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Tod

Seniors
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02.06.2001
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Tod

Hier liege ich also.
Sterben ist langweilig.
Der Himmel über mir ist seltsam leer, wenngleich Wolkentürme ihre Fundamente in den weiten Horizont schlagen und starr ob ihrer Unverwundbarkeit thronen, bis irgend ein Windzug oder Sturm es sich anders überlegt und sie wie Kartenhäuser zum Einsturz bringt.
Oh Gott, vielleicht kommt es mir auch nur so vor? Vielleicht ist dies die letzte Sekunde meines Lebens, die mir so lange wie eine Stunde erscheint?

Was ist nur geschehen? Ich kann mich nicht bewegen, bin steif wie der Nacken eines Strandschönlings nach einer Stunde blödem Volleyballspielens.
Bestimmt sterbe ich. Und die Wellen des Meeres werden auch weiterhin sanft den Strand umspülen ... Ach, was soll's! Dieser romantisch-kitschige Quatsch führt zu nichts, außer einer unbestimmten Wehmut.
Ich kann mich nicht bewegen, nicht mal mit den Augäpfeln rollen. Na, wenigstens bin ich bei Bewusstsein und kann mich über die schwarze Aussicht hinwegtrösten.
Warum läuft kein Film vor meinen Augen ab? Haben die Illustrierten gelogen? Auch kein schöner Gedanke.
Die Leinwand bleibt blütenweiß, nein, azurn, mit weißen Abstrichen, die so steif sind wie ... (ICH!) ... womit ich wieder beim Ausgangspunkt angelangt wäre.
Ich fühle mich betrogen, will mein Eintrittsgeld zurück, welches da mein Leben wäre.
Wen kümmert's?
Dear Eloise, I am writing to say ... ja, was denn?
Ob mein treues Weib auf mich wütend sein wird, weil ich keine Lebensversicherung abgeschlossen habe? Eigentlich müsste es 'Totenversicherung' betitelt werden, aber wahrscheinlich klingt das nicht fetzig genug. Ließe sich auch schwer bewerben: 'Sorgen Sie vor, mit einer Totenversicherung!' Und eine blöde grinsende Familie im Hintergrund...
Ja, der Tod ist die beste Versicherung der Welt: Jeden Moment des Lebens bezahlt man eine geringe Prämie. Gering? Letztendlich bekommt man alles zurück. Je länger man lebt, desto größer die Auszahlung.
Gottchen, bin ich klug! Hätte Philosophie studieren sollen. Als abschließende Lektüre würde ich mir eine der Beileidskarten wünschen. 'Sanft entschlafen' oder 'aus dem Leben gerissen' oder 'von uns gegangen'
Ich würde schreiben: Er starb, ohne zu wissen warum. Vermutlich dasselbe Dilemma, wie mit den Lebensversicherungen: Nicht fetzig genug.

Das ist ungerecht. Ich weiß, es ist müßig, einen Dialog über Gerechtigkeit zu halten. Jene, die über eine 'gerechtere und humanere Gesellschaft' theoretisieren, philosophieren und das ganze als Buch herausbringen oder in einer Talkshow erörtern, haben keine Ahnung von Gerechtigkeit: Es sind meist jene, die bierschlürfend an einem durchschnittlich hübschen Tag irgendwo in Florida ihrer - meist verkannten - Genialität frönen, sich ein paar Gedanken über das Elend, das in dieser Welt existiert, machen, Ärschen nachträumen, die wie in Seenot geratene Schiffe schlingern, und plötzlich zu der unglaublich bahnbrechenden Erkenntnis gelangen, dass es keine Gerechtigkeit geben kann, sich darüber jedoch nur schwerlich eine Diskussion führen oder ein Buch schreiben ließe und es deshalb für das Bankkonto besser sei, sich in Optimismus zu wälzen.
Apropos Optimismus: Wäre es verwegen, eine Rettung meines Lebens in Betracht zu ziehen?

Herrgott, ist das ein Elend: Ich weiß nicht, wo ich bin, weiß nicht, was geschehen ist, weiß jedoch, dass ich sterben werde.
Warum tröstet mich niemand? Warum höre ich keine göttlichen Stimmen? Warum löst sich meine Seele nicht endlich von meinem nutzlos gewordenen Körper?
Schön langsam bekomme ich's mit der Angst zu tun. Ehrlich, dieses Szenario habe ich mir ein wenig angenehmer vorgestellt. Als ich noch ein Kind war, verfolgte ich mit naiver Begeisterung jeden Westernfilm. Der Tod zeigte sich darin von seiner schönsten Seite: Er war unsichtbar. Wenn einer der Cowboys einen der Indianer vom Pferd schoss, fiel dieser mit einem heiseren Aufschrei vom Sattel und das war's.
Man sah niemals Blut.
Man sah niemals Eingeweide.
Man sah niemals fontänenhaft spritzende Gehirne.
Der Tod verbarg sich unter einer Tarnkappe. Seither erlebte selbst der schwerfällige Saurier Hollywood seine kleine Revolution. Der Tod wurde zusehends ekelhafter ...
Ist das nicht merkwürdig? Unerschütterlich nahm ich an, ich würde einen hübschen kleinen Filmtod sterben. Ich stellte mir vor, wie ich in einem Bett lag, meine Lieben sich um mich scharten, mir Trost zusprachen, weinten, meine Frau würde meine kalte Hand wärmen und allmählich würde meine persönliche Götterdämmerung einsetzen und ich würde mit einem letzten Seufzer, ein Lächeln auf meinen Lippen, dem Leben entgleiten.
Statt dessen sterbe ich in völliger Einsamkeit, abgesehen vielleicht von ein paar Tieren, die in mir einen willkommenen Snack für zwischendurch sehen. Man wird mir zu Ehren sicherlich kein Denkmal enthüllen oder eine Sportübertragung aus „aktuellem Anlass“ unterbrechen, um meinen Tod zu verkünden.
Ach, im Grunde ist das unwesentlich. Selbst wenn man meinetwegen eine drei Tage lange Staatstrauer anordnen würde, hätte ich davon soviel wie von einem Lottogewinn. Tja, das ist der Lauf der Dinge: Letztendlich ist alles egal.
Ich frage mich, ob es die Märtyrer und Verrückten dieser Welt nicht besser wussten. Dieser, mein Abgang ist würdelos.
Etwas in der Art eines Epileptikers, der während eines Anfalls seine eigene Zunge verschluckt und daran erstickt. Ließe sich das Rad der Zeit ein paar Speichen zurückdrehen, würde ich mir eine Pistole besorgen, laden und mich vor laufender Fernsehkamera erschießen - aus Protest gegen ... irgend etwas.
Von mir aus gegen die Zerstörung der Ozonschicht.
Oder gegen die Gurtenpflicht.
Dann hätte ich wesentlich mehr denn die prophezeiten 15 Minuten an Berühmtheit erlangt. Nun, zur Reue ist es zu spät.

Tatsächlich scheint alles still zu stehen und meinen Tod zu erwarten. Dann will ich mal nicht die Erwartungen meiner Fans enttäuschen und meinen Tod hinnehmen. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm.

Ich glaube, es ist soweit. Das Denken fällt mir immer schwerer, der Himmel über mir verdüstert sich, obwohl die Wolken sich nicht bewegen, als wären sie mit Leim in die Sphäre geklebt, und ich denke nur noch Unsinn.
Wohlan denn.
Und mein Leben war irgendwie - denke, ich vermisse es - nicht das 5chlechteste - wie es ist zu atmen, zu sehen, zu fühlen - aber es hätte besser sein können - einfach zu leben - und jetzt geht es zu Ende - Mensch zu sein.
Lebe wohl, Welt, wirst du mich vermissen? - und sei bedankt für deine Geduld - meiner. gedenken? - und deine Schönheit, die sich in hässliche Gewänder kleidete - und ihr, die ihr mir folgt, versucht, es besser zu machen - weshalb ich dich liebte und hasste zu gleichen Teilen - und lebt wohl - Leb...

 

Also ich weiß nicht...

Da legt der Erzähler am Anfang so 'nen Satz hin:

Der Himmel über mir ist seltsam leer, wenngleich Wolkentürme ihre Fundamente in den weiten Horizont schlagen und starr ob ihrer Unverwundbarkeit thronen, bis irgend ein Windzug oder Sturm es sich anders überlegt und sie wie Kartenhäuser zum Einsturz bringt.

Zwei Zeilen später dann so was:

Ich kann mich nicht bewegen, bin steif wie der Nacken eines Strandschönlings nach einer Stunde blödem Volleyballspielens.

Da wußte ich schon nicht mehr, was ich von dem Typ halten soll...

Dann diese ganze Selbstdiskussion...ok, enthält interessante Aspekte (obwohl über die "Lebens"versicherung jeder schon mal gewitzelt hat), aber realistische Sterbensgedanken scheinen mir das nicht so sein....hab ich's nicht gerafft, und hier geht's um Ironie? Satire sogar?

Sorry, wenn ich so negativ klinge...ich sehe nur den Zusammenhang von Inhalt und Rahmen nicht... :(


San

 

Hallo Rainer!
Ich habe ja schon ein paar mal deinen Schreibstil gelobt.
Doch dieses Mal muss ich eingestehen, dass er in der Erzählung stört!
Die Idee, die Gedankengänge eines Sterbenden aufzuzeigen finde ich gut. Doch finde ich die Gedanken Deines Protagonisten, fehl am Platze!
Ich kann mir wohl kaum vorstellen, dass jemand dem der Tod im nacken hängt sich Gedanken über den Sinn oder Unsinn der namensgebung für Lebensversicherungen macht!
Junge! Meiner ansicht nach hast du hier einen Riesigen Bogen um die Realität gemacht!

Du hast zwar etwas die Todesangst angeschrammt, doch glaubst du wirklich, das jemand der stirbt so cool im gehirn bleibt?

Ich hab mir auch schon meine Gedanken über den Tod gemacht, oder besser gesagt, was nach dem Tod folgt.
Falls du es noch nicht gelesen hast, wäre ich dir dankbar, dass nachzuholen.
Dann kannst du ja auch unsere unterschiedlichen Ansichten vergleichen!die Beerdigung

 

Ich habe deine Story sogar kommentiert! Glaube es oder nicht... :D

Da ich noch nie gestorben bin, weiß ich nicht, welche Gedanken man sich macht. Wahrscheinlich überhaupt keine und man ist nur von der puren Scheißangst vor dem Abkratzen beseelt.
Aber nachdenken kann man ja mal darüber ... Ich gebe auch zu, dass das ganze eher ironisch gemeint war, nicht ernsthaft, und deine Einwände berechtigt sind.
Ich kann ja nicht immer nur schlechte Horror-Geschichten, miese SF-Storys oder abgrundtief schlechte Spannungs-Geschichten schreiben - ab und an eine saumiese Alltagsgeschichte muss drinnen sein, oder? :D

Schreibe übrigens gerade an einer gaaaanz kurzen (Ehrenwort!) Story, die ich demnächst posten möchte. Hoffe ich mal, heute ist ja das Österreich-Spiel...
Schimpfst du mich gerade Verräter, weil du dann noch mehr ausdrucken musst??? Übrigens habe ich auch in Satire, Romantik und Gesellschaft und Fantasy Storys gepostete, ehehe! :D

Sorry, aber ich finde das einfach zu komisch!

 

Weist du eigentlich, dass du ein ganz gescherta Ramme bist?
Mach so weiter und ich bekomme eine Anzeige von Robin Wood aufgrund der Steigenden Abholzung der Wälder durch meinen hohen Papierverbrauch!
Dann kommst du aber auch nicht ungeschoren davon! Denn dich hänge ich dann als Anstifter hin! :p

 

Was Ramme bedeutet, weiß ich nicht.
Aber um dich zu beruhigen: Ich habe jetzt fast alle alten Geschichten "übertragen", soll heißen: Jetzt gibt´s nur noch ganz selten neue Storys von mir!
Es sei denn du bestehst darauf, meinen Roman zu lesen... :D

 

Moin, Rainer!

(Rainer: "Uaaah...der schon wieder...")

Wollte nur sagen: Diese Story gefällt mir wirklich - hab sie mit Begeisterung gelesen. Der Stil ist - gerade für diese Thematik - eher originell, gefällt mir jedenfalls besser als all diese Ach so supertiefsinnigen "Denken wir doch mal ernsthaft übers Sterben nach"-Texte. Das Leben ist schon ernst genug, und was bleibt uns denn noch, wenn wir den Humor verlieren? Über den Tod Witze zu machen, ist m.E. eine der besten Arten, Ja zum Leben zu sagen!
Vielleicht könnte man ihn an einigen Stellen noch etwas überarbeiten (den Text, nicht den Tod!), um einfach ein paar Gedanken und/oder Gags noch etwas mehr auf den Punkt zu bringen bzw. für manche Dinge noch eine andere, treffendere Formulierung zu finden, aber das ist ja immer so - irgendwas könnte man immer noch anders machen... :D
Aber ansonsten offenbart sich hier eine Sicht der Dinge und auch eine Art zu schreiben, mit der ich mich voll und ganz identifizieren kann...bin nämlich selber auch so ein verquerer Seltsames-Zeuch-zu-den-unmöglichsten-Themen-Schreiber. Von mir ein :thumbsup:

So much,
Horni

 

Hallo Rainer

Danke für Deine Kritik.
Hier nun meine.

War gut, und zügig zu lesen, aber ich bezweifle mal, das man sich im Moment des Sterbens über Todesversicherungen gedanken macht.Naja, vielleicht ist das ja auch für jeden anders. Vielleicht schreibe ich mal was zu diesem Thema, und bin dann auf Deine Kritik gespannt.Was ich nicht schlecht finde, ist die Tatsache, daß man in solchen Momenten alles wie durch ein Dickes Glas zu sehen scheint, und mehr unbeteiligter Zuschauer ist, als tatsächlich beteiligter.
Das hast Du also gut getroffen.
Ich werde mich mal so langsam durch Deine Texte lesen.

Bis denn...

Es Grüßt Lord Arion

 

My Lord!

Ich danke für Eure Kritik.
Hoffentlich bist du nicht arg enttäuscht wenn du feststellst, dass ich fast nur SF- und Horrorstorys schreibe...

Welche Gedanken man sich während des Sterbens macht, weiß ich nicht, aber ich vermute einfach, ganz banale. In dem Moment, als ich es schrieb, erschien es mir richtig.
Aber natürlich gehört das noch ordentlich überarbeitet, mal sehen.

 

"Bestimmt sterbe ich?" Häh? Was soll er denn sonst tun? Wieder auferstehen?

"Warum löst sich meine Seele nicht endlich von meinem nutzlos gewordenen Körper?" Jo, was willst du? Entweder es ist Feierabend im Hause Innreiter oder du wirst unsterblich sein (Seele). So eine blöde Frage.

Ansonsten eine typische Rainer-Geschichte:

Schön kitschige Phrasen wie beispielsweise...

Vielleicht ist dies die letzte Sekunde meines Lebens, die mir so lange wie eine Stunde erscheint?

Ich kann mich nicht bewegen, nicht mal mit den Augäpfeln rollen. Na, wenigstens bin ich bei Bewusstsein und kann mich über die schwarze Aussicht hinwegtrösten.

Jene, die über eine 'gerechtere und humanere Gesellschaft' theoretisieren, philosophieren und das ganze als Buch herausbringen oder in einer Talkshow erörtern, haben keine Ahnung von Gerechtigkeit: Es sind meist jene, die bierschlürfend an einem durchschnittlich hübschen Tag irgendwo in Florida ihrer - meist verkannten - Genialität frönen, sich ein paar Gedanken über das Elend, das in dieser Welt existiert, machen, Ärschen nachträumen, die wie in Seenot geratene Schiffe schlingern, und plötzlich zu der unglaublich bahnbrechenden Erkenntnis gelangen, dass es keine Gerechtigkeit geben kann, sich darüber jedoch nur schwerlich eine Diskussion führen oder ein Buch schreiben ließe und es deshalb für das Bankkonto besser sei, sich in Optimismus zu wälzen.

Blablablabla... und so weiter! Wer ist denn da gestorben? Ein Akademiker? Hmpf!

Ich denke, wenn es die Situation geben sollte, für einen kurzen Moment sich noch einmal Gedanken zu machen, bevor die Würmer kommen... ein jeder wäre wohl egoistisch genug, über vertane Chancen zu trauern und den und den zur "Hölle" zu wünschen.

Immerhin ersteres hast du ja am Ende getan.

Naja, und...

Apropos Optimismus: Wäre es verwegen, eine Rettung meines Lebens in Betracht zu ziehen?

Brav! Das ist DER Satz, der alles andere vergessen läßt. Scheiße, was schwafle ich hier, Leute! Tut etwas! Verdammt!

Eine eher Genügend-Bis-Geht-So-Geschichte!

Sodele

Ponch

PS: Die Welt wird auch ohne dich weiterhin existieren, mein Freund! :p (heute in blau, morgen in rot, und übermorgen in pink, oder?)

 

Der beste Satz im Text: "…bin steif wie der Nacken eines Strandschönlings nach einer Stunde blödem Volleyballspielens." hihihi.
Wer würde schon auf solch einen Vergleich kommen? Seltsam, seltsam… :D

 

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