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traumHAFT 2.0
traumHAFT 2.0
von M. Glass
Es muss nicht Dunkel sein, um den Geist träumen zu lassen. Wenn etwas wirklich träumenswert ist, dann geschieht das hin und wieder auch zu Tage, wenn das Licht die Vorstellungskraft trübt und Geräusche in den Traum einschneiden, wie sie es auch manchmal in der Nacht zu tun pflegen. So werden aus Regentropfen Herden von Ameisen, die in einem streng, disziplinierten, monotonen Marschschritt die weichen Weiten des Bettes überqueren und der hallende Donner und dessen Schall verwandeln sich in gottesähnliche Geschöpfe die gegeneinander ankämpfen, wie Zeus und Prometheus. Das Rauschen des Windes verschlingt den einst so starken Donner im Blitzesschein und weht die sechsbeinigen Insekten von der Bettdecke. Doch die Kälte, die heimlich durch das offene Fenster schleicht, kriecht einem nicht nur unter die Decke, sondern auch unter die Haut und wer kommt denn nun, um diese wieder aus den so lang gewordenen Gliedern zu ziehen. Niemand?
Vielleicht das erst so kleine, dann so helle, schmerzende Licht, welches diese Frage schließlich belanglos werden lässt. Ist es denn nicht so? Man kaut die ganze Nacht einen Traum, schließlich verbeißt man sich in ihm und dann versucht man mit aller Mühe seine Zähne wieder herauszubekommen. Ist es denn nicht so? Die Augenlider öffnen sich und der Traum schließt sich, abgerundet, abgeklärt. Aber im Inneren sprudelt es weiter. Unmöglich den Hahn so schnell abzudrehen, ist der Druck zu groß, um nicht ein Buch zur Hilfe zu nehmen. Was bedeutet das? Was bedeutet dies? Sicherlich gibt einem dieses Buch eine Antwort. Man träumt von marschierenden Ameisenherden, wie sie von Blitz und Sturm vom Bett weggetragen werden und in eben diesen Schriften wird verwiesen, dass ein Traum über Ameisen, Einsatz von Intelligenz ohne Kontrolle durch den Verstand bedeutet. Ist es denn so? Träume sind neugierig. Sie stellen fragen, die niemand niemals beantworten kann. Es gibt jedoch eine Ausnahme. Sich nur auf solche Bücher, welche einzig und allein zum Zweck des Kapitals niedergeschrieben worden sind, zu verlassen, ist nicht traumhaft. Es ist nicht verboten, in diesen Blättern nachzuschlagen, Suchmaschinen im Internet danach zu fragen oder sich an Experten zu wenden. Doch der letzte und entscheidende Schritt ist und bleibt der, den man selbst machen muss. Was nützt es all die Sprossen zu einem Hochbett zu erklimmen, wenn man sich nicht ins Bett schwingt, sondern in dieser unbequemen - für ein Kind mehr erträglich als für einen Erwachsenen - zu verharren. Es nützt nichts? Man darf sich nicht vom Traum leiten lassen. Meist ist er trügerisch und verlockend oder gar einfach verfälscht. Erkennt man den wahren und den falschen Kern des Traums während einer Traumhaft, so ist es durchaus nützlich, wie auch gefährlich...
<Was nützt eine Traumhaft und welche Risiken bringt diese mit sich?”>
<Beantworte die Frage in ganzen deutschen Sätzen!>
Als ich das las, wich ich erschrocken vor dem Arbeitsblatt zurück, welches vor mir lag und als ich es noch einmal las, da stand das immer noch. Ich fiel um und als ich mich aufrichtete und mich wieder setzte, spürte ich nicht nur den harten Untergrund des Stuhls und den Schweiß auf meiner Stirn. Ich wusste die Antwort auf die gestellte Frage und schrieb. Ich schrieb und schrieb, bis mir das Blatt aus den Händen gerissen wurde und nach zwei Wochen mit einer sechs wieder in die Hände gedrückt worden ist. Nein. Es wurde mir nicht nur in die Hände gedrückt, sondern nach Hause gebracht und meinen Eltern gezeigt. Die Fragestellung war:
<Was nützt ein Traum und welche Risiken bringt er mit sich?>
<Beantworte die Frage in ganzen deutschen Sätzen!>
Konnte man denn in einer Deutschschulaufgabe so etwas einfach überlesen, überfliegen. Nein. Diese Meinung vertrat ich sehr lange und meine Eltern machten sich darüber Sorgen und ich bereitete ihnen Kummer. Ob Mitleid, Verantwortung, Fürsorge oder einfach die Tatsache, dass ich meine Eltern genervt habe, der Auslöser dafür war, dass ich jetzt hier in dieser psychiatrischen Anstalt eingeschlossen bin, weiß ich bis heute nicht. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus allem und der Aussetzer mit der Deutschschulaufgabe war keine Ausnahme. Ich weiß es nicht. Sie haben sich bis jetzt nicht bei mir gemeldet und ich bedauere es kaum. Ich sitze doch in Traumhaft und habe viel Zeit die Rätsel um eben diese Traumhaft zu lösen und niederschreiben kann ich auch alles. Stift und Papier wurde mir reichlich gegeben und die weiße Wand und das harte, kalte, abstoßende, trockene, kantige Bett, wenn man es so nennen kann, half mir sehr meiner Haft zu entgehen und Fluchtpläne zu schmieden.