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Unausgesprochen
Kalt. Das war das Erste was ihm in den Sinn kam, als er aus der Tür trat. Kalt und Nass. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und Nebel bedeckte das Tal wie ein feuchter Schleier aus Tröpfchen. Er stieg auf sein Motorrad und ließ den Motor an. Ein kleines Surren, dann setzte das Knattern des Auspuffs ein. Er hob sein linkes Bein, betätigte die Kupplung und legte den ersten Gang ein. Dann fuhr er aus der Einfahrt. Der Nebel verschluckte sein Rücklicht und er verschwand in der Dunkelheit. Wind pfiff um seinen Helm als er der Straße folgte und sich auf den Weg in Richtung Stadt machte. Er spürte die herbstliche Luft trotz Helm vor seinem Gesicht. Er fuhr stundenlang, wie es ihm schien, durch das Tal. In Wirklichkeit waren es nur wenige Minuten. Dann kam er bei ihr an. Sie hatte bereits draußen auf ihn gewartet. Wie immer. Sie trug eine schwarze Lederjacke und hielt ihren roten Helm in der Hand. Sie kam auf ihn zu. Sein Herz schlug ein kleines bisschen schneller, wie jedes Mal wenn er sie sah. Er stellte sich vor wie sie näher kam und ihre Lippen die Seinen berührten. Ihr dumpfer Schlag gegen seine Schulter riss ihn aus seinen Gedanken. Was bildete er sich eigentlich ein. Sie waren nur Freunde auf dem Weg zur Schule. Sie stieg hinter ihn. Noch immer leicht träumerisch starrte er gerade aus. „Fährst du jetzt mal oder willst du hier Wurzeln schlagen?“ Er richtete seinen Blick auf die Straße und fuhr los. In der Schule, hatte er seine Gefühle beinahe verdrängt und war wieder ganz der Alte. Später im Unterricht schweiften seine Gedanken dann trotzdem wieder zu ihr. Verdammt warum konnte er nicht aufhören an sie zu denken? Vielleicht empfand sie ja doch mehr für ihn? Sollte er sagen was er wirklich fühlte? Aber davor hatte er Angst. Das Leben war nicht wie diese Filme die er so liebte und das wusste er. Beim Blick aus dem Fenster stellte er fest, dass sich der Nebel verzogen hatte. Die Sonne ging langsam am Horizont auf.
Als die Glocke zum letzten Mal schellte, wartete sie auf dem Hof auf ihn. Er sah aus wie immer. Turnschuhe, Jeans und seine schwarze Motorradjacke. Und trotzdem stach er aus der Masse hervor. War es sein Gang oder vielleicht doch nur sein Lächeln als er sieh ansah? Auf dem Weg zum Parkplatz beklagte sie sich darüber, wie furchtbar die Schule doch war. Die blöden Hausaufgaben, die Noten, die Lehrer. Sie stieg hinter ihn und umfasste seinen Bauch. Irgendwie fühlte sie sich hier geborgen. Sie fuhren durch Sonnenschein und bunte Bäume. Vor ihrem Haus wollten sie sich verabschieden. Ihre Mutter sah aus dem Fenster und lud ihn noch zum Essen ein. Nach dem Essen fragte sie, ob er ihr nicht noch bei den Hausaufgaben helfen könnte. Sie lachten viel und schafften nicht einmal die Hälfte der Aufgaben. Als es langsam dunkel wurde, schaute sie ihm nach wie er sich auf den Weg machte. Nebel war aufgezogen. Sie umarmte ihn, vielleicht eine Sekunde länger als sie sollte. Es war wie ein Traum. Vielleicht war da ja doch etwas zwischen uns, dachte sie bei sich. Und dann war er fort. Als sie ihm nachsah und sein Rücklicht im Nebel immer verschwommener wurde fühlte sie sich auf einmal traurig. Hätte sie doch nur mal etwas gesagt.
Keine Minute war er weg da wollte er am liebsten umkehren. Dieser Nachmittag mit ihr hatte ihm deutlich gemacht was er eigentlich verdrängen wollte. Vor ihm lag die dunkle Straße. Er dachte an den Tag zurück und hatte ein merkwürdiges Gefühl von Endgültigkeit. Von rechts erschienen Scheinwerfer aus dem Nebel. Noch ein kurzer Gedanke. Hätte er doch nur mal etwas gesagt. Dann wurde es dunkel.