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Tollwut

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31.07.2013
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Tollwut

Tollwut
Die Tollwut ist eine seit Jahrtausenden bekannte Virusinfektion, die bei Tieren und Menschen eine akute, fast immer tödliche Enzephalitis (Gehirnentzündung) verursacht.
„Oh je. Das ist nicht gut.“ Ich spürte, wie meine Handflächen warm und mächtig feucht wurden. Mein Puls schnellte mindestens 100 Zähler nach oben. Eigentlich müsste ich auf der Stelle an einem Herzinfarkt sterben.
Synonyme sind Wutkrankheit, die Lyssa (griechisch λύσσα), die Rabi...
„Bla, bla, bla ...“
Wasserfurcht ...
„Bla ...“
Historisches:
„Mhh, sehr interessant. Ein anderes Mal.“ Meine Augen liefen fieberhaft den Text hinunter.
Die meisten Arten warmblütiger Tiere können von diesem Virus infiziert werden ...,
„Okay, warmblütige Tiere. Also keine Krokodile. Gut. Aber einem Krokodil bin ich auch nicht begegnet. Weiter ...“
Das stereotypische Bild eines tollwütigen Tieres ist der aggressive Hund mit Schaum vor dem Maul. ...
„Das wusste ich natürlich. Ein Hund. Aber ein Hund ist es nicht gewesen.“ Mir wurde etwas leichter ums Herz, der Schweiß auf meiner Stirn kühlte sich wieder ab und beruhigte mich. Vor Hunden hatte ich mich in Acht genommen.
Ich lehnte mich an die Mauer meiner Hütte und schaute auf den Ozean. Während sich die Sonne für heute verabschiedete, kam die Flut angerauscht. Schon bedeckte das lauwarme Wasser die Stelle, an der vor einer halben Stunde die Engländerinnen gelegen haben. Jetzt war ich ganz alleine auf dem Strand. In 20 Minuten würde es stockfinster werden.
Ich befühlte meinen Nacken, bestimmt zum 50ten Mal seit es passiert ist. Da war diese Stelle, ein paar Millimeter groß, die Haut leicht abgeschürft, vorhin hatte sie etwas geblutet.
Aber auch Katzen, „nein“, Frettchen, „nein“, Füchse, „auch nicht“, Dachse, Waschbären, Wölfe, „alles nein“ und die Fledertiere … „Fledertiere! Ach du scheiße!“ können tollwütig werden beziehungsweise die klassische Tollwut oder eine andere Form übertragen. Hinsichtlich der Fledertiere sind Vampirfledermäuse (Desmodus rotundus bzw. Desmodus spec.), bei insektenfressenden Fledertieren meist Fledermäuse (Microchiroptera) und (…)
„Okay, das ist jetzt wirklich nicht gut.“ Mein Herz schäumte jetzt, wie der aggressive Hund, der es ja nicht gewesen ist. Dieser kleine Ausflug in die Höhlen ist zu einer todernsten Angelegenheit geworden. Hätte ich das doch bloß vorher gewusst. Ich hätte mir wenigstens einen Schal umgebunden.
Der Schweiß auf meiner Stirn wurde noch kälter, aber diesmal war von Linderung keine Rede. Ich starrte nach vorne, aber konnte noch nicht einmal den Ozean erkennen.
„Nein, nein, nein, das kann nicht sein!“ Ich las die Stelle noch ein mal. „Fledertiere!“ Da stand eindeutig was von Fledertieren. Und es war ein Fledertier, das heute in dieser verschissenen Höhle in meinem Nacken gelandet ist. Da war nichts zu machen. Ich habe das Ding zwar nicht genau gesehen, aber Vögel ((…) Vögel bekommen sehr selten Tollwut, da ihre Körpertemperatur höher liegt als es für eine optimale Vermehrung des Virus notwendig ist.) Vögel leben eben nicht in Höhlen, soviel ist klar.
Ich bemerkte, dass ich die Blätter, für die ich eine 20 minütige Fahrt in das nächstgelegene Dorf mit Internet auf mich genommen habe, gerade in meinen vor Angstschweiß triefenden Händen zerknüllte.
„Halt! Jetzt die Ruhe bewahren. Ich muss es weiterlesen und dann das Richtige tun.“ Durch meinen Kopf schoss das Dogma aus „Per Anhalter durch die Galaxis“, dieser Satz, der auf dem Umschlag von diesem Reiseführerdingens in großen, freundlichen Buchstaben, („so war es doch oder?“), angebracht war: „DON`T PANIC.“ Das Büchlein habe ich geliebt. Als unbekümmerter, noch nicht mit einem tödlichen Virus infizierter Teenager, habe ich es rauf und runter gelesen.
„Also, richtig, KEINE PANIK, tief durchatmen. Was passiert denn genau bei Tollwut? Vielleicht ist ja alles gar nicht so schlimm.“
Nach einer Schätzung der WHO sterben jährlich 55.000 Menschen an Tollwut, 99% davon in Entwicklungsländern in Asien (56%) und Afrika (44%).
Das sind wirklich keine schönen Zahlen. 56% in Asien! Wenn mich meine Mathematik nicht täuscht, sind es in Asien jährlich 30.000. Wie viele Menschen leben denn eigentlich in Asien? Vielleicht eine Milliarde? Vielleicht zwei? Die Wahrscheinlichkeit ist ja eigentlich schon auf meiner Seite.
In Deutschland sind zwischen 1977 und 2000 fünf Fälle von Tollwut registriert worden
„Ja, für die Leute in Deutschland ist es sicher beruhigend, aber mir hilft es jetzt nicht weiter.
Unnütze Info, noch mehr unnütze Info ... und dann das:
Ohne vorherige Impfung oder entsprechende Maßnahmen nach einer möglichen Ansteckung verläuft die Infektion innerhalb von 15 bis 90 Tagen –*von einzelnen Ausnahmen abgesehen – immer tödlich.
„Puh!“, ein Schauer antarktischer Kälte lief mir über den Rücken. „IMMER TÖDLICH.“ Diese zwei Worte, von denen das erste so unglaublich fatalistisch klang und das zweite wahrlich auch kein Hoffnungsträger gewesen ist, diese Worte ließen mich „Per Anhalter durch die Galaxis“ mit seinem hübschen Sprüchlein sofort wieder vergessen. „Von einzelnen Ausnahmen abgesehen“ … Hmm … Ehrlich gesagt, glaubte ich an keine Ausnahme. Nicht bei mir.
Genotypen
Was interessieren mich jetzt irgendwelche Genotypen!? Ganz ehrlich. Ob jetzt das Mokola, das Duvenhage oder einfach das klassische Rabiesvirus mein Gehirn zerfressen und mich elendig, wie einen Straßenköter, zum Verrecken bringen würde, das war jetzt wirklich egal. Das Blatt mit dem mir nichts sagenden Bildchen und den Informationen zu irgendwelchen Transkriptionen und Replikationen flatterte jetzt mit der lauen Abendbrise, die sich so zärtlich hätte anfühlen können, davon.
Übertragung
„Endlich!“ Das mit der Übertragung war verdammt wichtig. Wie habe ich mich denn jetzt angesteckt?
99% der weltweiten Fälle bei Menschen werden durch den Hund übertragen.
„Hmm … 99% werden also durch den Hund übertragen. Das sind ja eigentlich recht viele Prozente.“
Mir war, als wäre ich neu geboren und zwar nicht einfach irgendwann und als irgendjemand, sondern definitiv an einem Sonntag und nicht als jemand geringeres als ein Prinz irgendeines netten europäischen Fürstentums.
99% durch einen Hund also. Der Ozean rauschte in diesem Augenblick so schön, wie er noch nie gerauscht hatte. Wie toll war es doch, hier an diesem einsamen Strand zu sitzen und zusammen mit der Welt, in die Dunkelheit zu gleiten. Die Dunkelheit, was für ein wunderschönes Wort. Und überhaupt war es doch so ein schöner Tag heute. Das eine Prozent. Die Wahrscheinlichkeit meines vorzeitigen Todes durch eine - von einzelnen Ausnahmen abgesehen – immer tödliche Enzephalitis, ist gerade ganz tief unter die Erde in ein Verlies unter sieben Siegeln gerutscht.
Ganz entspannt und aus reiner Neugierde entschied ich mich dann doch, diesen Mumpitz zu Ende zu lesen.
In den USA hingegen gingen in den letzten Jahren die meisten Fälle auf Bisse von Fledermäusen zurück und diese stellen auch in Australien, Lateinamerika und Westeuropa ein zunehmendes Gesundheitsrisiko dar.
„Hmm... In den USA also doch, und auch sonst überall auf der Welt, wie es zu sein scheint. In Asien aber nicht. Wie können die sich da eigentlich so sicher sein?“
Die Infektionen der letzten Jahre durch Bisse von Fledermäusen haben meiner Entspannung doch einen leichten Dämpfer verpasst. Es ist natürlich auch so eine Kiste mit dem einen Prozent. Ein Prozent ist eben nicht kein Prozent. Und dann diese Sache mit den letzten Jahren.
„Hmm... Wäre es eigentlich möglich, dass eine Fledermaus einen Hund beißen würde und dieser Köter, der hatte dann Tollwut. Würde sich die Fledermaus dann auch anstecken?“ Der Ozean, die Dunkelheit und die ganze übrige Strandromantik sind wieder ein Stückchen in den Hintergrund gerückt. Ein kleines Stückchen nur, ein Stückchen so groß, dass ich wieder laut und deutlich den Puls in meinen Schläfen hören konnte. Also mal sehen:
Das Virus ist im Speichel eines tollwütigen Tieres vorhanden und der Infektionsweg führt üblicherweise über einen Biss oder eine Kratzwunde. Auch durch direkten Kontakt von infiziertem Speichel mit Schleimhäuten ist eine Übertragung möglich.
So wie ich das verstand, konnte sich eine Fledermaus also sehr wohl anstecken, wenn sie einen tollwütigen Köter beißen würde. Und diese Köter sind hier überall gewesen. Alles andere als gute Neuigkeiten waren das.
Es wurde mittlerweile so dunkel, dass ich auf diesen leidigen Zetteln nichts mehr erkennen konnte. Aus der Hütte holte ich eine Taschenlampe und lehnte mich wieder an die Außenmauer.
In ihrem grellen Licht überflog ich das nächste Blatt ohne auf bedeutende Informationen zu stoßen:
Übertragung Mensch zu Mensch, „ne“, Organtransplantation, „ach was“, Proteine, Molleküle, sie sind mir gerade alle komplett scheißegal gewesen.“
Krankheitsverlauf und Symptome
„Bäng! Hier war ich also.“ Die nächsten Worte wollte ich sehr aufmerksam lesen. Von der Ruhe, die mich noch so kürzlich mit der ganzen Welt befriedet hatte, blieb nicht mehr viel übrig. Das eine Prozent ist mächtig gewachsen und richtete sich breitbeinig und kampflustig vor meiner kleinen Holzhütte auf. Die 99 Prozent Unwahrscheinlichkeit sind auf eine unbedeutende Gruppe Gnome geschrumpft, die im mächtigen Schatten der einprozentigen Unausweichlichkeit, der Hoffnung auf einen Lottogewinn glich.
Krankheitsverlauf beim Menschen
Nach der Infektion eines Menschen durch den Biss eines infizierten Tieres bleibt das Virus für etwa drei Tage in der Nähe der Eintrittspforte, vermehrt sich dort und gelangt dann über das Innere der Nervenfasern der peripheren Nerven bis in das Rückenmark und schließlich ins Gehirn.

Ja, da war es, ich spürte das Virus, wie es, die etwa drei Tage in der Nähe der Eintrittspforte einfach übersprungen hatte und schon mein Rückenmark emporschnellte, um sich schließlich in meinem Gehirn einzunisten.
Ist das Virus durch den Biss direkt in die Blutbahn gelangt, erreicht es das Zentralnervensystem sehr viel schneller.
„Sage ich doch!“ Ich war der Tollwut ausgeliefert. Sie würde sich in mein unschuldiges, rosarotes Gehirn fressen und es verwüsten. Meine Augen sprangen wie gehetzte Hasen durch den Text. Und sie sahen das:
Bald danach steigern sich die zentralnervösen Symptome wie Lähmungen, Angst, Verwirrtheit, Aufregung, weiter fortschreitend zum Delirium, zu anormalem Verhalten, Halluzinationen und Schlaflosigkeit.
Ich hatte Angst. Sie hatte ich jetzt schon. Auch war ich definitiv verwirrt und total aufgeregt. Um mich herum flogen alle Dschungelinsekten auf das Licht und sie kamen mir vor, wie kleine, gemeine Feen und böse Miniaturaußerirdischen, die mein Blut saugen wollten, um damit ihre Brut, die der Menschheit den Garaus machen sollte, hochzuziehen. Mir wurde ganz dunkel vor Augen, also halluzinierte ich schon. Vom Schlafen konnte wirklich keine Rede sein. Bevor das Delirium dann kam, las ich schnell weiter:
Die Lähmung der hinteren Hirnnerven führt zu einer Rachenlähmung, verbunden mit einer Unfähigkeit zu sprechen oder zu schlucken – dies ist während späterer Phasen der Krankheit typisch.
Mein Mund ist ganz trocken gewesen. Ich versuchte etwas zu sagen, mir fiel nur das Wort „Hilfe“ ein. Dieses röchelte ich gerade so heraus. Noch ein bisschen Zeit hatte ich also noch.
Der Anblick von Wasser kann Anfälle mit Krämpfen des Rachens und Kehlkopfs hervorrufen. Der produzierte Speichel kann nicht mehr abgeschluckt werden und bildet Schaum vor dem Mund. Geringste Umweltreize, Geräusche und Licht führen zu Wutanfällen, Schreien, Schlagen und Beißen, wobei das hochkonzentrierte Virus schließlich übertragen wird.
Ich leuchtete schnell auf den Ozean und machte mich bereit sofort zu ersticken, Wutanfälle zu bekommen und – in Ermangelung anderer Menschen mich selbst zu schlagen und zu beißen. Was soll´s, besser jetzt hinter sich bringen und nicht mehr lange leiden. Was war schon dieses Leben, dieser eitle Tanz um das goldene Kalb? (Wo habe ich das bloß gelesen?)
Ich würde aus ihm scheiden, hier im indischen Goa, fern von meiner geliebten Mutter und von meinem strengen, aber gerechten Vater. Meine Freunde würden zu meinem Grab pilgern und sagen: „Marko ist ein tapferer Abenteurer gewesen und hatte allen Widrigkeiten des Rucksackreisens getrotzt, bis er, irgendwo abseits begangener Wege, von einer kleinen und unscheinbaren Fledermaus niedergestreckt wurde. Gestorben ist er am Ozean und in Dunkelheit, dort möge seine schöne Seele den Weg ins Paradies finden.
Leider hatte ich keine Freundin, die über meinem Grab bittere Tränen vergießen würde und die ich noch kurz vor meinem Tod geschwängert hätte, um nach meinem Ableben in Gestalt eines goldigen kleinen Jungen weiterzuleben. Aber, um so besser. Mein tragischer Tod sollte ihr nicht das weitere Leben im Glück unmöglich machen.
Schnell wollte ich diese Worte voller Poesie für die Nachwelt noch zu Papier bringen, aber dann sah ich den Ozean, ohne dass dies zu Anfällen mit Krämpfen des Rachens und Kehlkopfs geführt hätte. Also hatte ich noch ein wenig Zeit. Ich las weiter, wobei mir beiläufig noch die Inkubationszeit zwischen einem bis drei Monaten auffiel:
Nur während der mehr oder minder langen Frühphase, also in den ersten Stunden, ist noch eine postexpositionelle Impfung sinnvoll. Sobald das Virus das Gehirn erreicht hat, ist eine Impfung nicht mehr wirksam.
Nun denn, „Per Anhalter durch die Galaxis“ baute sich wieder mit dem ganzen dazugehörigen Universum vor mir auf. DON´T PANIC Marko, es ist noch nicht alles verloren. Bis zur nächsten Stadt mit einem Krankenhaus würde ich zwei Stunden brauchen. Ich musste es wenigstens versuchen.
Ohne meine Hütte abzuschließen, packte ich bloß mein Täschchen mit dem Geld und den Karten und schwang mich auf das Motorrad.
II.
Wie ein Besessener raste ich durch den Dschungel, auf einem nicht asphaltierten Weg voller Lianen und Wurzeln und sonst noch welchem Zeugs. Mein Motorrad klapperte wie ein Sack voller Knochen, die Insekten ganz Indiens flogen auf das Licht meiner Maschine und zerplatzten auf dem Glas meines Visiers. Aber was konnten mir irgendwelche Insekten und schlechte Straßen schon anhaben? Ich befand mich in einem Rennen mit dem Tod und ich hatte vor, es zu gewinnen.
Den Weg hatte ich innerhalb von einer Stunde und vierzig Minuten zurückgelegt. Als ich in die Stadt einfuhr, ging mir der Sprit aus, was aber nun auch egal war. Ich ließ das Motorrad einfach mitten auf der Straße stehen, da liefen ja auch ständig irgendwelche Kühe herum und sprang in ein Taxi. „Schnell, zum Krankenhaus!“, rief ich in das Ohr des schläfrigen Fahrers und warf ihm einen unbekannten, aber hohen Betrag Rupien auf das Schoß. „Beeile dich doch, du braunes Stück Scheiße“, rief ich auf Deutsch. Der Mann wackelte nur mit dem Kopf, so wie es alle in diesem Land tun, dass man nicht verstehen kann, ob es ein Ja oder ein Nein ist, dann fuhr er los. Glücklicherweise befand sich das Krankenhaus ganz in der Nähe.
Aus dem Wagen gesprungen, rannte ich mit einer olympiaverdächtigen Geschwindigkeit in die Notaufnahme. Dort warteten an die 50 Personen, viele Frauen und Kinder. Als ich ankam, schauten sie mich verwundert mit ihren Schafsaugen an. Vielleicht lag es daran, dass ich immer noch meinen Motorradhelm trug, dessen Visier nahezu vollständig mit zerquetschten Insekten bedeckt war, vielleicht auch einfach, weil sie gerne schauten.
Ich rannte zu der Aufnahme und verlangte nach sofortiger Behandlung. Es war schließlich ein absoluter Notfall. Die Rettung meines wertvollen Lebens war eine Frage von Augenblicken. Nachdem die gesamte Rezeption unschlüssig mit den Köpfen gewackelt hatte und ein weiterer, noch höherer, aber nach wie vor unbekannter Betrag über den Tresen flog, wurde ich schließlich zu einem Arzt geführt.
Was denn bloß passiert sei, wurde ich gefragt, als ich dann endlich meinen Helm auszog und dem Mann, die Wunde auf meinem Nacken präsentierte.
„Tollwut, Tollwut!“, sehe er das denn nicht? Eine Fledermaus ist es gewesen, schon vier Stunden sei es her. Hier müsse schleunigst was geschehen.
Der Arzt schüttelte verwundert mit dem Kopf und fragte mich: „Fledermaus? Kein Hund?“
„Ja, ja“, ich erinnerte mich an das eine Prozent, wie es mächtig und unerschütterlich sich auf dem Strand vor mir aufbaute. „Kann ich jetzt endlich eine Impfung bekommen?“
„Eine Impfung erscheint mir nicht nötig“, auch der Arzt wackelte mit dem Kopf und lächelte ein unbestimmtes Lächeln, das mir nichts sagte. „Ein Infektionsrisiko liegt praktisch bei Null. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass die Fledermäuse Touristen angreifen würden, wenn diese in ihren Lebensraum eindringen.“
Das war mir alles egal. „Sagen Sie, eine Wahrscheinlichkeit mag sehr gering sein, aber sie gibt es schon, oder?“
Der Arzt zuckte mit den Schultern: Hmm … Also ganz ausschließen kann man sie natürlich nicht, aber Sie sollten sich wirklich keine Sorgen machen.“
„Ich mache mir aber Sorgen, verdammt noch mal, ich habe Angst, bin aufgeregt, kann kaum sprechen und mein Rachen fühlt sich schrecklich trocken an. Geben Sie mir jetzt endlich diese Impfung!“
Eine halbe Stunde später verließ ich das Krankenhaus mit dem Impfstoff in meinen Adern und der Ruhe in meiner Seele. Jetzt würde es gleich in mein Rückenmark eindringen und dort, vor den Pforten zu meinem unschuldigen, rosaroten Gehirn, das tückische und - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - immer tödliche Virus, aufhalten und in die Knie zwingen. Ich war gerettet und die Welt konnte sich wieder drehen.
III.
Da ich nicht mehr kurz vor Mitternacht in die Hütte zurückfahren wollte, entschied ich mich in einem Hostel zu übernachten. In der Nähe des Krankenhauses fand ich ein kleines.
Sie saß im Gemeinschaftsraum und blätterte in ihrem Reiseführer. Wir tranken zusammen, es gab schließlich mein Überleben zu feiern, also tranken wir viel. Sie hatte ein hübsches, helles Lächeln und schlanke weiße Beine. Seit über einem Jahr sei sie schon unterwegs und habe auch noch gar nicht vor zurückzufahren. Man treffe ja immer nette Menschen und wann soll man schließlich Abenteuer erleben, wenn nicht in der Jugend.
Eine Stunde später schliefen wir miteinander. Sie umklammerte mich fest mit ihren schlanken, weißen Beinen und krallte sich an meinen Rücken. Wir waren beide voller Freude, ich, über mein wiedergewonnenes Leben, sie, darüber, einen netten Menschen getroffen zu haben und auch über unser kleines Abenteuer. Solche Abenteuer möge sie ganz gerne, sagte meine neue Bekanntschaft.
Als wir fertig waren, fiel mir auf, dass zwischen dem ganzen Umklammern und Krallen und Freude uns das Kondom geplatzt ist. Nicht so schlimm, sagte sie, sie nehme eh die Pille. So etwas könne schon mal passieren.
Ja, so etwas könne schon mal passieren, also schliefen wir ein. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war mein nächtliches Abenteuer schon verschwunden.
Ich bezahlte das Zimmer, tankte mein Motorrad, das immer noch an der gleichen Stelle mitten auf der Straße gestanden hatte und fuhr zum Strand zurück. Vorher bin ich noch für ein paar Minuten in einem Internetcafé gewesen.
In meinem Ort angekommen, lehnte ich mich wieder draußen an die Hütte und beobachtete den Ozean. Es ist diesmal Ebbe gewesen und die zwei Engländerinnen von gestern lagen an der gleichen Stelle.
Mit der ganzen Lunge nahm ich die frische und salzige Meeresluft auf. Es war wieder ein herrlicher Tag. So ein Tag voller Leben und Sonne. Ich kaufte mir bei einem vorbeilaufenden Strandhändler eine Kokosnuss mit einem Strohhalm und holte aus meiner Tasche ein paar Blätter Papier heraus. Ich faltete sie auf und las:
Acquired Immune Deficiency Syndrome, (englisch für „erworbenes Immundefektsyndrom“), zumeist abgekürzt AIDS oder Aids, bezeichnet eine spezifische Kombination von Symptomen, die beim Menschen infolge der durch Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HI-Virus, HIV) induzierten Zerstörung des Immunsystems auftreten. ...

 

Servus HerrTaktlos,

letztendlich läuft diese Geschichte auf eine Pointe hinaus, und diese Schlusspointe finde ich ehrlich gesagt nicht einmal besonders originell, der Weg dahin allerdings hat mir richtig gut gefallen.
Diese Montage von Originalzitaten aus Internetseiten und den Gedanken des Erzählers fand ich wirklich kurzweilig zu lesen, obendrein ist das ganze durchsetzt mit herrlich schrägen Formulierungen, ja, schön langsam getraue ich mich, vom typischen HerrTaktlos-Stil zu sprechen.
Ob der Protagonist nun hypochondrisch veranlagt ist, oder ob es einfach diese permanente Verfügbarkeit unnützen Wissens jedweder Art ist, die seine Verunsicherung sich bis zur Panik steigern lässt, sei mal dahingestellt. Natürlich kann ich den Text als Kritik lesen an der Leichtgläubigkeit vieler Menschen im Umgang mit dem Internet, ihrem blinden Vertrauen selbst in die obskursten Seiten („Das stimmt wirklich! Das hab ich im Internet gelesen!“), gleichzeitig ist es das einfühlsame und humorvolle Psychogramm eines abenteuerlustigen, und trotzdem ein bisschen verlorenen jungen Mannes. Ein sehr hübscher Text, HerrTaktlos, aber (großes, fettes aber):

Die Grammatik ist offenbar tatsächlich eine ziemliche Schwachstelle bei mir. Was ist da nur schiefgelaufen?

Keine Ahnung, aber so geht’s auf Dauer nicht, mein Lieber. Sehr viele Tempusfehler, sehr, sehr viele Kommafehler und überhaupt. Diese Geschichte verdient sich wirklich eine umfassende Korrektur. Danke, setzen.

offshore

 

Ein Prozent ist eben nicht kein Prozent,
doch einmal ist keinmal, sagt des Volkesmund und eine Rose sei eine Rose wohl weniger von Rosel Ausländer. denn von Frau Stein, die wohl doch noch nicht mit dem ollen Göthe geflörtet hat,

lieber Taktlos!

Du scheinst ja ein rechter Weltenbummler zu sein, direkt nach dem Ausflug nach Iberoamerika nun keineswegs nur St. Goar und/oder Goarshausen, sondern gleich Goa, aber vom egoistischen Tripp die Flucht in die Krankheit, wie’s gerade kommt aus dem weltweiten Gewe®be und knapp und bündig mit noch mehr Worten als ich in die nächste. Aber das Handwerkliche – ein Jammer! Wie immer die Kommas – nur’s erste wird ich heut erwähnen

Ich befühlte meinen Nacken, bestimmt zum 50ten Mal[,] seit es passiert ist.
(Auch’s Gegenteil kommt vor, dass Kommas entbehrlich sind). Ansonsten strand ich offshore ...


So viel oder doch eher wenig für heute vom

Friedel

 

HerrTaktlos,

man versucht ja bisweilen einen Text vorausfühlend aufzunehmen, und so wähnte ich den Prot einmal von einer herabfallenden Kokusnuss erschlagen und ein anderes Mal, als Absurdität schwung zu nehmen schien, vom imaginierten, sich dann materialisierenden, schwer aufgedunsenen 1-Prozent-Zeichen zerquetscht. Engländerinnen und Tollwut schieden für mich aus, schwach schwob noch ein 22-Prozenter auf einen tötlichen Motorradunfall auf dem Weg zum KH vor meinen zeilensurfenden Augen, auch, da die erwähnten Optionen sich mit seinem Aufbruch dorthin verabschiedeten, nun ja, und es kam anders. Allerdings, nach Impfung des Hypochondrierenden und zu deren Ehren vollzogenem GV inkl. Schadgummi, schwante mir doch die Pointe; sie ist sicher eine, jedoch, das muss im Einklang mit Offshore getippt sein, eine zur nachhaltigen Aufgabelung verlässlich herumliegender Engländerinnen nicht hinreichende.
Aber, ebenso gleichklanglich, fand ich´s doch amüsant.

Für deine nächste KG hätt ich übrigens ein Tipp. Wie wär´s mit:

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Haha.
(Ich muss übrigens gestehen, dass ich beim Lesen über nicht einen Fehler gestolpert bin, was gewiss nicht gegen die Story, aber auch nicht dafür spricht, mir einen Job im Lektorat zu suchen.)

Ich komme zum mir Wichtigsten:
Did you possibly seen the movie "Into the wild"?

Brate mir einen Inder, wenn du es nicht haben solltest.
Gruß
7miles

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo offshore,
schön dich wieder zu sehen. Die Welt von KG.de scheint wirklich eine kleine zu sein. Es freut mich, dass dich meine Geschichte amüsiert hat und ich bin natürlich traurig, dass die Pointe nicht gezündet hatte. Ich werde es einfach mal darauf schieben, dass die Leserschaft hier so ausgeklügelt ist und damit geht es mir wesentlich besser. Der neue Anfall von Hypochondrie war für mich eine zwangsläufige Folge und irgendwie fügte es sich. Nein, originell war es sicher nicht. Aber für den "HerrTaktlos-Stil" danke ich dir sehr.
Was die Rechtschreibung anbetrifft, so bin ich am verzweifeln. Den ganzen Text habe ich nochmal gelesen und die Tempusfehler fallen mir einfach nicht auf. Die Kommata, ja, ich werde sie ausbessern, ansonsten bin ich ratlos.
Grüß dich Friedel,
auch du verirrst dich wieder zu mir und gibst mir mit deinem Einleitungssatz ein Rätsel auf. Dabei habe ich doch alle anderen noch gar nicht gelöst. Und obwohl wir noch gar nicht lange bekannt sind, habe ich gar nichts anderes von dir erwartet.
Danke für deinen Besuch. Was die Kommas anbetrifft - Asche auf mein Haupt. ich bin ein unverbesserlicher Sünder, denn ich erkenne die Sünde nicht.
7miles, auch du Brutus! Nun schäme ich mich wirklich für die ordinäre Pointe, aber man kann eben nicht über seinen Schatten springen und es wird auch meinem einfach gestrickten Prot nicht gelingen. Die Idee mit dem 1% Zeichen, wäre natürlich was Unerwartetes, etwas was sich gut in deine Texte fügen würde, aber ich will dem gescheiten Leser nicht das zufriedene Gähnen nehmen, wenn er sich nach dem Lesen des letzten Satzes sagen kann: "Habe ich es doch gewusst."
Und der Inder soll verschont bleiben, denn "Into the Wild" ist mir selbstverständlich ein Begriff. Ein wunderbarer Film, der mir übrigens auch ein gutes Buch nähergebracht hat und zwar "Life in the woods" von Henry Thoreau.
Meine Lieben,
es tut mir leid, das mitteilen zu müssen, aber ich werde mich aus persönlichen Gründen für 5-6 Monate von euch verabschieden. Zum Lesen und gelegentlichen Kommentieren werde ich hoffentlich noch kommen, aber auch das ist ungewiss.
Ich wünsche euch frohes Schaffen und hoffe einige Geschichten von euch zu sehen, wenn ich wieder zurück bin.
Beste Grüße
HT

 

HerrTaktlos schrieb:
Was die Rechtschreibung anbetrifft, so bin ich am verzweifeln. Den ganzen Text habe ich nochmal gelesen und die Tempusfehler fallen mir einfach nicht auf.

Eigentlich kein Grund zum Verzweifeln, HerrTaktlos, ich muss gestehen, dass diese spezielle Bauart deines Textes, also diese Montage aus wörtlicher Rede des Protagonisten, seinen gedachten Gedanken, Internet-Textzitaten und zusätzlich noch dem, was dazwischen in realitas passiert, es einigermaßen schwermacht, Tempusfehler zu erkennen, bzw. sie überhaupt als solche zu bezeichnen.

Und es war ein Fledertier, das heute in dieser verschissenen Höhle in meinem Nacken gelandet ist. [?]
[…]
Ich bemerkte, dass ich die Blätter, für die ich eine 20 minütige Fahrt in das nächstgelegene Dorf mit Internet auf mich genommen habe [hatte], ...

Tja, bei einigen Stellen bin ich mir nach wie vor unsicher. Am besten ist wohl, du ignorierst meine diesbezüglichen Einwände. Am zweitbesten, du kontaktierst unseren Lordsiegelbewahrer der deutschen Grammatik, Sir Friedel.

denn "Into the Wild" ist mir selbstverständlich ein Begriff. Ein wunderbarer Film, der mir übrigens auch ein gutes Buch nähergebracht hat und zwar "Life in the woods" von Henry Thoreau.
Meine Lieben,
es tut mir leid, das mitteilen zu müssen, aber ich werde mich aus persönlichen Gründen für 5-6 Monate von euch verabschieden.

Das tut mir auch leid, HerrTaktlos, du schienst mir ein echter Gewinn für das Forum gewesen zu sein.
Aber wo immer du in den nächsten Monaten was auch immer zu tun gedenkst, ich wünsche dir viel Spaß dabei und will dir als eventuelle Reiselektüre noch ein Buch ans Herz legen, nämlich Jon Krakauers „Into the Wild“, das als Vorlage für den gleichnamigen Film diente. (Und überhaupt alle Bücher von Krakauer.)

Mach’s gut, HerrTaktlos.

 

Was die Kommas anbetrifft - Asche auf mein Haupt. ich bin ein unverbesserlicher Sünder, denn ich erkenne die Sünde nicht
issja auch kein Sünd',

lieber Taktlos,

wär ja noch schöner. Dann hätt ich seinerzeit mit Recht im KC gesessen. Verstöße wider Recht und Gesetz - und wär's nur die Grammatik - sind doch erst schön, wenn man um den Verstoß weiß. Und was die Zeichen betrifft schau ins letzte Kapitel des Ulysses oder beim ollen Kleist ...

Gruß

Friedel

 

Hahaha, ich musste viel lachen, als ich diese Geschichte las. Herr taktlos, du kannst gut schreiben, kennst die goyanischen hunde und die Frauen! Das ist schön!

 

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