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Trau keinem über dreißig

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21.12.2015
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Trau keinem über dreißig

Das Lokal war brechend voll. Irene segelte voraus und steuerte einen streng blickenden Herrn an, der den Zugang zu den Tischen bewachte.
„Wir haben vorbestellt für ...“, sie überlegte kurz, um sich auf Gudruns Nachnamen zu besinnen, „für Hennermann, drei Personen.“
„Bitte hier entlang!“ Der Cerberus wies ihnen gnädig einen Tisch zu. Es war nicht der erhoffte Fenstertisch, aber wenigstens lag er nicht direkt an der Rennbahn der Kellner, auch nicht unmittelbar neben dem Eingang zu den Toiletten und Gott sei Dank weit weg von einer lärmenden, qualmenden Runde in Radlerhosen.
„Es ist doch ganz okay hier, oder?“ Barbara setzte sich hastig. Sie hatte Irenes unzufriedenen Blick aufgefangen und fürchtete einen Auftritt zwischen der Freundin und dem Ober. „Wirklich, ganz nett. Weit und breit keine Raucher.“
„Es wäre wirklich mal an der Zeit, ein Rauchverbot in Lokalen durchzusetzen. In anderen Ländern ist das schon längst der Fall. Gudrun, Sie gehören doch hoffentlich nicht zur Raucherfraktion?“
Natürlich gehörte Gudrun dazu. Aber der Wink war nicht zu überhören.
Bevor sie antworteten konnte, griff Barbara nach der Speisekarte.
„Also lasst uns schnell bestellen, mein Blutzucker ist nämlich im Keller.“
„Ja, da muss man natürlich schleunigst etwas dagegen tun, nicht, dass du uns noch umkippst. Warum nimmst du dir denn nie ein paar Nüsse mit, wie ich dir schon so oft gesagt habe?“ Barbara nickte schuldbewusst.
Der Vorschlag, im Roten Ochsen einzukehren, stammte von Gudrun. Es war das erste Mal, dass sie mit den beiden Oberstudienrätinnen etwas unternahm. Eigentlich sollten noch zwei Kollegen mit von der Partie sein, aber die hatten im letzten Moment unter etwas fadenscheinigen Gründen abgesagt. Gudrun war neu in der Stadt, neu im Schuldienst, noch keine 30 Jahre alt. Sie wollte möglichst schnell Anschluss finden.
Irene blätterte in der Speisekarte einige Male vor und zurück.
„Na ja, groß ist die Auswahl an vegetarischen Gerichten nicht, aber das ist ja nichts Neues. Barbara, was nimmst du?“
„Wir könnten es mit dem Lachs probieren, Lachs magst du doch sehr gerne.“
„Aber doch nicht in dieser unmöglichen Kombination! Lachs mit Reis! Wenn es wenigstens Tagliatelle wären. Erinnerst du dich noch an meine fabelhaften Lachs-Röllchen mit dem Spinat-Soufflee? Und an den Zander im Salzbett zu meiner Beförderung? Hoffentlich kann man hier wenigstens umbestellen!“
„Das Essen hier soll ganz gut sein“, wollte Gudrun einwerfen. Aber das wusste sie ja nur vom Hörensagen. Eigentlich hätte sie gerne ein Rumpsteak bestellt, so ein richtig saftiges, innen noch blutiges. Aber jetzt entschied sie sich für Schweinelendchen mit Blumenkohl. Das passte wenigstens farblich zu dem Fischgericht der beiden anderen.

Am Nachbartisch wurde bezahlt. Der Kellner notierte sich gerade ihre Bestellung, als neue Gäste den freien Tisch besetzten. In deren Schlepptau befand sich ein rotbraunweißer Bernhardiner, nicht gerade ein Schoßhündchen. Sein Rücken schloss ziemlich exakt mit der Tischkante ab. Er hätte ohne Probleme am Tisch mitessen können. Mit seinen riesengroßen melancholischen Augen, eines tiefblau, das andere dunkelbraun, fixierte er die drei Frauen, schüttelte sich einmal kurz, drehte zwei Runden unter den beiden Tischen durch und ließ sich direkt neben Irenes Füßen nieder. Dabei streifte seine Schwanzspitze Irenes Knöchel. Irene zuckte zusammen. Wenn sie etwas noch weniger leiden konnte als Raucher, dann waren es Hunde in einem Speiselokal.
Sie warf den beiden Männern im zünftigen Wanderlook einen tadelnden Blick zu.
„Würden Sie bitte dafür sorgen, dass er auf Ihrer Seite bleibt? Ich möchte in Ruhe essen können!“
Der Jüngere schaute kurz unter den Tisch und brummte:
„Los, Rudi, rutsch' rüber, die Dame hat Angst um ihre Waden.“
Der Hund rührte sich nicht, er hatte die Pfoten überkreuzt und seinen Kopf gemütlich darauf niedergelegt.
„Haben Sie mich nicht verstanden? So tun Sie gefälligst etwas! Hört er denn überhaupt auf Sie?“
„Kommt darauf an, wie man mit ihm redet“, mischte sich der Ältere gut gelaunt ein, „aber erst braucht er mal ein ordentliches Stück Fleisch zwischen die Zähne ..., so wie ich auch.“ Und ein anzüglicher Blick streifte die drei Frauen.
Bevor Irene ihrer Empörung freien Lauf lassen konnte, stand Barbara auf.
„Bitte Irene, setzt du dich hier herüber, mir macht es wirklich nicht so viel aus.“
Sobald Irene und Barbara ihre Plätze gewechselt hatten, stand auch der Hund auf, dehnte sich kräftig, gähnte und trollte sich unter den anderen Tisch. Der Ältere grinste breit:
„Wie gesagt, es kommt darauf an. Schreien nützt nichts, streicheln schon eher.“
Er bestellte Bier und für den Hund einen Napf mit Wasser. Danach kramte er in seinem Rucksack, beförderte ein blaues Päckchen Gauloises und ein Feuerzeug ans Licht. Er fischte eine Zigarette heraus, klopfte sie auf dem Handrücken in Form und legte sie auf den Tisch.
„Bin gleich wieder da, geh' nur mal für kleine Prinzen!“ Der Hund war aufgestanden und wollte seinem Herrchen hinterher. „Du bleibst hier und passt auf meine Zigaretten auf. Dass du mir ja keine frisst!“ Dabei blinzelte er in Richtung Irene. Sein wortkarger Wanderbruder goss noch etwas Wasser in den Napf und vertiefte sich eine Broschüre über die Wutachschlucht. Der Bernhardiner begann geräuschvoll zu schlabbern.

Irene hatte bereits angelegentlich in der Weinkarte geblättert und eine Bestellung für alle drei Frauen aufgegeben. Gudruns unschlüssiger Blick auf das reichhaltige Angebot war ihr nicht entgangen.
„Sie sind wohl keine Weinkennerin, Frau Hennermann? Nun, die Weißweine hier aus der Gegend sind ja ganz passabel, wenn man Fisch bestellt. Aber ich persönlich trinke prinzipiell lieber einen Rosé; ich habe da einen Öko-Winzer an der Hand, also wenn Sie wollen ..."
„Vielleicht trinkt Frau Hennermann ja lieber Bier“, warf Barbara dazwischen, „sie kommt schließlich aus Niedersachsen, oder war es Schleswig-Holstein?“ Und mit einer aufmunternden Körperdrehung in Gudruns Richtung:
„Sie haben noch gar nicht viel von sich erzählt. Wo, sagten Sie, haben Sie studiert?“
„Also, angefangen habe ich in ..."
Gudrun konnte ihren Satz nicht beenden, denn Irene fasste mit spitzen Fingern ihr Weinglas am Stiel und hielt es mit angelegtem Ellenbogen hoch.
„Ich hoffe, es gefällt Ihnen an unserer Schule. Wir sind eigentlich alles recht unkomplizierte Leute. Natürlich sind wir nicht mehr ganz jung. Um genau zu sein: Unser Durchschnittsalter liegt knapp über fünfzig. Aber wo gibt es denn heute noch junge Kollegien! Also dann, auf unser Wohl und auf eine enge Zusammenarbeit.“
„Zum Wohl“, murmelte Gudrun. Das steife Zeremoniell behagte ihr nicht. Wieso ging man nicht einfach zum Du über, wie sie es von der Uni gewöhnt war? Selbst die Profs in Kiel waren lockerer gewesen, wenigstens manche.
„Wir versprechen uns einiges an neuen Impulsen von Ihnen und dem anderen Neuling, wie heißt er doch gleich, Barbara? Natürlich werden Sie einige Zeit brauchen, bis Sie sich zurechtfinden! Aber Sie können sich jederzeit Hilfe bei uns holen, nicht wahr, Barbara?“
„Wenn Sie meinen ... Danke.“
Gudruns Magen fing an zu knurren. Wo nur das Essen blieb?
Eine Weile herrschte Schweigen. Am Nachbartisch wurde geraucht. Irene rückte Teller, Bestecke und Servietten zurecht und wedelte mit ihrem Seidenschal den Qualm weg.
„Wieso dauert es denn hier so lange mit dem Essen?“
„Sofort, meine Damen, kommt sofort!“
Der Oberkellner schob einen Beistelltisch heran, zündete die Kerzen in den Rechauds an und lüftete schwungvoll den ersten Silberdeckel, um zu servieren.
Irene starrte auf die dampfende Silberplatte. Reisbällchen mit gegrilltem Lachs! Der Rand dekoriert mit roten Pfefferkörnern und zwei dünnen Scheiben Ananas. Irene schnappte nach Luft.
„Das soll mein Fischgericht sein? Das kann unmöglich meine Bestellung sein. Ich hatte doch ausdrücklich ... Was behaupten Sie da? ... Wie bitte?? ... So geht das aber nun wirklich nicht. Schicken Sie mir den Restaurantleiter, aber sofort!“
Der Kellner öffnete den Mund, überlegte es sich, zuckte die Achseln und trat den Rückzug an.
„Nicht schon wieder“, stöhnte Barbara und sah sich nach einem möglichen Fluchtweg um. Die in der Nähe platzierten Gäste beobachteten die Szene interessiert. Weiter hinten im Raum erhoben sich ein paar Neugierige. Ein kleiner Junge war auf einen Stuhl geklettert. Die Wandervögel am Nebentisch grinsten, und Rudi, der melancholische Bernhardiner, spitzte die Ohren, knurrte leise und schob sich an Irene heran.
„Halten Sie mir den Hund vom Leib, das ist hier ja lebensgefährlich!“, kreischte Irene, packte ihre Jacke und stürzte zwischen den engen Tischen hindurch zum Ausgang, im Schlepptau ihre Freundin Barbara.

Gudrun blieb wie gelähmt sitzen. Sie hatte seit dem Betreten des Lokals keine zehn Worte gesagt. Jetzt hatte sie nur den einen Gedanken: 'O Gott, wo bin ich da hineingeraten! Das darf doch nicht wahr sein! Ob ich wohl auch so sein werde, in zwanzig Jahren?'
Aus der Küche quoll der Koch heraus. Seine Körpermasse und die herabgezogenen Mundwinkel verhießen nichts Gutes. Gudrun hatte keine Nerven für einen Disput. Sie zückte eilig ihre Scheckkarte, die paar Groschen im Geldbeutel hätten nie und nimmer gereicht. Aber dann entschloss sie sich trotzig, wenigstens ihre Schweinelendchen zu genießen. Und ein weiteres Glas Wein konnte auch nicht schaden, es war ja noch reichlich in der Flasche. 'Das lässt sich ändern. Nichts leichter als das!'
An der Stuhllehne hing Irenes voluminöse Handtasche. Gudrun fasste einen Plan: Am Montag würde sie ihr die Tasche zurückgeben. Im Lehrerzimmer, vor aller Augen, mit einem saftigen Kommentar. Vielleicht! Die Flasche war leer, als sie sich auf den Heimweg machte.

 

Hallo Wieselmaus,

deine Geschichte finde ich ein bisschen skurril. Irgendwie lustig, aber irgendwie auch viel zu schnell erzählt. Ich hätte mir mehr Zeit gewünscht, dass sich die Geschichte und der Konflikt entwickeln kann. Für mich ist das ganze nicht nachvollziehbar. Ich verstehe keinen der drei Charaktere, noch kann ich nachempfinden, was sie antreibt und wie sie sind.

Für mich interessant zu Erfahren, wäre beispielsweise die Erwartung, welche Gudrun hegt. Warum darf sie ein Lokal aussuchen, obwohl sie neu in der Stadt ist? Und wieso geht sie überhaupt mit zwei gestandenen Kolleginnen essen?
Ich glaube nicht, dass sie eine freundschaftliche Beziehungen mit denen beiden anstrebt, oder?

Irgendwas positives muss es ja trotzalledem an Irene geben, kein Mensch ist abgrundtief bösartig. So wirkt die ganze Figur wie eine Schablone und ein Klischee. Die alte, verbitterte, untervögelte Lehrerin. Im Gegensatz dazu ihre Freundin (??) Barbara, welche irgendwie keine richtige Funktion in der Geschichte einnimmt. Warum Gudrun ihre Kreditkarte zückt, als der Koch aus der Küchte herausquillt versteh ich nicht.

Als Fazit meiner wirren Kritik kann ich feststellen, dass deine Geschichte bei mir nicht angekommen ist. Auch wenn ich die Idee "junge Lehrerin geht mit zwei älteren Kolleginnen ü50 in ein Restaurant und erlebt den Abend ihres Lebens." durchaus witzig finde.

Beste Grüße,

Julian

 
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Liebe wieselmaus,

zurück in die Achtziger. Denn da ungefähr siedle ich deine Geschichte an. Obwohl der Spruch ‚Trau keinem über dreißig’ wohl eher in die Ära der Achtundsechziger gehört. Und auch der Spruch „Nicht immer, aber immer öfter“ ist mir irgendwie aus den späten Achtzigern im Ohr.
Es gibt so vieles, was mich in deiner Geschichte an die Achtziger und an eigene Erlebnisse erinnert: Da ist die fast klischeehafte Oberstudienrätin, die dominant und ohne Rücksicht auf die Stimmung des Abends und auf ihre Begleiterinnen, durchsetzt, was sie für richtig hält. Ich weiß nicht, ob du heute Dreißigjährige mit deinem Text erreichst, aber mich katapultierst du zurück in diese Zeit. Die ‚Raucherfraktion’. Wie oft habe ich dieses Wort gehört, besonders in der Zeit, als es dann endlich ‚Raucherzimmer’ in den Schulen gab. In der ersten Zeit drängten sich manchmal 30 Raucher im winzigen Raucherzimmer, fünfzehn Nichtraucher konnten sich das große Lehrerzimmer teilen.
Und auch der überhebliche und anmaßende Umgang miteinander (hier mit dem Kellner) gehört in diese Zeit, zumindest dorthin, wo Spießigkeit und dünkelhaftes Gehabe als Vornehmheit verstanden wurden.
Da hat sich zum Glück in der Art, wie wir miteinander umgehen, einiges geändert, zumindest empfinde ich das so.
Die beiden anderen Frauen bleiben verhältnismäßig blass, und das sind sie ja auch: Barbara wird dominiert von Irene und Gudrun hält sich zurück, weil sie sich als junge Kollegin erst einmal zurechtfinden möchte. Dabei bleibt mir Gudrun zu blass, da hast du mMn Potential verschenkt.

Besonders glaube ich nicht, dass diese Gudrun, wie du sie zeichnest, so handeln würde:

Am Montag würde sie ihr die Tasche zurückgeben. Im Lehrerzimmer, vor aller Augen, mit einem saftigen Kommentar.
Und dann der Gauloise rauchende Wanderer, der sich darüber hinwegsetzt, dass sein Hund irgendwie stören könnte. Auch gut gezeichnet. Obwohl ich mir hier keinen ‚Wanderer’ vorstellen kann, eher einen jungen Mann, der erkennbar alternativ lebt und sich keinen Deut um die anderen schert.
Du zeichnest Irene und den Wanderer recht gut, begibst dich dabei natürlich in die Nähe des Klischees. Das ist eine Gratwanderung und ein Zuviel kann u.U. die Qualität des von dir Erzählten schmälern. Hier kann ich das für mich akzeptieren, da ich in dieser Geschichte, so wie du sie anlegst, keine vertiefte Personenzeichnung erwarte.

Als kleine Zeitreise hat mir deine Geschichte gefallen. Insgesamt hätte sie vielleicht ein wenig spritziger sein können. Du hast als Erzählperspektive so etwas wie einen auktorialen Erzähler gewählt, der sich in die einzelnen Personen hineinversetzen kann, ihr Gedanken verbalisiert, die Situation beschreibt und kommentiert. Das ist so in Ordnung. Mir hätte es vielleicht ein wenig besser gefallen, wenn mir alles stärker aus der Sicht Gudruns präsentiert worden wäre: ihre Unsicherheit diesen alten Kolleginnen gegenüber, ihr Bemühen, ihnen alles recht zu machen, ihr Staunen über dieses dominante Trampeltier Irene. Das hätte dann auch stärker zu Gudruns banger Schlussfrage geführt:

Ob ich wohl auch so sein werde, in zwanzig Jahren?'
Schon möglich, wenn sie sich in ihre Rolle fallen lässt und keine Selbstreflexion zulässt. Dann kommt da ein solches Selbstbild heraus:

Wir sind eigentlich alles recht unkomplizierte Leute.
Super Stelle.

Ich hätte die Geschichte mit der Schlussfrage enden lassen. Aber es ist deine Geschichte und mir hat sie gut gefallen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Barnhelm,

Danke für dein Eingehen auf eine Geschichte, die natürlich eher was ist für Menschen, die die Achtziger oder noch früher selbst erlebt haben. Sie sollte einige leicht satirisch gefärbte Elemente haben, ich habe mich aber nur getraut, sie unter dem Tag "Humor" zu posten. Daher auch der mehr oder weniger auktoriale Blickwinkel und die Überzeichnungen. Völlig recht hast du damit, dass der letzte Satz nicht zu Gudrun passt, es sei denn, sie hat ein Glas Wein zu viel getrunken. Also weglassen oder ergänzen. Ich probiere es mal mit der zweiten Version. Vielleicht gewinnt Gudrun dann die Statur eines Mäuschens, das kurzfristig zu einer fauchenden Katze mutiert.

Nochmals herzlichen Dank und freundliche Grüße

wieselmaus

 

Hola Wieselmaus,

Eigentlich hätte sie gerne ein Rumsteak bestellt, ...

Mach bitte unauffällig ein 'p' an den Rum:).

Ein schöner Gruß!
José

 
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Hallo schwarze sonne,

es freut mich, dass du dir Mühe gegeben hast mit meiner Geschichte. Ich finde deinen Kommentar keinesfalls wirr. Es laufen möglicherweise solche OberstudienrätInnen nicht mehr in den Schulen herum. Und die JunglehrerInnen sind bestimmt nicht mehr so zahm. Vielleicht ist der Text nicht satirisch genug, um Betroffenheit zu erzeugen. Für ältere Leser gibt es eher einen Wiedererkennungswert.
Was mich schon ein wenig schlucken ließ:
Und erlebt den Abend ihres Lebens
Wie meinst du das? Sind die Oberstudienrätinnen am Abend ihres Lebens, also nicht nur Oldies, sondern Gruftis? Das bringt mich wirklich zum Grübeln.

Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg hier im Forum.

Gruß
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

ich habe das eigentlich spaßig gemeint. Rückblickend ist so ein verquerer Abend doch etwas, dass man Freunden erzählt und anschließend darüber lacht. Der Abend ihres Lebens ist sicherlich eine Übertreibung und in dem Moment sicherlich auch nicht die Wahrheit ;-)

Ich habe barnhelms Kommentar gelesen und muss dir beipflichten. Ich kenne tatsächlich vieles davon nicht und mir fällt es daher schwer mich in der Geschichte wiederzufinden. Das ganze kiegt vermutlich daran, dass ich in den 80ern noch weit entfernt davon war, das Licht der Welt zu erblicken ;-)

Grüße

schwarze sonne

 

Hallo Josefelipe,

es geht halt nichts über einen Profi im Kulinarischen.

Danke und auch ein schöner Gruß. Es hat was, wenn man in der Welt herumkommt.

wieselmaus

 

Eigentlich sollten noch zwei Kollegen mit von der Partie sein, aber die hatten im letzten Moment unter etwas fadenscheinigen Gründen abgesagt.

Ja, es ist ein Spruch der 68-er,

liebe wieselmaus -

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts, begegnen wir uns doch das erste Mal!,

aber wer das Urheberrecht daran trägt, ist mir nicht bekannt und obwohl die Kommunarden der K I starke Sprüche drauf hatten, war allein Dieter Kunzelmann 30, als die Kommune Ende 1969 sich wieder auflöste. Aber die Kommunarden waren ja nicht die einzigen 68-er, die ja eigentlich 67-er waren wegen des Vietnamkongresses Februar 67, auf dem sich die Bewegung formierte.

Wenn man so will, lebte die Kommune von Provokation und Satire, i. d. R. Realsatire, und es ist gut, dass Du auf die Etikettierung „Satire“ verzichtet hast. Dafür kommt die Geschichte viel zu behutsam daher, ohne dass ich behaupten könnte, es wäre „viel Rauch um nichts“, stellt den Generationenkonflikt zwischen erfahrenem und somit älterem und frischem Schulpersonal dar, wobei der Gegensatz aber eher aus den unterschiedlichen Charakteren und nicht aus der unterschiedlichen Lebenserfahrung resultiert. Cholerische Menschen gibt es in jeder Generation wie auch Stoiker. Aber feine Ironie beweistu schon in der Namensgebung ...

Was jetzt kommt, hat eigentlich der Cerberus (= der Höllenhund, sozusagen der Spitz pass auf vorm Tor zur Unterwelt) zu verantworten!,

Irene [= Frieden] segelte voraus und steuerte einen streng blickenden Herrn an, der den Zugang zu den Tischen bewachte.
wobei die Feinheiten (die jetzt schon richtig zuschlagen werden) den meisten verschlossen bleiben, die sich nicht in uralter Literatur auskennen ... Was kein Hinderungsgrund sein muss, die Höllenfahrt zu beobachten.

„Wir haben vorbestellt für...“, sie überlegte kurz, um sich auf Gudruns Nachnamen zu besinnen, …
„Gudrun“, ahd. gunt = Kampf und runa = Zauberkraft (die ja auch den ersten Schriftzeichen germanistischer „Zunge“ zugesprochen wurde (den Hausnamen nehm ich mal nicht auseinander, denn zusammengedampft wär's der Hahn).

Die Ironie für alle, die sich in alter Literatur nicht auskennen: Ausgerechnet Gudrun liefert das Gegenbild zum bluttriefenden, weil auf der Blutrache - die es bekanntermaßen immer noch gibt - basierende Nibelungenlied, dem älteren der ersten deutschsprachigen Antikriegsromane, wenn man so will. Das zwote ist halt Gudrun (auch schon mal, landschaftlich auch schon mal Kudrun, wie ja auch Chriemhild zur Grimmhild wird).

Barbara [= die Fremde, man erkennt den Bartträger, den Unkultivierten …] setzte sich hastig. Sie hatte Irenes unzufriedenen Blick aufgefangen und fürchtete einen geräuschvollen Auftritt …
, ich würde sie nun als die "Andere" nennen, wie ja auch jedem schon einmal der/die/das Andere sehr befremdlich vorkommt (wie etwas dieser etwas andere Kommentar).

Ein erster Hinweis, dass jedes Wort – und was sind Namen denn anderes? - auch sein Gegenteil bedeuten kann, Masken, hinter denen sich Menschen verstecken, und auf die Waage gelegt werden müsste. Aber darüber - tut mir leid - würd ich echter 68-er werden ... biologisch gesehn.

Und die erste potenzielle Kriegserklärung des Friedensengels:

Gudrun, Sie gehören doch hoffentlich nicht zur Raucherfraktion?“
Aber Gudrun ist wie aus dem Epos, wenn auch nicht aus tiefstem Herzen
Natürlich gehörte Gudrun dazu. Aber der Wink war nicht zu überhören.

Natürlich juckt es mich, „Rudi“ mit ins Rennen zu nehmen (ahd. hruod = Ruhm, wolf, selbst nach zwölf Jahrhunderten identisch), aber ich behaupte mal, es sei eine Nebenrolle, die in ihrer Gutmütigkeit den Anti-Typus Irene verstärken soll, insofern jeder seinen Hund, sei der auch noch einem so fern, hat: „Nicht wahr, Barbara?“, pardon, wieselmaus!

Kann der Hund der Friedfertigen jemand anderes als Fremdes (= Barbara) sein?

Mit Rudolf kommen die einzigen, wirklich winzigen Schnitzer, wenn er seine Pfoten „über Kreuz“ legt oder Auslassungspunkte, die direkt am vorhergehenden Wort anschließen, eigentlich nach zumindest einem weiteren Buchstabe rufen (was einige Male – selbst bei Irenen vorkommt im Text, aber seltenst gelingt.) Besser i. d. R. zwischen letztem Buchstaben zuvor und dem ersten Auslassungspunkt eine Leertaste.

Hier wär's dann eine winzige Flüchtigkeit

Jetzt hatte nur den einen Gedanken:
Da fehlt was. Erfahrungsgemäß der Name oder sein Platzhalter Pronom.

Aber letztendlich zeigt selbst ein Friedensengel daher in eigener Selbsteinschätzung

Wir sind eigentlich alles recht unkomplizierte Leute.
feine Ironie, ob gewollt oder eher unfreiwillig.

Und für hier wie im Muttertext passt der Schlusssatz

Am Montag würde sie ihr die Tasche zurückgeben. Im Lehrerzimmer, vor aller Augen, mit einem saftigen Kommentar. Vielleicht!,
meint der

Friedel,
der's sicherlich nicht bei diesem einen Besuch belässt!

 

Hallo Friedrichgard,

da hast du mir zur Nachtstunde einen freudigen Schrecken eingejagt! Das ist wirklich ein Kontrast zum ersten Kommentar. Ich hätte nicht gedacht, dass die Namen der Protagonistinnen eine so tiefschürfende Betrachtung hervorrufen könnten. Und es wäre pure Hochstapelei, wenn ich behaupten wollte, das alles sei mir vor dem Schreiben durch den Kopf gegangen. Aber jetzt leuchtet mir alles ein; dann stimmt es wohl, wenn behauptet wird, der Interpret wisse mehr als der Autor (manchmal, nicht immer).
In einem Punkt wage ich dir zu widersprechen. Mein Bernhardiner, vom heiligen Bernhard getauft, ist deshalb melancholisch, weil er seine Pfoten immer über Kreuz legen muss. Ob er auch zu Kreuze gekrochen ist, weiß ich nicht. Immerhin hat er ja mit seinen verschiedenfarbenen Augen etwas Heidnisches gerettet, bei aller Gutmütigkeit, die man dieser Hunderasse zuschreibt.
Das mit den Auslassungspunkten habe ich mit deiner Hilfe endlich kapiert.

Ganz ehrlich, es hat mir richtig, richtig Spaß gemacht!

Noch zum Schluss: Ich war keine hundertprozentige Achtundsechzigerin. Aber es war ein tolle Zeit.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo wieselmaus,

herzlich Willkommen hier im Forum!

Ich finde den Titel ein wenig abschreckend. Das klingt so nach einer deutschen Kino-Sommerkomödie, Fack ju Göthe oder Ohrenhasen und sowas. Passt ja, wenn du in diese Richtung willst, aber das war echt so das Erste, das mir durch den Kopf gegangen ist.

Grundsätzlich mag ich die Art Geschichten nicht so, in denen der Prot mit mehr oder weniger unverhohlener Verachtung die Leute um sich herum beobachtet. Wo sich dann der Humor daraus speist, dass alle doof sind, voll die Freaks, nur nicht der oder die Erzählerin oder die dritte Person, durch deren Augen wir dabei sind. Literatur sollte dann eher fragen: Diese zickigen Oberstudienrätinnen, warum sind die eigentlich, wie sie sind? Man sollte denen ein bisschen die Menschlichkeit lassen, denke ich. Nerven können sie ja trotzdem.

Das ist was Persönliches, das mögen andere anders lesen, aber ich glaube, das hier ist allgemeingültig:

Den Unterhaltungswert der Geschichte soll Humorvolles hergeben, witzige Dialoge und Szenen, und größtenteils ist das auch ganz gut gelungen – also abgesehen davon, dass es natürlich immer Geschmackssache ist, was nun witzig ist und was nicht. Den Part mit „immer öfter“ finde ich allerdings … schwierig. Das ist so ein Werbespruch von vor fünfzehn oder zwanzig Jahren, der entsprechend rauf- und runtergenudelt wurde, zigfach parodiert, meist schlecht. An der Stelle hat die Geschichte etwa sehr, sehr Angestaubtes. Die Szene würde ich echt nochmal überdenken.

Zum Schreibstil: Du hast unheimlich viele Adjektive, die den Text sperrig machen. Wenn sonst alles passt, dann ist klar, wie etwas gesagt oder getan wird. Beispiel:

„Nicht schon wieder“, stöhnte Barbara resigniert und sah sich nach einem möglichen Fluchtweg um.

Versuch den Satz mal ohne „resigniert“. Der geht gleich flüssiger ins Hirn. Und du musst an der Stelle noch nicht mal was ändern. Wenn jemand einen Satz stöhnt, und dann auch noch mit diesem Inhalt – da steckt „resigniert“ drin, das muss nicht extra erwähnt werden.

Auf solche Stellen würde ich den Text mal abklopfen. Und bei der Gelegenheit auch noch ein oder zwei Ausrufezeichen tilgen, die sind momentan etwas großzügig verteilt („Hoffentlich kann man hier wenigstens umbestellen!“ – Schreit sie das?)

Nach all der Meckerei: Der „melancholische Bernhardiner“ hat mir ganz gut gefallen.


Beste Grüße
JC

 

Hallo Proof,

Danke für deine Begrüßung hier.
Um es gleich vorweg zu sagen: Die zeitliche Verortung des Textes ist wohl das Problem für manchen Leser hier. Der Titel ist ein Spruch der Achtundsechziger und hat null mit einem Film wie 'Fack ju Göthe' zu tun, den ich übrigens - entgegen dem Mainstream- grässlich fand. Das Angestaubte kommt nicht von ungefähr. Niemals hätte ich die Handlung eins zu eins nach heute versetzt. Es ist eine Zeitreise, die ich mir auf Grund meines Alters erlaubt habe. Das zeigt sich auch am Stil und an der Erzählperspektive. Damals waren treffende Adjektive noch erlaubt, wenn nicht sogar gewünscht. Und ironische, humorvolle, satirische Einfärbungen sind fast immer der auktorialen Erzählperspektive geschuldet. Das alles ist altmodisch. Hier im Forum kann man sehr gut den modernen Erzählstil lernen, wenn man den für sich entdeckt hat. Aber warum um Himmelswillen sollen alle den gleichen Teig kneten?
Mir reicht es, wenn der Geschmack meines Kuchens einigen (wenigen) schmeckt.

Nebenbei: Was gefällt dir am -melancholischen - Bernhardiner?

Gruß wieselmaus

zeitliche Verortung

 

Ich noch mal,

liebe wieselmaus,

der Groschen fiel nun in Pfennigen bei mir. Trau keinem > 30 setzt den Generationenschnitt, da mit 30 spätestens - selbst heute noch, wo die Karriere ja schon ab dem Kindergarten geplant wird, was übrigens Jean Piaget schon fürchtete, als er Kindergarten und Schule dem "System der Arbeit" zuschlug - die Karriere beginnt, mag da heute Wirtschaft und Verwaltung noch so sehr auf junge Leute, statt der teuren (weil in den Gehaltsgruppen höher liegenden) Erfahrung der Älteren setzen, mit 30.Dass die biologische Zeitrechnung die 30 für eine Generation nimmt, wirkt sich halt immer noch aus. Sind halt immer noch die Troglodyten, wenn auch auf technisch höherem Niveau.

Gruß

Friedel

 

Der Titel ist ein Spruch der Achtundsechziger und hat null mit einem Film wie 'Fack ju Göthe' zu tun,

Ähem. Das ist mir wohl bewusst. Ich hab zwar '68 um eine Dekade verpasst, weiß aber trotzdem, dass Mao Zedong kein Kaubonbon ist.

Das Angestaubte war sehr konkret auf "immer öfter" bezogen, nicht auf die ganze Geschichte. Aber ich finde es interessant, wie schnell man sich darauf geeinigt hat, dass die in den Achtzigern spielt. Ist ja jetzt auch eine Weile her, dass ich gelesen habe, aber der einzige konkrete Hinweis, an den ich mich erinnern kann, ist ein Kommentator, der so sinngemäß geschrieben hat: Ja, so waren Lehrer damals, heute sind die ganz anders.

Und dieser adjektivische Stil ... Nostalgie vielleicht, meinetwegen. Ansonsten finde ich eher, Schreiben entwickelt sich weiter wie alles andere auch. Warum mit aller Gewalt an der 3,5-Zoll-Diskette festhalten?

 

Wobei gerade Dinge zurückkehren.
Die Schallplatte.
Bowie.
Clooney – nee, der war nie weg.
Bowie eigentlich auch nicht. Ich rede nur Unsinn, liegt ggf. am dritten Grasowka.
Aber zum Text: Okay, mit der Verständigung, speziell unter Kollegen, ist es wohl so ein Problem. Ich hatte schon Kollegen, die haben gar nicht kommuniziert in keiner Pause.
Smartfon.
Aber selbst wenn: ob das Volumen des Problems eine anständige Geschichte füllt? In diesem Fall eher nicht, sorry.
„Das darf doch nicht wahr sein! Ob ich wohl auch so sein werde, in zwanzig Jahren?“ – ist mit Verlaub albern. Menschen ändern sich nicht, nicht zwischen 20, 40, 60. Nee.

 

Hallo nastroazzuro, hallo Proof,

ich habe gerade festgestellt, dass ich euch überhaupt nicht geantwortet habe. Sorry, das ist sonst nicht meine Art. Andererseits hat der zeitliche Abstand mir ermöglicht, eure Kommentare ganz entspannt zu genießen.

Das Kommunikationsproblem zwischen Kollegen ist eine Momentaufnahme, die sicher nicht zu einer tragfähigen Geschichte reicht. Ein Schlaglicht, das mal recht erfolgreich im Lehrerkabarett aufgeblitzt ist. Für Satire zu schwach, für heutige Lehrer wahrscheinlich antiquiert.
Immerhin gab es Reaktionen unterschiedlicher Art. Und daran kann man anknüpfen. Nichts ist langweiliger als "nette Geschichte" oder "nicht meine Kragenweite ", ohne weitere Begründung.

Also vielen Dank und freundliche Grüße
wieselmaus

 

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