Mitglied
- Beitritt
- 02.02.2003
- Beiträge
- 133
Trommeln
Trommeln
Höflich pochte Markus an die Tür zu dem winzigen Büro.
„Herein!“ Cherein. Markus musste immer wieder lächeln, wenn er den slawischen Akzent von Max hörte. Er trat ein.
„Markus!“, empfing Max ihn überschwenglich. „Wie schön, dass sie für einen alten Mann etwas ihrer kostbaren Zeit opfern können!“ Er bedeutete Markus sich zu setzen.
„Gut sehen sie aus, Max.“ Markus schnappte sich den einzigen freien Sessel, drehte in um und nahm – Lehne nach vorne – Platz.
„Sie müssen einem alten russischen Bären keinen Honig um’s Maul schmieren, bloß weil er der Vater ihres Chefs ist. Zigarre?“ Max hielt Markus die Zigarrenkiste hin, aber der Jüngere hob abwehrend die Hand.
„Haben sie gestern das Spiel gesehen?“ erkundigte sich Max während er geschickt die Spitze seiner Dannemann abschnippste.
„Ich war in der Halle.“ bestätigte Markus.
„Ich meine, ob sie es auch gesehen haben.“ Der alte Mann hob fragend die buschigen Augenbrauen.
„Max, sie wissen doch genau, dass ich die ganze Zeit in der VIP-Lounge war, um unsere Sponsoren bei Laune zu halten. Das ist mein Job!“
Max seufzte demonstrativ. „Ja, ja, ja. Sponsoren. Geld. Publicity. Werbung. Sowas in der Art, oder?“
„Exakt.“
„Egal. Ich habe mir das Spiel jedenfalls angesehen. Eine Schande, sage ich ihnen.“
„Aber wir haben doch gewonnen!“ protestierte Markus.
„Aber sie haben nicht gesehen, wie!“, brauste Max auf. „Ein mühevolles Unentschieden nach dem dritten Drittel und nur das Penaltyschiessen hat uns den Arsch gerettet. Ein Drama, sag’ ich ihnen.“ Max lehnte sich in seinen Ohrensessel zurück und blies dabei verächtlich eine gewaltige Rauchwolke in die muffige Luft seines Büros.
„Tja. Manchmal braucht man eben auch Glück, oder Max?“ Markus Augen begannen bereits zu tränen.
„Jedenfalls kam es gestern wie eine Erleuchtung über mich.“ Der Alte legte eine kurze Kunstpause ein während der er die Augen schloß. „Seit gestern weiss ich, wie wir es schaffen werden, das beste Eishockeyteam des Landes zu werden!“ Triumphierend bohrte er mit seiner Zigarre ein Loch in die Luft.
„Ach.“ war alles, was Markus im Augenblick zu dieser Eröffnung einfiel.
„Ja, mein Junge. Es war in der Mitte des dritten Drittels. Da konnte ich nicht mehr mitansehen, was unsere Leute da auf dem Eis trieben. Also schloß ich verzweifelt die Augen. Und da hörte ich ihn!“ Max Augenbrauen wanderten bedeutungschwanger nach oben.
„Sie hörten ihn?“ Markus rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her.
„Ja. Ich hörte ihn.“. Wieder eine Pause. „Ravel!!“ Ein weiteres Mal wurde die Luft durchlöchert. „Ach Markus! Sehen sie mich nicht an, als hätte ich den Verstand verloren. Und erzählen sie mir bitte nicht, sie würden ihn nicht kennen.“
„Ravel? Wer soll das sein? In welcher Position spielt der?“ Es war Markus deutlich anzusehen, dass er seinem Gegenüber nicht im Geringsten folgen konnte.
„Der Bolero! Menschenskind!“, rief Max erregt aus und verringerte dabei den Abstand zwischen den beiden auf weniger als zwanzig Zentimeter. Markus zuckte erschrocken zurück.
Max lehnte sich wieder zurück und fuhr unbeirrt fort: „Der Fanclub des Feindes hatte gestern abend zwei fantastische Trommler dabei. Tolle Jungs. Hatten wirklich was auf dem Kasten. Wussten genau, wie sie ihre Lieblinge vorpeitschen konnten.“ Max legte die Zigarre beiseite und nahm die Haltung eines Dirigenten ein. „Tam tatatatamm tatatatamm tatata tatata tatata tamm!”, intonierte er lautstark und mit Hingabe. “Das macht Laune mein Freund, glauben sie mir das.”
„Worauf wollen sie eigentlich hinaus?“, wagte Markus an dieser Stelle nachzufragen.
„Der springende Punkt ist, dass wir keine Trommler haben. Unsere Fans sind nur ein Haufen gröhlender Irrer. Damit lässt sich kein Spieler motivieren. Höchste Zeit also, dass sie sich darum kümmern.“
„Sie meinen also allen Ernstes, dass ich mich darum sorgen soll, dass bei unseren Spielen irgendwelche Typen mit Pauken und Trompeten genug Krach machen, um unsere Leute anzuspornen, mehr Tore zu schießen?“ fragte Markus erstaunt nach.
„Vergessen sie die Trompeten. Ich rede hier nur von Trommeln. Grosse Pauken. Riesige Dinger, mit denen wir dem Feind das Wasser in die Augen treiben werden. So wie einst den Römern, als sie von den Germanen eine auf’s Dach bekamen.“
„Soweit ich mich erinnere, waren doch die Römer die mit den Pauken, oder?“
„Papperlapapp“ winkte Max verächtlich ab. „Ihre Klugscheisserei ändert nicht das geringste am Prinzip. Ich habe mir bereits Gedanken gemacht, wen wir engagieren könnten.“
„Tatsächlich?“ Markus Unruhe steigerte sich mit jeder Sekunde.
„Smejkal und seine Jungs sind die richtigen für diesen Job!“ Max strahlte sein Gegenüber an.
„Smejkal? Unseren Zeugwart? Der Kerl ist ein Tier, Max!“ rief Markus entsetzt aus.
„Sie wollen doch einen Mann, der drei Jahre am Musikkonservatorium studiert hat, nicht als Tier bezeichnen?“
„Er wurde gefeuert, nachdem er den Rektor kopfüber in einer der Studententoiletten versenkt hatte! Glauben sie mir, der Typ ist nicht ganz dicht!“
„Und ich sage, er ist genau der Mann den wir brauchen!“ An Max’ Tonfall erkannte Markus, dass die ganze Angelegenheit schon längst entschieden war. „Gehen sie zu ihm hin. Reden sie mit ihm. Machen sie ihm klar, dass der Club sein musikalisches Genie braucht.“
„Was der Club wirklich braucht, wäre eine neue Angriffslinie.“ murrte Markus. „Und ein neuer Popcornstand wäre auch nicht übel.“
„Ach Markus.“ Max grinste sein Vis-a-vis breit an. „Sobald Smejkal uns an die Spitze getrommelt hat, lade ich sie und unsere verdammten Sponsoren auf mehr Popcorn ein, als sie vertilgen können. Das verspreche ich!“