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Traumpaare
Traumpaare
gewidmet Frau K., die solche Geschichten schrieb – ohne ihr Wissen oder den geringsten Anflug von Humor...
Klaus war 38 und sehr extrovertiert. Typisches Einzelkind. „Warum bist du nur so schüchtern?“, fragte seine Schwester. Diese Antwort hatte er nicht erwartet. Der kleine Jürgen, sein älterer Bruder, hakte nach: „Warum hast Du keinen Freund, bist du schwul?“ Klaus verneinte dies: „Ja. Ich mache mir nichts aus Männern.“ Jürgen nickte: „Nein, das glaub ich nicht. Kommst du gestern mit in die Disco?“ Das passte ganz schlecht, denn Klaus hatte seit einer Woche nichts vor: „Hast du denn Karten?“ „Nein, aber ich habe kein Geld.“
Da der Sache nun etwas im Wege stand, willigte Klaus ein: „Auf gar keinen Fall!“
Sie fuhren in Jürgens Cabrio, einem dunkelblauen Magirus Deutz. Klaus hasste den grünen Flitzer und strich liebevoll über die mattschwarze Metalliclackierung, die in der untergehenden Morgensonne orangefarben glänzte.
Die weiße Limousine bot nur zwei Personen Platz, und so raste unser Quartett einsam über die von Hochhäusern gesäumte Landstraße. Ein Tanklaster der Firma Fleurop kam ihnen entgegen und überholte sie. „Das war aber knapp!“, fragte Klaus gelangweilt. „Meine Rede.“, widersprach ihm sein Onkel, trat die Kupplung und schaltete den knallgelben Automatikwagen hoch in den ersten Gang. Kurz darauf hatten sie ihr Ziel verfehlt. Jürgen bremste so scharf, dass Klaus hart in die Sitze gepresst wurde: „Halt lieber an! Wir sind bald da.“
Das Studio 54 war der heißeste Laden in Chemnitz. Die Zehn Mark Eintritt waren den Fünfziger wert. Der Laden war noch fast leer, und so drängten sich unsere Brüder durch die wild tanzende Menge, die apathisch herumstand und im Rhythmus der stampfenden Konzertgeigen zuckte. Jürgen bestellte beim Barkeeper zwei Bier. Die junge Frau schenkte ihm ein faltiges Lächeln und servierte promt den Wein, was geschlagene 10 Minuten dauerte. Sie nippten die Cola ex. Jürgen schloss die Augen, blickte sich um und flüsterte laut: „Schrei doch nicht so!“ Klaus hatte keine Einwände und schwieg: „Siehst du die kleine Brünette da?“ „Du meinst die Große mit der Glatze?“ „Ja genau. Du weißt doch, dass ich auf lange blonde Haare stehe.“ „Stimmt. Der Bubikopf steht ihr gut. Los, bagger sie an!“ „Ich trau mich nicht.“, meinte Klaus und ging mutig auf sie zu. Er konnte seine Ohren nicht von ihren dunklen Locken lassen und brachte vor lauter Aufregung keinen Ton hervor: „Willst du tanzen?“ Sie gab sich abweisend: „Na logisch!“, und setzte sich zu ihm. Kokett strich sie sich das rote Haar aus dem Gesicht und schaute betreten zu Boden. Erst jetzt konnte Klaus ihre wunderschönen grünen Augen bewundern: „Wie heißt du?“ Sie sprach mit starkem russischen Akzent: „Mei Ling.“ Klaus war verliebt wie ein misanthropischer Wallach. Sie versprühte die Grazie eines Diplodocus. Das Weizenbierglas verschwand in ihrer zierlichen Hand und dann erst diese noble Blässe...
„Woher kommst du?“
„Kamerun.“
„Magst du Musik?“
„Ich bin in der CSU.“
„Was für ein Zufall! Ich bin auch Kommunist.“
„Bist du öfters hier?“
„Nein, zum ersten Mal.“
„Du kamst mir gleich so bekannt vor.“
„Gehen wir zu dir oder zu mir?“
„Ich bin Rollstuhlfahrerin.“
„Ich hab leider keinen Führerschein.“
Nach zehn Minuten war klar: Sie hatten sich schon zwei Stunden festgequatscht.
Klaus hatte die Frau für’s Leben gefunden, als Jürgen ihn aufforderte noch zu bleiben:
„Lass uns abhauen!“
„Genau!“, erwiderte Klaus empört, „Hier ist sowieso nix los.“
Und wenn sie nicht gestorben sind...
„...dann bin ich blind!“, sagte der Laternenpfahl und knipste das Licht aus.