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Trostmoment
Sie standen sich im dämmrigen Licht des Treppenhauses gegenüber.
„Ich weiß… eigentlich… weiß ich alles, nur nicht, was ich eigentlich hören will.“
„Ich aber. Glaube ich.“
Verwirrt sah sie ihn an. „Du willst hören: Ich hab dich lieb. Und alles wird gut.“
Ihre Augen weiteten sich. Er legte seine Hand auf ihren Unterarm.
Sie atmete tief ein und merkte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
„Ich hab dich lieb.“ Sagte er leise. „Und auch wenn es sich blöd anhört… es wird alles wieder besser. Ich versprech’s dir.“
Sie gab auf und fing an zu weinen. Es machte keinen Unterschied mehr, er wusste so oder so, dass dieses Gespräch eigentlich nur einen einzigen, wahren Grund gehabt hatte.
Als sie trotzdem noch zögerte, drückte er ihren Arm ein wenig fester und zog sie an sich.
Sie schlang die Arme um ihn und schluchzte.
Es war, als fiel mit den Tränen eine tonnenschwere Last von ihr ab.
Schweigend hielt er sie fest, während sie ihr Gesicht dicht an seine Schulter drückte.
„Sorry…“ schluchzte sie.
„Ist doch okay…“ antwortete er und strich ihr beruhigend über Rücken und Schultern. „Jeder braucht mal jemanden zum ausheulen. Oder zum in den Arm nehmen. Oder Beides.“ Er lächelte.
Aus ihrem Schluchzen wurde ein leises Lachen. „Wie machst du das…“ murmelte sie.
„Was?“ fragte er ein wenig verwirrt.
„Mich zum lachen bringen.“
Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Du lachst einfach.“ Sagte er. „Ich meine, ich hab ja nicht mal versucht, witzig zu sein.“
Sie lachte erneut. „Siehst du.“ Sie wischte sich die Tränen ab und grinste.
Er sah sie an und schüttelte langsam den Kopf. Dann zog er ein Päckchen Taschentücher aus seiner Jacke und gab ihr eines davon.
„Danke.“ Murmelte sie und putzte sich die Nase.
Er lächelte. „Geht’s dir besser?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Magst du was trinken? Kaffee? Tee?“ fragte er.
„Wasser?“
Er nickte. „Auch das kannst du haben.“ Sagte er und nahm ihre Tasche von der Treppe. Sie folgte ihm in den zweiten Stock, wo er seine Wohnungstür aufschloss und sie mit einer Bewegung hineingeleitete. Zögernd stand sie im Flur, während er ihr die Jacke abnahm und an die Garderobe hängte.
„Setz dich ruhig.“ Sagte er und deutete auf die Tür zum Wohnzimmer, bevor er in der Küche verschwand. Sie betrat das Wohnzimmer, jedoch statt sich zu setzen, ging sie durch den Raum auf die Fenster zu. Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen. Die Straße glänzte nass im Licht der Straßenlaternen, es hatte angefangen zu regnen.
„Wird wohl ein Gewitter geben.“ Seine Stimme zerriss die Stille und ließ sie zusammenzucken. „Tut mir leid.“ Sagte er und kam auf sie zu. „Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Er hielt ihr ein Glas Wasser hin.
„Danke.“ Sagte sie. In diesem Moment war von draußen lautes Donnergrollen zu vernehmen, und auch der Regen nahm schlagartig zu.
Sie sah ihn an und lächelte. „Du hattest wohl Recht.“
„Na, aber hallo.“ Grinste er. „Ich hab immer Recht.“
„Du bist so…“ Sie verdrehte die Augen und seufzte.
„Was?“ fragte er. „Was bin ich?“ er hob die Augenbrauen. „Hm?“ machte er, als sie nicht antwortete, und das verschmitzte Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück.
Sie schüttelte den Kopf. „Du bist eingebildet.“
„Ich weiß.“ Entgegnete er. „Und ich bin’s gerne.“
Sie stellte ihr Glas aufs Fensterbrett und sah ihn an. „Und weißt du, was das schlimmste ist?“
„Nein, aber ich bin mir sicher, du wirst es mir jeden Moment sagen.“
„Blödmann.“ Lachte sie.
„Danke, auch das manchmal.“ Sagte er.
„Also, was ich eigentlich sagen wollte…“ sie zögerte. „Du… wärst nicht du, wenn du nicht wärst wie du bist.“ Er sah sie an, mit hochgezogenen Augenbrauen. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Sie holte tief Luft. „Was ich meine ist, ich mag dich, weil du so bist, wie du bist.“
„Und das ist jetzt schlimm?“ fragte er.
„Nein, also… ich weiß auch nicht.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Manchmal gibt dir jemand tausend Gründe, ihn nicht zu mögen, aber am Ende mag man denjenigen nur noch mehr.“
„Du willst mich also nicht mögen?“
„Doch, es ist nur…“ sie suchte nach Worten. „Manchmal glaube ich, es wäre vielleicht besser, wenn…“
„Wenn du mich nicht mögen würdest?“
Sie nickte. „Ich dachte bloß, es wäre schwerer, dir das zu sagen.“
„Warum?“
Sie seufzte. „Weil ich dich mag.“
Er lächelte und sah aus dem Fenster. „Ich find’s aber schön, dass du mich magst.“
„Das sagst du so.“
„Und das meine ich auch so.“
„Du hast keine Ahnung wie anstrengend das ist.“
„Mich zu mögen ist anstrengend?“ Er runzelte die Stirn. „Also, ich geb mir ja wirklich Mühe, aber es fällt mir schwer, dir zu folgen.“
Sie lachte leise. „Nehmen wir mal an, dass ich dich möglicherweise mehr mag, als ich sollte…“ Sie mied seinen Blick und sah zu Boden.
Er antwortete nicht, und sie traute sich nicht, aufzusehen. Schließlich ergriff sie erneut das Wort. „Tut mir Leid, ich…“ sie zögerte. „Genau sowas meine ich. Ich sage Dinge, die ich hinterher bereue.“
„Bereuen? Du bereust es?“ verwundert sah er sie an.
„Ja, weil ich dachte… ich dachte, es wäre der richtige Moment, es dir zu sagen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber der war es anscheinend nicht. Und es hätte ihn auch nie gegeben.“
„Wieso glaubst du, es ist schlecht jemandem zu sagen, dass man ihn mag?“
„Ist es nicht. Zumindest nicht grundsätzlich… aber deiner Reaktion zufolge -“
„Hey.“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter. „Noch hab ich gar nichts gesagt, oder?“
„Nein, aber das reicht schon.“ Murmelte sie. „Ich glaube… vielleicht ist es besser, wenn ich jetzt gehe.“ Sie drehte sich um und ging auf die Tür zu.
Schweigend folgte er ihr. „Wie kommst du nach hause?“ fragte er, als sie ihre Jacke von der Garderobe nahm. Sie zuckte mit den Schultern und er seufzte. „Dann warte wenigstens, bis das Gewitter vorbei ist.“ Er streckte die Hand nach ihrer Jacke aus. „Bitte. Es würde mir wirklich besser gehen, wenn ich wüsste, dass du nicht wegen mir da draußen irgendwo im Regen stehst.“ Eine Weile standen sie sich nur gegenüber. Dann gab sie ihm die Jacke zurück und er lächelte. „Wir könnten einen Kuchen backen, wenn du Lust hast.“ Sagte er. „Ich glaube, ich habe noch genug Zutaten da.“
Sie nickte. „Mach dir keine Gedanken.“ Sagte er, als sie die Küche betraten. „Ehrlich, das musst du nicht. Für mich ist das völlig okay.“
„Ich weiß, wie du das meinst, aber…“ Sie zögerte und sah ihn an. „Du wirst mich nicht mehr in den Arm nehmen, wie vorhin, weil du denkst, du darfst mir keine Hoffnungen machen.“
Er kam einen Schritt auf sie zu und breitete die Arme aus. Als sie nicht reagierte, nickte er ihr aufmunternd zu. Sie holte tief Luft und umarmte ihn. Er lächelte. „Schokokuchen?“ murmelte er an ihrem Ohr und sie lachte leise.