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Tuning Homo Sapiens

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08.12.2009
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Tuning Homo Sapiens

Menschenverbesserung

Heute schlägt meine große Stunde!
Von der Frühsommersonne beschienen, schreite ich durch den kurzen parabolisch gebogenen Glasgang, der vom Museumsausgang zum Portal des „Transfertoriums“ führt. Ich bleibe stehen, um von dem über dem Tor angebrachten „Egoskop“ überprüft und erkannt zu werden. Die zahlreichen chromstählernen Lamellen der wie eine Blende geschlossenen "Pforte zum unendlichen Leben" schwingen leise sirrend auseinander.
Sie ziehen sich in den Rahmen des etwa sechs Meter durchmessenden Torkreises zurück und ich erblicke dahinter den taghell ausgeleuchteten Tempelsaal, den viele von uns kurz „T-T“ nennen.
Dieser sakrale Bau besteht aus einer circa dreißig Meter hohen Kuppel, deren in drei Meter Höhe beginnende, fast rundum laufende Empore einen Innenkreis von fast zwanzig Metern Durchmesser umfasst. Die dahinter ansteigenden ringförmigen Ränge sind bis zum letzten Platz links und rechts des Portals dicht besetzt mit tausenden unserer Anhänger. Deren aufgeregte halblaute Gespräche rauschen als ein Gebrodel unzähliger Stimmen in meinen Ohren. Sie alle wollen eine Sternstunde der Menschheit erleben. Ich spüre die erwartungsvolle Atmosphäre, sodass meine innere Anspannung wächst.
Ich bin in mein bodenlanges Totengewand aus weißem Satin gekleidet. Meine Arme habe ich in die weiten Ärmel gesteckt und vor der Brust verschränkt. Ich ziehe meine Füße aus meinen damastenen Pantoletten, fasse mit jeder Hand eine Stoff-Falte und hebe alles leicht zu einer kleinen Schürze an. Dann schiebe ich nacheinander beide Fußbedeckungen weit vor mich hin und fege sie sacht mit meinem rechten Fuß als Paar nach links beiseite. Ich stecke meine Hände wieder ins gegenseitige herunterhängende Ärmelende ein, trete ein und gleite barfuß über die beheizten blitzblanken Bodenplatten aus carrarischem Marmor zum Mittelpunkt der Halle.
Dort umstehen die beiden Transfermatorstationen eine Steuerungseinheit im Zenit, mit welcher sie durch zahllose unterschiedliche Arten von Strängen verbunden sind. In der Station links von mir steht der „Internumthron“ genannte Sessel, in dem mein neuer Körper bereits aufrecht sitzt. Den Rücken entspannt nach hinten gelehnt, die Unterarme locker auf den breiten Armstützen liegend, alle Augen geschlossen, harrt diese bewegungslose Gestalt meines Geistes. Obwohl ich dieses Geschöpf aufs Genauste kenne, überläuft meine gesamte Körperhaut ein kurzer, heftiger Schauer von Furcht vor dem, was da an Ungewissem auf mich zukommt. Ich wende meinen Kopf zur rechten Station und erblicke darin die „Externumliege“, an der mich bereits Frau Doktor Steiner und ihre drei Assistentinnen erwarten. Die drei feschen Mädels begrüßen mich mit aufmunterndem, ja strahlendem Lächeln; nur die Ärztin verzieht leider keine Miene.
Professor Webster schaut indes mit einem kameradschaftlichen Augenzwinkern kurz von seinen Bildschirmen in der Zentralsteuerung auf, vertieft sich aber sogleich wieder in seine Vorbereitungen. Ich bin mental hervorragend präpariert worden und lege mich gelassen auf das Sterbebett meines Körpers.
Kaum habe ich mich auf der Liege entspannt, wird meine blank geschorene Kopfhaut örtlich betäubt. Mein Schädel soll innerhalb eines neuartigen Dreiviertelkugel-Systems fixiert werden. Dies geschieht durch das computergesteuerte Einfräsen von vierundzwanzig Titanschrauben in meinen knöchernen Hirnschutz. Zuvor wird über diesen Stellen die Kopfhaut mit einem Punktlaserstrahl rückstandsfrei weggesengt – auch der Rest meines Skalps wird sich bald in Atome auflösen.
Die nun in mir steckenden verschieden langen Schraubgewinde verbinden mich starr mit den auf mehrere Sphären verteilten, etwa einen Zentimeter breiten Chromstahlbändern, die auch die winzigen ferngesteuerten Antriebsmotoren der Schrauben tragen. Zwei Dutzend von diesen Reifen, je drei Millimeter dick, umfassen mich in verschiedenen Radien, sowohl in horizontalen als auch vertikalen Ebenen. Danach werden die auf den Bändern wie auf Schienen fahrenden, aber frei beweglichen zweiunddreißig „Neuro-Lokalisatoren“ des Externumprozesses rund um meinen Kopf herum näher herangefahren, um per Fernsteuerung auf den Femtometer genau justiert zu werden.
Zwei der jungen Damen schieben mittels Energiepinzetten behutsam die winzigen Endbuchsen der aus dem Kugelsystem heraushängenden Anschlusskabel in noch freie Chipbuxen ein. Diese befinden sich unter den vierundsechzig Einsteckmöglichkeiten der jetzt geöffneten „Bio-Positron-Schnittstelle“ mitten in meiner Stirn. Wir könnten natürlich auf simple Kabel verzichten und alle Informationen direkt in die „BioPoS“ senden. Professor Webster geht jedoch auf Nummer sicher, denn er hält versehentliche oder mutwillige Störungen auf drahtlosem Weg für wahrscheinlicher.
Gleichzeitig legt Frau Doktor Steiner an meinem rechten Oberarm eine Stauung an. Dann ertastet sie eine Vene meines Unterarms, desinfiziert den Punktionsort, sticht mit dem Kanülenansatz heftig zu und schiebt die Spitze rüde in der Blutbahn vor. Durch diese Kanüle wird mein Körper die tödliche Infusion verabreicht bekommen! Wie gefühlvoll und sanft 'frau' einen venösen Zugang legen kann, erfahre ich am anderen Arm. Die dritte der Hübschen reibt erst mit einem Narkose-Gel das gesamte Hautareal ein, bevor sie die zweite Kanüle behutsam einführt. Aus dieser fließt permanent ein leichtes Beruhigungsmittel in meine Blutbahn.
»Endlich, lieber Wilfried!«, ruft der Professor – übrigens auch mein Doktorvater – eifrig herüber. »Endlich geht‘s los! Bleibe ruhig!«
Das braucht er mir gar nicht zu sagen – ich bin nach wie vor gelassen und weiß selbst nur zu gut, was jetzt folgt. Schließlich bin ich auch Wissenschaftler und wesentlich an diesem Projekt beteiligt. Beteiligt gewesen – wenn alles klappt. Natürlich bin ich mir des Gelingens vollkommen sicher, denn sonst läge ich nicht hier, um meinen Körper unwiderruflich zu verlassen.
Last exit before doomsday! Noch kannst Du »Halt!« rufen und Dich retten!, geht mir auf einmal durch den Kopf. Was soll das denn jetzt? Verunsichert mich etwa mein eigenes Hirn, trotz seines Wissens um das Gelingen? Habe ich unkalkulierbare Faktoren ins Unterbewusstsein verdrängt? Oder ist es lediglich ein aus meinem Stammhirn kommender Abwehrimpuls des Körpers, weil dieser instinktiv spürt, dass ihm letztendlich der Garaus gemacht werden soll?
Ich rege mich schnell wieder ab, denn das beruhigende Mittel kreist mit meinem Blut. Ich kann mein Schicksal nicht aufhalten! Es war weitsichtig vom Professor, auf dieser Infusion zu bestehen. Ich muss zugeben, dass ich zu großspurig versicherte, diese Maßnahme sei bei mir ab-so-lut überflüssig und ich würde kühnen Auges unbeirrbar dem Austritt aus meinem Körper entgegensehen.
Ich sehe im Augenwinkel, wie Professor Webster mit seiner offenen Rechten über dem Powersensorfeld eines Bildschirms einen Haken winkt. Prompt geht durch den Körper auf dem Internumthron ein leichter Ruck und seine Finger spannen sich um die Sessellehnen – mein neuer Leib lebt! Nach kurzem prüfenden Blick vollzieht unser Mentor mit der Linken eine ähnliche Handbewegung vor dem 3-D-Neuro-Lokalisator-Sensorfeld eines anderen Bildschirms und alle Neuronen meines gesamten Gehirns einschließlich Rückenmarks werden ab jetzt vollständig im Ausmaß und Eindruck erfasst. Jede meiner 100 Milliarden Nervenzellen, deren jede einzelne wiederum bis zu zehntausend Fortsätze, also Kontaktmöglichkeiten von bis zu einem Meter Länge haben kann, wird nun in ihrem Aufbau analysiert, mit all ihren Dendriten und Synapsen eingescannt und über Professor Websters Zentralcomputer zu meinem neuen Ich-Träger transferiert.
Innerhalb des Kopfes des Körpers auf dem Internumthron wird nun jeder der ebenfalls 100 Milliarden, aber künstlichen Zellen, der Inhalt meines entsprechenden Originals eingeprägt. Die bis zu zehntausend von jeder Zelle ausgehenden Dendriten werden von dieser in exakt den gleichen Windungen durchs Gehirn ausgelegt, sodass über die neuen Synapsen die identischen Berührungspunkte zu den Nachbarneuronen wie im alten Hirn existieren.
Beim Erfassungsprozess wird meinen ‘alten Stammzellen’ durch eine Impulsentladung der gespeicherte Inhalt entzogen, wodurch diese zu ‚tabula rasa’ werden und sämtliche von ihnen ausgehenden Verknüpfungen ihre Funktionen einstellen. Mit einem zweiten bereits vollständig angelegten Gehirn mit den neuen Funktionen und weltumspannendem Wissen im Bereich des nun nicht mehr mit dem Verdauungssystem ausgefüllten Abdomens muss ich mich allerdings erst noch vertraut machen.
So erlebe ich noch nie Geschehenes: Mein Bewusstsein reduziert sich um einen Hirnbereich nach dem anderen und meine Sinne werden zusehends schwächer. Gleichzeitig aber nimmt mein ‘verschwundenes’ Denken Sektor um Sektor meines neuen Gehirns in Besitz, meine Steuerungsgedanken bahnen sich den Weg zu den Sinnen und auch schon zum Zweitgehirn.
Als nach wenigen Minuten der Wendepunkt der Prozedur erreicht ist, denke ich mit zwei Gehirnen gleichzeitig. Verwirrend ist auch, dass ich durch sieben Augen blicke. Mein neuer Kopf hat nämlich fünf Sehorgane. Ich lebe in zwei Körpern, werde erschaffen und erlösche gleichzeitig. Um meine Gedanken beim Transfer nicht heillos durcheinander zubringen, empfahl mir der Professor, diese in beiden Gehirnen gleichzeitig zu visualisieren.

Vor beiden ‘inneren Augen’ erscheint der Eingang unseres Museums. Diese Erinnerungsstätte ist angelegt wie ein überbauter breiter Weg und windet sich in Serpentinen zur hoch gelegenen riesigen Kuppel des Transfertoriums empor. Alle mir folgenden Kandidaten sollen in ehrendem Gedenken an die Ursprünge der Bewegung zuerst durch dieses Museum nach oben emporsteigen und dann erst durch die Pforte zum unendlichen Leben die große Halle betreten. So betrat auch ich vor meiner heutigen Pioniertat zuerst unser einzigartiges Gedenkareal.
Im Zentrum der Vorhalle erblickte ich das älteste Exponat unserer Sammlung: die beiden Beinprothesen des Leichtathleten Oscar Pistorius, die seit über fünfzig Jahren im Besitz unserer Stiftung sind. Eigentlich müsste ich jedes Mal lächeln, wenn ich an diesen simplen Laufhilfen aus Carbon vorbeigehe, welche die Menschen jener Zeit als ein ‘High-Tech-Produkt’ priesen. Aber ich riss mich immer zusammen. Jene Wissenschaft war im Zenit des Schaffens ihrer Epoche und schuf selbstverständlich Bahnbrechendes.
Jedenfalls verhalfen diese künstlichen Unterschenkelansätze, „Cheetas“ genannt, dem weißen Kurzstreckensprinter aus der Republik Südafrika anfangs unseres Jahrhunderts zu zahlreichen Weltrekorden im Behindertensport und etlichen Goldmedaillen bei den Paralympics. Diese Prothesen ersetzten Schienbeine, Waden und Füße, waren aber wie Blattfedern gebogen und schnellten dadurch ihren Träger geschwind über die Laufbahn.
Im Frühjahr 2007 drückte jener Läufer seine 400-m-Bestzeit auf ausgezeichnete 46,34 Sekunden herunter und näherte sich damit der Weltklasseleistung des letzten Olympiasiegers (Athen 2004/400 m/Jeremy Wariner/USA/43,62 Sek.). Darum stellte Pistorius den Antrag, bei der bevorstehenden WM 2007 in Osaka in der südafrikanischen Staffel und bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing regulär teilnehmen zu dürfen. Die Funktionäre diskutierten kontrovers, weil sie ein nachfolgendes Eindringen von ‘Techno-Doping’ in den ‘normalen’ Sport befürchteten.
Per Ausnahmegenehmigung kam es im Juli 2007 zunächst beim Golden-League-Meeting in Rom und dann bei einem internationalen Sportfest im englischen Sheffield zu einem ersten Aufeinandertreffen von Spitzenathleten mit dem ‘schnellsten Mann ohne Beine’ über eine Stadionrunde. Er lief gut, hatte aber keine Siegchance.
Wenn ich hier an den Wänden die alten Fotos von seiner umständlichen Startposition und seinem Schwerpunktproblem mangels Fußgelenken in den Kurven sehe, kann ich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Nämlich über das abfällige Urteil einiger Leute, dieser getunte Krüppel habe einen Vorteil gegenüber den Unversehrten.
Mitte November 2007 stellte sich der Südafrikaner einem wissenschaftlichen Test. Bei dieser Studie an der Sporthochschule Köln ermittelte der deutsche Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann ‘einen beträchtlichen mechanischen Vorteil gegenüber nicht behinderten Läufern’. Diese Feststellung löste nicht nur bei dem Mann mit den Cheetas ungläubiges Kopfschütteln aus, sondern rief andere Experten auf den Plan. Diese bemängelten, dass nicht genügend Faktoren berücksichtigt worden seien.
Aufgrund dieser negativen Beurteilung erfolgte ein Startverbot für die Olympiade 2008. Jedoch erstritt Oskar Pistorius vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS seine Teilnahme unter der Bedingung, dass er die geltende B-Olympianorm des Weltverbandes IAAF von 45,95 Sekunden unterbieten würde. Durch das lange juristische Hin und Her war die Vorbereitungszeit kurz. Er scheiterte an dieser hohen Hürde, welche nur mit persönlicher Bestleistung hätte genommen werden können.
Deswegen war er in Beijing ‘nur’ bei den Paralympics am Start, erzwang jedoch bei der folgenden Olympiade seinen Start. 2012 in London, längst als „Blade Runner“ oder unsensibel gar als „Stelzenmann“ bezeichnet, erreichte er das Halbfinale des 400-m-Einzel-Wettbewerbs. Zudem rannte er in der südafrikanischen 4-mal-400m-Staffel, mit welcher er im Finale den achten Platz erreichte. Die Karriere des permanent überdrehten, risikobereiten und unbeherrschten Athleten endete tragisch – stets eifersüchtig erschoss er am 14. Februar 2013 im Affekt seine Freundin Reeva Steenkamp.
Die Funktionäre hofften, das leidige Thema abhaken zu können. Jedoch hatten diese Herrschaften nicht daran gedacht, dass auf aller Welt für Heere von unermüdlichen Wissenschaftlern das Beste nie genug war und sein wird. Scharen der findigsten Köpfe widmeten sich der endgültigen Erforschung des menschlichen Körpers, jener optimalen Schöpfung, um diesen biosynthetisch nachzubauen und – als Krönung des Ganzen – sogar zu tunen.
Zu den Olympischen Spielen 2048 trat ein ‚Behindertensportler’ mit revolutionären Prothesen an und besiegte auf allen Strecken zwischen 100 m und 400 m die ‚gesunde’ Konkurrenz mit Leichtigkeit. Von dieser Begebenheit besitzen wir lediglich eine Reihe von Fotos, Aufzeichnungen und Medaillen, welche sich im Gang von der Vorhalle zum "Saal der neuen Beine" befinden. Seine Sprinterbeine gibt dieser Mann nämlich bis heute nicht her, obwohl er sie mit seinen über 80 Jahren schon lange nicht mehr gebrauchen kann. Wir haben dafür bereits riesige Geldsummen geboten.
Im Kern dreht es sich aber nicht um Oscar Pistorius, auch wenn es bisher den Anschein hat. Auch nicht um den Sport an und für sich. Es geht um das Ersetzen menschlicher Körperteile! Der junge Mann aus Pretoria ist nur deswegen für uns interessant, weil er eine damals unvorhersehbare Kettenreaktion auslöste. An deren Ende triumphierte mein Großvater mit einem großen Wagnis als Mitbegründer unserer Bewegung. Der Sport dominiert in den ersten Räumen unseres Museums, weil das ‚Körpertuning’ mit ihm begann und durch ihn spektakulär demonstriert wurde.
Der eigentliche Pionier unserer Bewegung ist mein Großvater, Thomas ‚Tommy’ Hary, dessen Beine hier im ersten Saal aufbewahrt werden – übrigens sind wir nicht verwandt mit Armin Hary, dem Zehn-Sekunden-Weltrekordler, handgestoppt, und 100-m-Sieger 1960 in Rom. Seine richtigen, die biologischen, wohlgemerkt! In einer tiefgekühlten Glasvitrine, zusätzlich abgesichert mit einem separaten Notstromgenerator, werden sie unbegrenzt haltbar verwahrt! An den Füßen stecken noch die mit nadelfeinen Titandiamantit-Spikes bewehrten Rennschuhe eines weltbekannten Sportkonzerns aus Herzogenaurach in Bayern – ob deren Logos Streifen oder Raubtier zeigen, teile ich lieber nicht mit, denn beide Chefs sind bei uns in der Bewegung.
Die bereits erwähnten ‚Olympic Games 2048’ waren die ersten, an denen auch mein Großvater teilnahm und auf allen Kurzstrecken den Silberrang erreichte – ‘nur’. Er galt nämlich als der beste Athlet seiner Zeit und wäre ohne den bereits erwähnten ‚Prothesenläufer’ sicher der größte Goldhamster, ähm, Goldmedaillenhamsterer dieser Zeit geworden.
Bei den Spielen 2052 startete er in absoluter Höchstform, hatte jahrelang wie ein Verrückter trainiert und war haushoher Favorit. Sämtliche Sportler dieser Olympiade, exponiert Thomas Hary, standen unter dem Verdacht, neueste Dopingtechniken anzuwenden und/oder Genmanipulationen vorgenommen zu haben. Allerdings konnte man niemandem etwas nachweisen. Mein Großvater wurde über die Stadionrunde immerhin guter Vierter, auf beiden Sprintstrecken Sechster, ausnahmslos geschlagen von Prothesenträgern.
Völlig frustriert schmiss er nach dem letzten Rennen seine „Elastonanopolymer-Rennschuhe“ in den Wassergraben der 3000-m-Hindernisläufer und schwor Stein und Bein, seine Karriere zu beenden. Widerwillig trottete er zur Abschlussfeier ins Stadion und schimpfte dabei vor sich hin. Dadurch lernte er auf dem Weg Professor Dr. Dr. Dr. mult. h. c. William W. Webster kennen. Dieser sprach ihm sogleich sein größtes Mitleid aus. Es war geheuchelt, denn er hatte die exzellenten Prothesen der Sieger gebaut.
Dieser begnadete Wissenschaftler ist auch heute noch unser hoch verehrter Mentor, obwohl er schon weit über 100 Jahre alt ist. Aber nach wie vor weist er uns mit scheinbar nie versiegender Vitalität unbeirrbar den richtigen Weg. Er bahnte ihn mit seiner damals für unmöglich gehaltenen Vision an:
Der große Menschheitstraum, nämlich den Geist vom irdisch-menschlichen und somit endlichen Körper bewusst lösen zu können, ist durchaus realisierbar! Explizit durch die Überführung des originalen Gedächtnisses und somit des Denkens, welches gleich ist dem Ich, in einen von Menschenhand geschaffenen unvergänglichen Träger!
Dieser unkonventionell und interdisziplinär agierende Forscher, schon damals eine Kapazität auf dem Gebiet der Rekonstruktion menschlicher Körperteile, schickte meinem Großvater Heiligabend 2052 per E-Mail ein Angebot. Das war dermaßen absurd, dass Opa diese Nachricht sofort in den ‘Papierkorb’ schob.
Zu diesem Zeitpunkt bewältigte mein Großvater noch die olympische Enttäuschung. Im neuen Jahr erkannte er, dass die Prothesensprinter nie mehr zu besiegen waren, selbst wenn man sich noch so dopte oder sogar genetisch manipulierte – er bestreitet aber bis auf den heutigen Tag vehement, dass er es getan hat! Deswegen holte er die E-Mail wieder aus dem Papierkorb und las sie erneut. Aber dieses Mal nickte er und stellte sich wenig später Professor Webster als dessen erstes ‚Versuchskaninchen’ zur Verfügung.
Ihm war angeboten worden, sich in eine Pioniertat einzubringen. Diese bestand aus der Amputation seiner beiden Beine – immerhin zwei der bestentwickelten und leistungsstärksten Extremitäten der Menschheitsgeschichte – einschließlich der Hüftgelenke sowie Teilen des Beckens. Anschließend erfolgte die Implantation eines „Bioniklaufsystems“, wie Prof. Webster es nannte. Nach kurzer Rehabilitation sprintete mein Großvater damit in neuen Rekordzeiten über die „Trans-Tartan-Bahnen“ vieler Stadien unserer Welt.
Und dies war das Entscheidende – zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wurde ein einwandfreier gesunder Körperteil durch ein überlegenes, dafür konstruiertes Werkstück ersetzt ... und übertrumpft!
Die Geschichte der Prothese beginnt bereits mit dem biblischen Schöpfungsepos – die Adam entnommene Rippe muss der Gott des alten Testaments ihm ja irgendwie ersetzt haben.
Von alters her sorgte jeder Krieg für reichlich Nachfragen und volle Kassen bei den Bandagisten. Deren primäre Aufgabe besteht darin, einen fehlenden, verkümmerten, verlorenen oder zerstörten Teil des menschlichen Körpers zu ersetzen beziehungsweise zu unterstützen, sowie dessen Funktion möglichst wieder herzustellen oder zu ergänzen. Im Laufe der Jahrtausende wurden diese Hilfen durch Bastler und Erfinder ständig verbessert. Ab dem 20. Jahrhundert verschrieb sich die Wissenschaft der Erreichung höherer Standards. Tatsächlich schaffte sie es, Sinne wieder zu erwecken oder Nervenleitungen zu reaktivieren.
Allem lag und liegt aber zu Grunde – es ist ein Ersatz oder eine Hilfe, daher ‚Prothese’. Somit handelte Professor Webster äußerst konsequent, indem er für Opas neue Beine erstmals den Begriff Superiorparts verwendete, sie als „Überlegenteile“ kennzeichnete!
Mein Großvater gewann bei den drei nachfolgenden Olympiaden alle Sprintdistanzen und siegte ‚im Vorbeigehen’ auch auf den Mittelstrecken über 800 m und 1500 m. Er erzählt heute noch jedem, zumeist unpassend, dass er mehr Medaillen einheimste, als der bis dato überragende Michael Phelps.
Auf halber Höhe geht unser Museum in einen breiten bogenförmig überdachten Gang über, der sich die restlichen Serpentinen zum Transfertorium empor windet. Ich steige vorbei an in zeitlicher Abfolge angeordneten Exponaten, welche alle unserem Ziel eines gänzlich künstlich erschaffenen Körpers gedient hatten: Superiorparts wie Arme, Hände und Rümpfe; nachgebaute Organe wie Herz, Lunge und Leber; erfundene Materialien, Techniken und Systeme. Emporstrebend erblicke ich ‘bahnbrechende’ technische und chirurgische Geräte, heutzutage alles schon wieder ‚überholt’.
Das Gehirn, Sitz des Bewusstseins, blieb als ‘schwacher Punkt’ bestehen, denn bis in unsere Zeit wurde ‚drum herum gebaut’. Dieses verbliebene Originalteil musste durch aufwändige biologische Systeme versorgt werden. Zwar war eine Verpflanzung des Gehirns in einen anderen Kopf längst Realität, aber das war kein echter Fortschritt. Denn die grauen Zellen alterten trotz der Verpflanzung unaufhaltsam weiter.
Jedoch erhielt unsere Bewegung beständig Zustrom, sodass immer mehr Wissenschaftler in dieser Richtung forschten. Ich übrigens auch. Die Grundlagen für ein unsterbliches Hirn bildeten zwei wirklich bahnbrechende Erfindungen: die bereits erwähnte Bio-Positron-Schnittstelle, kurz BioPoS, und aus „Authinknet“ bestehende Denkspeichereinheiten.
Dies ist eine außergewöhnliche Substanz, deren Synthese erst vor wenigen Jahren gelang. Diese Verbindung funktioniert exakt wie eine Gehirnzelle und kann selbsttätig nanometerfeine Stränge zu den umgebenden Memokapseln anlegen!

Ich bin wieder gegenwärtig.
Mein Bewusstsein ‚intern’ dominiert bereits. ‚Extern’ legen sich graue Schleier über meine Augen und verdunkeln zusehends das Blickfeld. Wie eine sich ganz langsam schließende Blende verringert sich der Sichtkreis. Dann wird es trotz offener Lider schwarz vor den Augen – mein altes Gehirn ist geleert und totenstill.
Vom Internumthron aus überblicke ich die unter der TT-Kuppel versammelte Menschenschar. Dazu brauche ich meinen Kopf nicht mehr zu drehen – ich habe jetzt fünf Augen. Zwar bringt die ungewohnte Sicht mein Denken noch etwas durcheinander, denn ich sehe nicht nur 360 Grad ringsum, sondern mit dem Schädelauge auch fast 180 Grad oberhalb. Ich erfasse also ein Dreiviertelkugel-Panorama, aber die Blickfelder überlagern sich und verwirren. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis mein neues Gehirn dies koordinieren kann.
Dr. Frankie Steiner packt unsanft das daumendicke Bündel von Transferkabeln und ruckt auf diese grobe Weise Dutzende von Steckern aus den Buchsen in meinem neuen Bauch. Sie fasst nicht, wie vorgeschrieben, die Endstücke mit zwei Fingern, um sie sorgfältig einzeln herauszuziehen. Auf den Grund der lieblosen Behandlung komme ich noch zu sprechen. Über die frei gelegten Einstecköffnungen rollt sie ein künstliches hautfarbenes Gewebe aus, das sich im Nu selbsttätig und nahtlos mit den umgebenden Partien verbindet.
Ich stehe vorsichtig auf, schwanke leicht und mein Schwanz schlingert hin und her ...
Nein, nein!
Nicht was Sie denken!
Ein richtiger Schwanz!
Kräftig aus der Steißgegend ragend, etwas länger als die Beine und am Ende mit einer kräftigen Spreizhand, rundum in acht gleich lange daumendicke Finger auslaufend, stützt er mich zusätzlich ab! Schließlich ist nicht alles unpraktisch, was die Evolution bei uns aussortiert hat. Das kennen Sie doch von Ihrem Mobiliar – nur Dreibein wackelt nicht! Und wenn ich richtig in Übung bin, kann ich mit meinem Körper demnächst sogar in der Waagerechten schweben, nur gestützt von meinem muskulösen Schwanzbein.
Mein exklusives Körperteil lässt mich spontan an einen unangenehmen Zwischenfall denken.
Wir Wissenschaftler waren wie üblich in dem die TT-Kuppel halbkreisförmig umgebenden Labortrakt tätig und hatten unsere schöpferischste Phase. In einem spontanen Brainstorming erwogen wir den Nutzen eines schwanzartigen Stützbeines.
Zu jenem Zeitpunkt befand sich eine exklusive Besuchergruppe ausgerechnet in Hörnähe. Sie bestand aus unseren Großsponsoren und war von Frau Dr. Steiner gerade informiert worden, dass der alterslose Körper von einer biosynthetischen Energiequelle exakt 1020 Jahre bis zu ihrem Austausch betrieben würde. Prompt ertönte daher aus der Sponsorentraube die unpassende Bemerkung, dass so ein Schwanz in der Tat dann sehr praktisch sei. Wenn wir das Mindesthaltbarkeitsdatum 31.03. 3115 unter dem Ansatz einbrennen würden, fiele es dort gar nicht auf.
Empört blickte ich auf und zur respektlosen Großspenderrunde hinüber und fand sofort den Sprecher heraus: Chris Bush war es gewesen, der das allen Ernstes gesagt hatte. Natürlich, nur ein Texaner kommt auf so eine Idee! Im ersten Zorn wollte ich ihn zurechtweisen, aber ich besann mich. Er ist ein großer Gönner unserer Bewegung und durch die Gene seiner unseligen Ahnen etwas vorbelastet. Kein Wunder, dass er auch so bald wie möglich transferieren will.
Tosender Applaus bringt mich wiederum in die Gegenwart. Das versammelte Auditorium hat sich geschlossen erhoben und überschüttet mich mit Beifall - ich, der Prototyp, funktioniere ganz offensichtlich! Ich skaliere den Geräuschpegel per Gedankenbefehl mittels meiner „Elastofilter“ in den Ohren auf Normalmaß, erhebe dankend meine Arme und drehe mich im Kreis, was mir als frischgebackenem Dreibeiner schon ganz gut gelingt.
Währenddessen steht Frau Dr. Steiner bereits am Kopfende der Externumliege, umfasst wieder – leider! – sehr unsanft sämtliche Kabelverbindungen und zieht das ganze Bündel mit einem Ruck aus der Bio-Positron-Schnittstelle in der Stirn meines ehemaligen Kopfes. Aber ich will mich darüber nicht aufregen, denn ich habe einen Anblick, der bisher noch nie einem Menschen vergönnt war – ich sehe meinen eigenen Körper vor mir liegen! Etwas Wehmut kommt in mir auf. Schließlich waren wir beide von Existenz an unzertrennlich und bis dato war dies auch nicht anders möglich.
Nun beschäftigen sich zwei der netten Girls – besonders die Blonde links gefällt mir – mit der Ablösung des Erfassungssystems von meinem Schädel. Die hineingebohrten Titanstifte rotieren rückläufig, deren Gewinde und Spitzen werden wieder sichtbar und ziehen sich dann ganz ins Bändersystem der Kugel zurück.
Mitfühlend erblicke ich versengte und aufgebohrte Partien überall auf dem Kopf. Aber ich tröste mich mit der Bedeutung, welche dieses Ereignis für die ganze Menschheit hat. Jedoch sind meine Wunden gar nichts gegen das Folgende. Die kommende Zeremonie will ich unbedingt persönlich ausführen, um die Unwiderruflichkeit des Geschehenen zu manifestieren.
Ich stehe neben der Liege und sehe auf meinen noch lebendigen Körper hinunter. Das Brodeln auf den Rängen legt sich in Sekundenschnelle und ein der Situation angemessenes Schweigen breitet sich bis unter den Zenit der ragenden Kuppel aus.
Prof. Dr. Dr. Dr. mult. h. c. William W. Webster sieht von der Doppel-Panoramaprojektion von Hirnscanner und Hirnformer auf. Er meldet mir leise, aber deutlich und sogar mit einem Hauch Anteilnahme in seiner Stimme, den Hirntod des als Refugium meines Geistes ausgedienten Trägers.
Nun erweise ich mir selbst den ‘letzten Dienst’ und setze die mit einem schwarzen Totenkopf gekennzeichnete Spritze an der vorbereiteten Kanüle an. Dann schiebe ich den tödlichen Gift-Mix in die Blutbahn, um meinem noch unverdrossen weiter schlagenden Herzen den Garaus zu machen.
Zwei Minuten später meldet mir der Professor den Herztod und ich hebe meinen Körper behutsamer auf als nötig. Ich stelle nicht mehr fest, ob etwas leicht oder schwer ist, sondern registriere exakt das Gewicht. Abzüglich des Gewichts des ‚Totengewands’ unserer Bewegung (1949 g lt. Katalogangabe, Abruf aus Bauchspeicher 3.01) wiegt meine Leiche 105,934 kg – null Problem für die ‚Superiorkräfte’ des neuen Körpers. Bei einer Größe von 176,5 cm war meine Figur eher von der unsportlichen Art. Kein Wunder, dass ich bei der attraktiven Frau Dr. Steiner nie ‚punkten’ konnte ... leider.
Ich schreite mit meiner ‘Last’ zu einem kristallenen Sarg, dessen vier Kufen in zwei chromblitzenden Schienen ruhen, die direkt ins „Elementarium“ führen. Ich lege mich in den Schrein und lasse den darüber schwebenden Deckel herabsinken. Dann drücke ich einen diamantenen Knopf. Mein Sarg setzt sich in Bewegung. Eine Panzerglasscheibe verschließt die Einfahrt und ich gleite bis ins Zentrum der Kammer. Feuer lodert auf. Ein Glutball bildet sich. Die glühende Hitze schlägt über mir zusammen. Rasend schnell fressen sich die Flammen in mein Fleisch. Mein Schädel wird wohl gleich zerplatzen und ...
Jetzt aber Schluss mit dem alten Denken!, fahre ich mich energisch an. Du bist nur noch in deinem neuen Körper!
Ja, ich muss mich noch an viel Neues gewöhnen. Ich bitte das Auditorium um Verständnis, dass ich mich zur inneren Sammlung zurückziehen möchte, und verlasse unmittelbar danach die Stätte meiner ‚Seelenwanderung’.

Einige Monate sind seitdem vergangen. Ich habe mich im neuen Domizil meines Geistes eingewöhnt. Ich bin mehr als zufrieden mit dem finalen Ergebnis unserer Bewegung, dem ‘Superiorpart Ganzkörper’. Natürlich bringt die praktische Erfahrung einige Dinge ans Licht, die Verbessert werden sollten. Zum Beispiel muss unbedingt ein sechstes Auge obenauf in den Schädel rein! Denn mit einem Sehorgan ganz allein auf weiter Glatze habe ich keine Perspektive.
Davon soll aber jetzt nicht weiter die Rede sein. Die Vorzüge meines biosynthetischen Körpers sind wirklich exzellent. Kein lästiger Stoffwechsel, der einen von Atmung und Nahrung abhängig macht, sowie keine Hormonausschüttungen, die einem immer wieder das logische Denken abhandenkommen lassen. Völlig frei von metallischen Elementen und jeglicher Elektronik, bin ich nicht den Nachteilen dieser Stoffe ausgesetzt und kann in mir auch keinen ‚Kurzen’ bekommen.
Auch Schmerzen sind für mich nur noch Erinnerung. Die Sensoren melden mir neutrale Fakten, ohne mich dabei, im wahrsten Sinne des Wortes, zu nerven. Meine bereits erwähnte Energiequelle speist mich mehr als tausend Jahre. Ich lebe und bewege mich, ohne äußere Zufuhr zu benötigen. Ich bin autark!
Die Schilderung meiner Vorzüge erinnert mich an eine Episode: Vor ein paar Tagen vollzog ein struppiger Uralt-Hippie mit seiner vorsintflutlichen Schrottkarre, einem ehemals silbergrauen Mercedes SLR McLaren Roadster, neben mir eine Vollbremsung. Er beglotzte mich eingehend von oben bis unten, titulierte mich dann lauthals als "Super-A....!", und röhrte von dannen! Von wegen! Keine Ahnung hat der, denn ich habe gar keins! Das ist doch logisch!
Zu Testzwecken bin ich per pedes auf dem Grund des Bodensees von Konstanz nach Bregenz gegangen. Es war ziemlich langweilig da unten. Dieses kahle Gelände wurde ausgesucht, weil es sich über den flachen Boden des Sees recht flott schreiten lässt. Ich wäre viel lieber durch das Rote Meer spaziert, um mich am Anblick der dortigen Artenvielfalt ergötzen zu können.
Kurz darauf auf dem Mond im Fra-Mauro-Krater lief ich während eines einzigen Tages eine Tausend-Meilen-Runde. Alles unter Beobachtung meiner Wissenschaftlerkollegen. Besonders angetan war ich hier von meinem Schwanz, ähm, meinem dritten Bein. Dessen zusätzliche Abstoßkraft brachte mich mit jedem meiner Schritte gut und gerne 30 Meter voran. Nach meiner Tour habe ich noch die von den US-Amerikanern am 6. Februar 1971 hier zurückgelassene Landestufe von Apollo 14 besichtigt. Vor der von Alan Shepard aufgerichteten Flagge mit den Stars and Stripes, die nach wie vor unbewegt am Winkelstab hängt, salutierte ich mit größtem Respekt.
Nach der Rückkehr von unserem Trabanten machte ich nach dem Einschwenken in die Erdumlaufbahn einen Weltraumspaziergang. Während des Herumschwebens musste ich einen Spezialanzug aus dünner Folie tragen, denn gegen kosmische Strahlungen bin ich noch nicht immun.
Als ich im freien Raum relaxte, Erde und All bewunderte, erlebte ich jedoch eine Schrecksekunde. Genauer gesagt, ich registrierte einen heftigen Einschlag in meinen rechten Oberschenkel. Bei mir gibt es ja kein Erschrecken mehr. Das Aufputschen meines Bewusstseins durch Hormone ist nicht nötig. Meine Wahrnehmung erfolgt im Nu. Ich reagiere wesentlich schneller als es durch Reflex möglich wäre. Ich sah an mir herab und erblickte einen klobigen Handgriff. Der Rest dieses Gegenstands steckte offensichtlich im Bein. Als ich ihn packte und herauszog, hielt ich einen etwa 35 cm langen Spachtel in meiner Rechten.
Die klaffende ‘Wunde’ brauchte ich erst einmal nicht zu beachten, denn die konnte an Bord in aller Ruhe ‘geflickt’ werden. Ich warf einen kurzen Blick auf Logo und Design des Werkzeugs. Ein Informationsabruf aus meinem Bauchspeicher ließ mich wissen, dass dieser Gegenstand am 13. Juli 2006 unbeabsichtigt in den Orbit abgegangen war. An jenem Tag hatten die beiden Astronauten Piers Sellers und Mike Fossum beim Ausprobieren einer neuen Reparaturtechnik an ihrem Shuttle dieses Werkzeug eingesetzt. Natürlich sollte es nicht verloren gehen, sondern wieder an Bord der Discovery, die damals an der Raumstation ISS dockte, mitgenommen werden.
So, so! Dann war also die gute alte NASA an meinem Biosynthetikschaden schuld! Ich beschloss, ein ordentliches Schmerzensgeld einzuklagen. Doch wurde mir bewusst: Das geht gar nicht, denn ich habe ja gar keine Schmerzen mehr. Also kommt eher Sachbeschädigung infrage? Hm, irgendwie auch blöd, schließlich bin ich doch kein lebloses Dingsbums. Tja, darauf werde ich besser unsere Juristen ansetzen. Jetzt aber nichts wie rein ins Warme – wieder ins Raumschiff natürlich!
Zu meiner Zerknirschung bewies mir dieser Zwischenfall, dass ich trotz meines neuen Körpers und hoch überlegenen Wissens vor der Dummheit des Eifers nicht gefeit bin. Ich hätte wissen müssen, dass ein Spaziergang in Erdnähe, im Gegensatz zum Mond-Orbit, viel zu riskant ist. Der Müll wird in Massen von uns im Inneren eingebunkert, ins Wasser verklappt, auf dem Land abgelagert und rund um den Planeten herum schweben gelassen! Hier, im Raumschrott-Halo von Terra, einen Ausstieg zu machen, ist in der Tat wie im Asteroidengürtel Raketenbillard zu spielen.
Zurück zu meinem neuen Körper! Er hat auch überflüssige Funktionen und Organe. Diese sind unsere Zugeständnisse an die Gegenwart. Wegen der erwünschten Kommunikation mit Menschen verfüge ich zum Beispiel über ein Luftdrucksystem im oberen Brustbereich. So habe ich den Mund nicht nur zum Schmecken, sondern kann mit ihm Sprache modulieren. Aber mit den mir nachfolgenden verbesserten ‚Modellen’ werde ich mich nur noch per World Over Brain (http://wob.universe) oder ähnlichem ‚unterhalten’.
Sex ist auch so eine Sache, über die in Konstrukteurskreisen immer noch kontrovers diskutiert wird. Sollte auch hierfür die Möglichkeit eingebaut werden, mit der Gattung Homo Sapiens in Verbindung zu treten?
Aus welchen Gründen auch immer war und ist Frau Dr. Frankie Steiner sehr dafür. Sie hatte mit ihrem Special-Team viel Zeit und Energie in die Formung eines männlichen Geschlechtteils mit allen seinen Funktionen gesteckt. (Ein von ihr wohl (zu) rüde abgewiesener (zu) forscher Forscherkollege soll das perfide Gerücht verbreitetet haben, sie hätte eigenhändig (korrekt wäre wohl: eigenschenklig) dieses Organ auf Funktionstüchtigkeit getestet.)
Jedoch lehnte Professor Webster den Einbau energisch ab. Er argumentierte, dass eine Fortpflanzung wegen faktischer Unsterblichkeit nicht mehr notwendig sei und das ‚neue Denken’ geschlechtsneutral sein solle. Sie reagierte damals sehr heftig und giftete mit dem Vorschlag zurück: "Warum nicht gleich ein Modell ‚Fauli-Eins’ bauen – den Kopf mit Torso in eine Kiste rein und für tausend Jahre in die Ecke damit?"
Seitdem sprach sie nicht mehr mit hinschmelzendem Blick von ‚dem schönen neuen Body für Dr. Hary’, sondern bezeichnete es nur noch mit lieblosem Drachenschnauben ‚als das Ding da, was wir da gerade zusammenschrauben’. Sie würdigte mich mit noch weniger Blicken als früher, sowohl im alten wie auch im neuen Körper.
Was soll’s. Ich soll mir ja eh’ ‚geschlechtneutrales Denken’ angewöhnen. Außerdem bin ich heilfroh, dass ich da unten gar nichts habe. Denn dieses ‚Frankie-Steiner-Ding’ ist wahrhaftig die reinste Samen…, ähm, Ejakulatschleuder!
Ehrlich!
Nach Beendigung aller Tests habe ich bei Olympia 2096 am 100-m-Lauf teilgenommen, obwohl ich mir nach wie vor nichts aus Sport mache. Jedoch war dieser Start der ausdrückliche Wunsch meines Opas, den ich unmöglich ablehnen konnte. Immerhin hatte er durch finanziellen Einfluss und durch seine Berühmtheit in unserer Bewegung dafür gesorgt, dass ich als Erster transferieren durfte. Mein Großvater meinte, dass ich die Überlegenheit meines neuen Körpers auf diese Weise vor der Weltöffentlichkeit demonstrieren könnte. Mir aber war klar, dass es einen profaneren Grund für meinen Einsatz gab.
Locker überstand ich Vor-, Zwischen- und Halbfinallauf. Ein paar Exoten, die ‚Normalen’, waren schon in den Vorläufen hängen geblieben. Die Gedopten und die Genmanipulierten (eigentlich sind nur noch Räder verboten) blieben spätestens im Halbfinale auf der Strecke, sodass die Superiorparts-Sprinter und ich den Titel unter uns ausmachten. Als Zweitschnellster der Semifinale bekam ich für den Endlauf die Bahn 5 zugewiesen. Ich saß lässig auf meinem Anzeigewürfel mit den Fünfern, stellte mich innerlich exakt auf die neue Weltrekordzeit von 5.0 Sekunden ein und wartete gelangweilt auf den Start.
Schräg links vor mir kauerte im Startblock der Bahn 4 mein ernsthaftester Konkurrent. Seinetwegen befand ich mich hier. Der Seriensieger der letzten Jahre, wieder haushoher Favorit, konnte nämlich mit einem Sieg in diesem Rennen Opas Medaillen-Rekord einstellen! Durch meine perfekten, aber absichtlich ‚langsam’ angegangenen Läufe hatte seine Siegessicherheit einen merklichen Knacks bekommen. Daher versuchte er bei seinen Startvorbereitungen, mich mit Psychomätzchen zu beeindrucken.
Er wendete seinen stromlinienförmigen Kopf zu mir um, blickte mich spöttisch an und zischelte provozierend: "He, du komisches Känguru! Guck’ mal, was ich hier hab’!"
Er bongte sich mit der rechten Vordertatze an seine metallene Brust und prahlte mit Einflüstererstimme: "Hier! Alles Super! Einschließlich Hals! Speziell fürs Finale gebaut! Hab’ mir selber meinen Kopf erst vor ’ner Viertelstunde hier oben eingeklinkt! Gegen den Body hier unter mir hast du keine Chance. Klaro? Lauf lieber gleich rückwärts heim zu Mami! Ich warte hinterm Ziel auf dich, du lahmer Hopser!"
’Komisches Känguru’? Von wegen! Das musste gerade der mit seinen vier Beinen sagen! Man nannte ihn nicht umsonst ‚den Geparden’. Ich blieb unbeeindruckt, gewann in der vorgegebenen Zeit und holte mir meine Premium-Medaille ab.
Ich persönlich finde meine Teilnahme nach wie vor nicht fair. Denn ich brauchte für diesen Sieg nichts zu tun: kein Training, kein Timing, kein Tuning, einfach dem Körper die gewünschte Leistung vorgeben.
Selbst ‚der Gepard’ muss in jeden seiner Rennkörper einen kompletten Lebenskreislauf integrieren, welcher das Gehirn versorgt, seinen biologischen Rest.
Besser wäre, wir Homo Superiors veranstalteten unsere eigenen Spiele. Aber wozu uns messen? Im Grunde müssten wir alle die gleiche Leistung abrufen können.
Ups. Zu spät. Jetzt ist es raus!
Okay. Schon gut.
Wir werden uns tatsächlich Homo Superiors nennen! Also bin ich der erste Übermensch. Diese der Natur vorgegriffenen Mutation ist ein epochaler Schritt unserer Evolution. Der folgende Selektionsdruck wird den Homo sapiens beiseite fegen! Dieses sich allzu häufig als Homo homini lupus gebende Wesen wird Geschichte. Es ist höchste Zeit, eine neue Stufe des Menschseins zu erklimmen, sonst bleibt unsere Spezies nicht Herr auf diesem Planeten.
Um eines klarzustellen: Wir sind keine Robocops, Androiden, Replikanten, Mutanten oder Klone, weder Biopositroniken noch laufende Robotcomputer. Wir sind in einen der Natur weit überlegenen Körper transferierte Bewusstseins!
Wie? Für alle soll die Segnung dieses neuen Seins möglich sein? Nicht nur für die Mitglieder unserer Bewegung?
Aber ich bitte Sie! Wo kommen wir denn da hin?
Nein, nein, nein!
Sie wissen doch, dass seit Jahrzehnten Einkommensgegensätze sowie Chancenungleichheit sich immer weiter verstärkt haben. Vor allem durch die bahnbrechende Entwicklung der Bio-Positron-Schnittstelle unsererseits, andererseits durch die Fortentwicklung der altertümlichen Mobiltelefone zu den alles umfassenden und befriedigenden Egonoms.
Wir Havits, nur solche dürfen der Bewegung angehören, manifestieren unsere materiellen Vorteile durch zusätzlichen Wissensvorsprung. Unsere Chancen verstärken wir durch die Implantation einer BioPoS zum Preis von günstigstenfalls eine Million €$ pro Stück. Zum Beispiel ist Schule für uns Havits überflüssig geworden. Meistens bekommen unsere Kids zu Weihnachten für schlappe 250 Tausend €$ einen Chip geschenkt, der sämtliche Sprachen der Welt gespeichert hat. Der wird in einen der Mikrospeicher der Schnittstelle im Stirnloch gesteckt, und schon beherrschen sie sämtliche Idiome perfekt.
An all das lassen wir diese ganzen Unter-, Mittel- und sonstigen Schichten nicht heran! Damit das ein für alle mal klar ist! Da sorgen wir lieber dafür, dass den Hafnots die Egonoms perfektioniert werden, obwohl diese ihnen ohnehin schon alles abnehmen und diese Leute diese Dinger bereits tagein tagaus alle fünf Minuten lang ‘Und was soll ich jetzt tun?’ fragen.
Was das für Dinger sind, die den Leuten dann vorschlagen, was sie tun sollen? Also das waren früher die ‚Handys’, wie sie zum Beispiel in Deutschland genannt wurden, die nach und nach mit sämtlichen Funktionen ausgestattet wurden, die man ‚zum Leben braucht’, sodass Ausweise, Pässe, Führerschein, Kreditkarte, Geld und wirklich alles andere überflüssig wurden!
Genug für heute! Ich muss mich nämlich beeilen, um nicht zu spät zu kommen! Sowohl Opa als auch Chris Bush befinden sich auf dem Weg ins Transfertorium und wollen endlich raus aus ihrer alten Haut!

 

Hallo kinnison,

das Thema Deiner Geschichte finde ich äusserst spannend. Dramatische Schreib- und Grammatikfehler habe ich auch keine gefunden, soweit ich mich erinnern kann. Es ist ein nüchterner Stil. Du entwirfst eine Methode, um die Informationen eines Gehirns auf ein anderes Gehirn in einem synthetischen Körper zu übertragen. Dabei sollen alle Verschaltungen der Neuronen wie im Original erhalten bleiben. So habe ich das verstanden. Ich denke aber, dass Du mit Deinem Stil und Art der Beschreibung ein kleines Publikum ansprichst, nämlich nur solche, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Für den Rest sind da zu viele Fachbegriffe, meist von Dir Erfundene und die muss man sich erstmal einprägen. Es beginnt mit Transfertorium, Egoskop, T-T, gleich drei solche neuen Begriffe im ersten Absatz. Ich fände es besser, den Leser mit einer Handlung, Dialogen oder Personenbeschreibungen in die Geschichte zu bringen, und solche Begriffe am Rande einzuführen, aber nur dann, wenn sie wirklich irgendwie zur Handlung beitragen. Energiepinzetten finde ich z. b. überflüssig. Sollte

Chipbuxen
„Chipboxen“ heissen. Der ganze Satz mit diesen und die beiden folgenden Sätze mit ähnlichen Begriffen sind zu technisch für eine Geschichte, die Spannung erzeugen soll. Vielleicht eignete sich so eine Beschreibung eher für ein Drehbuch.
Wahrscheinlich bin ich jetzt nicht der Erfahrenste und Beste, Dich zu kritisieren. Lass mich daher vom Thema herkommen, wo ich mich mehr zu Hause fühle. Übertragung der Information des zentralen Nervensystems auf andere oder gleiche Träger ist Gegenstand vieler Science-Fiction-Geschichten. Ich denke, wenn man in dieses Thema geht, braucht man entweder eine reissende Rahmengeschichte oder eine Methode, die noch kein anderer beschrieben hat, am besten gleich beides. Eine spannende und zum Denken anregende Geschichte mit einem verwandten Thema hat Perdita mit Purgatorium geschrieben. In Purgatorium wird einfach gesagt, dass die Erinnerungen und Gedanken auf einen USB-Stick übertragen werden. Das hört sich im ersten Moment blöd an, ist dann aber für die Handlung der Geschichte von untergeordneter Bedeutung. Der USB-Stick als Speicher von Gehirndaten wurde somit vom Forum auch kaum kritisiert. Dieser „Fehler“ geht nämlich in der Spannung der Geschichte unter. Nach meiner Erfahrung bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass man mit Methodenbeschreibungen die meisten Menschen nicht berührt. Was Deiner Geschichte fehlt, ist, dass sie kaum Emotionen und wenig Gefühle auslöst. Konflikte fehlen. Die Personen sind bei Dir – trotz der korrekten Sprache - meist charakterlos. Es fehlt ein Choleriker, eine „hübsche“ Frau, die sich als solche benimmt ... Die Abläufe sind nüchtern und aus der Sicht eines todgeweihten Protagonisten, der Angst haben sollte, dann aber doch wieder keine Angst hat, da er ja anders weiterleben wird, weil er irgendwie selbst an der Methode gearbeitet hat, mit einem Doktorvater, der jetzt auch dabei ist, und der Prot freut sich über hübsche Frauen ... Aber die Ärztin mag ihn nicht leiden. Da sind meiner Meinung nach zu viele Personen und zudem zu wenig beschrieben. Warum empfindet er die Pflegerinnen als hübsch? Was ist eigentlich hübsch? Besser wäre, einfach ein paar Merkmale zu nennen. Warum verzieht die Ärztin keine Miene? Was hat er ihr getan? Ist die Ärztin gefühllos? Ist es wichtig, dass die Pflegerinnen oder Schwestern oder Studentinnen oder Assistentinnen hübsch sind? Ich sage später dazu noch was. Das Kernproblem aber ist, dass er sterben soll, bodenlanges Totengewand aus weissen Satin, sagst Du. Er wird aber doch weiter leben. Ein Widerspruch! Es dreht sich eher in ein freudiges Ereignis, denn jetzt kommen die Erfindungen der Superprothesen ins Spiel.
Dadurch lernte er auf dem Weg Professor Dr. Dr. Dr. mult. h. c. William W. Webster kennen.
Ich denke, Du willst diesen Typen mit seiner Titelsucht negativ rüberbringen. Tu das dann bitte! Zeige sein Verhalten. Vielleicht frisst er seinen Kollegen auf Grillpartys die Würste weg? Vielleicht zwingt er seine Untergebenen, ihn in ihren Publikationen zu erwähnen? Er hängt gerne Fotos von sich auf. Vielleicht nimmt er nur hübsche (was immer das auch ist) Studentinnen in sein Labor, womit klar wäre, warum die alle ausser der Ärztin (aber am Schuss ist die dann auch noch attraktiv?) so überhübsch sind. Die so-genannten Hübschen dürften dann ihren Professor auf Kongressbesuchen begleiten. Es sollte übrigens Professor Dr. Dr. Dr. h. c. mult. William W. Webster heissen. Ich nehme jetzt einfach mal an, der Typ hat einen Dr. med., dann einen Dr. rer. nat. oder Dr. vet. med. oder Dr. sonst was und viele Ehrendoktortitel. Da könnte man noch erwähnen, wie er sich die Ehrendoktortitel gekauft und ergaunert hat.
Die Idee des Prothesenmuseum gefällt mir. Beim Sportsteil kann ich jetzt nicht so mitreden, weil mir es egal ist, wie schnell und wie lange jemand rennt. Da sprichst Du andere Leser an. Dieses zweite Publikum ist wahrscheinlich aber nach der Einleitung wegen der vielen Fachbegriffe schon ausgestiegen. Die Prothesen sind zwar interessant beschrieben, aber insgesamt bringt mich die sachliche Beschreibung und die vielen Namen der Läufer nicht zum begeisterten Lesen. Mein Vorschlag wäre, hier stark zu kürzen. Irgendwie muss da noch viel mehr Spannung rein. Zeige uns doch so ein Rennen und wie die dort rumhampeln.
Die Geschichte der Prothese beginnt bereits mit dem biblischen Schöpfungsepos – die Adam entnommene Rippe muss der Gott des alten Testaments ihm ja irgendwie ersetzt haben.
Dieser Gedanke hat mir gefallen. Das wäre vielleicht ein guter Anfangssatz.
– ich habe jetzt fünf Augen
Tolle Sache
nur gestützt von meinem muskulösen Schwanzbein
Auch nett
Auf den Grund der lieblosen Behandlung komme ich noch zu sprechen.
Dieser Satz sollte besser gleich hinter „nur die Ärztin verzieht leider keine Miene“ kommen.
Nun erweise ich mir selbst den ‘letzten Dienst’ und setze die mit einem schwarzen Totenkopf gekennzeichnete Spritze an der vorbereiteten Kanüle an. Dann schiebe ich den tödlichen Gift-Mix in die Blutbahn, um meinem noch unverdrossen weiter schlagenden Herzen den Garaus zu machen.
Das ist eine hervorragende Szene. Aber hier könnte der Prot doch jammern?
Die Schilderung meiner Vorzüge erinnert mich an eine Episode: Vor ein paar Tagen vollzog ein struppiger Uralt-Hippie mit seiner vorsintflutlichen Schrottkarre, einem ehemals silbergrauen Mercedes SLR McLaren Roadster, neben mir eine Vollbremsung. Er beglotzte mich eingehend von oben bis unten, titulierte mich dann lauthals als "Super-A....!", und röhrte von dannen! Von wegen! Keine Ahnung hat der, denn ich habe gar keins! Das ist doch logisch!
Zu Testzwecken bin ich per pedes auf dem Grund des Bodensees von Konstanz nach Bregenz gegangen. Es war ziemlich langweilig da unten. Dieses kahle Gelände wurde ausgesucht, weil es sich über den flachen Boden des Sees recht flott schreiten lässt. Ich wäre viel lieber durch das Rote Meer spaziert, um mich am Anblick der dortigen Artenvielfalt ergötzen zu können.
Hier spricht Dein Protagonist von der Zukunft. Er ist doch gerade umgebaut worden, und all das wird sich noch abspielen. Ich würde hier und im Folgenden im Präsens bleiben.
Sex ist auch so eine Sache, über die in Konstrukteurskreisen immer noch kontrovers diskutiert wird. Sollte auch hierfür die Möglichkeit eingebaut werden, mit der Gattung Homo Sapiens in Verbindung zu treten?
Diese Frage könnte eine eigene Geschichte ergeben.
Ich persönlich finde meine Teilnahme nach wie vor nicht fair.
Nachdem du lange die Zukunft in der Vergangenheitsform beschrieben hast, bist du ab hier wieder teilweise im Präsens. Ich würde hier dann in der Vergangenheit bleiben. Oder alles ins Präsens, was noch besser wäre (siehe oben).
Das Motiv der Ärztin, warum diese an den ewig lebenden Körpern Fortpflanzungsorgane möchte, finde ich zu oberflächlich. Gerade, weil bei Frauen sekundäre Geschlechtsmerkmale, wie Reichtum, Macht, Grösse, Härte, etc., eine Rolle spielen. Auch, dass die Ärztin deswegen unsanft an Steckern herumreissen soll, leuchtet mir nicht ein. Eine klarere Beschreibung dieser Frau wäre wünschenswert und würde der Erzählung sehr helfen. Ich empfinde da keinen Konflikt.
Der Schluss besteht aus vielen kleinen Geschichten. Der Protagonist kommt ins Reden und redet so an den Leser, dass der sich bequasselt vorkommen könnte. Die einzelnen Gedanken sind natürlich schon interessant und hätten Potential für mehr. Es läuft alles zu glatt. Da hätte in der Geschichte noch etwas ganz böse schieflaufen müssen. Und es sollte bis zum Schluss spannend bleiben, ob es wieder gerade laufen kann.

Schreibfehler:

Dieses verbliebene Originalteil musste durch aufwändige biologische Systeme Versorgt werden.
versorgt
Zwar war eine Verpflanzung des Gehirns in einen anderen kopf längst Realität,
Kopf
Mein exklusiver Körperteil
exklusives
Ja, ich muss mich noch an vieles Neues gewöhnen.
viel Neues?

Ich muss ergänzen, dass ich beim Schreiben die gleichen Probleme habe wie die, die ich Dir genannt habe (sonst könnte ich ja gar nicht darüber schreiben). Ich habe eine unveröffentlichte, themenähnliche Geschichte geschrieben. Insgesamt habe ich das gerne gelesen, weil ich das Thema mag. Der Text ist weitestgehend fehlerfrei und erweckt keinen „Ärger“. Präsens gefällt mir, das gilt auch für die Rückblenden, die meist im Präteritum, manchmal im Perfekt und, wenn es weiter zurückgeht, im Plusquamperfekt sind. Ausser natürlich der Anmerkung oben zur Handlung in der Zukunft der Geschichte am Ende.
Nochmal, ich finde den Inhalt insgesamt zu sachlich dargestellt, zu sehr an der Oberfläche, viel zu beschreibend. Der Spannungsbogen sollte meiner Meinung nach besser ausgearbeitet werden, durch mehr Dialoge, Handlung, Charakterisierung der Personen und „Explosionen“, die bei den vielen von Dir erfundenen Geräten passieren könnten. So könntest Du Konflikte und Spannung einbauen. Die Personen sollten streiten; Emotionen und Gefühle erwecken.

Jetzt bin ich auf Deine Antwort gespannt.
Viele Grüsse
Fugu

 
Zuletzt bearbeitet:

ありがとう!
Arigatou! Fugu-san!
... für Deinen ausführlichen Kommentar zu meiner "Novelle" – für eine Kurzgeschichte ist der Text ja zu lang.
"Wenn ich nicht wüsste, dass Du diesen Text geschrieben hast, würde ich denken, dass hat ein Verrückter geschrieben!", war der Kommentar meiner Freundin, nachdem sie nach einigen Absätzen aufhörte, die Geschichte zu lesen. (großer Seufzer! ... (von mir))
Sie sieht lieber fern, zur Zeit die "Herzensgeschichten" Sonntag Abend im ZDF, und ich gucke mit ... um unsere "Beziehung zu pflegen".
Tja, die Ich-Form hat so ihre Tücken und eignet sich kaum für den vorstehenden Text. In dieser Form ist er in der Tat nur für "hartgesottene" SF-Leser geeignet. Wenn ich mehr Leser erreichen will, müsste ich ihn komplett umschreiben.
Glücklicherweise kann ich auch anders schreiben und mein historischer Roman liegt derzeit beim Lektor auf dem Tisch, eher im PC als Datei – ich hoffe, die 1,2 Mio. Anschläge sind nicht im "Papierkorb" gelandet.
Noch mal zum Text ... wieder bemerke ich, dass ich bei meinen eigenen Texten oft vor "lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehe". Bei anderen sehe ich "es" sofort.
Eine Rolle spielt sicherlich auch die "Faulheit", den fertigen Text nach dem schon soundsovielten Mal noch einmal zu überarbeiten ... ich will/kann mich dann einfach nicht mehr aufraffen. Ich will das Ganze nämlich "nicht umsonst geschrieben haben". (Ich löschte auch ungern Passagen; etwas wegwerfen kann ich auch nur mit Überwindung.)
Ein Schriftstellerfreund meinte zu dieser Geschichte, den sechs folgenden Novellen, sowie dem darauf basierenden Roman "Der Herr des Planeten", ich solle das alles erst einmal für ein "paar Jahre" in die Schublade stecken ... dort ruhen nun die Ergebnisse von eintausend Stunden "Arbeit".
... bis ich den Schwung habe, alles noch einmal komplett neu zu schreiben, denn "besser geworden" bin ich durchaus.
alt-kinnison

 

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