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Toter Rummel

Red

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24.08.2014
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Toter Rummel

Ein toter Ort ist der Rummelplatz. Tot. Verstorben. Scheinbar bunt. Ein toter Ort ist der Rummelplatz.
Fahrgeschäfte leuchten auf, Schildchen blinken in Neonfarben, Explosionen von Gerüchen und Eindrücken setzen sich wie lebendige Partikel an meiner Haut fest und bilden eine zweite Haut aus Nichts.
Scheinbares Lachen, scheinbare Farben, scheinbare Formen und scheinbarer Spaß kämpfen in meinem Herzen und wollen nicht zusammenpassen, nicht kooperieren und nicht wahr sein---
Denn der Schein trügt. Schon lange ist dieser Ort tot. Tot, tot, tot. Der Tod ist hier schon lange eingezogen, in die endlosen Schlangen vor der Achterbahn, in die luftigen Höhen des Kettenkarussells, in die Abenddämmerung des Feierabends, in die Gesichter der Kinder und Erwachsenen. Tot hat der Tod diesen Ort gemacht; leblos und verloren und grau.
Die Menschen, die hierher kommen entspannen nicht, lachen nicht, sie tun nur so, sie weinen nicht, täuschen nur Gefühle vor, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden sind und nur ein Bluff der trügt, so wie du denkst, du träumst die ganze Nacht, aber in Wirklichkeit waren es nur Sekunden voller Traumbilder und dein Gehirn spielt dir einen gemeinen Streich.
Alles ist unecht und surreal und eine Kopie von Zeiten, in denen die Musik dem nun toten Ort klangvolle Lieder einflüsterte und der Duft der Zuckerwatte den Platz erfüllte und das Leben dem Rummelplatz Wärme einhauchte.
Geschrei weht hinüber, Streit--- Und trotzdem scheint alles still zu sein, alle Herzen starben, verwelkten auf einem Friedhof, wo keine Blumen der Hoffnung blühten und Knospen aufgingen, weil es so kalt war.
Dieser Ort ist so tot, weil ich nichts fühle, während meine müden Augen ihn Sekunde für Stunde anstarren und mir so schrecklich kalt ist. Die Sonne muss unecht sein, denn sie scheint zwar, aber guckt nicht hier herüber und die Wolken sind sicher nur aufgeklebt auf einem Himmel, der auf ein weißes Blatt gezeichnet und nicht richtig ausgemalt wurde.
Die Wörter kreisen in meinem Kopf herum wie die Sitze des Kettenkarusells, die eine Schwerelosigkeit vorgaukeln und durch die Lüfte fliegen, an ihren Ketten aus Eisen oder Stahl oder sonstwas. Vögel zwitschern oder rufen oder schreien und ich sehe mich nach einem Aufnahmegerät um, einem CD-Player oder etwas anderem, weil ich nicht glauben kann, dass das wirklich passiert, bestimmt wurde nur alles aufgenommen und man spielt mir hier einen Streich, versteckte Kamera oder so und ich soll nur glauben, dass das hier real geschieht. Real. Real erscheint mir hier gar nichts, ja, alles und jeder ist nur Schein, in Wirklichkeit ist keiner mit dem anderen wirklich hier, er denkt nur an sich und was er dann alleine zu Hause machen wird und was er noch für Aufgaben erledigen muss und was es noch für Probleme gibt.
Es wird spät und jemand zieht den Mond den Himmel herauf, aber es ist nicht der Vollmond, nicht der perfekte runde Kreis ohne Ecken und Kanten der leuchtet oder auch nicht, nein, es ist der Halbkreismond oder wie das Ding heißt und er sieht irgendwie angefressen aus, hat wohl schlecht geschlafen und guckt nun missbilligend auf den toten Ort.
Da es ein toter Ort ist, frage ich mich, ob und wenn ja, wann denn die Geister kommen und wie diese aussehen. Ich frage mich, ob es wohl Verstorbene sind, Geliebte oder Feinde oder verwesende Leichen mit Würmern in den Augen oder einer Made in der knochigen Faust.
Ich frage mich, ob dieser Ort noch schlimmer werden kann, ich denke, er ist nicht die Hölle, aber tot, und da man das Wort „tot“ nicht steigern kann, wie man ihn denn jetzt sonst nennen solle, wo er noch toter zu sein scheint.
Und meine Gedanken wabern in meinem Kopf herum, kommen aber nicht an und schwimmen gegen ein unendliches Konzentrationsgefälle in die falsche Richtung, gegen den Strom, dabei muss ich eigentlich auch nach Hause gehen und Aufgaben erledigen und Probleme lösen oder Abendessen oder so. Und da bemerke ich das erste Gespenst am Himmel, weißlich, es ist wie eine Wolke und vielleicht ist es auch eine, aber sie macht mir trotzdem Angst und ich bekomme eine Gänsehaut, während ich auf dem toten Ort hier stehe, auf einem alten Rummelplatz, der verlassen ist und nicht mehr laut und nicht mehr farbenfroh und der einzige Geruch schmeckt alt und morsch auf meiner Zunge und das einzige Geräusch ist der Wind, der zwischen den Fahrgeschäften herumheult und irgendwas zu suchen scheint. Es ist so leer und ich denke, ich werde jetzt gehen, stecke meine Hände in die Hosentaschen und schlendere los von diesem Ort, der schon lange tot zu sein scheint, denn ich merke, dass ich nur in meine Erinnerungen versunken bin, so wie wenn man in einen dunklen tiefen See fällt und es einen nach unten zieht.
Ich atme auf und plötzlich ist da kein dunkles Wasser um mich herum und da sind Sterne am Himmel, die mich wegtragen, nach Hause, einem Ort, der hoffentlich niemals tot sein wird.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Red,
willkommen bei uns Wortkriegern.
Dein Einstieg "Toter Rummel" verspricht Interessantes, zum Beispiel eine Reminiszenz an W. D. Schnurres Gedicht "Kulisse". Denn du identifizierst den Rummelplatz gleich mit etwas Totem.
Das Dumme ist nur, daraus wird keine Geschichte. Du versuchst eigentlich nur, die Atmosphäre eines Rummelplatzes nachzuzeichnen und in deinem Falle als etwas Totes oder Künstliches zu malen, aber das dreht sich in deinem Text dann leider auch im Kreis.

Du beginnst damit, dass der Rummel tot ist, das wiederholt sich dann etliche Male. Dann erinnerst du kurz an die Fahrgeschäfte, die etwas versprechen, was sie nicht halten, dann kommt wieder deine Diagnose, dass der Rummel tot sei. Das beißt sich in den Schwanz.
Es ist im Grunde eine Schilderung, was du uns hier schreibst. Und leider auch eine, die sich zu sehr wiederholt und nicht genügend pointiert.
Aus dem Thema "Rummel" würde ich vielleicht lieber ein Gedicht machen. Dann wärst du bei den Wortkriegern allerdings nicht richtig. Oder es als Schauplatz für eine Geschichte verwenden,

Ein toter Ort ist der Rummelplatz. Tot. Verstorben. Scheinbar bunt. Ein toter Ort ist der Rummelplatz. Fahrgeschäfte leuchten auf, Schildchen blinken in Neonfarben, Explosionen von Gerüchen und Eindrücken setzen sich wie lebendige Partikel an meiner Haut fest und bilden eine zweite Haut aus Nichts.
Stilistisch ist es hier so, dass die Wiederholungen dir nichts bringen. Tot = verstorben = tot. Es sind Behauptungen. Du machst nichts aus den Besonderheiten, die es an so einem Ort gibt, sondern nimmst den allgemeinen Begriff und setzt das Gegenteil dagegen. Naja. Das ist so, wie wenn ich sagen würde: Der Friedhof ist nur scheinbar trostlos, In Wirklichkeit geht da der Punk ab.
Die Idee, dass ein so hypermobiler Ort wie ein Rummel etwas Totes ist, ist ja auch nicht neu. Da braucht es aber ein spezielles Bild, das deine Idee tragen und etwas Neues sagen würde. Wenn du zum Beispiel Schnurres Gedicht "Kulisse" liest, dann siehst du, dass er den Rummel in den Regen gestellt und dann als Kulisse gesehen hat.
Also selbst wenn du eine atmosphärische Schilderung oder ein Gedicht schreiben wolltest, was ja alles immer noch keine Geschichte wäre, bist du hier zu direkt, zu profan, du baust kein Bild, was für einen Leser etwas Neues, Individuelles bietet.

Du setzte leider Behauptungen nebeneinander wie hier:

Scheinbares Lachen, scheinbare Farben, scheinbare Formen und scheinbarer Spaß kämpfen in meinem Herzen und wollen nicht zusammenpassen, nicht kooperieren und nicht wahr sein---
Wieso ist denn das Lachen scheinbar? Oder die Farben? Da muss man doch am Lachen etwas hören oder an der Farbe etwas sehen, was das Scheinbare zeigt. Und wenn es ur das ist, dass die Farbe abgeblättert ist. Wieso sind die Formen nur scheinbar? Ist da jetzt ein Kries nicht mehr ein Kreis? Du machst es dir zu einfach.
Und was hat das mit deinem Herzen zu tun?
Und dass das dann alles nichts taugen soll, nur scheinbar sein soll, das zeigst du auch nicht durch eine Beobachtung, einen Kontrast, der auf einer besonderen Beobachtung beruht, sondern du schreibst es einfach so hin. Wenn man das macht, wird man aber leicht moralisch und klischeehaft.
Also einfach mal probieren, einzelne Beobachtungen, Details zu nehmen, wirkliche Schilder oder Fahrgeschäfte, konkrete Erfahrungen und Erlebnisse auf so einem Rummel und über die schreiben, nicht aber einen ganz allgemeinen Begriff und ihm dann völlig abstrakt einen Kontrast aufdrücken, den eh schon jeder vermutet oder kennt: Totheit oder Künstlichkeit etc.

Vor allem aber schau, dass du dich vor den Dutzenden von Wiederholungen hütest, wie hier zum Beispiel wieder:

Schon lange ist dieser Ort tot. Tot, tot, tot. Der Tod ist hier schon lange eingezogen, in die endlosen Schlangen vor der Achterbahn, in die luftigen Höhen des Kettenkarussells, in die Abenddämmerung des Feierabends, in die Gesichter der Kinder und Erwachsenen. Tot hat der Tod diesen Ort gemacht; leblos und verloren und grau.
Und pass auch auf pathetische Formulierungen auf, wie zum Beispiel die Abenddämmerung des Feierabends. Was soll das denn sein? Das ist ja wie das Morgengrauen des ersten Kaffees. Klingt doch nicht gut.
Und auch das andere, wieso soll denn der Tod eingezogen sein, nur weil jemand in eine Achterbahn steigt? Wieso soll das alles grau sein. Gerade eben hast du noch gesagt, es sei voller Farben. Mit dem Adjektiv "scheinbar" wie im Absatz vorher rettest du da nichts, das ist nur eine Behauptung. Es fehlen einfach echte Beobachtungen.


Lass dich bitte nicht von meiner Kritik unterkriegen, sie ist herb, ich weiß, aber das ist vielen von uns schon so gegangen.
Überleg dir einfach, was dich am Rummel interessiert und dann mach dir die Mühe, ihn wirklich zu zeigen und eine Geschichte dort oder mit ihm spielen zu lassen.

Viele Grüße von Novak

 

Hallo Novak,
erstmal danke für deine schnelle und ausführliche Kritik! So etwas konnte ich in meinem Leben bisher nicht lesen... halt, warte, das klingt wieder zu pathetisch ;) Aber ich freue mich wirklich sehr darüber.
Hm, da hast du an manchen Stellen wirklich recht. Ich habe mir auch das Gedicht, das du erwähnt hast, mal angesehen. Interessant, schön. Ja, es ist eher eine Beschreibung der Atmosphäre als eine wirkliche Geschichte. Erst am Ende wird Eigeninitiative gezeigt und es passiert mit der Person auch etwas. Und ja, es wiederholt sich vieles. Mal sehen, was ich draus machen werde, wenn ich mit den Text nochmal vornehmen werde. Ein Gedicht? Vielleicht. Gute Idee. In einer Handlung einbetten? Ja, daraus ließe sich ebenfalls etwas machen. Pointen habe ich in der Tat nicht. Danke für die Hinweise, das mit den stilistischen Wiederholungen stimmt ebenfalls und das mit dem speziellen Bild...Hm, da bin ich mir nicht sicher. Aber ja, wahrscheinlich. Neu ist meine Idee nicht, da braucht es etwas Eigenes. Und das "Scheinbare" sollte ich wirklich im Text zeigen. Danke für die Tipps, ich habe das Thema sozusagen nur oberflächlich betrachtet, da fehlen die tatsächliche Geschichte und das Dahinter. Die Wiederholungen... hm, hm. Ich habe mich von meinen pathetischen Formulierungen zu sehr leiten lassen, das ebenfalls. Es hat für mich einfach "gut geklungen". Echte Beobachtungen.... ja, die fehlen, und das ist nicht gut.
Nochmal danke für die Kritik, ich bin ja auch deswegen hierhergekommen. Ich werde den Text eines Tages überarbeiten und meine realen Erfahrungen mit einbringen und dann dort eine Geschichte spielen lassen. Das ist eine gute Idee, da kann ich mir was drunter vorstellen.
Viele Grüße ebenfalls, Red

 

Hallo Red,

auch von mir ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern!

Zu deinem Einstand hat Novak ja schon eine Menge Dinge geschrieben und ich kann mich ihr da nur anschließen. Ich habe an Kritikpunkten dem nichts zuzufügen.

Irgendwie fand ich die Art wie du schreibst gar nicht mal schlecht. Es gelingt dir, eine besondere Stimmung zu erzeugen.

An Stelle einer Wiederholung möchte ich dir meine Gedanken und Idee zu deiner Geschichte schildern.

Zum einen finde ich das Thema Rummelplatz faszinierend und ich kann dir noch nicht einmal sagen, warum es so ist. Vielleicht, weil es so künstlich auf einem Rummelplatz ist und der sich auch nicht damit tarnt, jemals echt gewesen zu sein. Da steckt für mich schon von Haus aus jede Menge Hintergründiges drin, wenn jemand den Rummelplatz zu einem Thema wählt.
Für ein Gedicht würde es sicherlich auch ein gutes Thema hergeben. Aber ich finde, du solltest dich lieber der Herausforderung stellen, daraus eine Geschichte zu formen.

Ich muss an eine Geschichte von Armin Müller-Stahl denken mit dem Titel Kettenkarussell, dem es gelingt eine ernste berührende Geschichte über drei Juden zu schreiben, die von einem Magier mit Hilfe dieses Karussells gerettet werden.

So tiefgehend müsste deine Geschichte gar nicht sein, aber mir käme die Idee, dass du eine Person erfindest, die in einer Krise steckt und die sich auf diesem Rummelplatz befindet und während dieser Person all die Gedanken durch den Kopf gehen, die du ja bereits in der Geschichte stehen hast und sie ihre Eindrücke über den Rummelplatzes damit verwebt, könnte immer wieder der Konflikt hervordrängen, in dem sie steckt. So könnte eine Geschichte aus dem werden.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo lakita,
danke für deinen Kommentar und deine Kritik!
Was ich übrigens noch in meinen anderen Beitrag schreiben wollte: ich habe den Text für eine Ausschreibung geschrieben (er wurde abgelehnt). Das Thema war „tote Orte“ und es sollte experimentell sein… Das Thema Rummelplatz kam mir dann in den Sinn und ich schrieb den Text nieder. Ja, ich werde es sicherlich in eine Geschichte einbetten.
Vielen Dank für deine inspirierende Idee!
Viele Grüße
Red :)

 

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