Trümmerhaufen
Eine Anhäufung von Bauschutt?
Eingestürzte Häuser?
Autowracks?
Leider habe ich keinen Duden zur Hand um die offizielle Definition von diesem blödem Wort nachzuschlagen.
Die meisten Trümmerhaufen die ich in meinem Leben gesehen habe waren allerdings menschlicher Natur.
Ich weiß das es sich nicht gehört die Geschichte von Jemanden zu schreiben der nichts davon weiß, und dem es bestimmt auch nicht gefallen würde sein kaputtes Leben gerade von mir durchgekaut zu bekommen.
Aus diesem Grund ändere ich jetzt einfach ein paar Namen und hoffe nicht entdeckt zu werden.
Leider kann sich Nadja kaum an ihre Geburt erinnern, aber aus Erzählungen weiß ich das es nicht gerade einfach für den Rest der Familie war.
Nadjas Vater, der sich zu Töchterchen Carola so sehr einen Jungen gewünscht hatte und dummerweise den Ärzten, die bestimmt irgendetwas haben baumeln sehen, geglaubt hat konnte seine Enttäuschung kaum verbergen.
Na ja, vielleicht hätte er es gekonnt, aber auch wenn es sonst nicht seine Art war Gefühle zu zeigen, stöhnte er beim Anblick des Neugeborenen ständig etwas wie : „Das war nicht abgemacht“ oder: „noch ein Weib womit habe ich das verdient“ und: „Mein Leben ist ein Trümmerhaufen!“
Ihre Mutter reagierte darauf mit einem Heulkrampf der fast zwei volle Tage anhielt. Irgend ein Schlaumeier hat mir mal erzählt das man so etwas Wöchnerinnendepressionen nennt.
Aber das ist ja auch egal.
Auf jeden Fall fing in diesem Mai 1966 das ganze Elend an.
Ich glaube das ein Säugling auch schon in den ersten Tagen seines Lebens Ablehnung verspüren kann, vielleicht hat auch das schon dazu beigetragen Nadja zu dem zu machen was sie heute ist. Aber wir bleiben lieber beim Anfang der ganzen Geschichte.
Die ersten Jahre ihrer Entwicklung verliefen eigentlich ohne große Zwischenfälle.
Obwohl Nadja auch schon mit drei Jahren durch, wie soll man sagen?, eine leicht erhöhte Gewaltbereitschaft auffiel.
Da war zum Beispiel 1996 Carolas Einschulung.
Nadja hatte die Aufregung in der Familie schon seit Tagen stillschweigend mit angesehen.
Doch mit jedem Wort über diese dumme Schultüte wurde der Neid immer größer, aber das war nicht das Schlimmste, am meisten wurmte die Kleine das sogar der Opa aus Bayern kommen wollte.
Wann war der das letzte Mal wegen Nadja gekommen?
So weit sie sich erinnern konnte noch gar nicht.
Langsam wandelte sich der Neid in ihr in Wut, die von Sunde zu Sunde stärker würde.
Am Abend vor der Einschulung konnten die beiden Mädchen kaum einschlafen. Carola weil sie so unheimlich aufgeregt war, Nadja weil ihr ganzer Kopf vor Wut zu platzen drohte.
Warum musste es nur immer um Carola gehen? Eigentlich war es doch wirklich immer so.
Morgens fing das an. Mama kämmte stundenlang Carolas langes, unheimlich schönes Haar und band es zu einem dicken Zopf zusammen. Wehe man störte die beiden bei dieser Prozedur....
Nadja hatte kurzes sehr dünnes Haar. Opa sagte mal: „Nadja das liegt daran das du ein Junge werden solltest.“ Und fand das auch noch richtig komisch.
Nadja fand das gar nicht komisch.
Sie hasste Carolas Zöpfe und sie hasste die weiche mädchenhafte Art mit der Carola sich bewegte. Langsam wurde ihr klar das sie ihre Schwester Abgrund tief hasste.
Gegen Mitternacht lag Nadja immer noch wach. Im Haus war es sehr ruhig geworden. Außer dem Hippie im sechsten Stock schien die ganze Welt zu schlafen. Nur der Bass eines alten Stones Stück war zu hören, sonst Totenstille.
Nadja kletterte aus ihrem Bett. In ihrem kleinen Kopf rotierten hunderter von Gedanken.
„Ob man wohl ohne Haare in die Schule darf?“
Sie schlich durch die Wohnung bis ins Bad.
Da war sie die große spitze Haarschere. In ihrer kleinen Hand wirkte das Ding wie eine Heckenschere. Nadja dachte an die Nachbarstochter. „Die hatte ja auch ganz kurze Haare und durfte trotzdem in diesem Jahr in die Schule.
Also ein Scheiß Plan.
„Aber ohne Augen?“
Konnte man denn zur Einschulung ohne den Lehrer zu sehen?
Sie hatte noch nie von einem Schulkind ohne Augen gehört. Das musste die Lösung sein!
Jetzt stand sie neben Carolas Bett.
Der übermenschliche Hass hatte sie in einen Zustand versetzt der einer Trance glich.
Meiner Meinung nach waren das, was jetzt in Nadjas Kopf vorging, keine geordneten Gedanken mehr. Eher eine Art von Instinkt oder ein unkontrollierbarer Trieb.
Carola (die bis Heute, fast 30 Jahre später, Kinder nicht ausstehen kann) erwachte in dieser Augustnacht durch eine leichte Berührung an ihrem Bett und schaute in das Gesicht ihrer Schwester. Nadjas Gesicht glich kaum noch dem Kindergesicht das sie kannte. Mit weit aufgerissenen Augen und mit vor Hass verzerrten Muskeln sah es mehr aus wie das Gesicht einer verbitterten alten Frau. Einer verbitterten alten Frau die offensichtlich mit dem Wahnsinn kämpfte! Carola riss den Kopf zur Seite und schrie laut und schrill. Die Schere raste an ihrem Kopf vorbei, durch das Kissen in die Matratze. Der spitze Schrei holte Nadja augenblicklich in die Realität zurück.
Sie riss die Schere aus der Matratze, schmiss sie geistesgegenwärtig unter den Kleiderschrank und sprang in Windeseile in ihr Bett. Als die Mutter der Mädchen ins Zimmer gehastet kam lag Carola kreideweiß und zitternd in ihrem Bett und konnte vor Schock nicht mal heulen.
Nadja versuchte so verwundert und verschlafen auszusehen wie es ihr irgend möglich war.
Nachdem die Mutter Carola beruhigt hatte, versuchte sie ihrer verstörten Tochter zu erklären das alles nur ein böser Traum war.
Träume können dir manchmal richtig echt vorkommen, Carola.
Nadja hätte am liebsten gelacht. Die verbarg ihr Gesicht im Kissen und tat so als wäre sie wieder eingeschlafen.
Carola bestand immer noch darauf nicht geträumt zu haben. Sie wusste das es kein Traum war.
Schlaf jetzt Carola morgen ist ein anstrengender Tag für dich.
Das war jetzt ein sehr frühes aber schon relativ heftiges Beispiel für Nadjas auffälliges Verhalten. Damals glaubte Niemand ihrer Schwester.
Wer traute einer kleinen pummeligen drei- jährigen schon so einen Anschlag zu?
Für ihre Außenwelt war sie ein ruhiges schüchternes Mädchen.
Sie spielte am liebsten allein. Welches Kind kann man schon in dem Alter in einen Innenhof setzen ohne das es auch nur einmal am Tag irgendwie stört. Jeder der genau nachgeschaut hätte was Nadja so spielte hätte sofort sehen können das mit dieser drei-jährigen etwas nicht stimmt. Nur leider schaut niemand genauer nach ihr.
Jedes ihrer Spiele war auf eine neue Art grausam.
Sie konnte sich zum Beispiel stundenlang damit aufhalten, Fliegen in Käfer indem sie ihnen die Flügel ausriss. Sie konnte Ewig dabei zusehen wie die dicke Spinne, unterm ersten Kellerfenster, die hilflosen „Käfer“ umspann um sie dann auszusaugen.
Stundenlang saß sie auf dem Fahrradständer vorm Haus und spielte mit Insekten.
Eigentlich hätte man auch Nadjas Unfähigkeit mit anderen Kinder umzugehen bemerken müssen. Sie hatte regelrecht eine panische Angst vor fremden Kindern.
Aus dieser Angst entwickelte sie ein sehr merkwürdiges Verhalten; Sie fing an Stimmen im Treppenhaus genau zu unterscheiden. Sie wusste genau ob ein Erwachsener oder ein Kind aus der Tür kam. Wenn sie es nicht an der Stimme erkennen konnte konzentrierte sie sich auf das Geräusch der Schuhe. Obwohl ihr Platz am Fahrradständer mindestens drei Meter von der Haustür entfernt war wusste sie wer und vor allem wie viele Leute aus der Tür kamen.
Waren es leichte Schritte eines einzelnen kleineren Kindes blieb sie in spannender Erwartung sitzen. Waren da auch schwere Erwachsenen Schritte verharrte sie mit einem Lächeln. Mit Verharren meine ich, dass sie jedes halbtote Vieh fallen ließ und das unscheinbarste Lächeln aufsetzte das die Welt je gesehen hat. Hörte sie aber die Schritte mehrerer Kinder flüchtete sie in die Rhododendron Büsche hinter der Hausecke so schnell sie konnte, wo sie eigentlich immer unentdeckt blieb.
Kam ein einzelnes jüngeres oder schwächeres Kind, sprang sie meist sofort auf und stellte sich in den Weg. Die meisten Kinder im Haus wussten was einem passieren kann wenn man ihr nicht entwischte, sie rannten deshalb schon die letzten Stufen so schnell sie konnten um dann mit Höchstgeschwindigkeit an Nadja vorbeizuhechten. Mit gerade fünf Jahren fing sie an den Kids die das nicht schafften , die Taschen auszuräumen um sie von ihrem Taschengeld zu erleichtern. Wenn sie Glück hatten bekamen sie danach nur eine höllische Tracht Prügel.
Den kleinen Horst aus dem dritten Stock erwischt sie fast jedes Mal. Ein Mal verprügelte Nadja den ein Jahr jüngeren Jungen so heftig das er sich weinend , vor Angst und Schmerz in die Hose pinkelte.
Für Nadja war das, dass erhabenste Erlebnis das sie bis dahin in ihrem Leben hatte.
Die absolute Machtlosigkeit des Jungen bereitete ihr in diesem Augenblick ein Gefühl das man fast Glück nennen könnte.
Nachdem sie Horst, der wirklich sogar zum schreien zu eingeschüchtert war einbläute: Wenn du irgend Jemanden ein Wort verrätst bringe ich dich um, und mein Alter bläst den Rest von eurer Sippe weg“ zerrte sie ihn zu seinem Fahrrad und kettete ihn, mit seinem eigenen Fahrrasschloss, daran fest.
Den Schlüssel den sie in seiner Hosentasche gefunden hatte schleuderte sie mit aller Kraft über den großen Zaun in den Nachbarhof.
So hing Horst auch ziemlichlange an sein Rad gekettet da und traute sich nicht zu schreien.
„Na Horst, putzt du dein Fahrrad auch ordentlich?“ Frau Schäfer aus dem ersten Stock schaute kaum zur Seite und verschwand auch schon im Hausflur.
Es dauerte bestimmt eine Stunde bis Horst Vater von der Arbeit kam. Als er den Jungen mit einem Seitenschneider befreit hatte versuchte er natürlich heraus zu bekommen was passiert war. Horst sagte nichts. Nadjas Drohungen hatten gewirkt.
Nadja saß beim Abendessen und fühlte sich richtig beschissen. Nicht etwa das Horst ihr leid getan hätte vielmehr war es die Angst er könnte sie doch noch verraten, die in ihr aufstieg und ihr die Kehle zuschnürte. Als es an der Tür klingelte blieb ihr fast das Brot im Hals stecken.
„Nadja was ist mit dir du bist ja ganz weiß?“ Ihre Mutter sah richtig besorgt aus.
„Nichts“ sagte Nadja und fühlte sich gleich viel besser als nur ihre Tante Else in der Tür stand. Tante Else war die dickste und geschwätzigste Frau die Nadja je gesehen hatte.
Nadja konnte sie irgendwie überhaupt nicht ausstehen.
Wenn Tante Else sich schnaufend in einen Stuhl fallen ließ, erfüllte sofort ein unangenehmer Geruch die ganze Küche. Es stank nach Schweiß, 4711 und altem Fett.
Sie fing immer sofort an zu reden.
Normaler Weise von irgendwelchen Krankheiten von denen Nadja noch nie etwas gehört hatte. Meistens war es ziemlich unangenehm sich beim Abendbrot z.B. Geschichten über Elses eingewachsenen Zehnägel anzuhören.
Heute redete Else nicht über Zehnägel sondern schnaufte: „Ach die Welt wird immer grausamer. Habt ihr schon gehört was dem kleinen Horst Tölken aus dem dritten Stock passiert ist?“ sie wartete nicht dass jemand antwortete. „Der arme Bengel ist von Jugendlichen aus den Nachbarblocks überfallen worden.
Ich habe gerade seine Mutter im Treppenhaus getroffen, die Ärmste war nach ganz durcheinander, ist das nicht schrecklich? Gott sei Dank hat der Junge nur ein paar Schürfwunden und blaue Flecken.
Kinder, Kinder, seid nur immer schön vorsichtig und geht den großen Jungs aus dem Weg.“
„Ja“ sagte Carola und auch Nadja nickte heftig. Die war erleichtert und stolz. Der kleine Pisser hatte wirklich dicht gehalten. Jetzt ging auch das Nutella Brot wieder richtig gut rein.
Carola war auf einmal gar nicht mehr nach essen zumute. Sie konnte das Gefühl nicht loswerden das Nadja sehr merkwürdig reagiert. Aber wie hätte gerade sie als acht-jähriges Mädchen da durchblicken sollen?
Der beste Kinderpsychologe hätte es schwer gehabt Nadjas Verhalten zu deuten.
Horst kam die nächsten Tage nicht mehr nach draußen.
Auch andere Eltern die von dem Überfall gehört hatten, ließen ihre Kinder nicht mehr allein aus dem Haus. Carola spielte den ganzen Tag bei ihren Freundinnen. Mutter putzte von Morgens bis Abends und Vater kam meistens erst nach Hause wenn die Mädchen schon im Bett waren. So vergingen einige Wochen.
Nadja langweilte sich oft auf ihrem Platz am Fahrradständer.
So auch als einen Monat später Horst Vater um die Hausecke kam.
Im ersten Augenblick blieb Nadja fast das Herz stehen. Sie fing sich aber sofort wieder als sie sah das Herr Tölken ihr zulächelte. Nadja musste an die Geschichte mit der Jugendgang denken was ihr ein selten freundliches entrückte.
Horsts Vater blieb stehen. „Hallo Nadja ist dir denn gar nicht langweilig so alleine?“
„Doch sehr“ ihr Grinsen wurde noch etwas breiter „können sie nicht den Horst etwas runter schicken?“
„Natürlich Kleine, das ist eine gute Idee. Der Junge muss sowieso mehr an die frische Luft. Weißt du meine Frau zieht uns da noch einen richtigen Stubenhocker ran. Macht ihr Beide nur ein bisschen die Siedlung unsicher, .Horst kommt gleich.“
Nadja konnte es kaum glauben. In ihr stieg eine unheimliche Spannung auf. Sie setzte sich näher an die Haustür um Geräusche im Treppenhaus besser hören zu können. Am liebsten hätte sie drinnen gewartet aber der dämliche Hausmeister duldete nun mal keine Kinder im Treppenhaus, und leider teilte er Nadjas Begabung Kinderschritte von Erwachsenen zu unterscheiden, sogar durch seine Wohnungstür!
Los Pisser, wo bleibst du? Nadja bekam schon feuchte Hände, solche Situationen fand sie wirklich fast unerträglich, sie hasste es zu warten.
Horst heulte Rotz und Wasser. „Ich will nicht nach draußen, Papa. Bitte ich will nicht das Nadja mit mir spielt. Nadja ist böse.“ Herr Tölken wurde langsam wütend.
Er schrie seine Frau an: „Siehst du was du damit erreicht hast das Kind den ganzen Tag im Haus zu behalten? Der verweichlicht total. Und übrigens ist er ja auch nicht alleine. Die Jugendlichen haben sich nie an mehreren Kindern vergriffen.“
Hätte er in die Augen seines Sohnes gesehen, hätte er seine panische Angst sehen können. Vielleicht hätte er gemerkt das irgendetwas nicht stimmt.
Aber zu spät, die Tür war zu und Horst stand zitternd im Treppenhaus.
Da stand er nun uns fühlte sich wie ein Kaninchen in der Falle. Die Panik ließ keinen klaren Gedanken mehr zu.
Aus irgendeinem Selbsterhaltungstrieb heraus leerte er seine Hosentaschen aus und versteckte den Inhalt in dem großen Blumenkübel neben der Wohnungstür.
1.30 DM, 4Kaugummis, 1 Hanuta Fußballklebebild und den neuen Fahrradschlüssel.
Die Nachbarwohnung öffnete sich einen Spalt „Horst, das ist kein Spielplatz! Sieh zu das du nach draußen kommst.“
Die Hexe von nebenan klebte den ganzen Tag mit dem Auge am Türspion. Sie war das neugierigste Stück im ganzen Haus.
Horst ging langsam die ersten Stufen herunter.
Ihm war übel, am liebsten wäre er zurückgelaufen oder stehen geblieben, aber er wusste das, dass nicht ging.
Oben stritten seine Eltern. Wenn er einfach stehen blieb, würde innerhalb von zwei Minuten der Hausmeister vor ihm stehen und ihn an den Ohren nach draußen ziehen.
Warum hatte sich nur die ganze Welt gegen ihn verschworen?
Die letzten Stufen lagen vor ihm. Durch die gläserne Haustür konnte er Nadjas Umrisse erkennen.
Nadja riss die Tür auf. „Wo bleibst du denn du kleiner Pisser? Hättest du dich nicht etwas beeilen können?
„Lass mich in Ruhe.“ Horst Stimme hörte sich sehr verheult und weinerlich an. „Was habe ich dir denn getan?“ Er versuchte an Nadja vorbei zu huschen, aber sie packte seinen Arm und hielt ihn fest.
„Nichts hast du mir getan. Hör auf zu flennen ich tu dir doch auch nichts. Ich will nur mit dir spielen. Los komm mit, wir gehen zu den Müllboxen.“
Sie zerrte Horst hinter sich her bis zu den Boxen.
„Ich bin der Polizist und du der dreckige Gangster. Los schneller dreckiger Gangster.“
Horst versuchte um Hilfe zu schreien, aber Nadja hielt ihm den Mund zu.
Die Müllbox war vielleicht knapp einen halben Quadratmeter groß. Sie hatte zwei große Metalltüren an denen man die Mülleimer befestigen konnte. Auf der linken Seite hin der total überfüllte Mülleimer von Krauses. Die mit einem Kleinkind und einem Säugling meistens noch Mülltüten mit bekackten Windeln neben ihren Eimer quetschten.
So gesehen hatte Horst Glück, es war Anfang der Woche und Die Box war noch relativ leer.
Nadja drückte ihn in die rechte Ecke der Box und schlug die Tür zu.
Ich muss erwähnen das jedes Kind im Haus wusste das die Boxen nicht von innen zu öffnen waren. Als die Dinger damals aufgestellt wurden verteilte der Hausmeister Flugblätter an alle Familien mit den allgemeinen Benutzeranleitungen und einer Warnung vor eben diesen gefährlichen Türen die, die Eltern an ihre Kinder weiterleiten sollten.
„Nadja, Nadja“ Ihre Mutter hing oben aus dem Fenster. „Willst du auch Kuchen? Dann komm eben hoch!“
„Ich komme.“ Nadja trat noch einmal kräftig an die Metalltür und lief ins Treppenhaus.
Horst kauerte in der Box. Das dröhnen der Türen zerriss ihm fast das Trommelfell. Der Gestank nach Babyscheiße und alten schimmeligen Essensresten konnte man kaum ertragen.
„Nadja, lass mich raus.“
Keine Antwort.
„Nadja?“
Horst fing an zu heulen. Er hatte schreckliche Angst in der Dunkelheit und ihm wurde von dem Gestank ganz übel.
„Mama ich gehe wieder nach draußen.“
Nadja hatte zwei Stücke Kuchen verdrückt und fühlte sich Prima. „Nimm dir ruhig nach ein Stück Kuchen mit runter und sei pünktlich zum Abendbrot zurück.“ Nadja stopfte sich ein Stück Marmorkuchen in die Tasche ihres Anoraks und flitzte die Treppe herunter.
Seid sie Horst eingesperrt hatte war gut eine halbe Stunde vergangen. Nach so langer Einzelhaft musste man einfach hungrig sein, dachte Nadja zog den Kuchen aus der Tasche und bestückte ihn auf ihrem Weg zu den Müllboxen mit Spucke und Ameisen.
Sie hatte sich sehr leise an die Box geschlichen um Horst mit einem kräftigen Tritt gegen die Tür zu erschrecken.
Die Tür dröhnte zwei Minuten aber aus dem Inneren der Box kam kein Laut.
„Hey Pisser, bist du eingeschlafen?“ schrie Nadja. Sie öffnete die Müllbox und was sie sah gefiel ihr überhaupt nicht.
Horst lag zusammengekauert in der Ecke. Seine Hose war nass und aus dem Mund schwappte etwas das aussah wie Spinat.
Nadjas erster Gedanke war, das Horst jetzt wohl keinen Kuchen mehr wollte.
Geistes abwesend wischte sie die Ameisen vom Kuchen und starrte in die Box.
So stand sie da bis ein fürchterlicher Schrei hinter ihr sie aus ihrer Starre riss.
Frau Mertens, der Hausmeisterfrau, waren bei Horsts Anblick ihre Mülltüten aus der Hand gefallen. Nadja meinte das es angebracht ist mitzuschreien und tat dieses auch sofort.
Durch das Geschrei versammelten sich schnell viele Leute im Hof. „Was ist passiert?“
Horst Eltern versuchten sich durch die Menschenmenge zu drängen.
Horsts Mutter brach sofort zusammen als sie ihren toten Sohn sah, den die
Sanitäter mittlerweile aus der Müllbox gezogen hatten um die letzten Rettungsversuche zu starten. Horst war erstickt.
Sein Vater stürmte zu Nadja und schüttelte sie "Wie konnte das passieren? Wie ist das passiert?
Ich weiß nicht ! Ich war nur eben oben Kuchen holen" Nadja hielt Herrn Tölken das Kuchenstück hin und fing bitterlich an zu heulen.
Sie hielt das für das Klügste was sie jetzt tun konnte Für sie war es das wohl auch denn sofort wurde ein Sanitäter auf die beiden aufmerksam.
,,Das Kind hat doch einen Schock , sagte er befreite Nadja von Herr Tölkens Griff und brachte sie zum Krankenwagen. Der Krankenwagen brachte sie mit Blaulicht ins Krankenhaus. Das muss ein wunderschönes Gefühl für Nadja gewesen sein ,denn sie kann sich heute nicht mehr an dass erinnern was damals bei Horsts Anblick in ihr vorging aber dieses Gefühl mit Blaulicht durch die ganze Stadt zu rasen hat sie damals sehr beeindruckt. Ein Arzt saß die ganze Fahrt neben ihr und versuchte sie zu beruhigen.
Auch er ging davon aus dass Nadja einen schweren Schock erlitten hatte. Nadja konnte das überhaupt nicht verstehen. Sie fühlte sich Innerlich sehr ruhig und selten ausgeglichen. Trotzdem fand sie den Arzt sehr nett, sie war es nicht gewohnt das ihr jemand seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. Und nun drehte sich alles nur noch um sie.
Lange nach dem Horsts Leichnam aus dem Hof getragen wurde fiel Tante Else, die allen dort versammelten ihre Entrüstung über den Vorfall kundgegeben hatte, end1ich ein das sie jetzt Nadjas Eltern über den schrecklichen Unfall, den ihre Tochter traurigerweise entdeckte, informieren musste
Nadias Vater öffnete die Wohnungstür. Es war nicht zu überhören das er nach der Arbeit in der Eckkneipe ordentlich getankt hatte.
,,Ach du bis nur, Else ,,Er wankte und sah irgendwie wütend aus, in seiner Hand hielt er einen langen Ledergürtel.
Else konnte noch nicht sprechen die Stufen raubten ihr jeden Atem ,als sie wieder etwas Luft bekam fing sie an zu schnaufen: ,,Nicht erschrecken ,Nadja“ sie musste erst einmal wieder Luft holen
Die Wut in dem Gesicht von Nadjas Vater wandelte sich in Verwunderung. Er hatte fest damit gerechnet das seine Tochter vor der Tür stehen würde.
Der Gürtel den er sich extra geholt hatte weil Nadja schon eine Stunde zu spät fürs Abendessen war, fiel ihm aus der Hand.
,,Else ,was ist mit Nadja? rede schon!" Seine Stimme klang jetzt schon viel nüchterner.
Tante Else brachte die Geschichte unter schnaufen so gut hervor wie sie konnte.
Die nächsten Wochen vergingen für Nadja wie im Flug.
Fast alle nahmen sehr viel Rücksicht auf sie und waren sehr freundlich. Nadja konnte zwar überhaupt nicht begreifen was sie verkraften sollte fand es sehr angenehm von allen das ,,arme Ding ,, genannt zu werden. Die Einzige die ,die nicht ganz an die Geschichte glaubte war ihre Schwester Carola.
Sie wusste das es kein Unfall war was dem kleinen Horst passiert war. Aber sie wusste auch dass ihr keiner glauben würde.
Und sie hatte Angst vor Nadja, ihrer drei Jahre jüngeren Schwester.
Im Sommer 1972 kam Nadja zur Schule.
Über den traurigen Vorfall im Hof redete Keiner mehr.
Horsts Eltern waren mittlerweile weggezogen. Tante Else sagte, die Wohnung sei nach der Scheidung zu groß für Frau Tölken allein. Sie stopfte sich noch ein Stück Kuchen in ihren riesigen Mund und fügte hinzu: ,,Der Alte hat ja auch nur noch gesoffen ,kein Zustand so etwas.
Nadja überlegte wo sie wohl nach der Scheidung hinkommen würde. Ihr Alter soff doch auch jeden Tag.
Und wo kommt wohl der versoffene Alte hin ?Die dicke Else hatte doch gesagt Frau Tölken ist jetzt alleine.
,,Nadja nicht träumen" ihre Mutter drückte Nadjas Kopf in das Heft das vor ihr auf dem Küchentisch lag. ,,Hausaufgaben."
Nadja malte lustlos weiter Kreise und Haken, was sie selber sehr kindisch fand. Carolas Hausaufgaben sahen irgendwie viel wichtiger aus.
Ihre Gedanken drehten sich wieder um diese für sie sehr merkwürdige Sache mit der Scheidung.
Irgendwie gefiel ihr die Idee ihren Vater nicht mehr wieder zu sehen. Bei dem
Gedanken nicht mehr mit Carola in einem Zimmer schlafen zu müssen beschlich sie ein Gefühl der Vorfreude. Sie war sich jetzt sicher eine Scheidung musste eine
gute Sache sein. Die Kreise in ihrem Heft wurden immer größer die Haken ließ sie ganz weg ohne es zu merken. Als das Blatt vollgekritzelt war ,war Nadja zu dem
Schluss gekommen das es nur noch eine Frage der Zeit seien konnte bis ihr Alter genug für eine Scheidung gesoffen hatte. Sie packte schnell ihr Heft in die
Schultasche und freute sich das keiner ihr Geschmiere sehen wollte und natürlich freute sie sich auf die Scheidung, die sicher bald kommen würde.
Kurz nach dem Else an diesem Tag aus der Wohnung gegangen war zog Nadja ihre
Schuhe an und lief hinterher ins Treppenhaus.
Schon auf den ersten Stufen hatte sie ihre Tante eingeholt
,,Tante Else?"
,,Was ist denn Kind?"
,,Tante Else ,wenn Horst nicht tot wäre, Nadja versuchte traurig zu gucken weil
alle das taten wenn der Name Horst erwähnt wurde ,,hätten seine Eltern dann auch
eine Scheidung bekommen?“ ,,Vielleicht" schnaufte Else, wer weiß das schon so genau." ,,Und wo wäre Horst dann hingekommen?"
,,Wahrscheinlich wäre er bei seiner Mutter geblieben .“ Else musste kurz stehen bleiben „Und jetzt frag mir keine Löcher mehr in den Bauch."
Nadja lief die Treppen nach unten und setzte sich auf die unterste Stufe. Als ihre Tante nach guten fünf Minuten, unter schnaufend auch ankam, fragte sie: ,,Und wenn nicht?"
,,Was, wenn nicht?
,,Wenn seine Mutter ihn nicht hätte haben wollen?"
,,Aber Nadja Horst war so ein lieber Junge wieso hätte seine Mutter ihn nicht
haben wollen?“
Nadja hätte am liebsten noch gefragt wo Horst denn hingekommen wäre wenn er nicht lieb gewesen wäre oder wo der versoffene Alte bleibt? Aber da verschwand Elses dicker Hintern schon aus der Haustür.
Als langsam die ersten roten Blätter den Herbst ankündigten wurde Nadja immer unruhiger.
Ihre Eltern stritten täglich und ihr Vater soff nur noch. Er hatte vor einigen Wochen seine Arbeit verloren.
Geld für die Kneipe an der Ecke war wohl auch nicht mehr da, den der Alte lag meistens den ganzen Tag im Bett und kippte billigen Schnaps aus dem neuen Aldi direkt von Gegenüber.
Aber obwohl alles immer unerträglicher wurde redete niemand mehr von Scheidung.
Und keiner wollte Nadjas Frage: ,,Wo Kinder bleiben die von ihren Müttern nicht mehr gewollt werden?"' beantworten.
Irgendwie dauerte Ihr das alles viel zu lange.
Nadja war sich sicher das ihre Mutter sie auf gar keinen Fall behalten würde. Carola..
Carola, ja. Carola war hübsch und immer nett.
Ihre Hausaufgaben sahen viel sauberer aus und schienen auch viel wichtiger zu sein.
Wenn Mutter mit den Nachbarrinnen redete zeigte sie manchmal Carolas Haushefte. Nadjas Hefte zeigte sie nie.
Mutter schien mächtig stolz auf Carola zu sein. ,,Wahrscheinlich ich bin ich ihr Peinlich!,“ entfuhr es Nadja Sie saß auf der Fensterbank ihres Zimmers und sah den Blättern, die von den Bäumen schwebten, zu.
Draußen wurde es immer dunkler. Dicke Regenwolken zogen sich am Himmel zusammen.
In Nadjas Kopf zogen schwarze Zornwolken zusammen, das sie kaum noch denken konnte.
Sie fühlte sich benachteiligt und ungeliebt.
Sie kannte dieses Gefühl, aber heute war es intensiver denn je.
Zwei Jungen rannten über den Weg neben dem Baus zum Eingang um sich vor dem herannahendem Regen zu schützen.
Die beiden lachten und schubsten sich gegenseitig. ,,Die sehen aus wie gute Freunde!" dachte Nadja
,,Ich habe keinen richtigen Freund." Sie fühlte sich furchtbar Einsam. Kaum waren die beiden Jungen im Eingang verschwunden, kam eine Gruppe
Mädchen um die Ecke.
Sie machten Späße und kicherten.
Einige waren in Nadjas Alter die meisten schienen älter. Sie konnte ihre fröhlichen Stimmen bis nach oben hören. Ein Kichern fiel ihr besonders auf.
In ihren Ohren dröhnte es regelrecht.
Carola. In mitten der ganzen Horde lief Carola.
Wenn Carola Nadja mit nach draußen nehmen sollte sagte sie immer:
,,Die Kleine? Was sollen wir denn mit der schon Anfangen?"
Und jetzt?
Fast alle kleinen Mädchen aus dem Haus waren um Carola versammelt!
Manche sogar jünger als Nadja selbst.
Sie war so wütend!
Ihr Herz rannte.
Ihr Kopf wurde knall rot.
Sie sprang von der Fensterbank.
Diesen Anblick wollte und konnte sie nicht mehr ertragen.
In der Wohnung war ein schrecklicher Krach.
Sie versuchte die Geräusche auseinander zu halten. Ein Teil kam aus der Wohnung von unten. Sehr laute Musik wahrscheinlich oder ein gleichmäßiges Hämmern. Von oben hörte man eine Toilettenspülung.
Den Rest besorgten ihre Eltern mit ihrem ewigen Geschrei wobei keiner mehr begriff worum es eigentlich ging. Eigentlich interessierte das auch keinen mehr nicht mal den Nachbarn, der sich fast jeden Tag über den Krach beschwerte.
Nadja setzte sich an den Schreibtisch, sie zog die Schublade mit den Bastelsachen auf.
Oben auf dem Bastelpapier das sie für die doofe Laternenbastelei in der Schule bekommen hatte lag die große Schere.
Plötzlich erinnerte sich Nadja an die Nacht vor Carolas Einschulung. ,,Warum ist die blöde Kuh nur wach geworden?
Mittlerweile war sie sich im Klaren darüber das es auch Blindenschulen gibt und Carola auch blind zur Schule gekommen wäre. Wenn wahrscheinlich auch etwas später.
Aber vielleicht hätte sie ja auch damals schon die Kraft gehabt Carola die Schere durch das Auge weiter in den Kopf zu stechen.
Nadjas Lehrerin hatte einmal erklärt. Im Kopf hinter den Augen liegt das Gehirn. Und ohne das Gehirn könnte der Mensch nicht denken."
Es wäre wunderschön wenn Carola nicht denken könnte.
Noch schöner wäre es natürlich wenn es Carola gar nicht geben würde!
Nadja saß da und betrachtete die Schere in ihrer Hand.
Irgendetwas müsste passieren. So konnte es doch nicht immer bleiben!
Ein dumpfer Knall, der wohl aus der Küche kam, riss sie aus ihren Gedanken. Sie lauschte.
Es war merkwürdig still geworden in der Wohnung.
Nadja sprang auf und lief durch den hur zur Küche, die Schere immer noch fest umklammert.
Sie blieb wie erstarrt vor der Küchentür stehen.
Ihre Mutter lag ,mit weit aufgerissenen Augen ,vor der Heizung auf dem Küchenboden.
Ihn ihren Kopf bildete sich eine dunkelrote Blutlache.
Ihr Vater stand wie angewurzelt daneben und stammelte immer wieder
,,Das habe ich nicht gewollt. Bitte steh auf.
Das habe ich nicht gewollt, das habe ich nicht gewollt."
Nadja umklammerte die Schere in ihrer Hand fester. ,,Das habe ich nicht gewollt.
Was soll ich den jetzt machen? Das habe ich doch nicht gewollt!" Ihr Vater fing an zu Heulen.
Ihr Vater war, in diesem Augenblick, der abstoßende Mensch den sie je gesehen hatte.
Wie er da stand heulend nach Schweiß und Alkohol stinkend. Nadja war zwischen Hass und Ekel hin und her gerissen.
Geistesabwesend machte sie einen Satz durch die Küche auf ihren Vater zu und rammte ihm die Schere in den Bauch.
Ihr Vater krümmte sich nach vorn. Nadja nahm ein Kartoffelmesser das auf den Tisch gelegen hatte und stach es ihm in den Rücken.
Sie stach so lange auf ihn ein bis er zusammenbrach -
Sie selbst hätte nicht vermocht zu sagen wie viele Stiche sie ihrem Vater versetzt hatte.
In der Zeitung stand später das der Familienvater durch 12 Stiche getötet wurde. Ich frage mich ob die den Einstich der Schere mit gerechnet haben.
Als ihr Vater endlich zusammenbrach lies sie das Messer fallen
Sie schaute sich in der blutverschmierten Küche um ,dann an sich herunter.
Ihre Hände und ihr Pullover waren Blut verschmiert.
Sie ging ins Bad und wusch sich die Hände.
Nadja fühlte sich jetzt schon fiel besser.
Nachdem sie einen frischen Pullover angezogen hatte ging sie ins Wohnzimmer um ein wenig Fernzusehen. Sie hatte es sich gerade in dem dicken Fernsehsessel, auf dem sonst nur der Alte sitzen durfte, bequem gemacht als sie einen Schlüssel in der Haustür hörte.
Das musste Carola sein
Nadja nahm den schweren Aschenbecher vom Wohnzimmertisch und stand auf. Sie ging ganz langsam und ruhig aus dem Wohnzimmer in den Flur.
Am anderen Ende des Flurs saß Carola und zog sich ihre Bausschuhe an. ,,Hallo" sie lächelte Nadja entgegen
,,Dir wird dein dummes Grinsen schon vergehen": schnauzte Nadja, den Aschenbecher hinter ihrem Rücken versteckt.
,,Ja, Ja" Carola huschte an Nadja vorbei in die Küche.
Nadja blieb ganz dicht hinter ihr.
Carola stieß einen kurzen spitzen Schrei aus als sie das Chaos in
der Küche sah. Es war das letzte was sie sah, denn in dem Augenblick schlug Nadja den schweren Glasaschenbecher mit aller Kraft die sie aufbringen konnte über Carolas Kopf.
Im Fernseher begannen die sechs Uhr Nachrichten.
,,Oh, um halb sieben wollte Tante Else kommen, ich muss mich beeilen." Nadja schliff Carolas Leiche weiter in die Küche.
Den Aschenbecher drückte sie ihrem Vater in die Rand, das Messer ihrer Mutter. Nachdem sie sich erneut die Hände gewaschen hatte öffnete sie die Wohnungstür einen Spalt und ging dann wieder in die Küche.
Sie legte sich zwischen die Leichen.
Eine starke Müdigkeit überwältigte sie nach diesem aufregenden Tag. ,,Ob ich morgen wohl in die Schule muss, war ihr letzter Gedanke bevor sie einschlief.
Ich arbeitete so seit circa zwei Wochen in der Wohngemeinschaft
des Landeskrankenhauses und hatte mich ausschließlich für die Nachtwache eintragen lassen.
Wenn ich Abends kam waren die Patienten schon in ihren Betten. Ich hatte noch nicht einen von ihnen zu Gesicht bekommen.
Das Einziege was ich von ihnen bis jetzt zusehen bekam war ein Gruppenfoto das in dem kleinen Schwesternraum hing in dem ich mich aufzuhalten hatte bis ein
Patient nach mir klingelte.
Die meisten auf dem Foto sahen schon irgendwie Verrückt aus dachte ich, als die Tür aufging.
Eine junge Frau kam in das Zimmer ,nicht besonders hässlich aber irgendwie ziemlich ungepflegt.
Sie hatte ungefähr mein Alter so um die dreißig. Ich hatte sie schon auf dem Foto gesehen.
,,Gehen sie bitte wieder in ihr Bett, sie müssen jetzt schlafen.,, sagte ich
Sie schaute mich eindringlich an ,setzte sich und antwortete "Ich muss nicht schlafen, ich muss reden."
Sie fing an mir die Geschichte zu erzählen die ich hier nieder geschrieben habe. Ich saß nur da und hörte ihr zu.
Sie redete die ganze Nacht.
Morgens um halb sechs stand sie auf und ging in ihr Zimmer. Zimmer 13.
Ich saß allein da und überlegte wie ein Mensch so eine ekelige Geschichte erfinden kann, als Ulli durch die Tür kam.
Ulli arbeitete schon seit acht Jahren in der Klinik.
Ich nahm meine Tasche meine Jacke und erzählte Ulli nebenbei das mich die junge Patientin aus Zimmer 13 die ganze Nacht unterhalten hat.
Ulli schaute mich ungläubig an:,,Zimmerl3? Da musst du dich geirrt haben.
Das ist Nadja die hat als Kind das letzte mal gesprochen
Die hat damals bei einem Familiendrama ihre ganze Familie verloren.
„Das arme Ding."
Mir fiel meine Tasche aus der Hand. ,,Nein"
Ulli schob mir einen alten vergilbten Zeitungsartikel, den sie aus dem
Schreibtisch geholt hatte, rüber.
Da stand in großen Buchstaben: Familiendrama bei Hamburg noch nicht geklärt. Familienvater mit 12 Stichen ermordet. Nur die Jüngste Tochter überlebte das Drama
Weiter konnte ich nicht lesen, mir war schlecht. Ich schnappte meine Tasche und rannte an der verdutzten Ulli vorbei auf die Strasse.
Ich habe am gleichen Morgen telefonisch gekündigt.