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TraumLoverBär

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12.02.2004
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TraumLoverBär

Zufälle sind die Menschen, Stimmen, Stücke,
Alltage, Ängste, viele kleine Glücke,
verkleidet schon als Kinder, eingemummt,
als Masken mündig, als Gesicht - verstummt.
(R. M. Rilke: Ich bin nur einer deiner Ganzgeringen)

„Was beklemmt mit sehnlicher Pein so stürmisch
Dir die Brust? Wen soll ich ins Netz dir schmeicheln?
Welchem Liebling schmelzen den Sinn?“
(Sappho: Hymne an Aphrodite)


Nichts regte sich. Die Dunkelheit war schwarzer und undurchdringlicher Stoff. Hinter den Augenlidern Leere und vor dem Bett ein kleines Tier, das die Augen weit aufriss, um die wenigen Photonen einzufangen. Er schlief. Sog die Luft ein und blies sie wieder aus. Die Decke verhüllte seinen Körper wie ein Geheimnis. Er lag auf dem Bauch. Das Gesicht ruhte auf dem Kissen, der Mund war leicht geöffnet. Die Katze kroch der Kontur des Körpers entlang bis hinauf zur Nase. Er spürte etwas Kühles und Nasses. In ihm zündete der Funken des Bewusstseins. Er schaltete die Lampe ein, flutete das Zimmer mit Licht. Die Katze sah zufrieden aus. Seine Hand fand den Wecker: halb zwei Uhr.

Die Tür stand offen wie ein aufgeschlagenes Buch. Irgendwie hatte die Katze gelernt, hochzuspringen und der Klinke einen Schlag mit beiden Pfoten zu versetzen, sodass sie mit einem theatralischen Effekt aufging. Er war nun wach: Markus, 25 Jahre alt, Student der Rechtswissenschaften, schlaksig, mit schulterlangen braunen Locken. Er schlüpfte in die ausgetretenen Pantoffeln, die nach Fuß und Leder rochen, schnappte die Katze, die ihren Körper folgsam hängen ließ, wollte sie aus dem Zimmer schubsen, da bemerkte er im Flur einen rötlichen Schimmer hinter Milchglastür zum Arbeitszimmer. Konnte Vater um diese Zeit dort sein?

Markus schlich über den Flur. Er fror in T-Shirts und Boxershorts. Die Katze setzte sich auf die Türschwelle. Sie beobachtete ihn von hinten. Ganz sachte drückte er die Klinke nach unten und machte die Tür auf. Der 21-Zoll-Monitor auf dem Schreibtisch erfüllte den Raum mit sanftem Licht. Jemand hatte eine Website ganz in Pink geöffnet. Im Drehsessel saß sein einen Meter großer Teddybär aus Plüsch. Markus hatte ihn seit achtzehn Jahren. Er hieß „Bulli“. Es war still. Nur der Computer summte. Die Aktenordner mit Vaters Rechnungen und Belegen standen unberührt in den Regalen. Konnte es ein Einbrecher sein? Der würde kaum Zeit haben, so eine rosa Webseite mit lauter Herzen und Erfolgsgeschichten aufzurufen. Markus beugte sich vor. Er schaute dem riesenhaften Plüschteddy über die Schulter. Bulli roch nach ungezählten Kindheitstagen. Nie hatte er eine Waschmaschine von innen gesehen. Markus hob ihn auf, setzte sich hin, nahm ihn auf den Schoß und las, während er den Teddy an sich drückte, Schlaglichter einer Cyber-Romanze:


"Gute Nacht, lieber TraumLoverBär!
Noch schnell ein paar Zeilen. Ich habe deine Nachricht sehr genossen. Endlich ein normaler Mann (oder sollte ich sagen Bär? :-)) mit Sinn für Humor! Ich habe mir sagen lassen, ich sei attraktiv, obwohl das ja für dich keine so große Rolle spielt. *fg*
Wenn du magst, können wir uns gerne mal auf einen Kaffee treffen. Sag einfach, wann es dir am besten passt!
LG. B."

Der Empfänger antwortete, er sei momentan mit zu vielen Verpflichtungen eingedeckt. Schwache Ausrede…

Wer war er überhaupt? Markus klickte auf "Dein Profil" und sah als Profilbild eine Aufnahme von Bulli dem Bären. Geknipst mit der Webcam in diesem Raum. Benutzername TraumLoverBär.

Ganz am Anfang, in einer fernen Vergangenheit, hatte TraumLoverBär mit einer etwas tapsigen Nachricht den Kontakt zu Beate88 hergestellt:
"Dein Profil gefällt mir sehr. Du wirkst lustig und klug. Ich bin ein Bär in geregelten Verhältnissen. Leider weiß ich nicht, was ich mit meiner Liebe anfangen soll. Wirst du mir erlauben, dich kennenzulernen?"
Zehn Tage war das her.

Sie ließ sich mit der Antwort eine Woche Zeit. Sie schrieb, es sei ihr eine Freude. Er wirke sehr sympathisch.

Der Mauszeiger wanderte zu ihren Profilbildern.
Nummer eins: Beate hatte ein rundliches Gesicht mit großen braunen Augen und eine Stupsnase. Dunkelbraune Locken. Ihr Lächeln erhellte den Raum.
Nummer zwei: Beate stand auf einem Bein, streckte die Arme von sich, um die Balance zu halten. Unter ihr eine Düne. Hinter ihr das Meer.
Nummer drei: Beate trank aus einem großen Bierkrug, der ihr Gesicht verdeckte. Sichtbar waren nur ihre lustig zusammengekniffenen Augen und ein gebräunter Unterarm.

Sie war hübsch. Anscheinend mochte sie den geheimnisvollen Unbekannten, der ihr von diesem Computer aus geschrieben hatte. Der vor ein paar Minuten noch hier gewesen sein musste. Nun war er verschwunden. Hatte sich einfach in Luft aufgelöst und stattdessen saß Markus an seiner Stelle. Er konnte tun, als sei er selbst dieser Unbekannte. War das klug? In einer Vorlesung über die Sagen des klassischen Altertums hatte er einmal gehört, dass die griechischen Götter naive Helden besonders gerne mochten, weil sie sich von diesen die meisten Heldentaten erwarteten. Etwas zog ihn. Als würde man das offene Tor eines verborgenen Gartens entdecken. Die beste Methode um herauszufinden was hier vor sich ging war selbstverständlich, die Frau zu treffen! Ein verständlicher und vernünftiger Grund, seriös wie ein Tatort-Kommissar. Er nahm also den Faden auf und schrieb:
"Ich möchte dich gerne treffen! Obwohl ich so viel zu tun habe...", (Sie würde sofort merken, dass das ebensowenig stimmte wie alles andere im Profil von TraumLoverBär, aber das machte nichts. Anscheinend störte es sie nicht besonders.), "...möchte ich mir die Zeit nehmen, dich persönlich zu treffen. Könntest du morgen um 14 Uhr ins Café Toscana kommen? Meine Handy-Nr. ist..." usw.

Er schickte die Nachricht ab. Ein Gefühl der freudigen Erwartung blieb. Er hatte etwas losgetreten. Vielleicht eine von diesen Überraschungen, die dich in einem unerwarteten Moment von hinten anfallen und dir zurufen: "April! April!"
Oder etwas Schlimmes. Dieses Gefühl vor fünf Jahren würde er nie vergessen. Er als Schreiber einer Lehrkompanie. Er hatte den Sekretär des Bundespräsidenten am Telefon, der ihn zusammenschiss, weil seine Abteilung angeblich irgendwelche Dokumente verloren hatte. Markus stammelte etwas. Gelächter am anderen Ende: "Ich bins, der Leo! Scheiß dir nicht in die Hose!"
Sein angeblich bester Freund. Beim Gedanken daran biss er die Zähne zusammen.
"Mach das bloß nie wieder, du dumme Sau!"
Damals hatte er lachen müssen.

Und jetzt? Er stand auf und suchte nach versteckten Kameras und Mikrofonen. Möglicherweise hatte der Unbekannte die Webcam gehackt und filmte ihn gerade jetzt, wie er in Unterhosen kurz vor zwei Uhr morgens hier herumstand. Ihm war kalt. Die Haare an seinen Beinen sträubten sich. Er zeigte der Webcam den Stinkefinger. Zum Teufel mit all dem! Er wollte zurück ins Bett. Oder sollte er Vater aufwecken oder sogar die Polizei anrufen? Konnte am Ende Vater selbst TraumLoverBär sein? Er erstarrte. Die bloße Möglichkeit, dass der 60-jährige Mann mit dem Vollbart, der immer gebügelte Hemden trug und seit ewigen Zeiten nicht mehr verliebt gewesen war, auf diese Weise jemanden suchte, machte ihn traurig.

Es dauerte mindestens eine Viertelstunde, bis er einschlafen konnte. Seine Gedanken um die Frau aus dem Internet, die er nun durch irgendeine Verkettung seltsamer Umstände treffen würde. Wie sie wohl sein mochte?
Ein Gedanke verirrte sich zu Annemarie. Er schreckte vor ihm zurück wie vor einem glühenden Eisendraht. Zwei Monate war ihre Trennung jetzt her.

*​

Unverändert lag das Arbeitszimmer im Halbdunkel. Die Katze schlüpfte durch die leicht geöffnete Tür. Umständlich umkreiste sie den Bürostuhl. Sie kletterte dem Teddybären auf den Schoß. Der Körper aus Plüsch gab nach, die Gliedmaßen erzitterten. Die rechte Hand des Teddys bewegte sich weiter, strich der Katze über den Kopf. Sie drückte sich gegen seinen Bauch und schnurrte.

Es war einfach nicht fair! Achtzehn Jahre lang hatte Bulli der Teddybär die ganze Freude und alle Tränen, die Liebe, den Schock beim Tod der Mutter und das Wissen unzähliger Lern-Nachmittage aufgesaugt. Ein heftiger Schwall von Liebeskummer vor zwei Monaten führte zu einer Kettenreaktion des Bewusstseins ähnlich der Explosion einer Neutronenbombe.

Bulli der Bär schlug seine Hände aus Plüsch vors Gesicht. Er drehte hier noch durch! Sehr langsam nahm er die Hände von seinen Glasaugen und entdeckte, dass Leben in ihm war. Er konnte sich bewegen!
Im selben Moment erkannte er seine Mission: Er musste die Liebe finden, um das Chaos in ihm zu heilen.

Anfangs versuchte er eine Liebesbeziehung mit der Katze. Leider fehlte eine gemeinsame Basis, denn die Katze interessierte sich mehr für den Mäusefang. Menschliche Gefühlen überforderten sie. Es musste wohl oder übel eine menschliche Frau sein. Eine, die ebenfalls lebte. Eine, wie sie Markus' Seelenleben mit ungeheurer Wucht erschüttert hatten.

Der neunjährige Markus, der sich fühlte, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Als wäre er hart auf Beton aufgeschlagen. So hart wie der LKW auf den VW Polo seiner Mutter, bei dem Unfall, bei dem sie starb. Er krampfte die Finger in den Teddybären und durchweichte den Plüsch mit Tränen. Die Augen hielt er fest geschlossen. Nie wieder wollte er sie öffnen!

Der 25-jährige smarte Student, der seine Freudin fragte, was mit ihr los war, weil sie bedrückt aussah. Sie saßen an einem Samstag um 13 Uhr beim Frühstück in ihrem Stammcafé. Der Live-Auftritt des Jazz-Pianisten (Name vergessen) näherte sich gerade dem Ende, als sie etwas sagte wie "... mit Leo geschlafen."
Die Töne des Klaviers überlagerten die Worte. Sie erwartete von ihm, um sie zu kämpfen. Er sagte, sie solle sich verpissen. Dann ging sie weg.
Die Leere, die sie zurückließ, tötete ihn fast.

Bulli der Teddybär hatte solche Dramen gründlich satt. Er wünschte sich Liebe. Salben, Umschläge und Eisbeutel für seine Seele, die Wunden trug, die nicht einmal seine waren. Ein feinsinniges Gegenüber! Streicheleinheiten! Eine Person, die ihn verstand und mit warmen Fingern über seinen runden Kopf strich. All das wünschte er sich für sich selbst. Beim Evaluieren seiner Möglichkeiten entdeckte er kostenlose Webseiten für die Partnersuche im Internet als erfolgversprechendste Option.

Was für ein Glück, dass er Daumen besaß! Er drückte immer mit dem einen Daumen die Shift-Taste und mit dem anderen den Buchstaben, den er groß schreiben wollte. Oft schaute ihm die Katze zu und machte einen Buckel, weil sie es missbilligte.

Eine wundersame Parallelwelt verschluckte ihn. Frauen klagten, weil es noch nie jemandem gelungen war, ihre überzogenen Ansprüche zu erfüllen. Die Bedürfnisse der Männer waren elementarer. Sie wollten Sex. Bulli der Teddybär übertraf sie an Zurechnungsfähigkeit. Er hatte keinen Penis. Er suchte tatsächlich eine Seelenverwandte. Nach vielen Enttäuschungen, weil keine Frau einen ein Meter großen Bären kennenlernen wollte, folgte er dem Beispiel der anderen. Er lernte zu lügen.

Seine richtigen Daten lauteten etwa:
Alter: 18
Größe: 100 cm
Gewicht: 5 kg
Beruf: Bär
Jahreseinkommen: 0

Er änderte sie geringfügig ab:
Alter: 28
Größe: 180 cm
Gewicht: 78 kg
Beruf: Privatier
Jahreseinkommen: 100.000,--

Bei dem letzten Wert fügte er so lange jeweils eine Null am Ende hinzu, bis sich die Zahl der Interessentinnen merklich erhöhte.

Er hätte das gar nicht tun müssen, um Beate kennenzulernen. Sie hatte wohl eine seiner halbwegs wahrheitsgemäßen Zuschriften erhalten und nannte ihn "Herr Bär". So begann der Austausch von Nachrichten zwischen der rundgesichtigen Frau, in der die Sonne tanzte, deren Güte aus allen ihren Zeilen sprach (so etwa die idealistische Sichtweise des Bären) und einem einsamen Kuscheltier, dessen Inneres sich nun zusätzlich zu den Sägespänen mit Liebe füllte.
Bis gerade eben, als Markus ins Zimmer gestolpert war und alles ruiniert hatte.

*​

Kluger Bär! Bulli beglückwünschte sich selbst. Die Morgendämmerung hinter den Vorhängen brachte den Einfall, der die Situation vielleicht noch rettete. Er hätte Machiavelli alle Ehre gemacht. Die Katze knurrte leise im Schlaf. Bulli fuhr den PC hoch und verfasste mit neuem Mut eine Nachricht an Beate. Die Maus betätigte er ähnlich wie einen Hobel: schob sie mit einer Hand umher und drückte mit der anderen auf die linke Taste. Zum Beispiel, um die Nachricht abzuschicken. Ein mit Herzen verziertes Popup erschien. Der Bär rieb seine Handflächen aneinander. Nun hieß es warten…

* * *​

Ein schöner Tag. Die Sonne glitzerte durch alle Schaufenster. Markus' altes Damenrad holperte über Kopfsteinpflaster, kam bei einem Haufen anderer Räder zum Stehen. Er betrat das Café und sah sie sofort. Sie schaute auf, lächelte. Sie trug einen dreifarbig gestreiften Pullover. An ihren Händen waren Reste von Farbe.
"Hallo", sagte er.
"Hallo!"
Er sagte halblaut: „Ich bin TraumLoverBär.“
Sie grinste. Ihre Augen waren groß.
"Hast du schon bestellt?"
Sie legte den Kopf schief und sagte langsam: "Ich habe deine Nachricht gelesen."

Nun kam wohl des Rätsels Lösung…
Sie sagte: "Es ist echt nett von dir."
"Was meinst du?"
"Na, das mit dem Bären!"
"Ach so!" (Wovon um Himmels Willen sprach sie?)
Sie sagte förmlich: "Ich finde es echt nett von dir, dass du mir deinen Plüschteddy schenken willst."

(Sie mussten beide lachen. Markus beschloss insgeheim, dass es für all das eine natürliche Erklärung gab. Welche das sein konnte? Er hatte nicht die leiseste Ahnung...)

 

Hallo Alex,

das ist sehr gut auf den Punkt gebracht, wo Überarbeitung der Geschichte gut tun wird:

  • Genauere Zeichnung der Charaktere
  • Plausibilität der Handlungen, z. B. wie die Figuren mit dem Surrealen umgehen, Beates Gründe, warum sie TraumLoverBär treffen will
  • Eine "Auflösung" für die Magie
  • Festhalten an der Perspektive einer Figur in den Szenen.

Die neue Version wird es erst nach dem großen Umbau hier auf die Seite schaffen. Sicher bringen die Weihnachtsfeiertage etwas Inspiration. ;) Wie du ja gemerkt hast, ist die Geschichte stellenweise unausgegoren. Vor allem was eine "Auflösung" betrifft, eine Pointe des Ganzen, suche ich noch nach einer zündenden Idee.

Danke für den Kommentar!

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo Berg

Rilke und Sappho im Vorspann zu vereinen, könnte mir direkt Erwartungen wecken … Doch ich entschied mich einfach einzusteigen, mich einzulassen auf das Seltsame, das mir widerfahren wird.

Und ich war gebannt und verblüfft, da meine Nicht-Erwartung von einer anderen Sphäre hinaufschwang in eine sinnliche Welt. In gewisser Form verschmelzen Rilke und Sappho wirklich, ihre Zitate suchten nach Erfüllung.

Die kleine wehmütig-seltsame Geschichte trägt sich durch ihren sprachlichen Ausdruck und die märchenhafte Poesie. Zu dieser späten Stunde wirkte es mir wie eine Gute-Nacht-Geschichte, die mich zur Ruhe begleitet.

Auf die ausgereifte Version bin ich gespannt. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo,
als ich gestern deinen Blog sah, und mich fragte, ob es wieder an der Zeit sei, die Pfandflaschen abzugeben, erinnerte ich mich auch an diese Geschichte. Damals las ich sie, hatte aber zum Kommentieren keine Zeit, dann will ich das jetzt nachholen.
Ich wundere mich, warum der Text so wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, denn ich fand ihn wirklich sehr sympathisch.
Hier ist alles irgendwie so bitter-süß, und die Zeichnung des Bären (toller Titel übrigens) ist so zärtlich mit seinen Sehnsüchten und Enttäuschungen, also mich hat es auf jeden Fall berührt.
Ich habe jetzt die zahlreichen Kommentare gelesen und finde persönlich, dass die Verknüpfung zwischen dem realen und surrealen in diesem Fall gelungen ist. Ich wüsste auch nicht, wie man hier die Handlungen plausibler gestalten sollte. Das ist doch das Tolle an seltsamen Texten, dass man nicht hinter alles steigen muss, bzw. es gar nicht soll, damit sie funktionieren. Und bitte bitte bloß nicht die Magie "auflösen." Was wäre es denn sonst für eine Magie.
Ich weiß nicht, bin hier auch gar nicht so streng mit diesem Text, weil ich diesen Konflikt und das Personal als so angenehm empfand. Und da ist stellenweise Humor drin, den ich gerne mochte und wo dann ganz alltägliche Beobachtungen mit so viel rührender Naivität rübergebracht werden, dass sie dennoch frisch wirken. So was meine ich z.B.:

Jahreseinkommen: 100.000,--

Bei dem letzten Wert fügte er so lange jeweils eine Null am Ende hinzu, bis sich die Zahl der Interessentinnen merklich erhöhte.

Auch bei der Stelle mit der Katze musste ich schmunzeln.
Gut auch diese Verknappung
als sie etwas sagte wie "... mit Leo geschlafen."
Auch hat der Text viele atmosphärische Details, ist ja immer gut sowas, gerade die Ausflüge in die Umgebung, die kleinen Beobachtungen, also auf mich wirkten sie stimmig. Ja, ich mag den Text halt.
Ich finde aus der Logik der Geschichte heraus das Verhalten der Charaktere auch schlüssig und ihre Beziehung zueinander authentisch dargestellt.
Das Ende ist auch echt süß.
Die Sprache ist auch warm, sie geht gefühlvoll an die Informationen heran, man merkt durch die Wendungen, dass der Autor seine Figuren mag.
Insgesamt gefiel mir diese melancholische Stimmung des Textes. Wie du siehst, ist sie mir bis heute in Erinnerung geblieben.
Vllt könnte man hier und da etwas verknappen, so Mini-Längen sind mir stellenweise begegnet, weiß jetzt nicht, ob du da noch überhaupt Zeit investieren möchtest, deswegen will ich da nicht groß ins Detail gehen.
Ja, ich habe die Geschichte auf jeden Fall gerne gelesen, und fände es schön, wenn sie mehr Beachtung bekommen würde.
Grüße
randundband

 

Servus Berg,
diese Geschichte ist mir im November vollkommen entgangen, umso schöner finde ich es, dass randundband sie wieder hervorgekramt hat.
Äh, … wärest du mir böse, Berg, wenn ich die Geschichte „entzückend“ nenne? Ein passenderes Wort fällt mir echt nicht ein, ja, vielleicht noch „bezaubernd“, einfach liebenswert halt.
Kennst du das herrliche Buch “The Bear Went Over the Mountain” von William Kotzwinkle?
Falls nicht, will ich es dir wirklich ans Herz legen, weil einem Menschen, der eine Geschichte wie diese hier schreibt, gefällt es garantiert, trau ich mich wetten. In dem satirischen Märchen von Kotzwinkle ist es zwar ein echter, leibhaftiger Bär, der es auf aberwitzige Weise schafft, in die Gesellschaft der Menschen aufgenommen zu werden, aber im Grunde treibt ihn dasselbe an wie den Teddy in deiner Geschichte: der Wunsch, die Beengtheit der eigenen Existenz zu überwinden, die Sehnsucht nach großen Gefühlen, die Suche nach Erfüllung in der Liebe.
Und wie das Buch empfinde ich auch deine Geschichte: Liebenswert, charmant, ein bisschen witzig und ein bisschen traurig, ein wenig skurril natürlich - aber vor allem mit viel Liebe erzählt. Da hast du dich als Autor wirklich auf deine Figuren, ob Mensch, ob Katze ob Bär eingelassen und deiner Phantasie die Zügel schießen lassen. Aber bei aller Märchenhaftigkeit und völlig unwahrscheinlicher Handlung ist die Geschichte glaubwürdig und berührend.
(Zu den diversen handwerklichen Mängeln, der Handvoll grammatikalischer Fehler usw. will ich jetzt mal gar nichts sagen, weil du ohnehin noch eine Überarbeitung angekündigt hast.)

War mir ein wirkliches Vergnügen, Berg.

offshore

 

Hallo Anakreon, randundband und ernst offshore,

wie schön, drei freundliche Kritiken von mindestens zweien meiner Leitfiguren hier auf der Plattform zu bekommen! ;)

@Anakreon: Die angekündigte Überarbeitung kommt, wenn mich die Muse wieder einmal küsst.

@randundband: Schon längst wollte ich etwas zu "Fräulein Wunschs Asyl der gramen Seelen" sagen. Quinn hat mir diesen Text völlig zu Recht empfohlen. An Wehmut und Kleinigkeiten und Liebe ist anscheinend ebensoviel bei dir angekommen, wie in den Text einfließen zu lassen ich die Absicht hatte.

@ernst offshore: Da mag der Niedliche-Tiere-Bonus solcher Geschichten eine Rolle spielen. William Kotzwinkle kenne ich als Autor von E. T. - ein Film, den ich als Siebenjähriger im Kino sehen durfte. Fünfzehn Jahre später habe ich "The Bear went over the Mountain" (deutsche Übersetzung: ein Bär will nach oben) gerne gelesen und Hal Jam ist mir noch in Erinnerung. Als Hilfe für einen etwas bequemen Autor wäre es natürlich fein, genauer zu erfahren, WO die Grammatikfehler liegen und was für Ideen der Leser handwerklich hat. Wobei das natürlich Aufgabe des Schreibers ist, sich darum zu kümmern und selbst zu überarbeiten, anstatt alles vorgekaut zu bekommen - wie es in den ausführlichen Kritiken manchmal geschieht.

Liebe Grüße,

Berg

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Berg,

offshore schrieb:
die Handvoll grammatikalischer Fehler

trifft’s wohl nicht ganz, aber ein paar Kleinigkeiten fand ich doch.

da bemerkte er im Flur einen rötlichen Schimmer hinter [der] Milchglastür zum Arbeitszimmer.

Schwache Ausrede…
"...möchte ich mir
Das Leerzeichen vor bzw. hinter den drei Auslassungspunkten fehlt an mehreren Stellen.

Die beste Methode um herauszufinden [Komma] was hier vor sich ging [Komma] war selbstverständlich, die Frau zu treffen!

Ein heftiger Schwall von Liebeskummer vor zwei Monaten führte zu einer Kettenreaktion des Bewusstseins [Komma] ähnlich der Explosion einer Neutronenbombe.

Es musste wohl oder übel eine menschliche Frau sein. Eine, die ebenfalls lebte. Eine, wie sie Markus' Seelenleben mit ungeheurer Wucht erschüttert hatten.
Das finde ich hier nicht ideal gelöst. Eine, wie sie liest man, dem vorhergehenden Satz entsprechend noch im Singular, und dann endet der Satz aber mit dem Hilfsverb im Plural. Und dann muss man kurz zurücklesen. Da gibt’s sicher eine elegantere Lösung.
Ebenso wie hier:

So hart wie der LKW auf den VW Polo seiner Mutter, bei dem Unfall, bei dem sie starb.

Es ist natürlich müßig, in einer derart surrealen Geschichte über Ungereimtheiten nachzudenken, ich mein, die ist ja beinahe ein Märchen. Aber dieser Gedanke:

Konnte am Ende Vater selbst TraumLoverBär sein?
kommt für mein Gefühl dem Protagonisten einfach viel zu spät. Also wenn im Arbeitszimmer des (verwitweten) Vaters der Computer eingeschaltet und die Seite einer Partnerbörse aufgerufen ist, denkt doch kein vernünftiger Mensch zuerst an einen Einbrecher. Das Nächstliegende wäre doch, sofort an den Vater zu denken.

Trotz der (wenigen) Meckereien gefällt mir die Geschichte immer noch, Berg.

offshore

 

Hallo Berg,

der Plan mit dem "Text hochholen und ihm Aufmerksamkeit verschaffen" funktioniert. Ich hatte diese Geschichte damals gelesen, aber irgendwie kam mir das Update dazwischen ...

Ich schließ mich den Vorpostern an: Es ist niedlich.
Ich mochte den Humor.
Ich find's schwer, etwas zu kritisieren zu finden, weil ich den Eindruck habe, der Text erreicht genau alles das, was er will.

Was mir zu denken gibt (das ist aber keine Kritik am Text, sondern eine Feststellung): Allwissender Erzähler. Der abwechselnd an die unterschiedlichen Figuren heranzoomt (sogar an die Katze!) und denen auch viel näher kommt, als ein allwissender Erzähler das meiner Meinung nach können sollte - hier funktioniert es.
[Ich hab diese Theorie, dass, wenn man auktorial erzählt, ein Mindestabstand zu allen Figuren bestehen bleiben muss, damit es sich nicht so liest, als hätte man zig personale Erzähler und würde ständiges Perspektivhopping betreiben.]

Ja, erstaunlich, dass das hier so glatt geht.

Lieblingsstelle (neben den Pantoffeln, die nach Leder "und Fuß" riechen):

Ich bin ein Bär in geregelten Verhältnissen.
:D

 

definitely offtopic

Berg schrieb:
wie schön, drei freundliche Kritiken von mindestens zweien meiner Leitfiguren hier auf der Plattform zu bekommen!
Müssen wir drei uns jetzt ernsthaft um die zwei Titel „Bergs Lichtfiguren Leitfiguren" prügeln?

 

Hallo Berg,

der Textbeginn ist lapidar gehalten, eine Aneinanderreihung kurzer Hauptsätze. Das gefällt mir gut, aber ich finde, man kann den Effekt noch steigern, an der Balance arbeiten, momentan ist es vielleicht zu viel des Guten. Die Stoßrichtung ist klar, nur gelingt das Mittel besser, wenn Absetzungen, Kontrastierungen entstehen, und das klappt am ehesten mit Variation.
Ein paar Beispiele. "Nichts regte sich. Die Dunkelheit war schwarzer und undurchdringlicher Stoff." "Die Dunkelheit war schwarz, ein undurchdringlicher Stoff." Ein anderer Rhythmus, durch die Zäsur ensteht eine Pause, ein Atemholen, wie es auch dem Betracher gehen würde, der diese Dunkelheit vor sich hat und überlegt, wie sie auf ihn wirkt und wie er sie mit einem Bild beschreiben kann. Man ist näher dran, es wirkt nicht so protokollarisch, aus der Erinnerung aufgeschrieben. Oder wer erzählt da?
"Hinter den Augenlidern" könnte auch "hinter den Lidern" heißen, dann hättest du eine unauffällige Alliteration geschaffen, die dem klangvollen Einschwingen in die Erzählung diente. Außerdem wäre eine Selbstverständlichkeit vermieden, was wiederum dem gewünschten lapidaren Charakter gut täte. Ebenso würde ich auf das "weite" Aufreißen der Augen des Tiers verzichten, der Eindruck ist stärker, wenn vermeintlich verstärkende Adverbien fehlen.
Um die o.g. Variation anzubringen, wäre weiters die Verbindung und Verknappung folgender Sätze geeignet: "Er lag auf dem Bauch, das Gesicht auf dem Kissen, der Mund leicht geöffnet." Besser würde mir der Mundteil noch gefallen als ", mit leicht geöffnetem Mund", das wäre wieder etwas mehr Variation, die beabsichtigten Wiederholungen verlören den Holzhammerimpetus, ein wenig mehr trockene Melodie entstünde. Eine weitere Alternative wäre "Die Decke [hob und senkte sich (oder ein anderes Füllsel) und] verhüllte seinen Körper wie ein Geheimnis.", ein vergleichsweise langer, beschleunigter Satz ohne Pausen, direkt gefolgt vom erdigen "Er lag auf dem Bauch." und deiner ursprünglichen Konstruktion.
Wenn man die Reihenfolge der Sätze so umstellt, daß die Katze unmittelbar der Kontur folgen kann, dann läßt sich das Ganze weiter verdichten, also "Er lag auf dem Bauch. Das Gesicht ruhte auf dem Kissen, der Mund war leicht geöffnet. Die Decke verhüllte seinen Körper wie ein Geheimnis. Die Katze kroch die Kontur entlang bis hinauf zur Nase."
Ob er etwas "Kühles und Nasses" oder einfach etwas "Feuchtes" spürt, ist ebenso Geschmackssache, "feucht" kann durchaus kühle und nasse Assoziationen wecken und ganze zwei Wörter, darunter ein "und", einsparen, die hier so wunderbar stören. "Er spürte etwas Kühles und Nasses", das ist ein prototypisch lapidarer Satz. "Er spürte etwas Feuchtes" läßt den Prototypen noch hinter sich.
"In ihm" würde ich weglassen, der persönliche Bezug ist hier nicht unbedingt nötig. Um den Effekt zu steigern, könntest du auch im Folgesatz das "Er" noch beiseitelassen, das Erleuchten der Lampe wäre dann unpersönlich, würde dem fast lyrischen Annähern, dieser Umkreisung der liegenden Gestalt als Geschichtenanfang, eine weitere magische Facette hinzufügen. Also z.B. "Etwas Feuchtes zündete den Bewußtseinsfunken, die Lampe schaltete ein und flutete das Zimmer mit Licht" o.ä. Nebenbei eine hinzugewonnene Analogie.

Das sind nur ein paar Gedanken. Geschmackliche Gründe bleiben natürlich immer subjektiv. Das ist viel Experimentieren und es kann gut sein, daß ich deinen Geschmack nicht treffe, aber so in etwa sähe das dann aus:
"Nichts regte sich. Die Dunkelheit war schwarz, ein undurchdringlicher Stoff. Hinter den Lidern Leere und vor dem Bett ein kleines Tier, das die Augen aufriss, um die wenigen Photonen einzufangen. Er schlief. Sog die Luft ein und blies sie wieder aus. Er lag auf dem Bauch, das Gesicht auf dem Kissen, mit leicht geöffnetem Mund. Die Decke hob und senkte sich und verhüllte seinen Körper wie ein Geheimnis. Der Kontur entlang kroch bis zur Nase hinauf die Katze. Etwas Feuchtes entzündete den Funken; die Lampe schaltete ein und flutete das Zimmer mit Licht. Die Katze sah zufrieden aus.
Seine Hand fand den Wecker: halb zwei Uhr."

Nach der engen, geballten Form des ersten Absatzes öffnet sich die Sprache dann ein wenig, der Erzählrhythmus lockert sich, wird luftiger und nähert sich bis zum Ende des Textes einem Plauderton an. Da stellt sich die Frage, ob das gewollt ist, bzw. bewußt so entschieden wurde. Was z.B. bewirkt die hochverdichtete Sprache des Anfangs, außer den Aufwachvorgang zu poetisieren? Welchen Benefit hat die Geschichte davon und vom darauf folgenden Stilbruch? Alles muß einen Zweck haben, eine Zielrichtung, und die kann ich hier nicht erkennen. Schönheit, Gewitztheit, kluge Gedanken dürfen nicht zum Selbstzweck verkommen, sondern müssen immer die beabsichtigte Aussage, den beabsichtigten Eindruck der Erzählung unterstützen. Brüche fallen auf.
In die gleiche Bresche schägt die Passage über Beates Profilbilder. Sie werden in empfindsamem Ton beschrieben, ist das aus der Wahrnehmung des Protagonisten heraus, ist er ein Traumtänzer, oder ist das wiederum Manierismus des Autors?
Auch z.B. die Vokabel "Photonen" steht isoliert dar. Sehr technisch, ohne die Technikkulisse für die Geschichte zu benötigen. Die einfachere Variante wäre "Licht".

Das Ende gefällt mir nicht so gut. Entweder ist es ein Märchen und der Bär hat alles getan, dann finde ich es platt. Oder es ist metaphorisch (und sehr schön), Markus' Nähebedürfnis ist der Bär, sein Sehnen nach Liebe, dann würde die Profilbilderbeschreibung auch passen. Dann wäre der Zaunpfahl im letzten Abschnitt allerdings zu groß. Das würde ich reduzieren, eventuell ganz zurücknehmen, dann kann die Magie noch hübscher glühen.

Liebe Grüße,
Dat

 

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