Was ist neu

Umarmung

Mitglied
Beitritt
27.09.2009
Beiträge
35

Umarmung

Fädiges Blaukraut, waberndes Neumoos, glockige Blinkblumen, wogende Tanzweiden, Wandergras und Zuckfarne. Eine sonnenhelle Wiese, die Hyzinten und die Waadtblumen leuchten uns entgegen. Ich fass deine Hand, du und ich, es ist schön, dieser Ort ist für uns gemacht.

Lunapark – Betreten auf eigene Gefahr!

Wir gehen weiter, das Buschwerk wird dichter, bald wird die Sonne sich neigen. Sarah! – ich hauche deinen Namen und blicke in deine lustigen, verträumten Augen. Du lächelst sinnend. Eine Hungerwicke kriecht auf mich zu und wickelt sich zärtlich um meine Füsse. Warum hast du mich hierhin geführt? Da vorn ist der Wald, verhangen, wir treten ein, das Sonnenlicht wird rar, Streifen aus Licht. Wow, wie gedämpft und still es jetzt ist. Ich kenne hier eine Lichtung, sagst du. Deine Stimme samtig und dunkel, verschwindet im schluckenden Waldkörper. Tausend Augen blicken auf uns.

Mit der Besiedlung des Mondes erhöhte sich die Nachfrage nach neuen autotrophen Gattungen. Die BioDesignFactories erblühten auf dem gesamten Erdball und die Menschen staunten über die Schöpferfreude der Wissenschaftler. Einige der neuen Pflanzengattungen sind wurzellos und besitzen eine ausgeprägte Autotaxis. Sie reagieren auf Bewegungen, Gerüche, Geräusche.

Wir sind angekommen. Eine Oase im Neuweltdschungel, einen Steinwurf gross. Ich umarme dich, drücke deinen Körper an mich, Brust an Brust, bin benebelt vom Geruch deines Haares. Du schaust kurz auf und entwindest dich. ‚Setz dich, wir brauchen nicht mehr weiter.‘ Du lässt dich zu Boden gleiten, lautlos wie eine Schlange, schaust und schaust, bist weit weg. ‚Scharr nicht so mit den Füssen!‘ sagst du.

Ich setze mich neben sie, befreie mich von meinen Schuhen, es ist heiss. ‚Wir haben Lärm gemacht‘ flüstert Sarah ‚Das Blaukraut liegt flach.“ Ich schaue. Ja richtig, das Blaukraut liegt flach. Das Fädige und das Lappige, kraftlos dahingestreckt, ein fleckiger, pinker Teppich.

Die Neupflanzen gab es zunächst nur auf dem Mond, wo sie sich rasch verbreiteten. Schliesslich baute man auch auf der Erde am Rande von Wüsten die sogenannten Lunaparks.

Minuten später erheben sich die ersten Stengel. Scheue, neugierige Gesellen recken sich auf. Fusshoch, kniehoch. Ein Genzelbusch öffnet seine Haube, hunderte gelbe Blüten springen hervor. Da noch einer! Sie wackeln hin und her (träge Tanzbären, kommt mir in den Sinn). Am Waldrand die Front aus Geiselbäumen, graue, triste Gesellen. Und doch: Ein paar lösen sich aus der Formation, treten hervor. Die gerade noch wattig drögen Langweiler schiessen mit ihren Geiseln, die fingerdicken Lianen rollen sich auf und ab, steigen zum Himmel, fallen herab und winden sich zuckend.
Gemäss der GenDesign-Konvention von Accra ist die Entwicklung neuer Tierarten untersagt. Die Wissenschaftler beugten sich, doch sie fassten den Pflanzenbegriff sehr weit. Experten warnen seit längerem vor den Lunaparks. Sie sind zwar gut überwacht und die Neupflanzen müssen alle Handicapgene enthalten.
Eine Sinfonie aus Farben. Blüten öffnen und heben sich. Die Halme des Blaukrauts stehen jetzt stramm. Streng und wach, Polizei und Publikum. Oh, diese Geiselbäume! Die kleinsten sind die raschesten. Schieben sich nach vorn, kommen näher und näher. Seid ihr neugierig auf uns? Ich stehe auf, wills mir genauer ansehen. Keine Angst, du Kleinbaum? Und dein Freund da, kommst auch zu mir? Was ist mit euch? Da wirft einer eine Geisel nach mir, eine Schlinge formt sich um meine Hand.

Kritiker nennen die Flora der Lunaparks auch Monsterpflanzen. Von deren Eigenheiten zeigen sie sich nicht angetan. Die Natur hat Derartiges nicht vorgesehen, sagen sie. Auch warnen sie vor Mutationen. Die Vegetation des Planeten sei in Gefahr.

Überall diese Mistpflanzen um mich herum! Mein Körper ist umschlungen von zahllosen Geiseln, ich kriege kaum Luft, sehe nichts mehr. Sie schieben sich auf mich, um mich, drücken, würgen, zerren an mir. Es ist eine groteske Umarmung. ‚Sarah!‘ schreie ich ‚Sarah!‘ Ich lasse mich zuckend fallen, strample wie ein Baby. Ringsum gieriges Blattwerk.

Eine Berührung an meiner Schulter. „Sssssss.“ Es wird lichter. „Sssssss“ zischt sie wieder, kaum hörbar. Die Bäume weichen zurück.

„Was war das?“ rufe ich, noch knieend, keuchend. „Das war gefährlich.“
Sarah streicht mir über den Kopf.

„Ach was.“ sagt sie.

 

Hey Steffen,

aha, eine SF-Lovstory also ... okay. Hm - kann ich spontan wenig zu sagen: recht schwülstiger Stil, aber das scheint von dir gewollt; intelligente Genpflanten ist jetzt auch nicht die Erfindung des Rades, aber insgesamt und ob der Kürze: recht unterhaltsam; dürfte aber auch nicht länger sein ... Hat trotzdem was, irgendwie. :)

Liebe Grüße!

Dante

 

Hi Dante,

die Geschichte ist nicht eben realistisch, auch nicht bezogen auf eine erwartbare Zukunft. Auf der anderen Seite ist aber anzunehmen, dass der Mensch die bestehenden Biotope eines Tages über den Haufen werfen wird.

Dieses etwas seltsame Stück kann man auch als ein Traumbild auffassen.

Ansonsten hat Dein kurzes Statement den Nagel auf den Kopf getroffen.

Viele Gruesse

Steffen

 

Mmh, hat da jemand Avatar gesehen und wurde von der visuellen Überreizung infiziert und manipuliert?;)

Moin erstmal

Also, die "Handlung" ist ja erstmal nicht so der Überbringer (liegt vielleicht auch an mir, da solch eine "Romantik" mich nicht unbedingt berührt, ich gefühlskaltes Arschloch^^), aber ich schätze dein Anliegen war auch eher die Überlegung zu den Züchtungen und Kreationen, welche die Wissenschaftler hervorgebracht hatten.

ein bisschen was zu deinem Schreibstil:

Ich fass deine Hand, du und ich, es ist schön, dieser Ort ist für uns gemacht.
Ich ergreife deine Hand - würde hier irgendwie besser zu dem Stil passen, den du benutzt, während du das Geschehen schilderst.

Aber ich würde den Satz auch mindestens dreiteilen, dann wirkt er besser:

Ich ergreife deine Hand. Nur du und ich. Dieser Ort ist wie für uns gemacht. - das wäre doch noch mit der Schreibweise zu vereinbaren.

Wir gehen weiter, das Buschwerk wird dichter, bald wird die Sonne sich neigen.
ist wieder so. Ich erkenne natürlich, dass das beabsichtigt war und will dich auch nicht bevormunden (oh mann, sobald ich hier was reinstelle, werde ich in der Luft zerrissen^^), aber das wirkt immer so verwinkelt.
Meiner Meinung nach kannst du das auch in eher kürzeren Sätzen schildern, ohne diesen "schwülstigen" Stil, wie Dante meinte, zu hintergehen.


Ich hätte persönlich lieber etwas mehr über die Hintergründe erfahren, also das mit der Pflanzenzucht. Auch wenn zuviel Hintergrund in einer Kurzgeschichte eher hinderlich ist.

Das massenhafte Aussterben von Tierarten (allein in den Tropen) könnte z.B. das Gleichgewicht so durcheinander bringen, dass die Schöpfung von neuen Arten auch wichtig für das Überleben der Menschheit ist. (wenn du das schon angedeutet hattest, dann Asche über mein Haupt)

Dass für die Besiedlung des Mondes neue Pflanzen erforderlich waren, hast du ja erwähnt.

Titel ist natürlich schön passend. "Umarmung", einerseits die der Geliebten, andererseits durch die Pflanzen.


Beiträge=1^^ hallo Kurzgeschichten.de

 

Hallo Steffen,

irgendwie bin ich noch recht unschlüssig, was den Inhalt deiner Geschichte angeht. Im ersten Moment konnte ich gar nichts damit anfangen, aber sie reifte während der Überlegung, was ich denn jetzt schreibe.
Mir gefällt die Stimmung, die du kreierst, die Mischung aus Verträumtheit und Gefahr. Aber auf der anderen Seite frage ich mich: was soll das? Wozu hat Sarah den Protagonisten dort hin geführt? Wieso hat sie Einfluss auf die Pflanzen? Ein kleiner Anhaltspunkt mehr hätte mir da ganz gut gefallen, denke ich.
Wahrscheinlich würde schon eine kleine Ergänzung des letzten Satzes reichen, um zu wissen, ob wir hier ein Happy End vor uns haben oder nicht:

„Ach was.“ sagt sie.
„Ach was.“ sagt sie, "das sind doch meine Freunde." Dann küsst sie mich.
„Ach was.“ sagt sie, "das sind doch meine Freunde." Aus ihrem Ärmel gleitet eine Ranke hervor, die sich um meinen Hals schlingt.
Na, ja, halt irgendwas, damit es für mich als Leser nicht völlig beliebig wirkt, wenn du verstehst, was ich meine.

Formal gibt es meiner Meinung nach auch noch einige Ungereimtheiten zu beseitigen.
Einer der lexikalischen Einschübe ist nicht durch Absätze vom Rest getrennt.
Gegen Ende gleiten diese Einschübe auch zu sehr ins Umgangssprachliche ab. Da sollte für meinen Geschmack eine deutlich gehobene Sprache gewahrt bleiben.
Du schwankst zwischen einzelnen und doppelten Anführungszeichen für wörtliche Rede.
Am Anfang spricht der Protagonist Sarah immer als du an, in einem Absatz wechselt das dann plötzlich zum sie.

Insgesamt hat die Geschichte durchaus das Potential im Kopf zu bleiben, aber sie wirkt noch ein wenig wie eine frühe Fassung. Vielleicht noch mal ein bisschen polieren und am Ende ein wenig mehr "auf den Punkt" kommen.

Soweit meine Meinung,
Gruß,
Teetrinker.

 

Die Kritiken sind präzise, danke. Dass die Geschichte auf den zweiten Blick besser ist als auf den ersten, ist beinahe ein Kompliment.
Meine Idee war, eine kurze Geschichte zu schreiben, bei der sich eine knappe Handlung beinahe vollständig in einem Bild auflösen sollte. Das war nötig, nachdem vorangegangene Stories unter Zerfaserung und Überladung gelitten haben.
Ich wollte auch eine Eindeutigkeit vermeiden, eine Auflösung oder gar eine finale Pointe war bewusst nicht mein Ziel.

Insofern ist der Schlusssatz:

"Ach was.“ sagt sie.

in seiner Ironie aus meiner Sicht passend.

Ich sehe die Geschichte folgendermassen. Es ist nur bedingt eine Love-Story. Der Junge ist verliebt, daher auch die Schwüle seiner Deklamation, wohingegen dem Mädchen das Biotop des Parks vertrauter und auch wichter ist als der junge Mann, der ihr nicht gewachsen ist. Deshalb auch das Schwanken von "Du" und "Sie", um die sich plötzlich auftuende Distanz sichtbar zu machen.

Steffen

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom