Unausgesprochene Verabredung
Unausgesprochene Verabredung
Sie saß auf der hellblauen Bank. Von hier aus hatte sie einen guten Überblick auf die Strasse. Von diesem Platz konnte sie Fahrbahn und Bürgersteige gut einsehen. Auch sie wurde so gesehen. Das war ihr schon lange egal.
Jeden Mittag saß sie auf der hellblauen Bank mit Aussicht auf die Strasse.
Gleich würde er vorbei kommen.
Wie jeden Mittag.
Sie saß auf der Bank und wartete auf sein Erscheinen.
Wie jeden Mittag.
Sie hasste sich selbst, wenn sie auf dem Weg dorthin war. Und doch, wenn sie auf der hellblauen Bank saß, konnte sie ein erwartungsvolles Zittern nicht verhindern.
Sie wusste, sie liebte ihn. Mit einer Sehnsucht, dass es schmerzte. Nur deshalb saß sie auf der Bank.
Jeden Mittag.
Die Erwartung befiel sie und eine Scham vor sich selbst.
Sie kannte nichts weiter, als sein Gesicht, seinen Gang, seine jahreszeitlich angepasste Kleidung. Auch die kleine Mappe, die er immer unter einem Arm trug war ihr Wohlbekannt.
Das erste Mal hatte sie vor drei Jahren hier gesessen. Vor drei Jahren hatte sie ihr das erste Mal gesehen. Nun wartete sie darauf, dass er sie ansprechen würde.
Jeden Wochentag um die gleiche Zeit.
Vielleicht war es hoffnungslos.
Bestimmt war es hoffnungslos.
Aber wenn sie ihn nicht von Montag bis Freitag immer wieder beobachten konnte, dann hätte nichts mehr einen Sinn für sie. So konnte sie alles ertragen.
Fast täglich hatte sie diese Viertelstunde, die sie am Leben erhielt.
Jetzt bog er um die Ecke. Mit dem selben präzisen, energischen und schnellen Gang wie immer. Das Gesicht, der Gang, die Mappe. Sie kannte alles an ihm. Sog es in sich auf.
Doch heute war etwas anders. Als sie es bemerkte, weiteten sich ihr Augen in freudigen Entsetzen.
Er kam lächelnd auf sie zu.
Das Auto auf ihn, als er eben die Strasse überquerte.
Es fuhr zu schnell, um rechtzeitig bremsen zu können.