Was ist neu

Trockene Seele

Mitglied
Beitritt
22.01.2004
Beiträge
6

Trockene Seele

„Im Westen nichts Neues“ könnte man sagen. In Erwartung einer sich abzeichnenden Veränderung blicke ich jeden Tag in die Ferne, aber nichts tut sich. Kein Tief, das genug Feuchtigkeit mit sich bringt, um mich wieder zum Leben zu erwecken.
Nun, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Eine Wolke bin ich, und brauche dringend Sex. Jedoch... kein Körper, kein Geschlechtsverkehr. So ist das. Was? Sie verstehen nicht? Na, dann erzähl ich Ihnen etwas über mein Leben als sexhungriges Luftwesen. Wolken sind von allen Wesen auf unserem Planeten, und ich übertreibe nicht, das Völkchen mit dem größten Appetit auf Sex. Unersättlich sind wir, es ist der einzige Zweck unseres Daseins. Oh, wie ich das Reden hasse. Herrlich dagegen wäre ein wirkliches Stelldichein mit..., was hätte ich denn gerne? Ja, mit einem Kumulus, geladen sollte er sein, aber kein Schattenboxer, ein echter Kerl. Krachen sollte es auf euren Planeten, Blitz und Donner sollte mein Held auf die Erde schleudern, bis ich so richtig in Wallung komme und meine Körperflüssigkeiten auf euch niederprasseln lasse. Nicht dass ihr glaubt, ich habe was gegen euch, im Gegenteil, beim Sex beobachtet zu werden macht mich erst so richtig scharf. Ich habe aber schon gemerkt, dass ihr selbst nicht so darauf steht, zumindest sieht man euch ziemlich selten miteinander Sex machen. Diese grässlichen Dinger, na ja, sie selbst bezeichnen sich als Verwandte von uns, aber egal, sie kriechen aus euren Schornsteinen zu uns empor und biedern sich an, obwohl sie stinken und keine Seele besitzen, zum Glück verflüchtigen sie sich schnell und hinterlassen nicht mehr als einen seltsamen Duft.... Wo war ich stehen geblieben? Genau, diese miesen Typen haben mir erzählt, dass ihr euch Orte der Lust gebaut habt, wo ihr es treibt und keiner dabei zusehen kann. Nun, jedem wie es ihm beliebt.
Mich kann man momentan übrigens gar nicht sehen, auch wenn ich keinen Sex habe. Es ist Sommer, ein ekelhafter, trockener Sommer, ich bin vollkommen leer, nur meine Seele schwebt unsichtbar über euren Köpfen und dürstet nach Leben.
Vor einigen Wochen noch ging es bei uns hier oben richtig flott her, Orgien der Lust, jeden Abend. Sommersex hat es in sich. Im Laufe des Nachmittags türmen wir uns auf zu mächtigen Gebilden, von allen Seiten werden wir angeheizt. Feurige Luftmassen von unten und von Süden, feuchte Winde aus dem Westen und kalte Nackenschläge aus dem Norden. Irgendwann sind wir erregt bis in die Spitzen unserer verstecktesten Tropfen, und wenn der Wind gnädig ist und uns ineinander treibt, dann geht es los. Oh, wie erregend ist auf einmal der Gedanke! Wenn sich unsere Moleküle übereinander hermachen. Anfangs nur wenige, zarte Berührungen, wir lassen wieder abreißen, wir spielen miteinander, wir turteln und flirten. Es wächst das Verlangen, sich zu berühren, wir dringen ineinander ein, tiefer und tiefer, immer wilder, und aus dem sanften Prickeln wird ein Beben und Zittern, stundenlang, oft ganze Tage. Naht der Höhepunkt explodieren wir, werden auseinander gerissen, hin und her geschleudert, mit Wucht und Gewalt.
Ja, so ist das im Sommer. Heftig kann das werden, ihr habt gehört. Nicht jeder meiner Verwandten mag diese wilden Tänze. Manchmal, wie im Moment, ist aber auch gar nichts los, da sind selbst die Sanfteren unter uns unerträglich mürrisch. Aber wir reden nicht viel miteinander, Sex ist das einzige, was uns interessiert. Es gab mal einen, der konnte in solchen Wochen nicht aufhören zu berichten, wo er schon überall war. Eine überaus langweilige und anstrengende Wolke. War aber eine Ausnahme, ansonsten fliegen wir über die Welt und suchen uns Partner für prickelnde Stunden.
So unstet wie der Sex im Sommer, so sicher ist er im Herbst. Der Wind treibt uns viel schneller über den Planeten, wir haben kaum Zeit um Spannung aufzubauen, unsere Körper sind viel flacher und schmächtiger als im Sommer, schlank und rank, oder wie ihr es auszudrücken pflegt, „förmig wie eine Linie Strom“. Der Sex ist aber bei weitem nicht so intensiv. Dafür, und das ist ein nicht zu unterschätzender Lustgewinn, entsteht ein reger Austausch an Geschlechtspartnern. Meist sind es gar mehrere auf einmal, da kann man viel leichter über die hässlichen hinwegsehen und sich mit Wonne auf die hübschen Jungs stürzen. Widerliche und erotische Formen wechseln bei uns jeden Tag, manchmal auch öfter, das ist anders als bei euch, ihr seht immer gleich aus. Was sich im Herbst auch nicht vermeiden lässt ist das Zusammentreffen mit den Damen unserer Zunft. Früher habe ich mich geekelt vor dem Sex mit unseren Mädels, da sind mächtig viele Zicken dabei. Aber mittlerweile kann ich auch das genießen. Gruppensex im Akkord, viele Partner, ständig ein neues Outfit, und alle paar Stunden einen langen, verspielten und ausgiebigen Höhepunkt. Mir ist übrigens aufgefallen, dass ihr im Sommer viel fleißiger seid, uns beim Sex zuzuschauen. Im Herbst tut ihr so, als wäre unser Treiben in luftiger Höhe das normalste auf der Welt. Ihr ignoriert uns, vielleicht liegt das einfach daran, das wir es zu oft tun. Zumindest nach euren Maßstäben.
Der Winter ist nicht meine Sache. Man kann es gar nicht wirklich Sex nennen, eher ein intimes Kuscheln. Es prickelt, gut, aber mehr wird meist nicht daraus. Hat man das Pech, neben einem Sexmuffel oder einem hektischen Jungspund zu fliegen, in der Enge gefangen, ohne die Aussicht auf Partnerwechsel, keine auszehrenden Orgasmen, da wird so ein Winter verdammt lang. Andere bezeichnen es als Geborgenheit, ich aber nicht. Wölkchensex, da kann ich nur lachen. Es gab natürlich auch aufregende Wintermonate, das ist dann wie ein sanfter Dauerorgasmus. Wochenlang könnt ihr euch dann am Segen meiner Körperflüssigkeiten erfreuen.
Das Schönste an einem winterlichen Langzeithöhepunkt aber ist die Aussicht auf den Frühling, denn je mehr wir uns im Winter mit ergiebigen Orgasmen beglücken desto mehr gebt ihr uns im Frühling zurück. Gierig saugen wir die Tropfen auf, die vom Boden zu uns aufsteigen, wärmen uns an der Sonne und sausen im Laufschritt über die erblühenden Landschaften. Wie im Herbst prallen wir wild aufeinander, wieder voller Energie, befreit aus der Enge, es herrscht eine knisternde Spannung ungeduldiger Begierde nach leidenschaftlichem Sex. So wie früher das ganze Jahr, als ich ein Backfisch war, nur wenige Minuten den Orgasmus unterdrücken konnte und oder gar nicht kam. Im Frühling machen das alle so, sind verspielt und suchen die Wolke, mit der man die Eruptionen des Sommers erleben will. Man muss da überaus geschickt sein und darf sich nicht zu fein sein, ganze Horden von geilen Wolken auszuprobieren. Ansonsten wird man den Richtigen nicht finden, einander verpflichtet ist man sich jedoch nie, wenngleich Treue in den letzten Jahren mehr in Mode gekommen ist. Ich selbst lehne das ab. Ein Sommerabend, eine prachtvolle, vor Gier rot glühende Wolke taucht auf, stark und ausdauernd, da ist es um mich geschehen. Mein Sommersexfreund darf natürlich mitmachen, egoistisch bin ich nicht.
Ihr seht, bei uns hier oben ist alles gut. Wir vermehren uns in rasanter Eile, herzlichen Dank dafür, ich habe gehört, das liegt an euch. Unsere Jungs werden immer besser, weil größer und mächtiger, meine Orgasmen sind heftig wie nie zuvor, und wäre da nicht die augenblickliche Flaute wäre ich das glücklichste Wesen auf unserem Planeten.
So, Schluss jetzt. Ich schau noch mal gen Westen, vielleicht tut sich ja was. Wünscht mir Glück.

 

Hi Faber,

diese Geschichte ist doch schon mal sehr viel fantasievoller als die andere. Ich habe mich gut amüsiert.
Eine Anmerkung habe ich aber.

nur wenige Minuten den Orgasmus unterdrücken konnte und oder gar nicht kam
würdest du dich hier für und oder oder entscheiden?

Lieben Gruß, sim

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom