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travesty, das Trugbild

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03.04.2018
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travesty, das Trugbild

Part 1, even the sun will die someday;

Dante

Der kalte Wind erschlägt mich nahezu, als wir das Café durch die Hintertür verlassen. Ich rücke instinktiv näher an Simon, welcher einen Arm um mich legt und leise lachend mit mir die dreckigen Stufen heruntersteigt. Er riecht nach gemahlenem Kaffee, Tabak und Aftershave. Ich vergrabe mein Gesicht kurz an seiner breiten Schulter, ehe ich mich langsam löse und meine Jacke überziehe.
Wie anstrengend und nervenraubend die Arbeitszeiten im Café auch sein mögen, so liebe ich es auch, wenn wir vollkommen fertig nachhause gehen, zu müde, um auch nur ein Wort miteinander zu reden. Wir haben während der Arbeit keine Zeit uns wirklich nahe zu sein, sodass es mir nach mehreren Stunden fast schon physische Schmerzen bereitet, ihn sehen, ihm aber nicht nahe sein zu können.

Ich seufze leise und streiche mir mit einer halbherzigen Handbewegung den Pony aus dem Gesicht. „Ich sterbe,“ murmle ich in meine Jacke, als ich diese überziehe. Simon schnaubt leise und müde lachend, während er auf mich zutritt und seine Arme kurz um mich legt. Ehe ich die Umarmung erwidern kann, löst er sich von mir. „Auch.“ Wieder nur einsilbige Antworten, wie?“ Ich lege meinen Kopf leicht in den Nacken und sehe zu ihm hoch. „Mhm...“ Ein schiefes Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus und ich bekomme eine Gänsehaut. Womit habe ich einen so schönen, liebevollen Menschen verdient? Ich schließe meine Augen und lehne mich an ihn, als ein erneuter, kalter Wind feuchte Blätter und Unrat durch die Straßen fegt. Er platziert seine Hände an meiner Hüfte und zieht mich wieder an sich.

Ich bin eingehüllt von Wärme und seinem vertrauten Geruch. Kaffee, Tabak, Aftershave.
„Lass uns Heim.“, flüstert er nach einiger Zeit und schiebt mich leicht von sich. Ich seufze laut auf und setze mich in Bewegung. Sein leises Lachen hallt kurz durch die dunkle Nässe der Gassen, ehe wir wieder in Stille gehüllt sind. Nur der Wind pfeift sacht sein leises Lied um uns herum, während ich meine Hände tief in meinen Jackentaschen vergrabe.
Simon geht so dicht neben mir, dass sich unsere Ellbogen bei jedem Schritt berühren. Ich bin viel zu erschöpft, um während des Laufens noch ein Gespräch anzufangen. Ich kann nicht einmal einen klaren Gedanken fassen. Deshalb laufe ich auch fast in die Gruppe hinein. Sie besteht soweit ich es erkennen kann aus zwei Mädchen und Jungen, die sich vor uns aufbauen, als wären sie mindestens doppelt so alt und doppelt so stark wie wir.

Ich schaue unsicher zu Simon, der überrascht seine Stirn runzelt. Ich murmle eine hastige Entschuldigung, bevor ich mich daranmache, mich zwischen einem der Jungen und der Backsteinmauer hindurch zu schlängeln, was gar nicht mal so einfach ist. Er hat erstaunliche Ähnlichkeiten mit einem Troll und ist mindestens auch so breit gebaut. Seine Schweinsäuglein blicken auf mich herunter.
„Hey, halt mal!“, stößt jemand anderes mit quäkender Stimme aus. Ich zucke leicht zusammen und beiße mir vor Überraschung auf die Zunge. Wie ich es hasse. Ich blinzle die Tränen weg, während Simon mich wieder zu sich zieht. Er wirkt besorgt. Erst jetzt erkenne ich, dass es der zweite Junge im Bunde ist, der sich eingemischt hat. Er sieht aus wie eine Ratte, mit spitzen Ohren und einem Grinsen aus schiefen Zähnen blickt er zu uns herüber. Mir wird schlecht.
„Sind das nicht diese Transen, von denen Court erzählt hat?“, piepst ein Mädchen in der vorderen Reihe. Ihre Stimme ist unangenehm leise und trotzdem durchdringend.

Die Worte treffen mich wie ein Tritt vor die Brust.
Ich erinnere mich an Courtney, eine Schülerin einen Jahrgang unter uns. Sie könnte den Meisten auf der Schule einfach ins Gesicht spucken, und sie würde trotzdem noch nett behandelt werden. Dabei sind die Meisten nur nett, weil sie Angst und Ehrfurcht vor dem durch und durch gespielten Auftreten von Courtney haben und dieses für sie halten. Dabei ist alles nur Fassade.

Ich höre, wie Simon hinter mir tief Luft holt. Ich greife nach dem Gurt seines Rucksacks, um ihn Notfalls zurückzuziehen, auch wenn ich weiß, dass er nie im Leben Gewalt anwenden würde. Ich gehe einen Schritt zurück. Der Rattenjunge stößt einen hohen Laut aus und erst nach ein paar Sekunden begreife ich, dass er gelacht hat.
Ich verziehe bei dem Geräusch das Gesicht und schaue zu Boden.

„Lasst uns doch einfach weitergehen…“, höre ich eine mir bis jetzt unbekannte Stimme leise hinter dem Troll. Nur schemenhaft erkenne ich die kleine Gestalt eines Mädchens hinter den bulligen Schultern ihres Vordermanns.
Noch bevor jemand aus der Gruppe etwas sagen kann, ergreift Simon die Gelegenheit, nimmt mich am Arm und zwängt sich mit mir im Schlepptau an der Ratte und dem ersten Mädchen vorbei. Meine Finger schließen sich reflexartig fester um den Riemen seines Rucksacks, als wir uns von der Gruppe entfernen. Wir reden den restlichen Weg Nachhause kein Wort mehr miteinander. Selbst zum Abschied nickt er mir nur kurz zu, ehe er sich umdreht und um die nächste Ecke biegt. Ich weiß nicht genau warum, aber diese kleine Geste reicht aus, um mir die Tränen in die Augen steigen zu lassen.

Die Anspannung, das schwere Gefühl in meiner Magengegend und das Schmerzen meiner Augen vom Weinen sind nicht annähernd verschwunden, als ich leicht zitternd meine Wohnungstür öffne und so leise wie möglich durch das Haus in mein Zimmer gehe. Ich bin frustriert und wütend. Und ich habe Angst.

Ich lasse meinen Rucksack zu Boden fallen und lege mich in mein Bett, ohne mir die Mühe zu machen, auch nur meine Schuhe auszuziehen. Mein Kissen riecht nach Kaffee, Tabak und Aftershave


Part 2, even the sun will die someday;

Anouk

Wir haben uns auf einer lachhaft kleinen Spielwiese zwischen unseren Häuserblocks kennengelernt. Die „Spielwiesen“ sind ein lächerlicher Versuch der Stadt, die Kinder zu beschäftigen. Auf den großen Betonflächen mit winzigen Grünflächen wachsen die Kinder aber eher dealend statt spielend auf.
Ich sitze mit Dante auf der metallenen Schaukel und beobachte eine Gruppe Grundschüler, die sich eine Packung Zigaretten teilen. Wir haben, seit wir uns vor einigen Stunden getroffen haben, nur wenige Worte miteinander gewechselt. Wir müssen nie miteinander reden, um zu wissen, dass der andere der gleichen Meinung ist. Wir teilen uns einen Kasten Bier und gehen unseren eigenen Gedanken nach.
Es ist eine angenehme Stille. Der Alkohol lässt mich schweben und warm fühlen.

„Was sagen deine Eltern zu der neuen Haarfarbe?“, frage ich, als die Stille zu laut wird, den Blick weiterhin auf die Kinder gerichtet, die gerade hustend eine Zigarette herumgehen lassen. „Mama hat gesagt, ihr gefällt es.“, erwidert Dante mit einem bitteren Unterton, während er sich eine weitere Dose von dem Bier öffnet. Schaum spritzt über seine Klamotten und er stößt einen Fluch aus. „Papa meinte, ich soll aufpassen, wenn ich rausgehe. Wegen den anderen.“ Er schnaubt verdrossen und trinkt mit wenigen Schlucken fast die gesamte Dose aus. „Ob ich sie nicht umfärben wolle. Weil auffallen schlecht ist.“, imitiert er seinen Vater.
Ich sehe zu ihm auf und treffe seinen Blick. Er schnaubt noch einmal und trinkt die Dose in einigen Zügen leer, bevor er kurz taumelnd von seiner Schaukel aufsteht und die Metalldose über den betonierten Platz schießt. Es klingt sehr nach seinem Vater, aber jemand wie sein Vater ist nicht wütend und redet nicht so harsch, wie Dante es gerade tut. Dantes Vater ist der wohl warmherzigste Mann, der je gelebt hat. So wie Dante früher. Warm und hell wie die Sonne.

Ich sage nichts und beobachte, wie das Stück Metall scheppernd auf der gegenüberliegenden Straßenseite aufprallt und verbeult liegen bleibt.
„Deine Haare haben fast dieselbe Farbe wie meine.“, stelle ich leise nach einigen Sekunden des Schweigens fest und nehme einen kleinen Schluck von dem bitteren, warmen Gesöff, während ich die Schaukel langsam mit meinen Füßen anschubse.
„Ja.“, erwidert Dante überraschend scharf und wütend. Ich erwische ihn in letzter Zeit oft dabei, wie er wütend wird. Oftmals wegen kleinen und unbedeutenden Dingen. Er denkt zu viel nach. Unsere Blicke treffen sich wieder. Er hält dem meinem stand.
„Dir ist das mit den verschiedenen Staatsangehörigkeiten schon aufgefallen, oder?“ Er schaut wieder weg und fängt an, rastlos auf und ab zu laufen. Als ich nicht antworte, schaut er wieder zu mir und seufzt. „Komm.“

Ich beobachte ihn, wie er hinüber zu dem verkümmerten Flecken Gras geht, wo vor einigen Minuten noch die Kinder gesessen haben. Er ist rastlos, immer in Bewegung, so als würde er zu Stein erstarren, wenn er auch nur eine Sekunde stillsitzen würde. Ich folge ihm schweigend, den Blick am Boden. Ich betrachte die Sprossen von Löwenzahn, die sich vereinzelt durch den rissigen Beton gekämpft haben. Dante sitzt inmitten des niedergetrampelten Grases und raucht einen Zigarettenstummel, den er irgendwo gefunden hat. Er sieht mich nicht an, als ich mich neben ihm niederlasse. Das trockene Gewächs sticht mir ins Bein, als Dante mich schließlich wieder ansieht. Sein Blick ist träge. Er sieht erschöpft aus, ganz anders als noch vor einigen Sekunden.

„Wir sind gefangen wie die Tiere, die wir essen. Wir sind nur da, um die, die mehr haben zu bereichern. Wir merken es nur nicht. Das alles. Dieses System...“ Er stockt kurz und starrt auf das trockene Gras, das überall auf der Spielwiese hässliche Flecken bildet, als würde er nach Worten suchen. Ich habe ihn noch nie wortlos gesehen. Dante Ílios schweigt nicht. „Das alles ist durchstrukturiert.“, fügt er langsam hinzu, als wären das die Worte, die das schwere Konstrukt seiner Wörter einfacher und leichter machen würden.
„Das ist alles einfach so falsch. Ein Trugbild. Und so viele Menschen sterben, ohne richtig hinzusehen und etwas zu erreichen.“ Er hebt den Kopf und erwidert endlich meinen Blick. Seine Augen sind hoffnungsvoll und traurig. Dante scheint sich über diese Worte schon oft Gedanken gemacht zu haben, denn er sieht mich erwartungsvoll an. Ein mühsames Lächeln quält sich auf seine Lippen, und ich nehme aus dem Augenwinkel wahr, wie er sich unterbewusst über den Arm streicht. In diesem Moment sieht er müder aus denn je. Er macht mir Angst. Jemand wie er ist nicht müde. Er ist rastlos.

In einem Buch namens Sturmhöhe von Emily Brontë, steht: „Wenn alle anderen zu Grunde gingen und er übrigbliebe, würde ich fortfahren zu sein; und wenn alle anderen blieben und er würde vernichtet, so würde sich das Weltall in etwas vollkommen Fremdes verwandeln.“

Mir wird erst jetzt schmerzhaft bewusst, wie sehr das der Wahrheit entspricht.


Part 3, winterwonderland;

Anouk

Die Kälte frisst sich weiter durch meinen Körper, ganz egal, in wie vielen Decken ich mich vor der Realität verstecke. Mein Immunsystem hat schon vor einiger Zeit aufgehört, mich gesund, geschweige denn warm zu halten. Ich höre schon viel zu lange dem Rauschen meines Blutes zu, das von meinem klapprigen Herz durch meine Venen gepumpt wird, die sich wie blaue Spinnennetze über meinem Körper ausbreiten.

Man hat meine Zimmerpartnerin aufgrund schlechten Benehmens meinerseits auf ein anderes Zimmer verlegt. Als wäre ich ein Tier, das von anderen Lebewesen weggeschlossen werden muss. Aber es ist besser auf diese Weise. Man sollte niemanden mit jemandem, der an Anorexie erkrankt ist und anscheinend eine Persönlichkeitsstörung hat, auf ein Zimmer sperren. Vor allem kein Kind. Vor allem keines, was mich so an mich selbst erinnert. Schwach. Verunsichert. Anfangs bemüht, dann immer verzweifelter.
Es hat mich krank gemacht, wie sie versucht hat, immer so nett wie möglich zu sein. Es ist ungewohnt ohne sie. Es ist noch ruhiger geworden. Wir haben nie viel geredet, aber allein ihre Anwesenheit hat dieses ganze Szenario erfüllter und irgendwie lauter wirken lassen. Wir haben stumm gegen die Stille angeschrien.

Der Infusionsschlauch verfängt sich in der Wärmedecke, als ich sie möglichst vorsichtig zur Seite schiebe. Ich fluche, als die Nadel unter meiner Haut unangenehm zieht und steige aus dem Bett. Ich klammere mich mit zittrigen Händen an die dünne Stange, die den Infosionsbeutel mit der durchsichtigen Flüssigkeit über meinem Kopf hält, um nicht zu fallen. Es ist Stunden her, seit ich das letzte Mal aufgestanden bin.

Das kühle Metall lässt eine Gänsehaut durch meinen steifen Körper jagen und ich erschaudere. Die langen Haare an meinen Armen stellen sich auf. Lanugo. Mein Körper versucht sich durch mehr Haare warm zu halten. Ich widerstehe der Versuchung, meine Arme um meine Hülle zu schlingen.
Mit langsamen Schritten gehe ich in Richtung Fenster, ohne mir die Mühe zu machen, meine nackten, wahrscheinlich ohnehin schon blauen Füße mit Hausschuhen vor der Kälte der Fliesen zu schützen. Ich seufze auf und lasse meinen Blick über die nahegelegene, trostlose Stadt schweifen, die das Krankenhaus wie einen Kessel umgibt. Die kargen Hochhäuser geben mir das Gefühl, eingesperrt zu sein. Ich hasse das. Sie erinnern mich an den Spielplatz.

„Wir sind gefangen wie die Tiere, die wir essen. Wir sind nur da, um die, die mehr haben zu bereichern. Wir merken es nur nicht. Das alles. Dieses System...“ Er stockt kurz und starrt auf das trockene Gras, das überall auf der Spielwiese hässliche Flecken bildet, als würde er nach Worten suchen. Ich habe ihn noch nie Wortlos gesehen. Dante Ílios schweigt nicht. „Das alles ist durchstrukturiert.“, fügt er langsam hinzu, als wären das die Worte, die das schwere Konstrukt seiner Wörter einfacher und leichter machen würde.
„Das ist alles einfach so falsch. Ein Trugbild. Und so viele Menschen sterben, ohne richtig hinzusehen und etwas zu erreichen.“ Er hebt den Kopf und erwidert meinen Blick. Ein mühsames Lächeln quält sich auf seine Lippen, und ich nehme aus dem Augenwinkel wahr, wie er sich unterbewusst über den Arm streicht. In diesem Moment sieht er müder aus denn je. Er macht mir Angst. Jemand wie er ist nicht müde. Er ist rastlos.

Vor einigen Jahren habe ich noch keine Ahnung gehabt, was Dante damit gemeint hat. Jetzt wird es mir dafür nur schmerzlicher bewusst. Ich habe rückblickend das Gefühl, schuld an seinem Suizid zu sein. Ich hätte etwas dagegen tun können, wenn ich zugehört hätte. Ich hätte ihn retten können.
Mein Mund wird trocken und ich schließe meine Augen gegen das nur allzu bekannte Brennen. Ich fahre mir durch meine dünnen, strähnigen Haare, die sofort wieder meine Wangenknochen entlang streichen. Er habe nie einen Weg gefunden, meiner Wut Luft zu machen und über Dantes Ableben, wie meine Psychologin es nennt, zu reden. Ich habe die letzten Jahre mit schweigen, weinen und hungern verbracht. Und mit nachdenken. Ich habe mich so lang mit rastlosen, rasenden Gedanken auseinandergesetzt, bis mir schlecht geworden ist und ich nicht mehr denken oder existieren wollte.

Ich will es wie er beenden. Einem Muster folgen und schließlich daran sterben. Ein Muster, das man sich jahrelang ins Gehirn gebrannt und sich gezwungen hat, zu befolgen, bis man schließlich nicht mehr ohne diese wirre Struktur leben kann.
Er war die Sonne. Mit seinem Untergang hat die Wärme mich verlassen. Er hat mich dem Winter hingeben lassen.


„Ich will hungern, bis in den Tod – obwohl ich nichts mehr möchte als endlich leben. Ich weiß: Das ist eine kaputte Satzinteraktion. Aber Anas Sprache ist schwer zu übersetzen, sie wird unverständlich, sobald man versucht, sie zu erklären.“ -Lilly Lindner, Splitterfasernackt


Part 4, Jack Frost;

Ella

Es ist jetzt genau vier Wochen her, seit ich das Zimmer gewechselt habe. Ich weiß, dass er an der Zimmerwechsel-Aktion schuld ist. Er. Jack Frost. Ich kann es ihm aber nicht verübeln. Ich könnte es auch nicht mit mir aushalten.
Ich habe ihn am ersten Tag im Krankenhaus nach seinem Namen gefragt. Er hat jedoch nur geschwiegen und seinen Blick nicht einmal vom Fenster abgewandt, als wären meine Worte einfach an ihm abgeprallt. Seitdem heißt er Jack Frost. Auch, nachdem ich seine Krankenakte gefunden habe.
Anouk Hievern. 17 Jahre alt. Borderline-Persönlichkeitsstörung. Anorexie.

Seine Haare haben fast den gleichen Farbton wie seine Haut. Weißlich und fahl, fast schon bläulich. Er hat immer so verloren in dem scheinbar viel zu großen Raum gewirkt. Nach einigen unangenehmen Sekunden der Stille habe ich es bei dieser Antwort belassen. Das war mit das einzige Gespräch, das wir in mehr als fünf Wochen geführt haben.

Jack hat mir selbst nach einigen Tagen nicht wirklich Beachtung geschenkt. Aber er hat auch keine dummen Fragen gestellt. Immer darauf bedacht, Abstand zu halten.
Aber er hat gestarrt. Er hat mich fast schon mitleidig von seinem Bett aus angesehen, als ich mir die Haare abrasiert habe. Ich habe mich dem Krebs nicht beugen und warten wollen, bis mir meine Haare während der Chemo von allein ausfallen.

Ich bemerke Jacks Blicke, wenn ich ihn auf dem Flur treffe, was nicht wirklich oft der Fall ist. Ich bin mir sicher, dass er sein Zimmer immer noch so gut wie nie verlässt. Nur, wenn es absolut nötig ist. Wenn er beispielsweise von Ärzten zum Wiegen gebracht wird. Ich habe es gehasst, ihn an jenen Tagen dabei zusehen zu müssen, wie er so viel Wasser wie möglich seine Kehle herunter gespült hat, bis er fast würgen musste. Er hat mich immer aus seinen hellen, durchdringenden Augen angesehen. Als stille Bitte. Ich habe mich nie getraut, jemandem davon zu erzählen. Ich habe Angst gehabt, dass er sich ansonsten von mir abwenden würde.
Die meiste Zeit des Tages hat Frost damit verbracht, aus dem Fenster zu starren, die knochigen Finger fest um die Metallstange mit seiner Infusion geschlossen. Er hat seine wasserblauen Augen immerzu auf die karge Landschaft vor dem Fenster gerichtet. Er hat immer wie ein alter Mann ausgesehen, der die Kinder draußen beim Spielen beobachtet. Vor allem abends, als die Sonne untergegangen ist.

Jacks Augen mustern mich durchdringend, wenn wir uns auf den endlos langen, stickigen Fluren der Klinik begegnen. Ich fange an, ihn an seinen Terminen zum Wiegen abzufangen, nur um ihm kurz zuzunicken.
Ich rede mir ein, ein kurzes Lächeln über seine Lippen huschen zu sehen. Rede mir ein, ihm mit meiner kurzen Anwesenheit Kraft zu schenken.

Ich weine, als er stirbt.
Ich erinnere mich daran, dass Anouk mir in der letzten Woche zusammen auf einem Zimmer eine kleine, gelbe, aus Papier gebastelte Blume in die Hand gedrückt. Sie war mit einem Wort verziert. Sonne. Es stand mit kleinen, zittrigen Buchstaben am abgegriffenen Rand des Stück Papiers.
„Für die Wärme,“ war das einzige, was er gesagt hat. Er hat immer welche gefaltet, wenn er nervös war. Ich glaube, er wollte mir die Angst nehmen.

Ich höre auf, die Hausschuhe der Klinik zu tragen, wenn ich in den Fluren des Krankenhauses entlanglaufe, die mir jetzt viel kälter und leerer vorkommen.
Auf der Station geht herum, dass er sich aus dem Fenster gestürzt oder sich mit der Magensonde, die ihm vor einigen Tagen gelegt wurde, erhängt oder stranguliert habe. An dem Gedanken daran wird mir schlecht. Es ist unfair, dass Menschen krank werden und nicht mehr leben wollen, obwohl es ihnen körperlich gut geht.

Ich hänge die Blume über meinem Bett an die Decke. Für die Sonne, die man durch die ausgeblichenen, aufmunternd wirkenden, hellen Wände nicht sieht. Ich vermisse sie und das Gold, dass sie mit sich bringt. Die Farben der Wände erdrücken mich.
Das Gelb der Blume ist das letzte, was ich sehe. Es erinnert mich an Zuhause.


Part 5, burning embers;

Simon

Viele der Leute, die eine Nahtoderfahrung erlebt haben, sagen, sie hätten ihr Leben an sich vorbeiziehen sehen. Ich habe nie daran geglaubt und tue es jetzt auch nicht wirklich. Aber ich glaube, ich werde bald sterben. Vielleicht will ich es aber auch nur so sehr, dass ich angefangen habe, es zu glauben. Meine Lungen sind schwer vom vielen Tabak und dem Gras.

Dadurch, dass ich glaube zu sterben, will ich alles noch einmal durchgehen. Vielleicht ging es den Menschen mit einigen Nahtoderfahrungen auch so. Sie wollten so sehr sterben, waren so sehr davon überzeugt, dass sie nicht anders konnten, als an die Vergangenheit zurück zu denken.
Ich habe oft versucht, meine Gedanken von der Vergangenheit fern zu halten, aber es ist viel zu schön, in der Ferne zu leben, anstatt mich mit der Realität auseinandersetzen zu müssen. Schon allein deswegen, weil ich den Schmerz in meiner Brust und die ständige Übelkeit von den Schuldgefühlen nicht wahrnehmen möchte. Aber ich spüre sie trotzdem. Durch die Träumereien und das THC hindurch.

Ich versuche mich mit Gedanken an Ella von ihm abzulenken. An das immer lächelnde, kleine Mädchen. Ich habe sie geliebt, seit sie zu uns gekommen ist. Mir war egal, dass sie adoptiert war. Sie war immer meine kleine Schwester. Ich habe sie geliebt, als wir über den Spielplatz gelaufen sind und uns ein Eis geteilt haben, dass ich von meinen Ersparnissen gekauft habe. Ich habe sie geliebt, als sie morgens um 5 in mein Zimmer gegangen ist, um mir von ihren Träumen zu erzählen, weil sie wusste, wie sehr ich Geschichten mag. Später hat sie zugegeben, dass sie sich die meisten Geschichten nur ausgedacht hat, um mich glücklich zu machen. Ich habe sie geliebt, als sie im Krankenhaus lag, umgeben und am Leben gehalten von all den Maschinen. Ich habe sie geliebt, als sie ausgeschaltet wurden.

Sie bekam es aber nicht einmal mehr mit. Ich bin dankbar dafür.

Es kommt mir vor, als hätten wir zu wenig Zeit miteinander verbracht. Als wären die zehn Jahre die sie bei uns in der Familie verbringen durfte nicht genug gewesen. Und ich weiß, das waren sie nicht, lange nicht. Und es kommt mir vor, als hätten wir nicht genügend glückliche Erinnerungen. Vielleicht habe ich diese aber auch verdrängt, um den hässlichen Erinnerungen Platz und mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Immer wieder schleichen sich diese schlechten Gedanken und Bilder in meinen Kopf. Ella, blass, dünn, kahl, in einem Krankenhausbett, immer versucht, ein falsches Lächeln auf ihr Gesicht zu zwingen.

Und neben ihr der noch dünnere, noch blassere Junge. Er hat mich immer aus seinen müden, rot unterlaufenen, blassen Augen angestarrt. Er hat im Bett neben ihr gelegen, wie ein Schatten. Er sah aus wie eine Spinne, seine Glieder, mit den Schläuchen und Kabeln in seiner Haut als zusätzliche Beine von sich gestreckt. Ich kannte ihn. Anouk Hievern -Jack Frost, wie Ella ihn immer genannt hatte. Anouk war ein Freund von ihm gewesen.
Ella wurde auf sein Zimmer versetzt, damit sie nicht vereinsamen. Er hatte sonst keinen Besuch.
Als sie von seiner Station genommen wurde, hat sie kein Wort darüber verloren, was er zu ihr gesagt oder ihr angetan hat. Sie sagte, es würde nichts außer Stress schüren, und sie wolle „Jack“ nicht noch mehr leiden lassen.
Er litt, weil ich seinen besten Freund umgebracht habe.

Und er hat es gewusst.

Und mit dieser Erkenntnis kehren meine Gedanken jedes Mal zurück zu ihm. Zu Dante. Zu der Sonne. Ich atme tief und zittrig Luft und vergrabe mein Gesicht in meinem Kissen, bis die Welt um mich herum beginnt sich zu drehen und Panik in mir aufsteigt. Es riecht nach Kaffee. Ich höre sein Lachen. Seine Stimme.
„Weißt du, dass ich Kaffee eigentlich hassen sollte? Ich hab‘ damals nur wegen dir angefangen im Café zu arbeiten. Ich wollte dich kennen lernen, habe mich aber nie getraut, dich anzusprechen. Deshalb war ich glaube ich auch so verschlossen. Bis…du mich auf einen Kaffee eingeladen hast.“

Sein Lachen scheint das Zimmer zu erfüllen und ich fühle mich wie gelähmt, als eine weitere Welle der Schuld, Frust und Wut über mich hineinbricht.
Ich bin ein Massenmörder.

Erst Dante, dann seinen besten Freund und schließlich noch Ella. Auch wenn ich insgeheim weiß, dass ich nicht schuld sein kann. Aber ich hätte ihr ihre letzten Wochen erleichtern können. Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie mehr als ein Mal in der Woche zu besuchen, geschweige denn an ihrem Geburtstag. Ich habe es im Krankenhaus nur bis zu der mit der bunt dekorierten Tür mit der sechzehn geschafft.

Ich habe versucht, die Schuld auf andere zu schieben. Versucht, in den Kopf zu bekommen, dass nicht ich das Problem war und bin. Ich habe meine Gefühle an anderen ausgelassen. Ich sehe ihn unter mir.
Den Rattenjungen -Max Hempler-, überströmt mit seinem eigenen Blut und Speichel, als er mich anbettelt, aufzuhören.

„Du könntest nicht einmal einer Fliege was zuleide tun. Weißt du noch, das eine Mal im Café? Als du fast angefangen hast zu weinen, als ein Vogel gegen die Scheibe geflogen ist? Ich habe gesehen, wie du ihn nach der Schicht aus der Mülltonne geholt und ihm ein Grab gegraben hast…“ Seine braunen Augen blitzen, als er langsam anfängt zu lächeln.

Ich unterdrücke einen frustrierten Schrei und setze mich ruckartig auf, als ich das Gefühl habe, keine Luft mehr zu bekommen. Alles um mich herum verschwimmt und ich spüre, wie mir Galle in den Hals steigt. Ich zwinge mich, tief durchzuatmen. Ich starre an die Wand und betrachte die vielen, kleinen Blumen aus Papier.

„Für die Wärme...“, murmelt er leise, als er das gelbe Origami vorsichtig in seinen Händen dreht und sich langsam von mir löst. Er steht auf und klebt die Blüte an die Decke. Obwohl er weiß, wie sehr Mama geschimpft hat, als Ella selbstgemalte Bilder an die Tapete geklebt hat.

Obwohl es draußen schon dunkel und mein Licht nicht an ist, sehe ich das Meer aus Farben deutlich vor mir. Ich will darin ertrinken. Ich fühle mich, als würde ich tief fallen. Ich warte nur auf den Aufprall.

Die Farben haben sich in meinen Kopf gebrannt, als ich sie nach seinem Tod stundenlang angestarrt und mir gewünscht habe, ihn nie gekannt zu haben. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie abzureißen. Für Dante war das Falten immer eine Methode, um Stress abzulassen. Ich habe geweint, als Ella kurz vor ihrem Tod angefangen hat, welche zu falten.
Ich konnte sie nicht abreißen. Ich habe die Blumen einfach ignoriert und allein gelassen. Genau wie ihn. Dabei wollte ich ihn nur schützen. Vor dem Hass und der Niederträchtigkeit anderer Menschen, vor der er sich immer gefürchtet hat.

Aber ich habe vergessen, dass ein Leben ohne die Sonne nicht möglich ist. Ich werde sterben.
Ohne es richtig zu merken werde ich ohnmächtig.
Vielleicht schlafe ich aber auch nur ein.
Ich träume von Planeten, die in die Sonne stürzen, brennenden Blumen und glühenden Aschebergen.


Epilog, Icarus;

„Glaubst du, er hat gelacht, als er gefallen ist?“
Wir liegen auf dem angenehm kühlen Boden des Wohnzimmers. Es ist das einzige Zimmer, das durch die Vorhänge ansatzweise vor der durchdringenden Hitze des Sommers geschützt ist.
„Ikarus, meine ich?“, greift Dante das Gespräch wieder auf. Er liegt unscheinbar unter dem Bücherregal seines Vaters, ein Buch über den Augen.
„Wie kommst du drauf?“, frage ich langsam. Nur vage erinnere ich mich an die Geschichte Ikarus‘, der sich mit seinem Vater Dädalus Flügel aus Federn und Wachs baute, um der Strafe des Königs zu entkommen, und schließlich über dem Meer abstürzte.

„Ich weiß nicht. Aber stell dir das Gefühl doch einmal vor. Du fliegst über dem endlosen Ozean und im nächsten Moment fällst du, weil du nicht gemerkt hast, dass die Sonne das Wachs an den Flügeln gelöst hat. Und du…Du bist einfach so perplex als du fällst und breitest deine Arme aus und lachst einfach nur.“
Ich kann meinen Blick nicht von dem Lächeln lösen, das sich langsam auf seinen Lippen bildet.
„Ich kann ihn mir vorstellen. Wie er in den Wind schreit, der ihm die Haare aus dem Gesicht und Tränen in die Augen treibt. Stell dir dieses Gefühl vor, in dem du realisierst, dass du auf die Wellen zurast, anstatt hochzusteigen und über allem zu schweben. Wie dir das heiße Wachs über den Körper rinnt, noch bevor es wieder erstarrt, und dir die Federn wie Küsse zwischen den Fingern hindurch streichen, so nah, dass du sie greifen könntest. Du siehst das Licht der Sonne, das dir auf den Armen brennt, alles in verschiedene Goldtöne taucht und sich in dem Wasser wiederspiegelt.“

Seine Stimme zittert vor Intensität und er lächelt weiterhin. Mir ist schlecht.

„Was meinst du hat er den Aufprall noch gespürt? Oder war er zu gebannt von der Realisation, dass die Sonne ihn ausgelöscht hat?“

Sein letzter Satz hängt schwer in der Luft und er setzt sich auf, das Buch von Shakespeare in der Hand. Er sieht mich an und versucht in meiner Mimik zu lesen. Zuspruch zu finden.
Ein erneutes, erleichtertes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Er liebt es, Menschen zu verunsichern.



I loved you as much as Icarus loved the sun- too much, too close.” – David Jones, Love and Space Dust, aus Anouks Abschiedsbrief

(Die Geschichte Ikarus')

 
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Hallo und willkommen hier, beeinflussend

Also erstmal vorab. Ich habe gesehen, dass bernadette irgendwelche Anmerkungen von dir gelöscht hat. Also: Extraanmerkungen und links sollen/müssen immer in einen extra Post.

Ich hab mir eine Menge zu diversem Kleinkram im Text rausgeschrieben, den ich jetzt mal kurz aufzeige.

nachhause
Ich finde nach Hause schöner.

keine ZeitKomma uns wirklich nahe zu sein (...) aber ihm nicht nahe sein zu können
Wiederholungen sind nicht so schön und sollten vom Autor möglichst umgangen werden.

"Ich sterbe," murmle ich
Das Komma muss nicht vor, sondern hinter die Anführungszeichen.

Wieder nur einsilbige Antworten, wie?"
Wo beginnt die wörtliche Rede? Du hast die ersten Anführungszeichen vergessen.

Mhm...
Leerzeichen vor ...

"Lass und Heim.", flüstert er
Vom Gefühl her würde ich sagen, heim muss klein geschrieben werden, du meinst ja nicht das Heim.
Der Punkt muss da weg.

Sie besteht[,] so weit ich es erkennen kann[,] aus
An gekennzeichneten Stellen Kommas.

zwei Mädchen und Jungen
Hier fände ich und zwei Jungen schöner, so klingt das irgendwie komisch.

und dieses für sie hielten
Das klingt jetzt wirklich extrem komisch. Änder den Teil doch irgendwie.

Lässt uns doch einfach weitergehen...
Leerzeichen vor ...

restlichen Weg Nachhause
nachhause klein schreiben. Und ich finde nach Hause immer noch besser.

Ich weiß nicht genau[,] warum
Komma.

großen Betonflächen mit winzigen Grünflächen
Zweimal Flächen. Wiederholung, weißt schon.

Packung Zigaretten
Ich finde Schachtel Zigaretten irgendwie passender, als Packung.

Der Alkohol lässt mich schweben und warm fühlen.
Der zweite Teil klingt blöd. Vielleicht lieber und Wärme fühlen?

ihr gefällt es.", erwidert Dante
Punkt weg.

Dose von dem Bier
Warum nicht einfach Dose Bier? Ist nicht so sperrig.

Wegen den anderen
Grammatikalisch korrekt wäre mMn Wegen der anderen.

Weil auffallen schlecht ist.", imitiert er
Auffallen groß.
Punkt weg.

Und treffe seinen Blick
Geht nicht. Lieber und unsere Blicke treffen sich.

Hier noch eine unnötige Wiederholung, die sich auch ein bisschen widerspricht.

trinkt mit wenigen Schlucken fast die gesamte Dose aus (...) und trinkt die Dose in einigen Zügen leer
Den zweiten Satz könnte man ersetzten mit einem simplen und leer die Dose jetzt ganz, oder so.

"Ja.", erwidert Dante
Punkt weg.

"Das ist alles durchstrukturiert.", fügt er hinzu.
Hier das gleiche: Punkt weg.

die Worte (...) seiner Wörter
Noch eine Wiederholung

sieht er müder aus[,]denn je
Komma

Mein Körper versucht[,] sich durch mehr Haare warm zu halten.
Komma.

Ich habe ihn noch nie Wortlos gesehen.
Wortlos klein. (Beim zweiten Mal)

Er habe noch nie einen Weg gefunden
Ich statt er.

ihn an jenen Tagen dabei zusehen zu müssen
ihm statt ihn.

dass Anouk (...) in die Hand gedrückt
In dem Satz fehlt am Ende das Wort hat.

An dem Gadanken daran wird mir schlecht
Bei statt an.
Und ich glaube, hinter daran muss ein Komma.

Hier widerspricht sich der Text irgendwie:

aufmunternd wirkenden (...) Die Farben der Wände erdrücken mich
Wenn die Farben erdrückend sind, wirken sie nicht aufmunternd.

die zehn Jahre[,] die sie bei uns in der Familie verbringen durfte[,] nicht genug gewesen
Kommas.

Wortwiederholung:

schlechtes Gewissen (...) schlechten Gedanken

Deshalb war ich[,] glaube ich[,] auch so verschlossen
Kommas.

Bis...du mich auf einen Kaffe eingeladen hast.
Leerzeichen vor und hinter ...

Aber ich hätte (...) Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht
Zwei Sätze, die mit aber beginnen.

Bis zu der mit der bunt dekorierten Tür
So verstehe ich den Stz nicht. Ich glaube, du meinst, bis zu der bunt dekorierten Tür, aber sicher bin ich nicht. Den Satz solltest du auf jeden Fall änderen.

Der Rattenjunge -Max Hempler-
Hier müsstest du Gedankenstriche (–) statt Bindestriche (-) verwenden, und Leerzeichen hinter den ersten und vor den zweiten setzten.

Für die Wärme...
Leerzeichen vor ...

Als Ella kurz vor ihrem Tod angefangen hat, welche zu falten.
Mit dem welche meinst du die Origamiblumen. Aber da du die im Satz davor nicht explizit erwähnst,
fehlt hier der Bezug. Außerdem würde ich in den Satz noch ein auch einbauen, denn vorher erzählst du ja, dass das jemand anderes die ganze Zeit gemacht hat.

Ohne es richtig zu merken[,] werde ich ohnmächtig.
Komma.
Kann man Ohnmächtigwerden überhaupt bemerken oder nicht bemerken? Find ich merkwürdig.

Ikarus, meine ich?
Da das eine Feststellung ist, gehört da kein Fragezeichen hin.

die Geschichte Ikarus'
Wozu so kompliziert und blödaussehend? Warum nicht einfach die Geschichte von Ikarus?

Und du...Du
Leerzeichen vor und hinter ...

Was meinst du[,] hat er den Aufprall noch gespürt?
Komma.

the sun-
Auch hier wieder Leerzeichen und Gedankenstrich statt Bindestrich.

Ach ja ... ich habe den Namen Anouk mal gegoogelt. Es ist eigentlich ein Name für Mädchen, nicht für Jungs.

Noch zum Inhalt:
Dein Text lässt mich mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf zurück.:confused:
Hat Simon jetzt wirklich Dante und Anuok umgebracht? Und wenn ja, wie und warum?
Warum hat er diesen völlig unwichtigen Max Hempler umgebracht, und falls der doch nicht so unwichtig ist, welche wichtige Rolle spielt er?
Was soll mir der Epilog sagen?
Wozu die Zwischenüberschriften, und wieso sind es bei Part eins und Part zwei die selben?
Wozu die Zitate am Ende von manchen Parts? Und wieso nicht bei allen?
Was soll mir der ganze Text sagen?
Inwiefern ist das ganze ein Trugbild?

Ich verstand Anfangs nicht, wie die einzelnen Szenen zusammenhängen, und teilweise kapier ich's immer noch nicht. Zum Beispiel kommen mir große Teile von Part eins unnötig vor.

Tut mir leid, ich glaub, ich hab deinen Text einfach nicht verstanden.

Bei der Rückblende in Part drei wiedeholst du einfach nochmal den gesamten Text. Für das, was danach kommt, beziehst du dich aber nur auf die wörtliche Rede. Ich würde deshalb nur diese in die Rückblende schreiben, so in der Form würde sowieso keine Rückblende ablaufen. Das hat mich total gestört.

Ach ja, zwischen die Zwischenüberschrift Epilog, Icarus und den Text danach müsstest du noch eine Leerzeile machen.

Und ich bitte dich: Mach Absätze bei der wörtlichen Rede. Das ist übersichtlicher.

Lass dich nicht entmutigen, wenn meine Kritik nicht so gut ausfällt, hier im Forum liegt der Schwerpunkt eben bei konstuktiven Verbesserungsvorschlägen, und nicht bei überschwänglichen Lobreden.
Viel Spaß hier.

Viele Grüße,
Anna

 

Hey, beeinflussend

Erstmal, weil annami schon so sorgfältig Flusen gesucht hat, gehe ich jetzt nicht mehr ins Detail. Aber ich weiße kurz auf drei formale Dinge hin, von denen ich glaube, dass Dir das langfristig nützlich ist.

1. Die Zeichensetzung in der wörtlichen Rede. Die Fehler wurden ja schon korrigiert, aber die Zeichensetzungsregeln sind wirklich leicht, und Du wirst sie immer wieder brauchen: Also, wenn Du einen nachgestellten Begleitsatz hast und die wörtliche Rede mit einem Punkt endet, dann kommt dieser Punkt nicht vor, sondern wird weggelassen. Das gilt nicht für Fragezeichen und Ausrufezeichen. Beispiele:
"Hallo", sagte sie.
"Hallo?", fragte sie.
"Hallo!", rief sie.
Und ja, normalerweise macht man bei jedem Sprecherwechsel einen neuen Absatz. Das gestaltet das alles übersichtlicher, denn man weiß als Leser/in, wer spricht.

2. Wenn Du ein Wort abbrichst, dann kommt vor den drei Punkten kein Leerzeichen. Wenn Du aber einen Satz abbrichst und kein Wort, dann kommt vor den drei Punkten ein Leerzeichen. Beispiele:
Das ist mei...
Das ist mein ...

3. Zahlen werden in Geschichten üblicherweise ausgeschrieben. Bei Uhrzeiten in digitaler Angabe, Dezimalzahlen und wirklich sehr hohen Zahlen wie fünftausendsiebenhunderteinunddreißig würde ich eine Ausnahme machen. Aber siebzehn, z.B., das kannst Du sehr gut ausschreiben. Sieht einfach schöner aus.

Bitte im gesamten Text korrigieren und für zukünftige Arbeiten beherzigen.

Ansonsten muss ich sagen, ich habe zwar auch sehr viele Fragen an den Text, aber ich fand ihn insgesamt schön zu lesen. Da waren gute Gefühle dabei, alles sehr schön. Mir hat tatsächlich der von Anna kritisierte dritte Part am besten gefallen. Dort ist alles so in der Schwebe, melancholisch, gefühlvoll, herzzerreißend. Ich mochte auch, dass sich am Ende der Kreis zwischen Dante und Simon praktisch schließt.

Aber ... Ab dem dritten Part hat sich das Konzept für mich irgendwie verbraucht. Das ist ein bisschen lang und ein bisschen viele Personen. Ich meine, es wäre doch schlimm genug für Simon, sich für den Tod an einer Person schuldig zu fühlen. Aber an dreien? Mal ganz abgesehen davon, wie unwahrscheinlich schrecklich das ist, musst Du aufpassen, dass Du Deine Leser/innen nicht mit der Länge des Textes langweilst und der Fülle von Figuren, die alle mal aus der Ich-Perspektive erzählen dürfen, überforderst. Am Ende musste ich nämlich wirklich scharf nachdenken, um das alles zu checken.

Also, Anouk ist ein Kindheitsfreund von Dante. Ella ist Simons Adoptivschwester. Dante sieht Simon in einem Café und verliebt sich in ihn. Dante ist der, der die Blumen bastelt, das kennen Anouk und Simon von ihm. Anouk fängt dann nach Dantes Tod mit dem Basteln an, und das bekommt seine Zimmergenossin Ella (was für ein Zufall!) mit und fängt nach seinem Tod wiederum auch mit dem Basteln an. Und das gibt Simon dann den Rest. Puh.

Also, ich muss sagen, für mich ist das ein bisschen viel Zufall, dass Ella da mit Anouk auf einem Zimmer liegt. Zumal ... ich nicht glaube, dass in Krankenhäusern Leute unterschiedlichen Geschlechts in einem Zimmer untergebracht werden. Also ist das schon arg unwahrscheinlich. Und bei Ella war dann auch wirklich die Luft raus. Mein Rat wäre, sie zu streichen. Du wirst durch sie so unfokussiert.

Tatsächlich weiß ich auch gar nicht genau, worauf Du fokussieren möchtest. Darauf, dass alles sterben? Das ist keine Message. Darauf, wie unser Schicksal ineinander verwoben ist? Na ja, das finde ich teilweise ein bisschen weit hergeholt. Überleg Dir EINE Sache, die Du mir sagen möchtest. Und dann überleg Dir, wie Du sie erreichst. Ganz straight. Ich komme auch zum Titel. Ich habe keine Ahnung, warum das der Titel ist. Und ich dachte, es ginge irgendwie um Transvestitismus, aber ... nein. An einer Stelle fällt mal eine Andeutung in die Richtung, aber das ist eigentlich völlig egal für die Handlung. Verstehe ich nicht.

Aber wie gesagt, eigentlich habe ich das gerne gelesen. Gerade die Zitate, diese Einschübe, die erzeugen wirklich einen beeindruckenden Flair. Ich denke nur, Du solltest abspecken, Dich fokussieren, Dir genau überlegen, was Du mit dieser Geschichte erreichen möchtest. Denn ich kann das hier leider nicht erkennen. Und dadurch hast Du mich ab Part 3 eigentlich verloren, weil es dann nur noch lang war.

Ich hoffe, Du kannst damit etwas anfangen. Make it work!

Viele Grüße,
Maria

 

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