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Todesfluch

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14.10.2001
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Todesfluch

Der Todesfluch

Schon immer waren seltsame Dinge in Theklas Umgebung geschehen. Es gab Unglücke und unerklärliche Todesfälle. Vielleicht wurde Thekla deshalb von allen gemieden. Oder aber es lag an ihren stechendgrünen Augen, die jeden mit Unbehagen erfüllten, den sie ansah. Mehr als alle anderen aber fürchtete sich die Mutter vor ihrer eigenen Tochter. Aus Angst schwieg sie jedoch zu allem, was Thekla tat und sagte, und sprach zu niemandem über ihren dunklen Verdacht.
Der Vater hingegen wich keiner Auseinandersetzung mit Thekla aus. Und immer wieder reizte sie ihn bis aufs Blut. Der Mutter wurde es jedes Mal angst und bange, wenn sie sah, mit welchen Blicken Thekla ihren Vater maß. Verachtung, Abscheu, sogar Hass lagen darin.
Eines Abends entbrannte ein besonders heftiger Streit, weil Thekla sich weigerte, ihrer Mutter in der Küche zu helfen. Plötzlich schlug der Vater mit der Faust auf den Tisch. Augenblicklich herrschte Totenstille im Raum. Theklas Augen wurden starr und bekamen einen seltsam fiebrigen Glanz. Der Mutter liefen eisige Schauer über den Rücken. Thekla fixierte ihren Vater. Dann rollten ihre Augäpfel nach oben, so dass nur das rotgeäderte Weiße zu sehen war. Ganz kurz dauerte der Spuk. Dann blickten ihre grellgrünen Augen in dem bleichen Gesicht genauso mürrisch wie immer.
Noch in dieser Nacht stand das Herz des Vaters, der bis dahin vollkommen gesund gewesen war, plötzlich still.
Von da an vermied es die Mutter, ihrer Tochter in die Augen zu sehen. Sie war richtiggehend erleichtert, als Thekla ihr kurz darauf mitteilte, dass sie in eine andere Stadt ziehen würde. Sie hoffte inständig, ihre Tochter nie mehr im Leben wieder zu sehen.
In der Stadt führte Thekla geraume Zeit ein unauffälliges Leben. Nachts bewachte sie ein einsames Firmengelände, und tagsüber hielt sie sich meistens in ihrer Wohnung auf.
Eines Tages begegnete sie frühmorgens im Park einem jungen Mann mit kräftigen Armen, blonden Haaren und freundlichen hellen Augen, der eine unerklärliche, fast magische Anziehungskraft auf sie ausübte. Doch es war nicht Liebe, was sie fühlte, sondern Gier und maßlose, flammende, unersättliche Leidenschaft.
Auch der junge Mann verfiel ihr vom ersten Augenblick an. Doch begnügte er sich nicht mit dem, was sie ihm gab. Er wollte sie ganz, mit Leib und mit Seele. Es dauerte aber nicht lange, bis er begriff, dass er nicht mehr haben konnte als nur ihren Körper, und da trennte er sich schweren Herzens von ihr.
Theklas brennender, verzehrender Zorn trieb sie tief in den Wald hinein. Sie schlug um sich, schrie und tobte in der Einsamkeit des dunklen Tanns. Sie konnte es nicht ertragen, wollte es nicht hinnehmen, es durfte einfach nicht sein, dass er sich ihr widersetzte. Es gab nur eine Lösung: Sie musste ihm noch einmal in die Augen schauen. Ihre Entscheidung war gefallen. Langsam wurde sie ruhiger.
Am frühen Abend lauerte sie ihm vor seiner Tischlerwerkstatt auf und überredete ihn, noch einmal mit ihr in den Park zu gehen. Sie setzen sich auf die Bank, auf der sie ihren ersten glutheißen Kuss getauscht hatten. Die Farben um sie herum verloren bereits an Leuchtkraft. Feiner Nebel dampfte aus dem Boden. Der Wind frischte auf und Kälte kroch von allen Seiten auf sie zu.
Sie schwiegen. Es gab nichts mehr zu sagen.
Mit einer langsamen, fast genussvollen Bewegung strich sich Thekla ihre langen schwarzen Haare aus der Stirn. Dann krallten sich ihre eisigen Finger in seine Schultern. Mit fiebrig glänzenden Augen starrte sie ihn unverwandt an. Er hob seinen Blick und konnte ihn nicht mehr abwenden, konnte sich nicht rühren, kaum noch atmen, wurde starr vor ihr wie Beute vor einer Schlange, verharrte selbst dann noch, als er das blutgeäderte Weiße in ihren Augen sah und hörte, was sie zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervorstieß: „Verflucht zum Tode sollst du sein!“
Als sie ihn endlich losließ, sprang er auf und rannte wie gehetzt davon, nur weg, weit weg von ihr. Er bemerkte nicht den rauchigen Dunst, der ihn umwehte und sich um seine Gestalt legte wie ein hauchfeiner Kapuzenmantel. Aber Thekla sah es, und ein böses Glitzern trat in ihre Augen.
Es war der Tod, der dem jungen Mann von da an auf Schritt und Tritt folgte. Er jagte ihn die einsamen, dunklen Parkwege entlang, er trieb ihn über befahrene Straßen, ließ starken Sturm aufkommen und sogar ein Gewitter aufziehen, doch wie durch ein Wunder entging der junge Mann allen Gefahren und erreichte sicher das alte Haus, in dem er lebte. Schnell schloss er die Tür hinter sich, so als ob er den unheimlichen Schatten spüren könnte, der ihn verfolgte.
Dem Tod ist es jedoch ein Leichtes, selbst dicke Mauern zu durchdringen. Düstere Schwaden umwaberten um den jungen Mann, als er die Treppen bis zu seiner Wohnung im obersten Stock hinaufeilte, und der Tod ließ ihn straucheln, aber der junge Mann war flink und konnte sich gerade noch am Geländer festhalten. Erschöpft ließ er sich in einen Sessel fallen. Der Tod umklammerte sein Herz und drückte unbarmherzig zu, doch seine Beute war jung und gesund und widerstand ihm erneut.
Der Tod ist nicht allmächtig. Aber er gibt niemals auf, und immer erreicht er sein Ziel. Irgendwann.
Dem jungen Mann fielen die Augen zu. Er schlief tief und fest. Geduldig wartete der Tod in einer dunklen Zimmerecke. Er schlug nicht wieder zu. Noch nicht. Er hatte alles gerichtet. Nun da er wusste, wie sein Opfer umkommen würde, konnte er ruhig ausharren.
Spät in der Nacht blieb eine dunkle Gestalt vor dem alten Haus stehen und blickte nach oben. In der Dachwohnung brannte noch Licht. Lebte er oder war er schon tot? Thekla musste es wissen. sofort! Sie wusste, sie würde erst wieder Ruhe finden, wenn ihre Rache vollendet war.
Sie läutete. Es dauerte eine Weile, bis der junge Mann ihr verschlafen die Tür öffnete. Der Tod – ihr Freund, ihr Verbündeter – hatte ihn noch nicht besiegen können. Doch er war zugegen. Schon im Eingang spürte sie seine modrige Anwesenheit und den süßlichen Geruch von Fäulnis, der die Luft wie mit klebrigen Fäden durchzog.
Thekla wollte nicht mehr länger warten. Sie würde dem Tod helfen, und sie wusste auch schon, wie. Hier kannte sie sich schließlich besser aus als er.
„Geh bitte!“, sagte der junge Mann, aber Thekla beachtete es nicht. Entschlossen drängte sie sich in die Wohnung, folgte der staubigen Spur der Finsternis und fand den Tod in der Zimmerecke.
Der junge Mann blieb hinter ihr. Sie wandte sich um. Mit ihren grellgrünen Augen suchte sie seinen Blick.
„Spürst du ihn nicht, den Gestank von Verwesung, der in der Luft liegt?“
Der junge Mann sah an ihr vorbei und antwortete nicht.
„Geh mit mir auf den Balkon!“
Der junge Mann blickte stumm zu Boden.
Thekla öffnete die Balkontür und trat hinaus. „Komm!“, lockte sie. „Atme die frische Nachtluft mit mir!“
Doch der junge Mann rührte sich immer noch nicht.
„Hörst du denn nicht!“ Ungeduldig ging Thekla drei Schritte nach vorn. Sie hatte nicht vergessen, wie niedrig das Balkongitter war. Mit beiden Händen berührte sie das kalte Metall. Gleich würde er über dieses Geländer in sein Verderben stürzen.
Aber der junge Mann stand immer noch an derselben Stelle mitten im Zimmer.
Doch es gab etwas, was Thekla nicht wusste, nicht wissen konnte, weil der Tod seine Hände dabei im Spiel hatte. Nur ihm war bekannt, dass der alte Holzbalkon morsch war.
„Wo bleibst du denn?“ Zornig stampfte Thekla mit dem Fuß auf. Mit einem Mal umfloss der Tod sie, umgab sie fast wie ein schützender Mantel.
Knacken, Bersten, Splittern und Krachen erfüllten die Luft. Der Holzbalkon brach. Und mit ihm stürzte Thekla in die Tiefe.

 

Hi Jakobe,

tolle Idee - die Hexe, die mit dem Tod gemeinsame Sache macht. Auch schön flüssig geschrieben. Machte Spaß dran zu bleiben.
Umso mehr war ich vom Ende enttäuscht. Für mich viel zu abrupt und kurz.
Vielleicht wäre noch ein innerer Zwiespalt des jungen Mannes interessant gewesen (Sollte er Xenia vor dem Balkon warnen?) Oder was ist auf einmal mit dem Tod?
Warum denkt er sich nicht, wenn ich den jungen Mann schon nicht kriege, nehm ich halt die Hexe ...
Wie auch immer; aber m.M.n. hättest Du noch etwas schreiben sollen. Das Ende wirkte auf mich so, als hättest Du plötzlich keine Lust mehr gehabt, die Geschichte weiter zu schreiben. Aber Du kannst ja noch mal abwarten, was Andere dazu sagen.

Bis dahin schöne Grüße! Salem

 

Lieber Salem,
ich hatte mir das so vorgestellt: Der Tod hat alles Mögliche versucht, um den jungen Mann zu kriegen, und es hat nie geklappt. Dann hat er sich den morschen Balkon als Mordwaffe ausgeguckt. Er konnte nicht ahnen, dass die Hexe darauf treten würde. So hat sich die Hexe quasi selbst bestraft. Ich muss mal überlegen, wie ich das noch deutlicher rüberbringen kann. Vielen Dank für deine Eindrücke!
Viele Grüße!
Jakobe

 

Du hast recht, so ist es wirklich nicht rübergekommen (zumindest für mich nicht).

Vielleicht kannst Du es wirklich noch ein bißchen deutlicher herausstellen.
Wie gesagt, ansonsten hat mir Deine Geschichte wirklich gut gefallen.

Salem

 

Hallo, Salem,
ich habe das Ende der Geschichte umgearbeitet. Wenn du Lust hast, lies es dir doch noch mal durch und sage mir, ob der Schluss jetzt verständlicher ist.
Viele Grüße!
Jakobe

 

Hallo zusammen!

Ich muss sagen, mir gefällt die Geschichte weniger.
Die Charaktere sind zu oberflächlich bearbeitet, die Zeit zu gerafft, um dann wieder ausgebreitet zu werden.

Der junge Mann: Wer ist er, was macht er, wieso er?
Bis zu der Parkszene klingt die Geschichte wie eine Zusammenfassung.

Weshalb bleibt er mitten im Zimmer stehen? Ahnt er etwas?

Auch ich finde das Ende zu kurz... aus der Geschichte hätte man mehr machen können. Es ist auch gar nicht dramatisch, dass die Hexe stirbt, hättest du sie aber mehr ausgearbeitet, dann wäre in dem Leser etwas Wehmut aufgekommen als sie auf den Balkon tritt.

Fazit:
Schade, nette Idee, ungenügende Ausarbeitung
7 von 15 Punkten

 

Lieber SamCaracha,
ich glaube, du hast die Geschichte nicht ganz verstanden. Warum sollte der Leser Wehmut empfinden, wenn ein mordendes Monster auf den Balkon tritt und damit abstürzt?
Viele Grüße!
Jakobe

 
Zuletzt bearbeitet:

Weil so der Geschichte rein garnichts ab zu empfinden ist.
Die Handlung zieht an mir vorbei, das ist wie wenn ich von einem Monster in China in der Zeitung lese und am nächsten Tag, dass es gestorben ist. WOW!
Vielleicht hättest du ja auch den jungen Mann ausführen sollen.

Das war ein weiterführende Idee, keine Interpretation - schade.

 

Hi Jakobe,

so ist das Ende zumindest klarer; für mich allerdings immer noch zu kurz (oberflächlich). Eigentlich bin ich ja ein Fan von abrupten Enden, aber irgendwas fehlt. Der Kick.
Hab aber im Moment auch keine Idee, wie man das Ende weiter ausführen könnte. Wenn mir was einfällt, meld ich mich.

Gruß! Salem

 

Hallo,
das meiste wurde hier ja schon gesagt...nur wieso gibt eine Mutte ihrer Tochter, die zufällig eine Hexe ist, ausgerechnet einen Namen, der hexenartiger fast gar nicht sein kann?? Das fiel mir auch bei "Das Omen" auf, wo der Junge Damien heißt..bei dem Namen muss man ja einfach teuflisch sein :D
Gruß,
Heiko

 

Liebe Kritiker,
bei der nächsten Überarbeitung werde ich einen Teil eurer Eindrücke berücksichtigen. Ob ich auf den Namen Xena verzichten kann, weiß ich noch nicht. Wenn die Hexe Marianne hieße, käme es mir auch komisch vor. Vielleicht finde ich einen Kompromiss. Den jungen Mann werde ich nicht näher beschreiben, weil ich glaube, man erfährt genug über ihn (Aussehen, Handwerker, sucht wahre Liebe). Ich will ganz bestimmt auch keine Wehmut beim Leser hervorrufen, wenn die Hexe abstürzt, denn das ginge ja an der Geschichte völlig vorbei. Aber ich werde auf jeden Fall den Anfang kürzen.
Vielen Dank und viele Grüße!
Jakobe

 

Liebe Kritiker,
ich habe den Text jetzt geändert und eure Anregungen dabei verwertet. Vielleicht lasst ihr mich ja noch mal wissen, ob euch die Geschichte jetzt besser gefällt.
Viele Grüße!
Jakobe

 

Hi Jakobe

Ich habe jetzt anscheinend nur die überarbeitete Version gelesen. Kurz gesagt: Sie hat mir gut gefalllen. Ich habe es in einem durchgelesen und mich störten auch keinerlei Sprünge und Raffungen, welche die anderen Kritiker angesprochen haben. Das Ende fand ich so für eine Kurzgeschichte sehr schön. Was noch fehlt, ist der Grund, warum ihr der jungen Mann bziehungsweies dem Tod so gut widerstehen kann. Er muss ja sehr aussergewöhnlich sein und so denke ich, könntest du das noch mehr herausstreichen. Auch kommt mir zu wenig rüber, warum er schluss gemacht hat. Wohl, weil er merkte, dass sie böse ist.
Fazit: Eine gute Idee, die sich noch etwas verfienern ließe.

Grüße
Bernhard

 

Lieber Bernhard,
der junge Mann hat Schluss gemacht, weil er wahre Liebe suchte, Thekla aber nur an Sex interessiert war. Aber mit deinem ersten Kritikpunkt hast du Recht. Ich habe mir vorgestellt, dass der junge Mann davonkam, weil er einfach Glück hatte und weil er noch zu jung war, so dass der Tod sein Herz nicht zum Stillstand bringen konnte. Aber an dieser Stelle muss ich noch arbeiten. Vielen Dank für deine Anregungen.
Viele Grüße!
Jakobe

 

Hallo, Bernhard.
ich habe die Geschichte jetzt überarbeitet und versucht deutlicher zu machen, warum der junge Mann davongekommen ist. Wenn du willst, sag mir doch mal Bescheid, ob dieser Punkt jetzt plausibler geworden ist!
Viele Grüße!
Jakobe

 

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