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Trügerische Idylle

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16.12.2017
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Trügerische Idylle

Brenda fährt die Hauptstraße des kleinen irischen Ortes Glengariff entlang. Eigentlich besteht dieser auch nur aus einer einzigen Straße. Aber genau das mag Brenda. Hier kann sie dem Stress der Großstadt entfliehen. Sie kommt schon seit Jahren an dieses idyllische Örtchen an der Küste. Sie mietet immer das gleiche kleine Haus, direkt an der Bucht. Brenda ist Schriftstellerin und hat in Deutschland schon einige Bestseller über den mürrischen, aber herzlichen, Chief Inspector O'Sullivan veröffentlicht. O'Sullivan ist der dritthäufigste Nachname in Irland und so für die Leser leicht zu merken. Brendas Nachname lautet Brady. Brenda Brady. Sie hasst diesen Namen, aber immerhin musste sie sich kein Pseudonym mehr ausdenken. Ihr Vater ist Ire, ihre Mutter Deutsche und sie ist irgendetwas dazwischen. Hier in Irland ist sie ein Niemand. Ihre Bücher werden als Kitsch abgetan und liegen wie Blei in den Regalen. Aber in Deutschland stehen die Leute auf Kitsch und den Charme von fremden Ländern. In dem Häuschen an der Bucht wird sie sich solange einsperren, bis der neue Roman fertig ist. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese Taktik immer aufgeht. Als sie ankommt, wirft sie ihre Tasche auf das knarrende Bett und öffnet eine Flasche Whiskey. Sie muss nicht unbedingt trinken, aber ihrer Kreativität hilft das meistens auf die Sprünge. Sie verliert keine Zeit und lässt sich mit ihrem Laptop direkt am Fenster, mit der Aussicht über die Weiten des Atlantiks, nieder. Das ist der schlimmste Moment. Sie schaut auf das weiße Textdokument und fühlt sich so leer – noch keine aufsprudelnde Idee, mit der sie etwas anfangen könnte.

Kurze Zeit später hält sie immer noch ein Whiskeyglas in der Hand. Doch sie sitzt mittlerweile im Blue Loo. The Blue Loo ist genauso wie man sich einen irischen Pub vorstellt: dunkel, urig aber dennoch gemütlich. Eine schwere Pranke legt sich auf ihre Schulter und sie schaut zu dem großen Mann auf: „Hallo Brenda, wieder hier, um unser schönes Örtchen als Inspiration zu missbrauchen?“
„Ja Chief, das ist der Plan.“, schmunzelt Brenda.
„Dann wollen Sie natürlich die neuesten Schauermärchen hören?“
„Natürlich, wenn es welche gibt.“
Der Chief ordert noch zwei Whiskey und setzt sich zu ihr.
„Eigentlich passiert nicht allzu viel, aber wie das hier so ist, steigt die Selbstmordrate ständig an. Wir sind nicht gerade der Ort für Menschen, die gerne mit ihren Gedanken alleine sind.“, sagt der Chief.
„Was heißt sie steigt an?“
„Naja, seit du das letzte Mal hier warst, waren es vier, genauso viele wie in den kompletten fünf Jahren zuvor.“
„Ihr Ernst? Wie bringen die Leute sich um?“
„Das ist das Seltsame. Alle wurden an der Küste angeschwemmt.“
„Woher wissen Sie dann, dass es Selbstmord war?“
„Sie kamen alle aus der Gegend und es gab keine Anzeichen für Fremdeinwirkung, dann bleibt der Fall eben offen oder wird einfach als Selbstmord deklariert.“
„Kann ich mir die Fallakten mal anschauen? Natürlich nur aus Recherchezwecken.“
„Klar, kommen Sie einfach später auf dem Revier vorbei. Aber ich denke nicht, dass es Ihnen weiterhilft, es gibt kaum brauchbare Infos.“

Schon kurze Zeit später sitzt Brenda auf dem kleinen Polizeirevier und schaut sich die Akten an. Alle vier Opfer waren Frauen. Aber weder der Job, noch ihr Lebenslauf weisen irgendwelche Gemeinsamkeiten auf. Die einzigen Merkmale, die sie aufwiesen, waren die, dass sie vor kurzem erst hergezogen oder aus der direkten Umgebung stammten und sich optisch einigermaßen ähnelten. Brenda notiert sich Namen, Merkmale und Infos zu den Frauen. Vielleicht kann sie irgendetwas in einer abgeänderten Form für ihr Buch verwenden. Als sie die Sichtung der Akten beenden will, macht sie eine merkwürdige Beobachtung. Drei der vier Frauen haben hellere Stellen auf der Haut. Bei Zweien am Hals, als hätten sie längere Zeit eine Kette getragen und bei einem Opfer am Finger, an dem man noch den Ring erahnen kann.
„Wahrscheinlich bei der Strömung verloren.“, entgegnet der Chief auf ihre Bemerkung.
Doch Brenda hat Blut geleckt. Sie wird die Frauen Zuhause genauer überprüfen.
Es dämmert schon, als sie den Laptop in ihrem Häuschen aufklappt. Sie durchsucht alte Zeitungsberichte und holt alles Mögliche aus den gängigen Suchmaschinen heraus. Die Meisten Infos findet sie zu dem ersten Opfer. Ihr Name war Melinda McFarland. Sie lebte hier in Glengariff und war mit einem gewissen John McFarland verheiratet. Das erklärt auch den Ringabdruck an ihrem Finger. Das zweite Opfer ging mit Melinda auf die selbe Schule und zog kurz nach ihrem Tot ebenfalls hierher. Aber warum nach ihrem Tot? Das ergibt doch keinen Sinn. Sie nimmt sich vor, John McFarland einen Besuch abzustatten.

In der Dunkelheit ist Glengariff noch ruhiger und schöner, aber auch ein wenig gruselig. Die Adresse von John McFarland konnte sie leicht herausfinden, da hier jeder jeden kennt und sie nur ein paar Einwohner fragen musste. McFarland ist der arme Mann, der seine Frau verloren hat, aber mehr war aus keinem herauszukriegen. Wenn sie weiter fragte, machten die Leute zu und winkten ab. Sie klingelt an dem alten Gebäude, doch niemand macht auf. In einem der hinteren Fenster kann sie allerdings Licht erkennen, also klingelt sie nochmal und hämmert gegen die Tür.
„Jaja, ich komme ja schon.“, grummelt eine Männerstimme.
Ein kräftiger Mann mit einem eingefallenen Gesicht öffnet die Tür.
„Was wollen Sie?“
„Hallo, mein Name ist Brady. Ich bin Schriftstellerin und würde mich gerne mit ihnen über ihre Frau unterhalten.“ (Genau das sollte sie wohl besser nicht sagen.)
„Hallo, mein Name ist Brady. Ich war früher mit ihrer Frau in einer Schulklasse und würde mich gerne mit Ihnen unterhalten. Ich habe gehört was Schreckliches passiert ist und fand es irgendwie richtig vorbeizuschauen.“
Der Mann stockt: „Sie kannten meine Frau? Ich möchte ungern darüber reden.“
„Es dauert wirklich nicht lange, ich habe extra den langen Weg auf mich genommen.“
„Na gut, aber wirklich kurz, es ist schon spät.“
Brenda betritt das alte Haus und wird von einem muffigen Gestank begrüßt.
„Entschuldigung für meine Unordnung, aber ich habe viel zu tun.“, sagt McFarland.
Whiskeyflaschen auf dem Tisch, überall Klamotten und durcheinandergewürfelte Fotos. Teilweise mit seiner Frau, aber auch mit Freunden aus der Vergangenheit.
„Kannten Sie sie gut? Ich meine, sie hat nie eine Brenda erwähnt?“
„Das wundert mich nicht. Wir haben uns irgendwann aus den Augen verloren, aber ich habe sie sehr gemocht. Wir waren immer als Clique unterwegs, zusammen mit Kendra.“
McFarland wirkt überrascht und guckt zu Boden, um den Augenkontakt zu meiden.
„Schon seltsam, dass sie nur kurze Zeit später an der selben Küste angeschwemmt wurde.“, sagt Brenda.
„Die See ist rau und tückisch an den Klippen.“, murmelt McFarland.
„Wo waren sie an dem Tag, als sie vermisst wurde, ich meine, wann haben sie bemerkt, dass etwas nicht stimmt?“
„Sind sie von der Polizei oder was sollen die Fragen?“
„Nein, ich möchte einfach mehr über ihre letzten Tage erfahren.“
„Ich kam von der Arbeit nach Hause und sie war nicht da. Sie machte öfter lange Spaziergänge am Meer, aber wenn ich nach Hause kam, stand immer das Essen auf dem Tisch. Als ich bis zum Abend nichts von ihr hörte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.“
„Und wann wurde sie gefunden?“
„Einen Tag später, unten in der Bucht.“
„So schnell? Dann muss sie ganz in der Nähe reingefallen sein.“
„Ja, mag sein.“, entgegnet McFarland.
„Wissen Sie warum unsere Freundin Kendra erst nach Melindas Tot hierher zog?“
„Nein und ich kann Ihnen ihre Fragen auch nicht beantworten. Verlassen Sie jetzt mein Haus.“
Brenda lässt ihren Blick ein letztes Mal über die Fotos schweifen und geht in die Nacht heraus. Die Tür wird hinter ihr zugeknallt. Sie hat nichts entdeckt, aber irgendetwas stimmt hier nicht. Brenda setzt sich auf einen Stein in der Nähe des Hauses und denkt nach. Das ergibt alles keinen Sinn. Sie muss tiefer graben. Sie wartet noch eine Zeit, dann sieht sie, wie der Wagen des Chiefs vorfährt und McFarland bei ihm einsteigt.
„Na gut, zunächst nicht sehr ungewöhnlich in einem kleinen Kaff.“, denkt Brenda.
Aber nun steht das Haus still und geheimnisvoll vor ihr. Sie geht um das Haus herum und rüttelt an der Verandatür. Verschlossen. Das Küchenfenster ist leicht geöffnet. Sie sucht nach einem Stock und gabelt das Fenster auf. Durch das Licht ihres Handys kann sie das Chaos in der Küche erkennen. Erst das eine, dann das andere Bein setzt sie auf den Küchenboden auf. Sie geht in das Wohnzimmer, in dem sie eben noch stand und wirft einen Blick auf die Fotos. Doch außer vielen Bildern mit seiner Frau, vom Haus und anderen Bekannten findet sie nur ein altes Bild mit dem Chief. Das erklärt dann wohl auch ihre Beziehung zueinander. Sie legt die Bilder wieder zurück und ordnet alles ungefähr so, wie sie es vorgefunden hat. Das wird ihm sowieso nicht auffallen. In den meisten Räumen gibt es außer Unordnung nicht viel zu sehen. Als letzten Raum betritt Brenda das Schlafzimmer, in dem noch ein großes Doppelbett steht. Die Schubladen und Kommoden sind genauso vollgemüllt wie das restliche Haus. Bevor sie das Haus verzweifelt verlässt, erinnert sie sich an einen alten Horrorbuchautor-Hinweis: Wirf immer einen Blick unter das Bett! Sie räumt einige Klamotten anseite und sieht eine kleine metallerne Kiste. Brenda macht sich lang und holt sie unter dem Bett hervor. Die Kiste ist nicht so verstaubt wie der Rest, das heißt, er hat sie in letzter Zeit häufig benutzt. Sie öffnet die Kiste vorsichtig und holt als Erstes ein abgenutztes, altes Bild hervor. Auf dem Bild sieht man Mr und Mrs Farland und einen kleinen Jungen.
„Ist das ihr Kind?“, Brenda ist erstaunt, da sie bisher nichts davon wusste.
Sie dreht das Bild herum und da steht: John, Melinda und unser kleiner Finn. Wo war er nun? Sie musste den Chief kontaktieren. Sie legt das Bild beiseite und traut ihren Augen nicht. In der Kiste liegt ein Ring, zwei Ketten und eine Haarspange. Genau passend zu den Fotos aus den Polizeiakten. Die Haarspange muss von dem vierten Opfer sein, da sie keine sichtbaren Spuren, wie die anderen Opfer aufwies.

Sie kann sich gar nicht daran erinnern, geschlafen zu haben, schon sitzt sie im Büro des Chiefs.
„Wissen Sie, dass McFarland einen Sohn hatte?“, fragt Brenda.
Der Chief antwortet verdutzt: „Ja sicher, der kleine Finn. Tragische Geschichte.“
„Warum? Was ist passiert?“
„Er ist vor Jahren von den Klippen gestürzt. Es war ein tragischer Unfall. Seine Mutter ging mit ihm spazieren und als er zu nah an die Felsen kam, brach ein Stück und er fiel in die Tiefe. Sie konnten nur noch seine Leiche bergen. Seine Mutter hat das nie verkraftet und letztendlich trieb es sie in den Selbstmord.“
„Und John? Er ist einfach so damit fertig geworden?“
„Ich habe gehört, sie haben ihn besucht. Sie sollten sich von ihm fernhalten, er ist in keinem guten Zustand. Er trinkt den ganzen Tag und gibt sich nicht die größte Mühe klarzukommen.“
„Sie waren gut befreundet, oder? Haben Sie je darüber nachgedacht, dass John etwas mit dem Tot seiner Frau zu tun hat? Vielleicht hat er ihr die Schuld gegeben?“, fragt Brenda.
„Nein ich kenne John seit der jüngsten Kindheit. Er ist zwar manchmal ein wenig impulsiv, aber er könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Zumal hatte er ein Alibi.“, antwortet der Chief.
„Und das wäre?“
„Er war zu dem Zeitpunkt im Pub. Da er eigentlich um die Uhrzeit auf der Arbeit sein sollte, verlor er Dank dieses Alibis auch noch seinen Job.“
Brenda dachte nach und hakte weiter: „Wurde bei allen Leichen Autopsien gemacht?“
„Ja das ist Pflicht.“
„Könnte ich mir die Berichte ansehen?“
„Nein, die sind unter Verschluss, dafür müssen Sie Verständnis haben.“
„Wurden sie alle hier durchgeführt?“
„Ja, alle von dem alten Freddy. Er ist der einzige Gerichtsmediziner in der Nähe.“
Brenda kann das Puzzle noch nicht zusammenfügen, aber irgendetwas ist hier gewaltig faul. Ihre nächste Station ist das Haus von Dr. Frederik „Freddy“ McConnor. Seine Familie lebt schon ewig hier und sein Vater war ebenfalls Gerichtsmediziner. Brenda klingelt und ein ergrauter Mann öffnet die Tür.
„Die Schriftstellerin ist wieder da und für jeden Unsinn zu haben.“, belächelt sie McConnor.
„So ist es. Wie geht es Ihnen?“
„Bestens wie immer. Die alten Knochen wollen nicht mehr wie früher, aber sonst kann ich mich nicht beklagen.“
„Auch nicht über die steigende Selbstmordrate?“
„Na wie immer direkt mit der Tür ins Haus. Was wollen Sie wissen?“
„Ist Ihnen irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen? Können Sie ausschließen, dass andere Personen an dem Tot der Frauen beteiligt waren?“
„Es ist relativ schwer etwas auszuschließen, da das Meerwasser sämtliche Spuren beseitigt hat und die Felsen zu einigen Schürfwunden geführt haben. Aber zumindest kann ich sagen, dass ich keine Einstiche, Substanzen oder ähnliches gefunden habe, die den Tot herbeiführen konnten.“
Brenda sieht sich in dem spärlich beleuchteten Flur um und entdeckt ein Foto an der Wand, das sie schon einmal gesehen hatte – und zwar in John McFarlands Haus.
„Sie waren mit John McFarland in der Schule?“
„Ja, hier gibt es keine große Auswahl, fast jeder war mit jedem auf der selben Schule.“, witzelt McConnor.
„Ja kann ich mir vorstellen.“
Brendas Augen wandern zu dem Schlüsselbund in einer Schale im Flur: „Dürfte ich vielleicht kurz Ihre Toilette benutzen?“
„Natürlich, den Gang hinunter direkt die zweite Tür.“
Sie wartet, bis sich McConnor umdreht und die Tür schließt. In einer eleganten, ruhigen Bewegung greift sie den Schlüsselbund und lässt ihn in ihre Tasche gleiten. Im Badezimmer betätigt sie die Spülung und verabschiedet sich anschließend von McConnor: „Danke für die Infos.“ Die Antwort wartet sie nicht mehr ab und lässt das Haus hinter sich. McFarland, der Chief und McConnor kannten sich seit der Kindheit. Sie muss an die Autopsieberichte gelangen. Eigentlich wollte sie immer Journalistin werden, da sie es spannend fand, Fakten zu recherchieren. Aber sie lernte schnell, dass sich Fakten und Fantasie im Nu vermischen. Dr. McConnor ist in seinem Haus, also ist niemand in der Gerichtsmedizin. Einer von den Schlüsseln muss der Richtige sein.

Als sie vor dem alten Steingemäuer der Gerichtsmedizin steht, probiert sie hektisch die Schlüssel durch. Alle Häuser sind hier alt und ähneln sich, der einzige Unterschied liegt in der Farbe. Auf der Hauptstraße sieht man teilweise rote, grüne oder auch rosa Häuser. Brenda wusste nie genau, was die Leute sich dabei denken. Der vierte Schlüssel passt ins Schloss. Es ist dunkel und kalt, niemand da. Sie schleicht sich in das Büro von McConnor. Das einzige Büro, das es in diesem Gebäude gibt. Für die Schublade mit den Berichten braucht sie erneut einen Schlüssel, den sie auf Anhieb am Bund findet. Sie schaut sich zunächst den Autopsiebericht von Melinda McFarland an. Keine Auffälligkeiten, keine neuen Erkenntnisse. Dann die Akte des vierten und dritten Opfers, mit dem selben Ergebnis – keine Auffälligkeiten. Tot durch Ertrinken oder Sturz. Doch die Akte des zweiten Opfers, Kendra, der besten Freundin von Mrs McFarland, ist umfangreicher als die anderen. Sie blättert durch. Zunächst dieselben unauffälligen Angaben wie bei den anderen, doch dann entdeckt sie einen Zusatz. Auf dem Titelblatt steht: Orginalakte – unter Verschluss. Der Gerichtsmediziner kommt zu dem Entschluss, dass diese Frau durch einen Schuss in die Brust umkam. Nach Prüfung der Patrone, die sich noch im Opfer befand, weißt die Kugel auf die Dienstwaffe eines Polizisten hin – die Dienstwaffe des Chiefs.
Sie schreckt zusammen, als sie hört, wie die Eingangstür geöffnet wird und mehrere Stimmen durch die Gänge hallen. Sie macht zittrig ein Foto der Akte und steckt sie zurück in die Schublade. Irgendwo muss es hier einen Hinterausgang geben. Auf dem Gang kommen die Stimmen immer näher. Sie huscht in den nächsten Raum und ist im Hauptuntersuchungsraum gelandet. Es stehen zwei Tische da, die mit weißen Laken bedeckt sind und von verschiedenen Instrumenten umringt sind. Alles wirkt kalt und erinnert sie an einige Horrorfilme, die sie gesehen hat. Es gibt nur noch eine Tür, unter der etwas Licht hervor scheint. Sie öffnet die Tür und sieht das rettende WC-Fenster, reißt es auf und zwängt sich mit aller Kraft hindurch. Auf dem moosbedeckten Rasen landet sie weich. Doch bevor sie sich aufrappeln kann, schlägt ihr jemand mit einem Gegenstand auf den Hinterkopf.

Als sie wieder zu sich kommt, liegt sie auf der Rückbank eines Autos. Es ist ein Polizeiauto, denn zwischen den hinteren und vorderen Sitzen befindet sich ein Gitter. Sie richtet sich auf. Auf dem Beifahrersitz erkennt sie McFarland, dann kann der Fahrer nur der Chief sein. McFarland grinst in den Rückspiegel: „Ah, doch nicht zu fest zugeschlagen. Die Prinzessin ist aufgewacht.“
Brenda packt sich an den Hinterkopf und fühlt eine klaffende Wunde: „Was machen Sie mit mir?“
„Ich habe sie gewarnt. Ich wollte nicht, dass es soweit kommt, aber Sie hätten Ihre Nase nicht in Angelegenheiten stecken sollen, die Sie nichts angehen. Warum sind Sie nicht einfach Zuhause geblieben?“, fragt der Chief.
„Wovon reden Sie denn da?“, fragt Brenda.
„Das wissen Sie genau. Sie haben McConnors Schlüssel geklaut, er hat mich sofort benachrichtigt.“
„Und bei mir haben Sie auch herumgeschnüffelt.“, bemerkt McFarland „Wir haben Sie beobachtet. Meine kleine Trophäensammlung haben Sie auch gefunden.“
„Wir? Sie stecken alle unter einer Decke? Chief, Sie sollten das Gesetz vertreten. McConnor, Sie zwei, wer gehört noch dazu? Das ganze Dorf?“, platzt es aus Brenda heraus.
„Das braucht Sie nicht mehr zu interessieren. Wir sind da, steigen Sie aus.“, sagt der Chief.
McFarland öffnet Brenda die Tür und zieht sie an den Armen heraus. Das Meer ist rau und es dämmert. Sie standen genau an den Klippen.
„Sie haben die Frauen umgebracht, John. Aber warum Sie, Chief? Was hat er gegen Sie in der Hand?“
„John hat damals seine Frau umgebracht, weil das Miststück nicht auf ihren Sohn und mein Patenkind aufgepasst hat. Ich kenne John seit einer halben Ewigkeit und ich wusste, dass er das Richtige getan hat.“, sagt der Chief.
„Und Kendra? Sie ist dahintergekommen, stimmt's? Genau wie ich und dann musste auch sie beseitigt werden.“
„Ja sie wollte nicht draufgehen, da musste ich mit meiner Waffe nachhelfen. Die anderen zwei Opfer waren einfach Kollateralschäden. Sie fragten einfach zu viel und John konnte sich nicht in den Griff kriegen. Aber das wird schon. Sie sind das Ende der Kette.“, schrie der Chief.
„Sie kommen damit nicht durch, wenn ich sterbe, werden Leute nach mir suchen.“
„Doch leider sind sie dann verschollen.“, sagt McFarland und schiebt sie an den Rand der Klippe „Solange wir eine Gemeinschaft, ein eingeschworenes Team sind und Chief Inspector O'Sullivan an meiner Seite ist, kann uns nicht passieren.“
„Moment mal? Chief Inspector O'Sullivan?“

Weiter kann Brenda nicht denken. Das Letzte, was Brenda sieht, ist das Grinsen von McFarland, als er sie die Klippe herunter schubst. Sie fällt in die Tiefe und schreit sich die Seele aus dem Leib. Doch sie landet nicht im Wasser, kein Schmerz vom Aufprall auf die Felsen, nur ein warmes Gefühl. Ein grelles Licht von Sonnenstrahlen, das ihr in die Augen scheint. Ihr Kopf dröhnt, aber nicht vom Aufprall, sondern vom Whiskey. Sie hebt den Kopf von den Armen und schaut über den Laptop auf das weite Meer hinaus. Die leeren, weißen Seiten sind nun mit Text gefüllt. Sie war in das sogenannte „Loch des Schriftstellers“ gefallen. Wieder einmal hatte sie die Geschichte so runter getippt und war danach eingeschlafen. Dazu hat sie noch den perfekten Cliffhanger geschaffen. Ist Chief Inspector O'Sullivan ein Verbrecher? Steht das ganze Dorf hinter den Morden? Hat die Schriftstellerin den Sturz überlebt und kann gegen sie aussagen? Ihr tut alles weh, sie speichert ihr Werk ab und geht vor die Tür. Die frische Luft tut ihr gut. Als sie auf die Straße schaut, kommt ihr eine Frau entgegen.
„Hallo wir wohnen nebenan, wir wollten fragen, ob Sie sich hier auskennen und uns ein gutes Restaurant empfehlen können?“, fragte die Frau.
„Natürlich, gehen Sie ins Martello, da gibt es die besten Meeresfrüchte.“
„Vielen Dank, sie sind die Schriftstellerin, stimmt's?“
„Ja genau, das spricht sich ja schnell rum. Brenda Brady.“
„Mein Name ist Melinda McFarland. Ich mache mit meinem Mann John und meinem Sohn Finn hier Ferien.“

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Roland Deschain ,

zunächst auch Dir ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern. Nun, gut Deine Geschichte soll ein Krimi sein und spannend. Im Gegensatz zu dem anderen Kommentar, den ich heute geschrieben habe, kann ich diese Tags unterschreiben.

Ich habe Deine Geschichte gelesen, fand sie durchaus spannend und das Genre Krimi wäre für mich trotz der Traumsequenz durchaus erfüllt.

Deine Geschichte hat aber auch einige Längen. Zudem habe ich dennoch das Gefühl, dass der Sachverhalt sehr gerafft ist. Du versuchst, sehr viele Infos unterzubringen. Das liest sich teilweise etwas runtergerattert.

Im Detail:

und hat in Deutschland schon einige Bestseller über den mürrischen, aber herzlichen, Chief Inspector O'Sullivan veröffentlicht.

Hier würde ich das Komma hinter herzlichen streichen.

Ihr Vater ist Ire, ihre Mutter Deutsche und sie ist irgendetwas dazwischen.

Den Satz finde ich überflüssig. Ist doch eigentlich klar.

In dem Häuschen an der Bucht wird sie sich solange einsperren, bis der neue Roman fertig ist.

Zwischen einsperren und bis kein Komma.

Sie verliert keine Zeit und lässt sich mit ihrem Laptop direkt am Fenster, mit der Aussicht über die Weiten des Atlantiks, nieder.

Auch hier kannst Du m.E. die Kommata weglassen.

„Ja Chief, das ist der Plan.“, schmunzelt Brenda.

Den Fehler machst Du durchgängig. Kein Punkt am Ende der wörtlichen Rede, also »das ist der Plan«, schmunzelt Brenda.

„Eigentlich passiert nicht allzu viel, aber wie das hier so ist, steigt die Selbstmordrate ständig an. Wir sind nicht gerade der Ort für Menschen, die gerne mit ihren Gedanken alleine sind.“, sagt der Chief.
„Was heißt sie steigt an?“

Die Stelle habe ich nicht so ganz verstanden. Warum erzählt er ihr das und macht sie neugierig? Er muss doch wissen, dass das zu einem weiteren Mord führt (er ist ja einer der Mörder). Oder hat er Geschmack daran gefunden?

Aber weder der Job, noch ihr Lebenslauf weisen irgendwelche Gemeinsamkeiten auf.

Aber weder der Job noch ihre Lebensläufe

Drei der vier Frauen haben hellere Stellen auf der Haut. Bei Zweien am Hals, als hätten sie längere Zeit eine Kette getragen und bei einem Opfer am Finger, an dem man noch den Ring erahnen kann.

Das würde einem Rechtsmediziner hoffentlich auch auffallen. »Zweien« klein, da noch auf Frauen bezogen.

Die Meisten Infos findet sie zu dem ersten Opfer.

meisten


(Genau das sollte sie wohl besser nicht sagen.)

Das ist irritierend. Würde ich weglassen.

an der selben Küste angeschwemmt wurde.

derselben

Wissen Sie warum unsere Freundin Kendra erst nach Melindas Tot hierher zog?“
Wissen Sie, warum …

Sie räumt einige Klamotten anseite

beiseite oder an die Seite

„Ist das ihr Kind?“, Brenda ist erstaunt,

»Ist das ihr Kind?« Brenda ist erstaunt ...

dass John etwas mit dem Tot seiner Frau zu tun hat? Vielleicht hat er ihr die Schuld gegeben?“, fragt Brenda.
Der Fehler kommt auch öfters vor. Er ist der Tod, aber man ist tot.

Als sie auf die Straße schaut, kommt ihr eine Frau entgegen.
„Hallo wir wohnen nebenan, wir wollten fragen, ob Sie sich hier auskennen und uns ein gutes Restaurant empfehlen können?“, fragte die Frau.
„Natürlich, gehen Sie ins Martello, da gibt es die besten Meeresfrüchte.“
„Vielen Dank, sie sind die Schriftstellerin, stimmt's?“
„Ja genau, das spricht sich ja schnell rum. Brenda Brady.“
„Mein Name ist Melinda McFarland. Ich mache mit meinem Mann John und meinem Sohn Finn hier Ferien.“

Diesen Abschnitt würde ich weglassen. Das macht den Krimi zu Mystery. Ist aber vielleicht auch Geschmacksache.

Korrekturen sind ohne Gewähr auf Vollständigkeit. Ich hoffe aber, sie helfen Dir dennoch weiter.

Liebe Grüße
Mädy

 

Hallo Roland Deschain,

Revolvermann. Ein hochtrabender Nickname, das muss ich schon sagen. Aber um ehrlich zu sein, nur deshalb habe ich gerade noch in die Geschichte geschaut um diese Uhrzeit. War jetzt doch neugierig...

Insgesamt ist die Geschichte flüssig zu lesen, obwohl ich kein Krimifan bin.
Also ein schöner Einstieg hier im Forum.

Zur wörtlichen Rede gab es ja bereits Anmerkungen von Maedy, aber es gibt auch einige Rechtschreibfehler, das schmälert die Lesefreude etwas. Kein Korrektur-Programm benutzt?
Würde ich unbedingt ändern. Und auch die Groß- und Kleinschreibung prüfen...

Was mich wirklich irritiert hat, ist dass z.B. der Chief Brenda mal siezt und mal duzt. Und das innerhalb einer Unterhaltung:

„Dann wollen Sie natürlich die neuesten Schauermärchen hören?“
...
„Naja, seit du das letzte Mal hier warst, waren es vier, genauso viele wie in den kompletten fünf Jahren zuvor.“
...
„Klar, kommen Sie einfach später auf dem Revier vorbei. Aber ich denke nicht, dass es Ihnen weiterhilft, es gibt kaum brauchbare Infos.“
Das funktioniert so nicht.
Nachdem ich die Geschichte zu Ende gelesen hatte, hab ich mich natürlich ebenfalls gefragt, warum der Chief sofort von den Todesfällen erzählt, obwohl er selbst drinhängt. Kennen die beiden sich so gut, oder warum? Falls ja ist z.B. das hier völlig unlogisch:

„Ja, alle von dem alten Freddy. Er ist der einzige Gerichtsmediziner in der Nähe."
Warum sollte er ihr so etwas erklären? In dem späteren Gespräch kommt es doch so rüber, als würden Freddy und Brenda sich schon länger kennen.
Sie war ja auch bereits mehrmals da im Ort. Kennt sie dann nicht auch McFarland, wenn da alles so winzig und nah ist.

Mein Tipp also:
Nochmals die Figuren überdenken: wer kennt wen und wie lange? Duzen? Siezen?
Notwendige Infos für den Leser also nicht zwingend in die Gespräche einbauen.

Kann eine runde Sache werden, also dranbleiben ;)

Viele Grüße, C.

 

Hallo Roland Deschain,

da bin ich ja gleich neugierig geworden und habe mich gefreut – eine Geschichte, die in Irland spielt – weil ich selbst es auch ein bisschen mit Irland habe.

Brenda fährt die Hauptstraße des kleinen irischen Ortes Glengariff entlang.
He, kenne ich, da bin ich auch schon mal durchgekommen. Also weiß ich natürlich, wie es dort aussieht und kann es mir vorstellen, aber von dir erfährt man als Leser nicht besonders viel darüber, außer dass es ein idyllisches Örtchen an der Küste ist. Aber idyllisch - das ist mir zu faul.


O'Sullivan ist der dritthäufigste Nachname in Irland und so für die Leser leicht zu merken.
Deine Brenda hält ihre Leser aber für ziemlich minderbemittelt, oder? Manche können sich doch bestimmt sogar vierthäufigste Namen merken, einige vielleicht sogar so komplizierte Namen wie Deschain. ;)


Aber in Deutschland stehen die Leute auf Kitsch …
Stehen sie? Na gut, das sind vielleicht dieselben, die es nicht über dritthäufigste Namen hinaus schaffen. :D


Doch sie sitzt mittlerweile im Blue Loo. The Blue Loo ist genauso wie man sich einen irischen Pub vorstellt: dunkel, urig aber dennoch gemütlich.
Lustig - vor dem Blue Loo habe ich tatsächlich dann auch gesessen und etwas Feines getrunken. Aber hier bist du schon wieder faul: zeige du doch, wie man sich so einen Pub vorzustellen hat - denn wer weiß, wie sich die beschränkten Kitschleser den sonst zurecht denken. Aber was ist urig aber dennoch gemütlich ? Sowas wie kalt, aber dennoch kühl? :Pfeif:


Eine schwere Pranke legt sich auf ihre Schulter und sie schaut zu dem großen Mann auf
Könnte auch ein Bär sein. Vielleicht besser „schaut zu einem großen Mann auf.“


Der nachfolgende Dialog (und die späteren auch) klingt für mich farblos und inhaltlich unglaubwürdig. Weder der Chief noch Brenda bekommen hier ein richtiges Gesicht. Und ohne weiteres darf sie dann die Polizeiakten einsehen- na ja …

Jemand vor mir hatte das schon geschrieben: der Tod – man ist tot

Die einzigen [gemeinsamen] Merkmale, die sie aufwiesen, waren die, dass sie vor kurzem erst hergezogen oder aus der direkten Umgebung stammten …

Das „gemeinsamen“ hast du sicher vergessen

„Wahrscheinlich bei der Strömung verloren.“, entgegnet der Chief auf ihre Bemerkung.

Da wurde gar keine Bemerkung gemacht, jedenfalls hast du sie nicht hingeschrieben.


Sie lebte hier in Glengariff und war mit einem gewissen John McFarland verheiratet. Das erklärt auch den Ringabdruck an ihrem Finger.

Einen Ringabdruck kann ja nun wirklich jede Frau aufweisen, da muss sie eigentlich nicht extra mit einem gewissen Mann verheiratet sein.


In der Dunkelheit ist Glengariff noch ruhiger und schöner, aber auch ein wenig gruselig.
Hier könntest du wieder miterleben lassen, was genau „schöner“ ausmacht, und was sich gruselig anfühlt.


Whiskeyflaschen auf dem Tisch, überall Klamotten und durcheinandergewürfelte Fotos. Teilweise mit seiner Frau, aber auch mit Freunden aus der Vergangenheit

Hier ist endlich mal eine Stelle, wo du Bilder erzeugst, hier sehe und rieche ich jetzt, wie es bei McFarland aussieht – mehr davon!
Was dann aber wieder seltsam klingt (für mich), ist die Beschreibung der Fotos: teilweise mit seiner Frau – also wie nun: er mit seiner Frau, oder nur sie, oder Teile von ihr … ? Und „Freunde aus der Vergangenheit“ – na ja, von wann denn auch sonst? Ja, sicher willst du darauf hinaus, dass es jetzt nicht mehr seine Freunde sind, aber das kann Brenda den Fotos nicht entnehmen.

Und dann kommt wieder ein langer Dialog, zu dessen Inhalt ich mich jetzt nicht ausführlich äußere, das ist eben die Story, die du dir so ausgedacht hast, und die ich, so wie sie ist, etwas dünn finde, aber von der ich mir auch vorstellen kann, dass du mehr daraus machen könntest. Im Moment klingt es für mich einfach zu steif, zu geradlinig, zu unecht und deine Brenda kann machen, was sie will - ich kann leider nicht mit ihr fiebern und fühlen.


In den meisten Räumen gibt es außer Unordnung nicht viel zu sehen.

Immerhin gibt es was zu sehen ... ;)


Mich hat auf Dauer gelangweilt, dass an allen Schauplätzen immer das Gleiche geschieht, Befragungen, Akteneinsicht, Fotos betrachten - mal offiziell erlaubt, mal mit Einbruch, aber es war fast immer das Gleiche. Vielleicht sind solche Ermittlungsgeschichten ja so gestrickt, sicher, aber da müsste dann mehr Spannung her.

Ich höre jetzt mal hier auf, obwohl die Geschichte noch weitergeht, aber meine Anmerkungen würden sich dann nur wiederholen. Eigentlich finde ich die Idee zu deiner Geschichte gut und das Setting mag ich sowieso, würde davon aber in deiner Geschichte gerne mehr spüren - aber vor allem deinen Figuren solltest du mehr Leben einhauchen, damit man sie mag oder nicht, oder sich zumindest nicht sicher ist - aber so wie sie jetzt sind, sind sie einem eher egal. Also mir jedenfalls.
Ich hoffe, du kannst mit meinem Kommentar etwas anfangen.

Viele Grüße von Raindog

 

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