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Troubadeus und der alte Klepper Muli

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25.09.2003
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Troubadeus und der alte Klepper Muli

Troubadeus und der alte Klepper Muli

Es war ein schöner Nachmittag; die Sonne schien durch die zitternden Baumwipfel und hinterließ flackernde Lichtkleckse auf dem trockenen Waldweg.
Gemächlich folgte der alte, graue Klepper Muli mit hängendem Kopf im Passgang, wie ein lahmes Kamel hin- und herschwankend, dem Pfad, der kaum breiter war, als ein Ochsenkarren.
Auf Mulis eingefallenem Rücken thronte stolz aufrecht sitzend, der junge Minnesänger Troubadeus. Dieser war jedoch nicht gerade zu beneiden, denn dank seiner unglaublichen Blödheit bekam er nicht einmal mit, dass er in seinem Heimatdorf nur als Dorftrottel und Heulboje bezeichnet wurde, weil er geistlich auf dem Stand eines 10-jährigen hängen geblieben war und seine einzige Beschäftigung darin bestand, den anderen Dorfbewohnern mit seinen dissonanten Musikdarbietungen den letzten Nerv zu rauben.
Rein äußerlich machte Troubadeus trotz seiner dürren und schlaksigen Erscheinung auf den ersten Blick doch einen recht ordentlichen Eindruck; er trug eine feine, weiße Leinenbluse mit Rüschen unter einem samtig-dunkelgrünen Bolt, dunkelbraune Kniehosen und braune Schnabelschuhe- was ihn allerdings ein wenig dämlich aussehen ließ, war wohl sein strohblondes, kinnlanges Haar, das akkurat zu einer Pagenfrisur geschnitten war. Und wie er noch dazu so pinnegerade da saß, auf dieser lustlosen, alten Schindmähre, bot er einen wirklich lächerlichen Anblick.

Er hatte sich gerade beim Rosstäuscher dieses wohl gelobte und als äußerst vielversprechend angepriesene Tier andrehen lassen. Ein vollkommen gesundes Pferd hatte man ihm versprochen, einen ehemaligen Zelter- obwohl es eher aussah, wie ein Maulesel… »Dieses Vie- äh, Pferd wäre ein treuer Begleiter auf Eurem Erfolgsweg als Musiker!«, hatte ihn der Händler eingelullt- es wäre perfekt, um ihn von Stadt zu Stadt zu bringen. Natürlich hatte Troubadeus jedes Wort für bare Münze gehalten und dem Mann das Tier abgekauft, dessen Leben ohne diese Schicksalsfügung anderntags mit Sicherheit beim Fallmeister geendet hätte.

Troubadeus war nicht nur fest der Meinung, dass er mit diesem Gaul einen guten Handel getätigt hatte, er war auch unbeirrt in der Vorstellung, dass er sich durch das Musizieren seinen Lebensunterhalt verdienen könnte, denn schließlich waren die Leute aus seinem Heimatdorf (in seinen Augen) ja so begeistert von seiner Musik, dass sie ihm jedes Mal, wenn er sie auf dem Marktplatz mit einem kleinen Ständchen erheitern wollte, einige Eier oder Tomaten „zuwarfen“ - doch leider sind die immer auf dem Boden oder an seiner Kleidung zerschellt; deshalb hatte er sie auch schon mal darum gebeten, ihm doch lieber einen Fisch zuzuwerfen, da konnte wenigstens nichts mit passieren- so dachte er jedenfalls, bis er einmal von einer genervten, etwas korpulenteren Dame einen vier Pfund schweren Fisch ins Gesicht geschleudert bekam.
Als er das letzte Mal auf dem Marktplatz stand und mit voller Hingabe die Saiten auf seiner Laute zupfte, kamen einige Anwohner aus ihren Häusern und gaben ihm aus - seiner Meinung nach - reiner fürsorglicher Nettigkeit und Güte den Rat, seine Fähigkeiten als Straßensänger doch mal in anderen Dörfern unter Beweis zu stellen. Wie gut sie es doch mit ihm gemeint haben; er hörte sie noch meilenweit, wie sie ihm nachjubelten und mit großen Bierkrügen auf ihn anstießen, als er die Stadt verließ. Ach, wie sie sich doch für ihn freuten.

So saß er nun da, stolz erhobenen Hauptes, voller Erwartungen, was die Zukunft wohl für ihn bereithielt, auf seinem mehr oder weiniger „edlen Ross“, die Laute mit einem breiten Lederriemen um die Schultern geschnallt, mit dem Traum, der beliebteste Minnesänger des Landes zu werden.
Während er so im Rhythmus zu Mulis Schritten leicht von einer zur anderen Seite schwankend da saß und seinen Blick gedankenverloren in der Gegend umherschweiften ließ, bemerkte er plötzlich wie wunderschön doch seine Umgebung war; der Wald um ihn herum war am Boden dicht bewachsen mit gelben Blumen und Brombeersträuchern und der von Sonnenstrahlen besprenkelte Weg, auf dem der aschgraue Klepper schwermütig einen Huf vor den anderen setzte, verlieh ihm ein Gefühl von Zufriedenheit; und prompt überfiel ihn das Verlangen, einige Melodien auf seiner Laute zu spielen. Er griff nach dem geliebten Instrument und stimmte den ersten Ton an; ein schiefer, verzerrter Ton hallte durch den Wald und ließ die Vögel in den Bäumen erschreckt davon fliegen; auch Muli schreckte kurz zusammen, verfiel dann aber wieder in seinen üblichen schwerfälligen, gemächlichen Trott. Troubadeus- jetzt mit einem fröhlichen, zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht, das ihn noch dümmlicher aussehen ließ, als er eh schon war- spielte munter und unbekümmert weiter, während er, einen langen Schatten hinter sich herziehend, Richtung Sonne zum nächstgelegenen Dorf ritt.

 

Hallo Jinx,

eine nette Geschichte, interessant und unterhaltsam. Sprachlich gut geschrieben, sodass der Text angenehm zu lesen ist.

Viele Grüße – Michael :)

 

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