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Tragische Verluste in Liedermacherkreisen
Tragische Verluste in Liedermacherkreisen
Nachdem Frau Berger und Kripoassistent Schmidt ganz New York von dreißigjährigen feministischen Autorinnen befreit und nebenbei sämtliche Intellektuellen Amerikas in Angst und Schrecken versetzt hatten, war es Zeit, sich wieder um die Heimat zu kümmern, denn es gab noch viel zu tun.
Inzwischen hatten die beiden in Las Vegas geheiratet und nannten sich von nun an Ehepaar Schneider. Gefälschte Pässe erhielten sie von den fundamentalistischen Evangelikalen, denen die feministische Attitüde organisierter, dreißigjähriger Autorinnen sowieso ein Dorn im Auge war.
Der Kommissar war sehr beunruhigt. Die Tatsache, dass man einen über die Dorfgrenzen hinaus bekannten Liedermacher, Theaterregisseur und ehemaligen Kinderstar des Dorfschauspielensembles mit geöffnetem Schädel nebst heraus getrennten Gehirn, an der Nase hängend auf dem Dachboden des Schauspielhauses fand, weckten in ihm böse Erinnerungen. Dies war eine eindeutige Handschrift. Der Täter brauchte nicht einmal ein Bekennerschreiben zu hinterlassen. Sofort stürmten alle Liedermacher, Theaterregisseure und ehemaligen Kinderstars ins Dorf, um ein Gedenkkonzert zu veranstalten.
Wie der Zufall es wollte, befand sich am Tag des Konzertes auch das Ehepaar Schneider unter den Zuschauern. Getarnt, versteht sich. Voller Entzücken kramte Frau Schneider in der Handtasche mit den chirurgischen Instrumenten herum.
„Da ist die fette Sau!“ Offensichtlich hegte Herr Schneider wegen schlechter Behandlung immer noch Groll gegen den Kommissar.
„Möchtest du das Filet oder lieber die Innereien, Liebling?“
„Ich denke, den heben wir uns für den Nachtisch auf…hör dir die Scheiße an!“
…Deine Stimme war wie der Schrei der Welten/Deine Wort wie die Schwerter der Armen/Tralalalala…
"…das is kein Rock’nRoll!“ Herr Schneider war erboßt.
„O.K., kümmern wir uns zuerst um den Langhaarigen mit der Nickelbrille da.“
…Und ich hab so geweint/Du warst mein bester Freund/Tralalalala…
Am nächsten Morgen fand man den Langhaarigen mit der Nickelbrille. Der Kommissar und sein neuer Assistent eilten zum Tatort.
„Schuuuultz! Was haben wir hier?“ plärrte der Kommissar.
„Einen toten Liedermacher.“
„Was Sie nich sagen. Wohl Kriminalistik studiert was?“
„Naja…dass er tot ist erkennt man am offensichtlich abgetrennten Kopf, und ich nehme an, die Gitarre, die bis zum Korpus in seinem Rektum steckt gehört ihm. Und die abgeschnittenen Haare, die den Schriftzug „Du bist kein Rock’nRoll!“ ergeben, sind ein Hinweis darauf, dass er wohl einer der Teilnehmer am gestrigen Gedenkkonzert war.“
“Fresse, Professor!“ Der Kommissar war von soviel Klugscheißerei echt angewidert.
Das tragische und abrupte Ableben des Barden löste eine spontane Massenpanik aus. Alle im Dorf befindlichen Liedermacher, Theaterregisseure und ehemaligen Kinderstars rannten wie die aufgescheuchten Hühner durch das Dorf. Den Theaterregisseure und ehemaligen Kinderstars gelang es, ins Nachbardorf zu flüchten. Die Liedermacher klampften wirre Klagelieder und wussten weder ein noch aus. Gegen Abend aber war das Dorf liedermacherfrei.
Einige Tage vergingen und das Ehepaar Schneider wurde langsam nervös, denn es häuften sich die Gerüchte, dass die Intellektuellen des Landes ans Auswandern dachten. Die Literaten waren erledigt, die Reste der Liedermacher- und Theaterregisseurszene geflohen, und da Frau Schneider was für Gemälde übrig hatte, blieben die Maler vorerst verschont. Fast wäre das Ehepaar Schneider an Langeweile erstickt, hätte nicht die französische Regierung ein Gesetz zur finanziellen Förderung und Unterstützung der Kleinkunst verabschiedet. Doch unmittelbar danach ging ein Ruck durch Frankreich, denn die Schneiders waren schon über die Staatsgrenzen hinaus berühmt-berüchtigt. Die Kleinkunstbühnen Frankreichs wurden geschlossen, die Türen der Kunsthochschulen verrammelt und die Akkustikgitarrenbauindustrie brach in sich zusammen.
„Wie wär’s mit England? Ist da noch was zu tun?“
„Kann schon sein.“
„Na dann, auf nach England!“ Frau Schneiders Herz hüpfte vor Entzücken.