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Traurigkeit
Traurigkeit. Ein schwerer Stein, der auf das Herz eines Menschen drückt, wenn er nicht hat, was er so dringend braucht. Wenn er von Menschen umgeben und doch einsam ist, verlassen, weil das Eine fehlt, das Bestimmte, nach dem er seine ganz persönliche Suche ausrichtet. Schmerzen, die keine sind, und doch so weh tun. Tränen, die nicht fließen, und doch so feucht sind, wenn sie ihren Weg beschreiten. Gedanken, die man niemals denkt, doch so bewegend. Ein Gefühl, als ob alles vergebens sei, Leben nicht mehr den Sinn hat, den man einmal in ihm sah. Momente, in denen wir zwar existieren, aber schon längst nicht mehr sind. Momente, in denen uns bewusst wird, was es heißt, abhängig zu sein. Momente, in denen wir uns wünschen, alles anders gemacht zu haben.
Ist es das? Ist das die Wirklichkeit, kann sie es sein? Ist es überhaupt angebracht, die Traurigkeit rational zu betrachten, sie gar erklären zu wollen? Oder ist alles nur ein Versuch, vom eigenen Leid abzulenken, die Situation erträglicher zu machen? Es fällt schwer, Worte für das zu finden, das einen Menschen zerbrechen lässt. Wogen sich überstürzender Emotionen, die über die Seele eines Einzelnen herabbrechen, das Treibholz verschlucken, das seinen Anker bildet, ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. Ein aussichtsloser Kampf, und je länger er dauert, desto zerstörerischer wüten seine Ausläufer. Unser ganzes Leben gleicht einem Orkan, die Frage ist nur, wie lange wir uns im Auge des Sturms halten, bevor wir von ihm weggerissen werden.
Ist es nicht paradox? Wie leer man ist, wenn alles tobt? Und wie erfüllt, wenn alles schläft? Unser ganzes Leben sehnen wir uns nach Abenteuer, aufregenden Erlebnissen, und dabei wird uns gar nicht bewusst, dass wir am erfülltesten sind, wenn nichts passiert. Wenn der Kick ausbleibt, den wir erfahren, wenn wir uns in halsbrecherische Aktionen stürzen, wenn dem Adrenalin der Weg an die Oberfläche verwehrt bleibt. Und wir uns dennoch auf dem Höhepunkt unserer Gefühle befinden. Weil ganz einfach alles so ist, wie es immer war, weil die spektakulären Irrungen und Wendungen ausbleiben, die manchen so faszinieren.
Aber vielleicht sind auch die Abenteurer dieser Erde nur Flüchtende, die versuchen, zu verdrängen, was tief in ihrem Herzen sitzt. Oder die einzig wahren Helden dieser Welt, weil sie es schaffen, die Traurigkeit abzuschütteln, sich aus ihren Klauen zu befreien, die Last abzuwerfen, die alle anderen zerquetscht.
Es scheint so einfach, aber das ist es nicht, nur eine Illusion, die den Anschein erwecken will, Leben ist immer nur Freude, Spaß, und das es immer ein Glück sei, leben zu dürfen.
Aber das ist es nicht. Und in Momenten wie diesen wird das jedem von uns klar. So schön das Leben ist, so grausam kann es sein. Soviel Glück es uns bringt, soviel kann es uns nehmen. Aber wir dürfen nicht nachgeben. So schwer es auch jemals wird, wir müssen kämpfen, unser ganzes Leben lang, müssen stärker sein, und dürfen uns nicht von dem unterdrücken lassen, was uns das nimmt, wofür wir geboren sind. Das Leben.
Ich liege auf meinem Bett und habe dein Gesicht vor Augen. Den Anblick, für den ich alles aufgeben würde. Tränen brennen auf meinen Wangen, ich zittere, weil die Sehnsucht mich auffrisst. Die Sehnsucht nach dir, dem Einen, nachdem ich mein Leben ausgerichtet habe. Obwohl du in diesem Moment Meilen entfernt scheinst, bist du mir so nah wie selten zuvor. Weil du den Teil von mir übernommen hast, der mich antreibt, steuert. Weil du mich blockierst, nichts zu mir dringen lässt, außer dir. Weil ich dich liebe. Und du nicht hier bist, um mir zu zeigen, dass du dasselbe für mich empfindest. Und obwohl ich doch weiß, dass es so ist, bleibt die Einsamkeit, die Leere, die mein Innerstes zerfrisst, und mich dort berührt, wo es kein anderer schafft. In meinem Herzen, dass in diesem Moment zu zerspringen scheint.
Obwohl ich den Sturm spüre, der in mir wütet, möchte ich dir danken. Dafür, dass es dich gibt. Und du in mir dieses Gefühl des Vermissens weckst. Denn das beweist mir, grausam zwar, aber so deutlich, was du mir bedeutest. Und ich möchte die Momente nicht missen, in denen ich dir das zeigen kann.
Auch, wenn ich das bisher nie getan habe.