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Ultra
1. Logische Systeme
Bezeichnung: A – 4275
Klassifizierung: Erz-Asteroid, Vollmitglied der Extraterrestrischen Handelsunion
Besitzer: Ponte Wexham (alleiniger Inhaber)
Gemeldete Personen: 2614
„Mister Jose Barbarè, Sie sind angeklagt, den Ladenbesitzer Rufus Nottingham bestohlen zu haben. Wie bekennen Sie sich?“
Es erklang ein Jammern. „Nicht schuldig.“
„Ich stelle fest, dass Sie von vier Zeugen bei der Tat gesehen wurden. Ferner existieren Bandaufnahmen der Überwachungskamera, die Sie bei der Tat eindeutig identifizieren.“
„Aber es war doch nur ein Apfel, nur ein gottverdammter Apfel“, schluchzte Barbarè.
„Ein Apfel, der ihnen nicht gehörte. Und lassen Sie bitte Gott aus dem Spiel!“, war meine Anweisung. Die Tat mag eine Bagatelle gewesen sein, doch der Gerechtigkeit musste ich Folge leisten. Ich bin der Richter. Jeden Angeklagten gleich zu behandeln, ist oberstes Gebot. „Mister Barbarè, ich befinde Sie für schuldig im Sinne der Anklage. Sie wissen, was auf Diebstahl steht?“
Er schniefte laut. Zu spät. Ich blickte zu meinem Assistenten Niklas Bungstedt hinüber, einem schwedischen Einwanderer. Er hatte sich in den letzten Jahren als hervorragender Mann herausgestellt, der meine Idee eines Staates mittrug.
„Auf Diebstahl steht Hand abhaken“, sagte ich. „Das wird hiermit angeordnet. Die Verhandlung ist geschlossen.“
Barbarè wurde kreidebleich, kreischte los und man geleitete ihn hinaus. Am Nachmittag wird der Vollstrecker meiner Anordnung ihn besuchen kommen. Ich schaute zur Uhr und lobte mich selbst. Die Verhandlung hatte nicht einmal drei Minuten gedauert. So muss es sein!
Ich aß zu Mittag. Wally Mansoon, der Restaurantbesitzer, hatte mir eine Suppe gebracht. Ihm fehlte die linke Hand. Das brachte ihm damals die Erleuchtung. Er legte seine kriminelle Ader ad acta und ist trotz Behinderung ein fantastischer Koch.
„Und Boss, was gab es heute im Gericht?“
„Diebstahl.“
„Oh, die arme Sau“, lachte er laut und reckte seinen Stumpf in die Höhe. „Aber was sein muss, muss sein.“ Er meinte das vollkommen ernst.
„Ganz genau“, bestätigte ich. Wally Mansoon war ein Vorzeigebeispiel für den Erfolg meiner Politik, denn er ist trotz harter Bestrafung gerne hier.
Mir gehört der Asteroid und alles was auf ihm steht und geht. Ich bin Bürgermeister, der einzige Entscheidungsträger, der Bankchef, Richter, Leiter der Polizei, Mutter für Alles. Wer hier wohnen, arbeiten oder ruhen will, muss dies nach meinen Regeln tun. Es gibt keine Ausnahmen. Weder für Millionäre, für Kranke, für Dumme noch für Touristen oder sonstige. Jeder ist gleich.
Ich bin hart, aber gerecht. Hart ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich habe eine bestimmte Vorstellung von Gerechtigkeit und die verfolge ich konsequent. Ja, das Wort trifft es besser. Meine Gesetze mögen barbarisch klingen, doch sie erfüllen ihren Zweck. Wer davon hört, wird abgeschreckt.
Am Nachmittag gewährte ich Lilly Thomson einen Kredit, damit sie ihre Wohneinheit umbauen konnte. Sie erwartet Nachwuchs. Außerdem erteilte ich die Einreise für eine israelische Reisegruppe.
Mit meiner Sekretärin Michelle ging ich die nächsten Tage durch und mit meinem Assistenten Bungstedt sprach ich über die Ausweitung der Siedlung sowie den Ausgrabungen am Nordhang. Auf Bungstedt kann ich mich verlassen. Er regelt die Vorgaben in meinem Sinne, auch wenn er bei einigen meiner Urteile leicht die Nase rümpfte. Als Richter ließe er die endgültige Konsequenz vermissen, aber als Vollstrecker ist er unbezahlbar.
Kurz vor Dienstschluss musste ich nochmals aufs Gericht. Eine Frau verklagte eine andere Frau, weil ihr Kind von dem Kind der anderen Frau geschlagen wurde und es dadurch ein Zahn verlor. Der Schlag geschah absichtlich, das bestätigten Zeugen, und nun wollte sie Schmerzensgeld.
Da ich kein großer Freund von Schmerzensgeld bin und die Frau utopische Summen herausposaunte, meinte ich ruhig: „Für die ärztliche Behandlung kommt die Versicherung auf. Das verspreche ich. Und was die Strafe angeht ...“ Ich überlegte eine Weile. Die Kinder waren jeweils 12 Jahre alt. Alt genug, wie ich fand.
„Das geschädigte Kind darf zurückschlagen. Ohne Gegenwehr des Täters.“ Eins hatte ich mit dem Urteil erreicht. Die keifenden Mütter hielten überrascht den Mund. Ehe ich mich versah, schlug das Kind mit der frischen Zahnlücke zu. Doch es war zu blöd und streifte lediglich den Hals.
„Auf den Mund!“, seufzte ich und der zweite Schlag erfolgte. Ein Zahn ging nicht verloren, allerdings flossen Blut und Tränen. In den Gesichtern der Kinder erkannte ich Schrecken. Sie würden so etwas garantiert nicht wieder machen. Zumindest eine Weile nicht.
„Damit ist die Verhandlung geschlossen“, sagte ich und die Personen verließen den Raum. Ich marschierte in meine Wohnzelle, die so groß war wie die aller anderen. Durch ein Fenster konnte ich hinaus ins schwarze All sehen. Der Anblick ließ mich oft erschaudern und erst nach zwei kühlen Drinks schlief ich ein. Hier, mitten im unendlichen Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, unbeobachtet, allein, auf meiner eigenen Welt.
Menschen bleiben Menschen.
Sie begehren, sie neiden, sie lügen, sie stehlen, sie töten. Das kann ich leider nicht abstellen. Was ich jedoch mit meiner Philosophie, meinen Gesetzen, abstellen kann, sind Wiederholungstaten. Fehlt einem Dieb erst einmal eine Hand, überlegt er zehnmal, bevor er auch noch die andere riskiert.
Ich kann ihnen gern weitere Beispiele meiner Auffassung von Gerechtigkeit geben:
Ein angetrunkener Tourist hatte nachts im Hotel eine Frau vergewaltigt. Anfangs wollte ich ihn im Umkehrschluss von der Frau mit einem Hilfsmittel ihrer Wahl vergewaltigen lassen. Als ich jedoch erfuhr, dass er auf Novo A-14 schon einmal wegen eines ähnlichen Delikts verurteilt worden war, änderte ich mein Urteil. Ich ließ den Angeklagten entmannen.
Das Urteil zog weite Kreise im Universum und mein Asteroid war in fast jeder Nachrichtensendung. Einige kritisierten meine Herangehensweise. Sie sei unmoralisch. Ich begäbe mich auf das Niveau des Täters. Für diese Leute habe ich nur ein müdes Gähnen übrig. Sie wollten es einfach nicht begreifen.
Viele lobten mein Handeln. Richtig so. Solcher Abschaum hat es nicht anders verdient. Vergewaltiger sind keine Menschen und so weiter. Dieser Behauptung stimme ich nicht vollends zu, denn meine Intention war eine ganz andere: Das Urteil sollte abschrecken und die Gefahr einer Wiederholung ausschließen. Nicht auf meinem Asteroiden!!!
Wenig später waren wir erneut im Gespräch. Ich verurteilte einen Christen zum Tode, da er eine Glaubensgemeinschaft gebildet hatte, wenn auch nur mit drei Mitgliedern. Doch mein Asteroid ist religionsfrei. Punkt.
Jedem neuen Bürger, Händler oder Tourist wird das mitgeteilt. Wer gläubig ist, muss Heide werden oder den Asteroiden verlassen. So lautet diesbezüglich meine Regel.
Daran hielt sich der Angeklagte nicht. Also musste er meinen Besitz verlassen. Durch die Luftschleuse. Ohne Raumanzug. Meine Begründung lautete: „Wer trotz Verbotes zu seiner Religion steht, ist im Grunde ein Märtyrer. Der Weg zu Gott, Allah oder Buddha sei ihm gewiss. Wie in den Gebeten erhofft.“ Der Angeklagte protestierte heftigst. Es schien, als vertraute er wohl doch nicht ganz seinem Glauben.
Es hagelte Kritik. Alle Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften und auch die Atheisten verurteilten meine Entscheidung. Meine Antwort erfolgte sogleich: „Mein Asteroid. – Meine Regeln. Ganz einfach.“
Wir standen nun im Fokus. Jedes meiner Urteile wurde weitergetragen und diskutiert. Laut den Berichten kann ich sagen, dass mir etwa 70 Prozent der Menschen zustimmten, während der Rest nur fassungslos mit dem Kopf schüttelte. Schnelle Urteile, Urteile die weh tun, Urteile, an denen der Täter erkennt, was er dem Opfer angetan hat. Auf Abschreckung ausgerichtet.
Eine Straftat unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ergibt keine mildernden Umstände. Für mich heißt das doppelt so hohe Strafe, denn jeder weiß, das Drogen, egal welcher Art, die Sinne benebeln.
Ich behandele Kinder wie Erwachsene. Ein fünfzehnjähriger Bursche ist einfach strafmündig. Er weiß, was richtig oder falsch ist. Falls nicht, umso schlimmer. Ich mache da keine Unterschiede. Wie gesagt, bei mir ist jeder gleich. Und wenn ich einem Kind die Hand abhacken muss, muss es eben sein.
Immer konsequent bleiben.
Meine Regeln und Urteile machten die Runde im All. Viele Menschen zogen deshalb auf meinen Asteroiden. Keine Kriminalität und klare Gesetze: Das lockte sie an.
Natürlich hatte ich auch Fälle, bei denen ich mich nachher fragte: War es die richtige Entscheidung? Hierzu folgender Fall. Ein Kind hatte mit einer Zwirbel auf den Papagei des Nachbarn gezielt und geschossen. Als Munition diente ein Stein, welcher den Papagei am Kopf traf, woraufhin dieser starb. Der Junge beteuerte immer wieder, dass es keine Absicht gewesen war.
Ich fällte unbeeindruckt mein Urteil. Der Nachbar durfte auf den Jungen schießen. Als Wurfgeschoss diente ebenfalls ein Stein, welcher in der Größe Kind-Stein der Größe Papagei-Stein proportional entgegenstand. Anders ausgedrückt: Der Stein besaß ungefähr ein Viertel der Größe des Kindskopfes.
Der Wurf traf die Schläfe und das Kind starb. Damit hatte ich nicht gerechnet. Der Nachbar auch nicht und er beteuerte, dass es keine Absicht war. Damit musste er leben, damit musste ich leben. Nichtsdestotrotz bekräftigte aber auch dieses Urteil mein Anliegen.
Bevor du etwas tust, überlege, ob es richtig oder falsch ist! Und dann mache dir klar, welche Strafe dich erwartet. Kommst du zu der Erkenntnis, dass dein Vorhaben falsch sei und du die Konsequenzen fürchtest, lass es bleiben!
Mit meinen harten Gesetzen und Strafen habe ich Menschen zu etwas gebracht: Zum Nachdenken.
Und zwar vor der Tat!
Der nächste Tag fing damit an, dass mir Michelle, meine Sekretärin, verschiedenste Anliegen vorlegte.
Unter anderem wollte Charles Dampier einen Kredit über 60.000 Dollar für den Ausbau seines Ladens. Ich gewährte 20.000, da es bereits Ausbau Nummer zwei war und ich anderen Ladenbesitzern auch nur 20.000 gegeben hatte. Gleiches Recht für alle, auch wenn er ein enger Freund war.
Loreley K'suhn stellte einen Antrag auf Wohnrecht. Für 10 Jahre und 4.000 Dollar genehmigte ich ihn. Ein neuer Bürger mehr.
Mai Ling erbat Hilfe bezüglich der Abwicklung von Touristenangelegenheiten am Zoll. Ich stellte ihr unentgeltlich einen Assistenten zur Seite.
Mit Niklas Bungstedt beschloss ich das weitere Vorgehen der Abbauarbeiten am Nordhang. Zu guter Letzt wies ich die Einreise des Raumschiffes U.S.S.S. Cronos ab. Der Sternenkreuzer wollte bei uns Zwischenstation machen und auftanken, doch das wollte ich nicht. Mit Kriegsschiffen und deren Besatzung hatten wir schlechte Erfahrungen gemacht.
„Unerhört“, fluchte der Kapitän. „Das ist mir in meiner gesamten Laufbahn noch nicht untergekommen.“
„Mein Asteroid“, funkte ich als Antwort.
Ich freute mich auf das Mittagessen, aber ein Gerichtstermin kam mal wieder dazwischen.
Ein Tourist, der mit einem gemieteten Raumschiff hier war, hatte besagtes Schiff zu lange am Liegeplatz stehen lassen. Durch die verstrichene Frist ging das Raumschiff an uns über. Dagegen klagte der Tourist nun.
„Mister . . .“, ich musste nachschauen, „. . . Sukla, die Liegefristen für Raumschiffe wurden Ihnen mitgeteilt und Sie hängen auch aus. Da Sie die Frist nicht eingehalten haben, fällt das Schiff der Raumhafenbehörde des Asteroiden zu. So sind die Regeln hier. Wir sind im Recht.“
„Aber es war nicht meine Schuld. Ich wurde im Hotel aufgehalten. Ich glaube sogar, es war Absicht“, schrie Sukla.
„Vorsicht, Mister Sukla. Das sind schwerwiegende Anschuldigungen. Haben Sie Beweise?“
„Nein, das habe ich natürlich nicht. Aber auf diesem Asteroiden stecken doch eh alle unter einer Decke. Ich hätte es mir bei diesem faschistoiden System eigentlich denken können. Was bin ich doch für ein Trottel.“
„Mister Sukla, ich verurteile Sie zu einhundert Dollar Strafe wegen Beleidigung.“
„Ach leck mich doch! Was soll ich denn jetzt tun? In dem Schiff war alles, was ich besaß.“
„Sie können gerne hier wohnhaft werden. Es kostet viertausend Dollar für zehn Jahre.“
„Sie Blödmann haben mir wohl gerade nicht zugehört, wie? Ohne das Schiff bin ich pleite.“
„Ich verurteile Sie zu weiteren einhundert Dollar Strafe wegen Beleidigung“, sagte ich knapp und konsequent. „Das Angebot auf Wohnrecht besteht allerdings noch.“
„Wie soll ich denn das Geld dafür auftreiben?“
„Das ist weder mein Problem noch interessiert es mich.“ Mir ging sein Gejammer allmählich auf den Geist. Er sollte zu seinem Fehler stehen.
Sukla verzichtete auf das Wohnrecht und da er seine Strafe nicht bezahlen konnte, bedeutete das Ausweisung. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Hätte er auf Wohnrecht bestanden, dann wäre eine Bezahlung der 4000 Dollar für 10 Jahre auch später möglich gewesen. Aber Sukla hatte verzichtet.
Leider deutete er die Definition von Ausweisung falsch. Es hieß nicht, dass wir ihn in ein Raumschiff setzen würden und zurück in die Heimat schicken. Es bedeutete, dass wir ihn vor die Tür setzen. Ohne alles. Ein Todesurteil.
„Die Verhandlung ist geschlossen“, sagte ich regungslos. Damit war es amtlich.
Bungstedt neben mir zuckte kurz zusammen. Dennoch war er eine Stunde später der Henker, welcher Sukla nach draußen brachte. Ins All, in den Tod.
Am Nachmittag kam Bungstedt zu mir und äußerte leise Bedenken. „Vielleicht war das nicht richtig. Was, wenn er wirklich absichtlich aufgehalten wurde? Ich habe von anderen Touristen schon ähnliches gehört.“
Ich schaute in sein nachdenkliches Gesicht. „Von mir aus gehen Sie der Sache ruhig einmal auf den Grund. Aber bitte dezent.“
„Das werde ich tun“, flüsterte er und starrte weiter nachdenklich vor sich hin. „Das macht Sukla aber nicht wieder lebendig.“
Jetzt trafen sich unsere Blicke. Das war ein kleiner Affront meines Assistenten, meiner rechten Hand, des Mannes, der bisher als einziger meiner Idee eines Rechtsstaates kompromisslos Folge leistete. Ich legte meinen eindringlichsten und kühlsten Gesichtsausdruck auf und sagte knallhart: „Wegen einer Person stelle ich doch nicht meine Politik in Frage.“
Bungstedt schluckte schwer.
Zwei Tage später sagte Bungstedt beim Mittag zu mir: „Es gibt tatsächlich Ungereimtheiten.“
„Wobei?“, presste ich zwischen den Zähnen hervor und aß weiter.
„Einzelne Hoteliers halten ihre Gäste unnötig auf, damit diese bestimmte Fristen nicht einhalten können. Das ist mit den Arbeitern vom Raumhafen abgesprochen. Starke kriminelle Machenschaften.“
„Aha.“ Ich nickte. Das Thema hatte ich schon längst wieder vergessen. „Was wollen Sie jetzt unternehmen?“, fragte ich ihn, denn ich wollte mich mit dem Thema nicht sonderlich groß befassen.
„Es ist Unrecht“, stellte Bungstedt klar. „Ich habe den Beteiligten gesagt, dass sie es in Zukunft unterlassen sollen. Sonst haben sie von uns Konsequenzen zu befürchten.“
„Gut, gut“, sagte ich abwesend. Bungstedt wird das schon richten.
Cirka drei Wochen später passierte es. Eine Person wurde zur Anklage gebracht.
ICH!
Das überraschte mich natürlich am meisten. Mit so etwas rechnete ich nicht einmal in meinem schlimmsten Albtraum. Vor allem konnte ich mir nicht erklären, weshalb ich angeklagt wurde. Ich hatte nichts verbrochen und ein reines Gewissen.
Bungstedt erklärte es mir. „Vier Hotelbesitzer behaupten, Sie hätten sie gedrängt, Touristen länger als nötig aufzuhalten.“
Jetzt realisierte ich. Sie drehten den Spieß also um. Diese kleinen, miesen, undankbaren Heuchler. Na wartet. Ich ließ mir die Namen der vier Hoteliers geben und stattete ihnen einen Besuch ab, wobei ich ihnen gehörig den Kopf wusch. Die Anklage wurde kurz darauf von allen vier zurückgenommen. Ich ließ sie mit dieser infamen Unterstellung vorerst durchkommen und weiter Touristen hintergehen, obwohl es meinem Sinn nach Gerechtigkeit widerstrebte. Das Thema sollte sich erst beruhigen. Später würde ich mir die Leute noch einmal einzeln vornehmen und sie bestrafen.
Das Thema beruhigte sich jedoch keinesfalls. Am nächsten Tag wurde ich erneut angeklagt. Wegen Mordes. Einer der vier Hoteliers war tot aufgefunden worden. Sein Tod soll vor etwa zwölf Stunden eingetreten sein. Kurz nach meinem Besuch.
Ich tobte. Eine Gerichtsverhandlung gegen mich. Mir, dem hier doch alles gehört. Eine Ungeheuerlichkeit. Immerhin führte Bungstedt den Vorsitz. Eine gute Wahl, dachte ich. Er wird der Gerechtigkeit genüge tun. Falsch gedacht.
Alle sagten gegen mich aus und die Indizien wurden entsprechend verdreht. Es geschah alles so schnell, dass ich kaum begreifen konnte, was überhaupt vorging.
„Aber ich war es nicht“, ereiferte ich mich. „Es müssen weitere Nachforschungen angestellt werden.“
„Das wäre das erste Mal seit Bestehen dieses Gerichtes“, meinte Bungstedt richtig. „Ich sehe jedoch keinen Anlass dazu. Die Fakten sind ausreichend. Ich verurteile Sie zum Tode.“
Mir fiel die Kinnlade herunter. Was geht denn hier nur vor?, schwirrte mir im Kopf herum. Träume ich etwa? Haben sich alle gegen mich verschworen?
„Verdammte Scheiße“, schrie ich. „Mir gehört dieser Asteroid. Ich bezahle ihr Gehalt. Sie werden auf jeden Fall weitere Untersuchungen anstellen.“ Ich fixierte Bungstedt mit allerletzter Kraft.
Er ließ sich nicht beeindrucken und sagte etwas, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ: „Mister Ponte Wexham, wegen einer Person stellen wir doch nicht unsere Politik in Frage.“
Jetzt sitze ich hier und lasse die verstrichenen Jahre, Monate, Wochen, Tage und Stunden Revue passieren. Ich wurde mit meinen eigenen Waffen bzw. Regeln geschlagen.
Ich bin unschuldig. Das weiß ich, das weiß Bungstedt, das wissen die lügenden Zeugen. Ich schätze auch, dass der angeblich tote Hotelier noch lebt.
Was kann ich tun? Nichts. Bungstedt ist konsequent gewesen. So hatte ich mir das immer gewünscht. Endlich setzte er es um. Lediglich der Termin für die Todesspritze war schlecht gewählt. Er sollte erst in zwei Wochen sein. Viel zu lange hin.
Die Tür meiner Zelle öffnete sich und Bungstedt erschien. Er wirkte gefasst und entschlossen.
„Sie wissen, dass es eine abgekartete Sache ist und ich unschuldig bin“, warf ich ihm sogleich entgegen.
Er nickte kühl und entgegnete: „Ich bin nur gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass ich den Termin für die Todesspritze vorverlegt habe. Auf heute Nachmittag.“
Er zog leise die Tür hinter sich zu und ich dachte: Guter Mann. Sehr konsequent.