Tolle Vorstellung
Grauer Morgen ,heute morgen. Mit schweren Gedanken belastet, mache ich mich beschwingt auf den Weg. Fröhlich, mit einer Miene die man als zerknirscht bezeichnet. Leute um mich rum, wie schön, wollen die sich auch noch in den Bus drängeln . Es geht los. Da, die beiden kenne ich. Hallo. Diese Worte schreie ich in Gedanken und sage sie leise. Stelle mich an meinen komfortablen, ziemlich mittig liegenden unpassenden Platz. Liebe, nette Kinder können es nicht erwarten in die Schule zu kommen. Deswegen auch die ausgezerrten, traurig motiviert wirkend ,strahlenden Gesichter. Jeder bekommt plötzlich gute Laune-ein Handy klingelt. Der Klingelton marke Standard lädt zum Tanzen ein. Der Bus fährt kurz und hält dann weiter. Der liebliche Duft des Schuldrucks ,denn ein Junge aus der Mittelstufe hat den Bus zärtlich mit seinem Mageninhalt verziert um uns Umstehenden zu zeigen: Ich freue mich auf die Schule! Eine andere Ausdrucksweise war ihm leider nicht möglich. Oder er hat uns sagen wollen, wie sehr er doch entlastet ist, seit es die wunderbare Erfindung G8 gibt. Seine Eltern oder wie man heute sagen könnte, seine Manager, teilten ihm gestern seine Termine für die nächste Woche mit. Erwartungsvoll fragt er sich nun ob die 2 Stunden Nachhilfe zusammen mit den spärlichen 2 Stunden Fußballtraining, den 10 Stunden Hausaufgaben, der einen Stunde bei der Psychologin ,zusätzlich zum 36 stündigen Unterricht seine elendig quälende Langeweile in der reichlich bemessenen Freizeit wöchentlich füllen können. Wohl eher nicht! Arme Kinder, die nicht genug gefördert werden, traurig. Ich mit meinem G9 habe da schon andere Probleme. 1 Jahr mehr in der Schule. Aber genug davon. Mehr motivierte Schüler steigen ein um sich wehleidig auf einen Platz zu setzen um kurz darauf ,dass so moderne und triste Gebäude zu betrachten. Aussteigen . Wir laufen alle sofort hinein, in mäßig beschleunigtem Schritttempo. Der erste Gang zum Vertretungsplan ist ein schwerer. Was wenn etwas ausfällt? Ich mag gar nicht daran denken. Die Langeweile wäre unerträglich, man müsste zusammen mit den Freunden im Coffeeshop steif herumsitzen, einen leckeren Kaffee herunterspülen und sich nett zulabern. Grausam. Ein kurzer Blick auf die Todestafel. Ein erstes Aufatmen neben mir. Es ist der Junge von vorhin, der bemerkt hat, dass ihm heute keine lehrreiche, wertvolle Unterrichtszeit gestohlen wird. Er kann sich jetzt zurücklehnen und gespannt den gebildeten , schroff vorgetragenen Worten seines Lehrers widmen. Dieser wird ihn bitten an die Tafel zu kommen, um gespottetes Lob zu erhalten. Eine wahre Wohltat. Doch auch mir entgeht heute keine spannende Schulstunde. Herrlich. Heute wird ein guter , nervenaufreibender Tag. Die Begrüßung mit den Freunden äußert sich in einer Schweinegrippe übertragenden Umarmung. Bis mir wieder einfällt, dass ich durch eine Infektion Unterricht verpassen könnte. Langsamen Schrittes rase ich zur Mädchentoilette um mir dort sämtliche unterrichtsverkürzende Viren von der Haut zu waschen. Verständnisvolle Blicke bekomme ich von verwirrten mich für wahnsinnig haltenden Schülerinnen. Sie schütteln den Kopf und kichern um mir zu bezeugen: Dieses Problem kennen wir auch! Der Tag ist sehr informativ, nur die Pause macht mir zu schaffen. 15 Minuten des Daumendrehens ,sich mit den Freunden Austauschens liegen vor uns. Die Mittagspause vor dem Nachmittagsunterricht wird wieder zur Zerreißprobe. Um keine allzu großen Entzugserscheinungen zu bekommen, dopen meine beste Freundin und ich uns mit Hausaufgaben. Mir geht das sich vor Langeweile krümmende Herz auf. Ich bin so beschäftigt, dass ich nicht weiß wohin mit meinem Desinteresse. Überdosis. Die Nebenwirkungen treten schon auf. Dann als die Klingel läutet, jauchzen alle vor Begeisterung und begeben sich mich einem leisen Murren zu den Klassenräumen. Da ist sie , die Heilige, die bei allen beliebt ist und die wir liebevoll ‚Schleimerin‘ nennen. Die sauber aufgetragene Spur die sie hinterlässt, bringt mich ins Taumeln. Das ist ziemlich glatt hier, man könnte ausrutschen. Ich bitte meinen Lehrer es zu beseitigen. Er tut es und rutscht darauf herum wie ein Eislauftrainer, sehr grazil und angetan von ihren nett gewählten , zuvorkommenden Worten. In der letzten Stunde, dann der Schock. Wir machen bald eine Kursfahrt! Applaus. Der Vorhang geht zu, alle sind begeistert! Tolle Vorstellung, denke ich und muss schmunzeln. Was für eine Zweideutigkeit. Dann gehe ich auf die Bühne zum Verbeugen.