlich entgegen, Schritt für Schritt eroberten sie sich die Sonnenstrahlen die Dominanz über ihren reinen, kleinen Körper inmitten dieses Dickichts aus Schatten zurück. Unter ihr eröffnete sich ein lichtgeflutetes Tal, welches sie ruhigen Schrittes hinabschritt, sie schwebte beinahe, so gottgleich war ihre Erscheinung. Beobachtete man ihr Schreiten, so schien es, als wagte sie es, ausgestattet mit ihrem Gänseblümchenkranz, einen neuen Weg auf der Sonnenseite Frankfurts einzuschlagen.

Man würde ihre Sonnengestalt über Frankfurt hinaus – unausweichlich – noch in Zukunft als Licht am Ende des Tunnels wahrnehmen.

 

Hallo mondaffe,
leider muss ich sagen, dass ich von deiner Geschichte nicht wirklich gefangen war. Den Anfang fand ich recht viel versprechend, aber meiner Meinung nach hättest du mehr aus der Geschichte machen können.
Auch was die Satzkonstruktionen und Formulierungen angeht, gibt es noch einiges, was du verbessern kannst. Ich führe nachfolgend ein paar Beispiele auf:

Eine Main-Metropole erstrahlt in den idyllisch-warmen Farbtönen, die so hart mit dem kühlen Glas und Stahl ihrer Hochhäuser kontrastieren.
Die Main-Metropole. Du meinst ja Frankfurt direkt und nicht Offenbach oder Hanau. Außerdem wechselst du hier vom Präteritum ins Präsens.
Unweit der Börse, der Anzugträger – und ebenfalls unweit des Rotlichts, der Kriminellen und Prostituierten.
Die Anzugträger sind hier überflüssig, die Nennung der Börse impliziert das bereits. Der Gedankenstrich ist ebenfalls überflüssig. Was für eine Funktion hat der in dieser Situation. Und wenn du schon vom Rotlichtmilieu schreibst, dann bitte keine Abkürzung. Das Prostituierte dort zu finden sind, ist wieder offensichtlich.
Statt wildem Rasen mit allerhand bunter Wildblumen finden sich nur Grasreste, Kippenstummel und Sand, der mit Glassplittern verziert ist. Statt verschiedenen Spielgeräten gibt es nur eine kaputte Schaukel, eine besprühte Rutsche, die in der Mitte durchzubrechen droht.
Du verwendest hier in zwei aufeinander folgenden Sätzen statt. Sicher, du möchtest hier auf den krassen Gegensatz aufmerksam machen, aber es gibt auch Synonyme für statt, wie anstelle. Google kann da im Notfall weiterhelfen. Manchmal ist es in solchen Fällen auch hilfreich, den Satz umzustellen.
die mittlerweile Zentrum des verwahrlosten Ortes gewesen ist.
Hier wechselst du auf einmal ins Perfekt. Bereits vorher wechselst du in dem Abschnitt vom Präteritum ins Präsens.
Die versifften und gescheiterten Existenzen am Abgrund schreckten ob dieses göttlichen Klingelns auf, sie hoben ihre Köpfe, die gerade mitten im Genuss, in Gesprächen und Geschäften vertieft waren
Hier ist schon wieder ein Wechsel ins Präteritum. Nach "dieses göttliche Klingelns auf" würde ich einen Punkt statt einem Komma setzten. Sonst wird der Satz zu lang. Im weiteren Verlauf heben sie ihre Köpfe. Es scheint so, als ob die Köpfe im Genus, Gesprächen oder Geschäften vertieft waren. Ein sie vor das die zu setzen könnte hier Abhilfe schaffen. Weiterhin solltest du anstelle des und ein oder verwenden, sonst machen sie die Sachen gleichzeitig
wie Geier, die etwas noch Lebendiges, doch ihre baldige Aas-Mahlzeit bemerken.
Ich weiß nicht genau, was mich am hinteren Teil des Satzes stört, aber so klingt es sehr seltsam.
Alle waren sich ihrer sinnhaften Wahrnehmung bewusst, doch schien für alle das eben gehörte auch ausgesprochen surreal
Du hast bereits geschrieben, dass dies für alle gilt, also musst du das nicht wiederholen. Und du kannst das eben gehörte auch weglassen, weil du dich im Bereich vor dem Komma ebenfalls damit beschäftigst.
Dann eine allgemeine Anmerkung. Zahlen bis Zwölf werden immer als Zahlwort geschrieben.
Kleidchen aus weißem Leinen, barfuß, barhäuptig, mit blondem, geflochtenen Haar und von der Natur geröteten Wangen.
Setzt hinter dem Leinen einen Punkt. Und beim letzten Punkt müsste es heißen: "mit von der Natur geröteten Wangen.
Und das Gänseblümchen blutete.
Es tut mir Leid, aber ich habe noch nie ein Gänseblümchen bluten sehen. Schon gar kein fast welkes. Ich denke es ist schon schwierig genug in einen solchen Stängel ein Spalt mit dem Fingernagel hinein zu bekommen.
Das zweite Exemplar war ebenfalls welk, bereits leicht eingetrocknet, es hing in einem anderen, welches wiederum in einem anderen, welches wiederum in einem, welches wiederum in …
Du musst das gar nicht so oft aufzählen. Das macht das ganze nur unnötig lang. Und deine Schilderung lässt mich daran zweifeln, ob du je welke Gänseblümchen gesehen hast. Meiner Meinung nach ist es ohne Pinzette, vielleicht auch mit, unmöglich einen solchen Kranz aus verwelkten Gänseblümchen zu basteln.
reckte die Ärmchen zu ihrem Haupt – und krönte sich selbst vorsichtig
Warum hier der Gedankenstrich. Das und reicht vollkommen.
Sie dachte „Diese Welt ist makaber“,
Du hast bisher den neutralen Erzähler verwendet. Jetzt springst du aber auf einmal in die Gedanken des Mädchens. Das funktioniert so nicht. Wenn du diesen Satz verwenden möchtest, musst du sie das sagen lassen. Mal ganz davon abgesehen das ich nicht glaube ein Kind von Sechs oder Sieben Jahren kennt die Bedeutung des Wortes makaber.
Sie beide – der Engel und die grauen Gefallenen – erkannten ihre fundamentale Andersartigkeit sofort.
Sie beide kannst du nur verwenden, wenn es wirklich um zwei Personen geht, von daher würde ich es hier eher weglassen und dann statt dem zweiten Gedankenstrich ein Komma setzen.
Die Sonnenstrahlen erhellten und –wärmten
Der Gedankenstrich ist hier überflüssig.
unter S-Bahn-Unterführungen hindurch, dann unter einer wild plakatierten Autobahnbrücke hindurch,
Das erste hindurch ist überflüssig. Verwende einfach das von der Autobahnbrücke.
schließlich einen leichten Hügel hinauf, der Sonne schritt sie gemächlich entgegen, Schritt für Schrit
Hier würde ich beide Kommas durch Punkte ersetzen.
Unter ihr eröffnete sich ein lichtgeflutetes Tal
lichtdurchflutetes Tal
sie ruhigen Schrittes hinabschritt, sie schwebte beinahe
Auch hier wieder das Komma durch einen Punkt ersetzen.
Und deinen letzten Satz verstehe ich überhaupt nicht. Was möchtest du damit sagen?
Prinzipiell möchte ich dir noch sagen, dass du eine sehr gehobene Sprache benutzt um alles zu beschreiben. Auch für die schlechten Sachen. Da wäre es vielleicht besser, um den Kontrast noch besser hervorzuheben, auch eine nicht ganz so gehobene Sprache zu verwenden. Ist aber nur meine Meinung. Für das kleine Kind passt sie aber sehr gut.
Ich hoffe du lässt dich davon nicht entmutigen. Grade deine doch recht große Wortvielfalt bringt schon einiges mit sich.
LG
Scribo

 

Hallo Mondaffe,
es ist nicht die Sorte Text, die in mein "Beuteschema" fällt. :-)
Ich verstehe seine Botschaft und den letzten Satz nicht.
Erst die düstere Beschreibung der gescheiterten Gestalten und dann der Engel, hmmh ...
Vielleicht denke ich zu sehr an U anstatt an E, aber wer ist deine Zielgruppe?
Magst du noch etwas dazu schreiben?
LG, Anne

 

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