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Traumritt

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23.04.2014
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Traumritt

Unermüdlich malte er. Seitenweise. So viele Tiermalbücher hatte der kleine Nico noch nie gehabt. Und immer wurden es mehr. Schließlich freute sich nicht nur Mama, nein alle Erwachsenen darüber, dass er endlich Stifte in die Hand nahm. Seine Finger sollten ja geschickter werden. Ach, was die Großen doch immer hatten. Nur Omama hatte gemeint: „Dafür ist noch Zeit.“ Längst war ihre eigene Zeit vorbei. Na gut, er vergaß manchmal ganze Stunden beim Ausmalen. Besonders liebte er die Tiere. In sie konnte er sich richtig hineinträumen.

Schließlich hatte er auch so viele Stofftiere, die er abends unbedingt immer in sein Bett nahm, so dass er selbst da kaum mehr hineinpasste. Dann sollte er aufräumen. Seine Malbücher versteckte er immer unter seinem Bett. Sicherheitshalber, damit niemand sie finden konnte. Denn eins wusste der kleine Junge: Allen Tieren, die er ausmalte und später ausschnitt, wurde Leben eingehaucht. Bald würde ein ganzer Bauernhof ihre kleine Wohnung bevölkern.

Und das Beste dabei: Der Vermieter, der sonst keine Tiere erlaubte, konnte es ihnen nicht verbieten. Denn seine Ausmaltiere machten keinen Lärm und keinen Dreck und keinen Ärger. Seit es Omama nicht mehr gab, lebten sie hier. Oh, wie vermisste er sie. Ihre rissige, fast gegerbte Haut an den Fingern, die trotzdem so sanft streicheln konnten. Ausdauernder jedenfalls als Mama.
Je sorgfältiger Nico die Tiere ausmalte, desto eher würden sie lebendig werden. Und was brauchte er dann noch alles für sie? Stallungen, Weiden, Halfter für die Ponys. Denn die hatten es ihm besonders angetan – auch wenn seine schwarze Kuschelstute mit dem weichen Fell gerade ihre Artgenossen aus Papier argwöhnisch anschielte. Er bestürmte Mama auch nach Malbüchern für dieses Zubehör. Doch sie meinte, diese seien gar nicht einfach zu besorgen. „Schließlich geben sich auch andere Kinder nur mit den Tieren zum Ausmalen zufrieden.“ Aber was wusste sie schon?

Endlich – nachdem Nico mühsam und lange gequengelt hatte, obwohl er die Zeit viel besser zum Malen hätte nutzen können – fand Mama die gewünschten Malvorlagen im Internet. Weil dies so mühsam gewesen war, musste Nico dann besonders sorgfältig malen. Doch plötzlich sprang ihm seine Kuschelstute in den Arm, als die feinen Riemen des Halfters dran waren. Ein dicker Strich ging daneben. Wie ärgerlich! Doch damit musste er wohl leben.

Dann, nachts, war alles so weit: Als Mama glaubte, dass er längst in tiefe Träume gesunken sei, stand Nico leise wieder auf. Seine Kuschelstute war ebenfalls noch wach und blickte ihn aufmerksam mit ihren klugen, bewimperten Augen an. „Du bist nächstes Mal wieder dran“, flüsterte Nico und tätschelte ihren Hals. Doch sie wandte sich nicht ab.

Dabei musste er doch diese Nacht seine Ausmalpferde ausprobieren. Zunächst den feurigen Fuchs. Er war erst diesen Nachmittag fertig geworden war. Zwar war er mit dem vermalten Halfter schwierig aufzuzäumen, aber schließlich gelang es ihm doch. Warum schaute ihn die Kuschelstute immer noch so schräg an? „Neidisch“, hätte Mama das wohl genannt. Ja, sie gebrauchte manchmal solche Wörter. Es war wirklich mühsam, den Zügel zu halten, nachdem Nico dem Feuerfuchs auf den Rücken gesprungen war. Alles nur die Schuld der schwarzen Kuschelstute – ohne sie hätte er sich nie vermalt.

Immer geschwinder lief der Fuchs: Zunächst bis zum Schwanensee. Dort, durch das Schilf, schlängelte sich ein verwunschener Pfad. Da ließ er sich kaum noch halten. Er riss immer wieder sein Gebiss vor. Da rutschten Nico die Zügel aus der Hand. Der Feuerfuchs brach aus, durch das Schilf hindurch. In den See hinein. Nein, über das silberhelle, vom Mond überflutete Wasser hinweg. Wasser schlug an die Fesseln des Feuerfuchses, doch sie sanken nicht ein.

Nico jauchzte auf. Jedoch fanden seine Füße an den Flanken immer weniger Halt. Atemlos stemmte er sie in das glatte Fell. Der Mond verschwand hinter jagenden Wolken. Nicos Hände brannten, so fest hielten sie die Zügel. Hätte er doch nur beim Ausmalen etwas kräftiger zugedrückt! War seine Oma – so erzählte es jedenfalls seine Mama, nicht auch in der Unendlichkeit des Sees verschwunden? Dort, wo er den Himmel berührte? Könnte er ihr wieder nahe sein?

Alles glitt in das Traumland ab. Nur Nicos Atem pfiff so sehr, dass er sich nicht mehr überhören ließ. Da, im Mondesglanz, ragten plötzlich Hände aus der glatten Oberfläche des Sees. Schwielig waren sie, abgearbeitet, rau – wie er die Finger der Omama in Erinnerung hatte. Dann magere Arme, mit lockerer faltiger Haut. Wie das Laub im Herbst. Sie griffen endlich nach dem Zügel des Feuerfuchses. Und hatten die Kraft, hielten ihn.

Dann war auch die schwarze Kuschelstute an ihrer Seite, ihr Blick sanft wie immer. Nico atmete durch, schaute nach Omamas Händen. Doch waren sie schon längst wieder verschwunden. Die Kuschelstute lenkte sie zum Ufer zurück. Noch im Uferschlamm sank Nico von seinem wilden Hengst. Erschöpft.

Dann zerriss der Vorhang vor dem Mond. Gleißendes Licht durchflutete ihn. Die Sonne. Mama weckte ihn bereits. Nico schlug die Augen nieder: Wie dreckig nur seine Füße waren. Schnell versteckte er sie unter der Decke. Alles musste er aufräumen. Auch seine Ausmalbilder, die verstreut am Boden lagen. Zum Glück war Mama schon wieder in der Küche verschwunden. Im Arm hielt Nico noch die Kuschelstute, die ihm verstohlen zuzwinkerte.

 

Hallo Beasanne,
herzlich Willkommen hier.

Ich habe deine Geschichte angefangen zu lesen und fand es eigentlich eine ganz hübsche Idee. Der kleine vielleicht einsame Nico, der seine Oma vermisst, träumt sich lebendige Kuscheltiere herbei, und der Vermieter kann nichts dagegen tun. :)
Das ist sehr liebevoll erdacht, könnte aber ein bisschen zügiger geschreiben sein, noch wirken ein paar Stellen ein bisschen langatmig und zu wenig konkretisiert.
Am Anfang hatte ich Probleme zu verstehen, dass die Oma tot ist, denn du lässt sie da ja noch etwas sagen. Und ich kapierte auch nicht, warum die Oma das sagt. Also da hätte ich die Oma ein bisschen außergewöhnlicher in Szene gesetzt, denn schließlich ist sie (oder ihr Tod) ja der Anstoß für Nicos Tierausmalleidenschaft.

Ist jetzt kein langer Komm, aber ich weiß nicht, ob du überhaupt antworten magst, denn bei deiner anderen Geschichte hast du das bisher noch nicht gemacht. Und ich will auch nicht zuviel investieren an Mühe, wenn ich mir da unschlüssig bin.

Also machs gut, viel Spaß beim Schreiben noch.
Novak

 

Hi Novak,

danke für Deinen Kommentar. Ich war jetzt zwischendurch im Urlaub im Ausland, so dass ich nicht gleich antworten konnte. Aber ich bin dabei, die Geschichte nach Deinen ausführlichen Anregungen umzuarbeiten. Es ist ja immer interessant, wie solche Erzählungen auf andere wirken. So habe ich gleich nach meiner Rückkehr wieder beim "Wortkrieger" vorbei geschaut. Ich bin einmal sehr gespannt, was die Geschichte noch alles mit mir macht.

Viele herzliche Grüße

Besanne

 

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