Was ist neu

Tod eines Prokuristen

Mitglied
Beitritt
20.02.2013
Beiträge
129
Zuletzt bearbeitet:

Tod eines Prokuristen

Tod eines Prokuristen

Klaus war tot; so was von tot. Daran bestand nicht der leiseste Zweifel. In diesem Moment, als er leblos am unteren Ende der steilen Kellertreppe auf dem Rücken lag, war mein neuer Freund nicht schön anzuschauen: irre nach oben verdrehte Augen, Blutfäden rannen aus seinen Mundwinkeln und tropften vom Kinn auf den Betonboden. Die Lippen schimmerten in einem ungesunden Dunkelrot, ähnlich einem Vampir. Die hintere Schädeldecke schien mir eingedrückt zu sein. Puls konnte ich weder an seinem Handgelenk noch am Hals spüren; atmen tat Klaus ebenfalls nicht mehr. Ich stand zu dieser späten Abendstunde vor einer Leiche. Zehntagebart, fettige und verfilzte Haare, vollgepisste Jeans, bis zum Bauchnabel aufgeknöpftes Hemd, zerrissene Socken. Er stank nach Urin, kaltem Schweiß und Schnaps. Neben dem aufgedunsenen Gesicht hockte Bianca, seine geliebte Terrierdame und leckte ihm zärtlich über die Stirn. Und dieser Mann hat noch vor einem Monat in Anzug und Krawatte Kunden in der Sparkasse beraten? Unglaublich, überlegte ich, bevor von oben die weinerliche Stimme Hedwigs erschallte: »Lebt er ? Tim, sag doch was. Bitte!«

Ich kannte Klaus aus der Klinik. Offene Station. Als Privatpatient blieb ihm der Umweg über die Geschlossene Abteilung, den ich oft einschlagen musste, erspart. Chefarztbehandlung, Einzelunterbringung, alles vom Feinsten für Klaus, während ich mich mit schnarchenden und schlafwandelnden Mitpatienten im Dreierzimmer rumärgern durfte. Sogar eine reingeschmuggelte Wodkapulle unter dem Kopfkissen verziehen ihm die Pfleger. Jemanden wie mich hätten sie bereits beim laut geäußerten Gedanken nach einer Dose Bier hochkant rausgeworfen. Wenn Klaus eingeliefert wurde, sah er arg zerrupft und verwirrt aus. Mitunter dauerte es bei ihm zweiundsiebzig Stunden, bis man ihn ansprechen und von ihm eine halbwegs vernünftige Antwort erhalten konnte. Was mich vermuten ließ, dass er seine Exzesse über Wochen und uferlos betrieb. Erfahrene Alkoholiker wussten zumeist, wann das Ende der Fahnenstange erreicht war, und es Zeit für den nächsten Entzug wurde. Bei Klaus – obwohl länger als ich im Geschäft – hatte sich diese Erkenntnis bisher nicht durchgesetzt.


»Er ist tot. Nichts mehr zu machen«, rief ich die Kellertreppe hinauf und erhielt als Antwort einen markerschütternden Schrei: »Nein!«
Ich ging nach oben und entdeckte auf dem Flur die in sich zusammengesunkene Hedwig. »Ich bin schuld. Ich habe Klaus umgebracht«, wimmerte sie.
»Wie kommst du denn auf diese blöde Idee?«, fragte ich.
»Warum habe ich ihn nicht früher in die Klinik gefahren?«
»Weil er sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hat», sagte ich und zuckte mit den Schultern.

Klaus hatte vor einem Monat aus heiterem Himmel wieder mit dem Trinken begonnen. Anfangs heimlich und in kleiner Dosierung; Hedwig, die nachts das Ehebett mit ihm teilte, bemerkte es dennoch, weil er trotz Pfefferminzpastillen nach Wodka roch. Er leugnete, bagatellisierte, erklärte, dass er alles im Griff habe, und sie sich unnötigerweise Sorgen machen würde. Nach sieben Tagen war Klaus nicht mehr in der Lage, aufzustehen und blieb morgens schlapp und mit glasigen Augen auf dem Sofa liegen. Dann wählte Hedwig endlich meine Nummer: »Tim, komm bitte sofort vorbei. Klaus hat einen Rückfall gebaut.«
»Schlimm?«, erkundigte ich mich.
»Sehr schlimm«, kam es schluchzend zurück.
»Bin schon auf dem Weg.« Ich stieg ins Auto und machte mich auf den Weg zu Hedwig, die am anderen Ende der Stadt in einem Bungalow wohnte, den sie von ihren Eltern geerbt hatte. Auf der Fahrt, die bei grüner Welle knapp dreißig Minuten dauerte, ließ ich meine Freundschaft mit Klaus vor meinem inneren Auge Revue passieren.

Wir waren uns in der Klinik anfangs aus dem Weg gegangen. Zu unterschiedlich erschienen unsere Erscheinungsbilder, als dass wir Lust verspürt hätten, näher in Kontakt zu treten. Als Späthippie, der auch in nüchternem Zustand zerschlissene Jeans trug, stand ich dem versoffenen Prokuristen einer Bausparkasse, der sich nach einer Woche von seiner Frau gebügelte Oberhemden und Anzug in die Station bringen ließ, skeptisch gegenüber. Erst Dante, ein Rotwein saufender Antiquitätenhändler, den ich von früher her kannte, brach eines abends das Eis. »Tim, darf ich dich mit Klaus bekannt machen.« Er klopfte mit der Hand auf den leeren Stuhl neben sich.
»Ich weiß, wer Klaus ist. Er fährt ja oft genug in die Klinik ein«, gab ich zögerlich zurück und setzte mich, denn ich wollte den alten Chianti-Liebhaber nicht vor den Kopf stoßen.
»Wie wir alle«, lachte er und legte seinen Arm um meine Schulter.

Dante mochte ich gerne, denn mit ihm konnte ich mich stundenlang über Literatur und Kino unterhalten. Trotz der jahrzehntelangen Sauferei hatte er sein phänomenales Gedächtnis bewahrt und rasselte im Minutentakt Textstellen aus den Romanen von Joseph Roth und Charles Bukowski herunter. Zudem jammerte er nicht und besaß ein frohes Wesen, obwohl er seit einigen Wochen wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Er zechte trotzdem – oder gerade deswegen – munter weiter und ließ sich die gute Laune nicht verderben. Wohl aus dem Grunde, dass er sein nahendes Ende nicht dramatisieren wollte, zitierte er oft eine Textstelle aus der Legende vom heiligen Trinker: »Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod!« Diesen nonchalanten Charakterzug schätzte ich sehr an ihm.

Klaus hatte als Vorort-Bankier keine Ahnung von Belletristik und Musik; verfügte allerdings über trockenen Humor und einen klaren Blick aufs Leben. Zudem zeigte er sich hilfsbereit, wenn armen Mitpatienten das Geld ausging oder sie Hemden und Hosen zum Wechseln ihrer dreckigen Klamotten benötigten. Im Laufe der Tage wurden wir besser miteinander bekannt und freundeten uns allmählich an. Draußen in Freiheit gingen wir hin und wieder zusammen einen Kaffee trinken, er empfahl mir in einer vertrackten Erbschaftsangelegenheit einen guten Anwalt und lud mich mehrmals zu sich zum Essen ein. Dann stand Klaus am Herd, denn kochen konnte er besser als Hedwig. Man sah ihm dieses Hobby auch an: fünfundachtzig Kilo verteilt auf Ein-Meter-Vierundsiebzig ließen ihn untersetzt, geradezu pummelig erscheinen. Für einen Mittfünfziger wirkte er bereits greisenhaft, was unter anderem auf seine schlecht angepassten künstlichen Zähne zurückzuführen war, die seiner Mundpartie einen eingefallenen Eindruck verliehen. Das schüttere blonde Haar akkurat von links nach rechts gekämmt, um die offenen Stellen auf seinem Kopf zu verdecken. Große Ohren und wässrig blaue Augen gaben seinem Gesicht einen schelmischen Ausdruck; wenngleich ich mir unsicher war, ob ich mir von solch einem Typen einen Bausparvertrag andrehen lassen wollte.

»Was sollen wir jetzt machen, Tim?«
»Kurz nachdenken und auf Polizei und Notarzt warten. Wobei die auch nur noch den Tod feststellen können.«
»Was habe ich bloß getan?« Tränen rannen ihr über die Wangen.
»Säufer sind für ihr Schicksal selbst verantwortlich«, gab ich zu bedenken. Klaus hatte sich halt bis zum Schluss uneinsichtig gezeigt. Trotz des Bettelns von Hedwig, vernünftig zu sein und sich im Krankenhaus behandeln zu lassen. Mein Mitleid hielt sich deshalb in engen Grenzen.


Klaus gehörte zu den wenigen, die täglich Besuch in der Station erhielten. Zwar einzig von seiner Frau, aber immerhin. Die meisten von uns hatten sich damit abgefunden, die Entzüge mutterseelenalleine durchzuziehen. Verwandte und Freunde hatten sich spätestens nach der zehnten Entgiftung abgewandt. Manche gewöhnten sich im Laufe der Zeit an ihr Dasein als Eremit, genossen es sogar; andere hingegen kamen mit der Einsamkeit überhaupt nicht zurecht und fühlten sich mies, wenn sie Klaus und sein Eheglück beobachten mussten. Auch Dante wurde zweimal am Tag von seiner Lebenspartnerin mit frischen Lebensmitteln beliefert, da er als Gourmet den Klinikfraß kategorisch ablehnte. Allerdings schimpfte sie oft mit ihm und schalt ihn vor uns allen einen üblen Trunkenbold, weshalb mir diese Szene glaubwürdiger erschien als das Händchenhalten und Wispern von Klaus und Hedwig.
»Was ist das für eine Beziehung, die du führst?«, hatte ich mich an einem verregneten Abend im vergangenen November bei ihm erkundigt.
»Sehr harmonisch. Wir lieben uns.«
»Trinkt deine Frau?«
»Keinen Tropfen.« Klaus schüttelte verneinend den Kopf.
»Und erträgt stoisch deine vielen Rückfälle? Das macht doch niemand auf Dauer mit. Es sei denn, sie hat einen an der Klatsche.« Im Moment, als ich den Satz aussprach, tat er mir schon wieder leid. Ich wollte Klaus und seine Frau nicht beleidigen.
»Wir würden füreinander sterben.« Er strahlte mich auf eine Art an, die mich für einige Sekunden an seinem Geisteszustand zweifeln ließ.
»Natürlich. Das ist des Rätsels Lösung.« Ich stand auf, um mir im Essensraum einen Hagebuttentee zu organisieren. Für heute hatte ich genug mit Klaus geplaudert. Übertriebene Love Stories waren noch nie meins gewesen.

»Und wenn die Polizei fragt, wie es passiert ist?« In Hedwigs Augen entdeckte ich Angst. Leicht panisch rüttelte sie an meinen Schultern.
»Dann sagen wir ihr die Wahrheit.«
»Wirklich?«
»Lass mich am Anfang reden. Es wird alles gut werden. Vertrau mir.«


Als ich vor vierzehn Tagen das erste Mal bei Klaus nach dem Rechten sah, fläzte der sich volltrunken auf der Wohnzimmercouch. Hedwig stand daneben und betrachtete ihn stumm.
»Pack deine Sachen. Ich bringe dich in die Klinik«, sagte ich.
»Nein«, erwiderte er mit schwerer Stimme.
»Warum nicht? Du bist sternhagelvoll und musst entgiften.«
»Ich habe alles unter Kontrolle.«
»Einen Scheißdreck hast du. Steh jetzt auf und komm mit!«
»Nein!«
Ich blickte Hedwig an; die meinte: »Immer dasselbe Trauerspiel mit ihm. Er ist nicht einsichtig. Ich habe bereits den Hausarzt informiert.«
»Dann warte ich eben auf den. Habe heute keine Eile.« Ich setzte mich zu ihr in die Küche und trank eine Tasse Cappuccino aus ihrer neuen, sündhaft teuren Kaffeemaschine.

Der Arzt, ein älterer Herr mit grauem Bart, traf nach einer Viertelstunde ein, taxierte eine Minute lang schweigend den hochalkoholisierten Klaus und beugte sich dann zu ihm runter. Im Schlepptau hatte er eine bildhübsche Helferin mitgebracht, die eifrig Notizen anfertigte, während er auf den Patienten wie ein kleines Kind einredete. Es half nichts. Klaus ließ sich nicht erweichen und blieb stur auf dem Sofa liegen. »Würden Sie freiwillig mitkommen, wenn ich den Rettungswagen rufe?«
»Nein!«
»Nun gut. Sie zwingen mich also, härtere Bandagen anzulegen. Dann wird die Polizei direkt mit alarmiert. Denn nur die darf Sie gegen Ihren Willen anfassen.«
»Mir völlig egal.« Klaus hatte den Ernst seiner Lage anscheinend nicht verstanden. Kein Wunder, wenn ich auf die vielen leeren Wodkaflaschen auf dem Fußboden schaute.
Als die Beamten anrückten, erkundigten sie sich freundlich bei meinem Bekannten, ob er widerstandslos in den Krankenwagen steigen würde. Als er ihre Frage mehrmals verneinte und ebenfalls auf das Flehen seiner Frau nicht reagierte, streiften die Polizisten Handschuhe über und zerrten ihn von der Couch. Klaus, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, begann sich zu wehren und schlug wild um sich. Daraufhin warfen ihn die Schutzleute auf den Teppich, verschränkten seine Arme hinter dem Rücken und legten ihm Handschellen an.
Laut fluchend und zappelnd wurde Klaus aus dem Haus eskortiert. Auf dem Bürgersteig hatten sich bereits ein paar neugierige Nachbarn versammelt.
»Was bist du für ein blöder Idiot«, zischte ich.
Hedwig blieb im Wohnzimmer und zog die Vorhänge zu. Ihr war die Szene wahnsinnig peinlich.

»Was soll ich bloß unternehmen, Tim?«, fragte sie mich zehn Minuten später, als sich der Spuk aufgelöst hatte.
»Keine Ahnung. Ihr liebt euch doch. Also musst du diese Kröte wahrscheinlich schlucken.«
»Nein, ich liebe dieses egoistische Arschloch schon seit vielen Jahren nicht mehr«, schrie sie nahezu hysterisch.
»Warum seid ihr dann immer noch zusammen?«
»Weil wir nicht voneinander loskommen.« Hedwig sprang vom Stuhl auf, knallte die Tür zu und lief in den Nachbarraum, wo ich sie hemmungslos schluchzen hörte.
»Morgen wechsele ich die Schlösser aus und sage ihm, er soll sich eine eigene Bude suchen. Mir reicht es ein für allemal«, redete sie laut. Vermutlich telefonierte sie mit einer Freundin.
Nachdenklich zündete ich mir eine Zigarette an, ging zu meinem klapprigen Golf 2 und fuhr langsam zurück nach Hause.

Es handelte sich also um Co-Abhängigkeit. Dass ich nicht sofort auf diesen Gedanken gekommen war. Ich kannte dieses Phänomen bisher einzig von Paaren, bei denen beide soffen. Von einem Kranken und einer Gesunden hatte ich das jedoch bis heute nicht erfahren. Auf welche Weise setzte Klaus seine Frau derart unter Druck, dass die sich nicht traute, die Scheidung einzureichen; ihn zumindest aus dem Haus rauszuwerfen? Meine Ex-Freundinnen hatten mich jedes Mal nach dem ersten Absturz vor die Tür gesetzt oder mir eine dreizeilige SMS geschickt, dass sie auf das Zusammensein mit einem Alkoholiker keine Lust verspürten. Dafür sei ihnen ihr Leben zu schade. So weh mir das im Einzelfall auch tat: verstehen konnte ich sie. Deshalb zog ich es seit drei Jahren vor, alleine zu bleiben. Anfangs etwas schwierig, nach einigen Wochen gewöhnte ich mich daran. Reine Kopfsache.

Klaus war seit zehn Jahren impotent. Angeblich wegen einer irreparablen Verkrümmung des Urogenitaltrakts. Hatte er mir beim letzten Mal in der Klinik unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt. Da Dante mir die Story bereits berichtet hatte, konnte die Sache nicht ganz so vertraulich sein, wie Klaus mich glauben machen wollte. Dante meinte dazu, dass Klaus deswegen keinen mehr hochkriegen würde, weil er zu viel gesoffen hätte. Ihm und vielen anderen ginge es genauso. Mir lief es heiß und kalt den Rücken runter. Auch bei mir stellte ich seit einiger Zeit einen drastischen Rückgang meines Verlangens nach Sex fest. Hatte mir jedoch über die Ursachen bisher keine großen Gedanken gemacht. Sobald ich hier raus bin, verbringe ich eine Nacht im Puff und teste meine Funktionsfähigkeit, nahm ich mir vor. Erektionsschwäche hätte mir zu all meinen Geld- und Beziehungsproblemen gerade noch gefehlt. Ist ein guter Grund, um endgültig einen Schlussstrich unter die Scheißtrinkerei zu ziehen, überlegte ich grimmig.

Und trotzdem blieb Hedwig bei ihm. Weshalb? Es gelang mir beim besten Willen nicht, mir darauf einen Reim zu machen. Anstatt mit Kindern umgab sich das Paar mit Tieren: Riesenköter, fünf Katzen, Karnickel, ein Pferd. Die Liebe Hedwigs galt den Viechern, die sie nach Strich und Faden verwöhnte, und Klaus konzentrierte sich in den Wochen, in denen er trocken blieb, auf Geldverdienen und die Optimierung seiner persönlichen Finanzen. Als gebürtigem Schwaben waren ihm Zinsrechnung und doppelte Buchführung in die Wiege gelegt worden.

Vor einer Woche klingelte mein Telefon erneut. Am anderen Ende der Leitung stotterte eine aufgeregte Hedwig: »Tim, ka... kannst du bitte vorbeikommen. Klaus liegt hier schon wieder betrunken rum und kann sich kaum noch rühren.«
»Seit wann ist der denn aus der Klinik draußen?«
»Sie haben ihn nur eine Nacht behalten.«
»Nicht länger? Das darf doch nicht wahr sein.«
»Er hat mit einem Anwalt gedroht, wenn sie ihn gegen seinen Willen festsetzen. Dann haben sie ihn zähneknirschend rausgelassen.«
»Was für ein Drecksack. Er hätte ja freiwillig drinbleiben können.«
»Wollte er partout nicht.«
»Und du hast die Schlösser nicht ausgetauscht?«
»Nein. Habe ich nicht übers Herz gebracht. Er hat nach seiner Rückkehr furchtbar getobt, weil ich so überreagiert hätte. Mit dir dürfte ich nicht mehr reden, weil du ihn an die Polizei verraten hast.«
»Solche wirren Sätze aus dem Munde eines Sparkassenangestellten. Man glaubt es kaum. Ich bin in einer Stunde bei euch.«

Klaus glotzte mich aus blöden Augen an und murmelte: »Verpiss dich, du Hurensohn! Ich komme bestens alleine klar.«
»Das sehe ich. Soll ich dich in die Klinik begleiten oder mitsamt deinem Sofa in den Vorgarten stellen?«
»Nein!«
»Wir können an der nächsten Tankstelle anhalten und dir einen Flachmann besorgen, damit du die Fahrt überstehst. Ist das ein faires Angebot?«
»Nein!«

»Wieder das Spiel mit den Polypen?«
»Nein!« Jetzt war es Hedwig, die mir ins Wort fiel. »Ich ertrage es nicht, wenn die ganze Straße gafft und über uns tuschelt. Auf keinen Fall Blaulicht vor der Haustüre.«
»Wie du meinst.« Ich drehte meine Handflächen nach oben. »Noch atmet der Patient. So schlimm kann es also nicht sein. Wenn er es sich anders überlegen sollte, gib mir Bescheid. Ich organisiere dann den Transport.«

Hedwigs Anrufe bei mir wiederholten sich jetzt im Abstand von vierundzwanzig Stunden. Jedes Mal dasselbe: »Ich weiß nicht mehr weiter. Bitte überzeuge du Klaus, endlich zur Vernunft zu kommen.«
Abends auf dem Rückweg vom Job machte ich nun einen Umweg und fuhr in den Nordteil der Stadt, um Klaus ins Gewissen zu reden und ihn weich zu kochen. Sein Zustand verschlimmerte sich von Tag zu Tag. »Was sagt der Arzt dazu?«, erkundigte ich mich bei Hedwig. »Der hat mir erklärt, dass man niemanden daran hindern kann, sich tot zu saufen.«
»Da hat er recht, der Herr Doktor. Aber wenn man sich unbedingt umbringen will, dann alleine im Wald und nicht vor den Augen der Ehefrau. Verstehst du das, Klaus? Du dämlicher Vollidiot.«
Klaus stierte mich hasserfüllt an, brachte aber kein Wort über die Lippen.
»Klaus, wir geben dir hundert Euro und du verlässt das Haus. Ist das in Ordnung für dich?«
Er schüttelte trotzig den Kopf.
»Hedwig, ich komme morgen wieder. Hat heute keinen Zweck mit dem Schwachmaten.«

Am nächsten Abend röchelte Klaus. »Was ist mit ihm los?«, wollte ich wissen.
»Er hat Spiritus getrunken.«
»Warum? Ist ihm der Schnaps ausgegangen?«
»Ich habe vier Flaschen Doppelkorn vor seinen Augen ins Klo gekippt.«
»Und dann?«
»Ist er ausgerastet und hat versucht, mich zu schlagen.«
»Scheiße!« Klaus stellte für mich den Prototypen des gemütlichen Angestellten dar. Nur mit Mühe gelang es mir, ihn mit Aggressivität in Verbindung zu bringen. Wobei seine Augen bereits in den vergangenen Tagen blutrünstig geflackert hatten.
»Ich habe mich im Keller versteckt und ihn schreien hören, dass er sich jetzt mit dem Spiritus umbringen wird. Die Schuld dafür würde ich tragen.«
»Tja, das ist die verquere Logik eines Säufergehirns. Musst du nicht ernst nehmen. Klaut er?«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil du als besorgte Ehefrau ihm vermutlich alles Geld abgenommen hast. In der Hoffnung, er würde demütig werden, wenn ihm die Vorräte ausgehen.«
»Stimmt. Gestern haben sie ihn bei Edeka erwischt, als er zwei Pullen Wodka einstecken wollte.«
»Und nicht der Polizei übergeben?«
»Nein. Nur ein Hausverbot erteilt. Sogar die Flaschen durfte er behalten. Die haben sich wahrscheinlich davor geekelt, ihn anzufassen.«

»Da hast du ja mal wieder Schwein gehabt, du übler Schmarotzer. Eine Nacht in der Ausnüchterungszelle hätte dir gut getan. Da würdest du endlich zur Besinnung kommen.«
Klaus wandte sich von mir ab, drehte mir den Rücken zu und tat so, als ob er spontan eingeschlafen wäre.
»Bis morgen bereitest du alles vor, Hedwig. Notarzt und Polizei. Die sollen für ihn einen Beschluss bewirken. Minimum drei Wochen. Vorher darf er die Station auf keinen Fall wieder verlassen.«


»Er riecht komisch. Eine Mischung aus Pisse und Eukalyptus. Was ist das?«
»Dieses Zeug hier.« Hedwig hielt mir eine grüne Plastikflasche vors Gesicht.
»Einreibelotion für Pferde. Enthält zwölf Prozent Alkohol«, entzifferte ich. »Die trinkt er?« Mann, was musste Klaus für mordsmäßigen Saufdruck verspüren, dass er solch einen Dreck runterwürgte.
»Nicht nur das. Er war mittlerweile am Desinfektionsmittel und dem Putzzeug dran.«
»Der würde seinen eigenen Urin saufen, wenn er da Spuren von Wodka drin vermuten würde.«
»Bring ihn bloß nicht auf dumme Gedanken.«
»Klaus. Steh auf!« Ich rüttelte an seinen Schultern, um ihn aufzuwecken. Keinerlei Reaktion.
»Ob er bereits im Delirium ist?«
»Glaube ich nicht. Das sieht anders aus. Vielleicht besser, wenn er pennt. Ansonsten kommt er vielleicht auf blöde Ideen, bevor die Polizei eintrifft.«
»Ich will nicht, dass die Bullen mich abholen. Zum Teufel mit euch.« Klaus hatte unsere Worte doch belauscht und war nun munter geworden.
»Hättest du dir vorher überlegen sollen, du hoffnungsloser Spritkopf. Jetzt ist es zu spät. Du kannst ja trotzdem freiwillig in den Rettungswagen steigen. Wäre uns allen am liebsten.«
»Niemand vertreibt mich aus meinem Haus.«
»Das dir gar nicht gehört, sondern deiner Frau. Wenn du zurückkommst, wird sie die Schlösser ausgetauscht haben. Damit du endlich lernst, für dich selbst zu sorgen.«
»Du dummes Flittchen.« Mit einer Behändigkeit, die ich Klaus gar nicht zugetraut hatte, sprang er vom Sofa auf und stürzte auf Hedwig zu. Die machte reaktionsschnell einen Schritt zur Seite, er lief ins Leere, geriet ins Torkeln und prallte mit dem Gesicht gegen die Wand.
»Tim, tu doch was!« In Hedwig kam schon wieder der Mutterinstinkt zum Vorschein. Es fehlte nicht viel, und sie hätte die Arme um ihren Mann gelegt und ihn getröstet.

Ich warf mich auf Klaus, riss ihn zu Boden und nahm ihn in den Schwitzkasten.
»Du willst es wirklich nur auf die harte Tour verstehen, oder?«
»Nein, nein. Lass mich bitte los. Ich werde lieb sein. Ich versprech’s.« Er wimmerte wie ein kleines Mädchen. Einen Moment lang schämte ich mich für Klaus und befreite ihn aus meinem Würgegriff, ließ ihn aber auf dem Teppich liegen.
»Wann wird der Arzt hier sein?«, fragte ich Hedwig.
»In circa zehn Minuten.«
»Zusammen mit den Bullen?«
»Ja.«

Derweil krabbelte Klaus auf allen vieren durchs Wohnzimmer in Richtung Flur.
»Wo will er hin?«
»Vermutlich sucht er ein Versteck.«
»Von mir aus. Weit wird er in dem Tempo nicht kommen.«
Am Esstisch, der ihm den Weg versperrte, zog Klaus sich mühsam nach oben, bis er nach dreißig Sekunden endlich auf seinen gallertartigen Beinen stand.
»Mach jetzt keinen Blödsinn«, warnte ich ihn vorsichtshalber, denn ich hatte in den vergangenen Jahren eine Menge Irrsinn von Wodka-Junkies erlebt.
Mit dem letzten Tropfen der ihm verbliebenen Kraftreserven rannte er los zur Haustüre, um in der Dunkelheit der Nacht zu verschwinden.
Hedwig, die in diesem Augenblick aus der Küche zurückkehrte und ihrem Mann unversehens entgegenkam, stellte ihm reflexartig ein Bein, um ihn an der Flucht zu hindern. Klaus kippte wie ein nasser Sack seitlich weg in den geöffneten Kellereingang hinein und von dort aus die steile Treppe abwärts. Von unten vernahm ich das hässliche Geräusch splitternder Knochen und einen langgezogenen Klagelaut. Danach herrschte gespenstische Stille. Ich lief die Stufen hinab, während sich Hedwig erschrocken die Hand vor den Mund hielt.


»Wenn sie mich nun wegen Totschlags verhaften?«
»Ach was; das war ein Malheur, als Klaus über dich gestolpert ist.«
»Ob das ein Staatsanwalt ebenfalls so sehen würde? Ich möchte bei all dem Schlamassel nicht auch noch angezeigt werden.«
»Kann ich nachvollziehen.«
»Ich fühle mich total mies. Was mache ich jetzt bloß?«
»Gib mir mal das Pferdezeug und Gummihandschuhe.«
»Hier. Wozu brauchst du das?«
»Wirst du gleich verstehen.«
Ich streifte mir die Handschuhe über schüttete den Rest der etwas öligen Flüssigkeit auf die Schwelle der Kellertür. Danach ließ ich mir von Hedwig ein Paar von Klaus Pantoffeln geben und fuhr mit dem linken durch die Pfütze. Im Keller zog ich dem Toten einen Schlappen an den linken Fuß und platzierte den zweiten verkehrt herum zwei Stufen über ihm. Dann drückte ich ihm die grüne Flasche in die rechte Hand.
»Jetzt sieht es so aus, als wäre er in seiner Gier und der Suche nach weiterem Spiritus in der Soße, die er selbst verkleckert hat, ausgerutscht.«
»Meinst du, die Kripo glaubt uns das?«
»Warum nicht? Habe schon von blöderen Todesursachen gelesen.«
Ich pellte die Gummiteile von meinen Unterarmen und verstaute sie in der Jackentasche. Gerade noch rechtzeitig. In der Haustür tauchten zwei junge Polizisten und der Notarzt auf.
»Kommen Sie schnell. Es ist ein furchtbarer Unfall passiert«, empfing Hedwig völlig aufgelöst die Beamten.
Ich spazierte in die Küche, zündete mir eine Zigarette an und versuchte, die komplizierte Kaffeemaschine in Gang zu bringen.

Eine Woche später – an einem nasskalten Gründonnerstag – beerdigten wir Klaus. Es war eine kleine Feier. Außer drei Kollegen, vier Familienangehörigen und zwei Patienten aus der Klinik hatte niemand den Weg auf den Friedhof gefunden.

 

»Der hat mir erklärt, dass man niemanden daran hindern kann, sich tot zu saufen«,
ist m. E. die Kernaussage dieser detailreichen Erzählung des Icherzählers, Tim, über seinen Bekannten Klaus, der Prokura in einem Geldinstitut hat und somit formal als angesehener Bankkaufmann anzusehen wäre, wäre da nicht die Trunksucht,

lieber sinuhe,

die nicht nur den unheiligen Trinker, sondern auch die direkte Umwelt schädigt. Aber ich erzähl i. d. R. nix nach, soll der Text doch gelesen werden. Gleichwohl bleiben einige Anmerkungen. Beginn ich mal mit der Zeichensetzung, die an sich präzise erfolgt, bis etwa hier

»Was soll ich bloß unternehmen, Tim«, fragte sie mich zehn Minuten später …
Wäre eine Frage nicht besser mit einem entsprechenden Haken versehen?

Dafür wäre dann hier ein ? entbehrlich , da eine Übertreibung

»Nicht länger?? Das darf doch nicht wahr sein.«,
dass eines an den vorhergehenden Satz vergeben werden kann.

»Verpiss dich, du Hurensohn. Ich komme bestens alleine klar.«
Warum hier zwei Aussagesätze, von denen der erste eher nach Wunsch, gar Befehl, in jedem Fall aber Ausruf klingt?

Dann einige Formulierungen, die zwar so gesagt werden, aber

- an sich unpräzise oder eigentlich herabsetzend sind. Ungenau wie hier

…, Einzelbett, alles vom Feinsten für Klaus, …
M. W. hat nach heutigem Stand des Gesundheitsunwesens jeder Kunde,-Patient ein Bett für sich, das aber auch schon mal auf dem Flur geparkt werden kann. „Einzelbett“ meint eher ein "Zimmer mit nur einem Bett", oder als Wortmönsterchen ein „Einbettzimmer“.

…; verfügte allerdings über trockenen Humor und einen klaren Blickwinkel aufs Leben.
„Blick“ reicht, ein Winkel ist weniger „klar“, als eher geknickt.
Schön der „trockene“ Humor in der feuchten Geschichte!

… und lud mich mehrmals bei sich zum Essen ein.
Hier ist m. E. die Wahl der Präposition „bei“ gewagt. Zwar bedeutet etwa „bei Tisch“ oder „bei Klaus“, dasss der Icherzähler am Tisch sitzt oder eben in der Nähe/im Hause Klaus’ sei, er wird aber doch erst „(ein)geladen“, also „zu“ Tisch oder „zu“ Klaus“ …

Hedwig sprang vom Stuhl auf, knallte die Tür zu und lief in den Nachbarraum, von wo aus ich sie hemmungslos schluchzen hörte.
von wo aus ?
sparsamer
Hedwig sprang vom Stuhl auf, knallte die Tür zu und lief in den Nachbarraum, … wo … ich sie hemmungslos schluchzen hörte.

- Wörter, die zwar in der wörtlichen Rede halt genutzt werden, wie
Bullen,
die sich aber doch für Hedwig und Tim als notwendige Helferlein entpuppen, dass ich mich nach dem Grund der Herabsetzung selbst im Rahmentext frage.

- oder in meinen Augen Werbung bedeuten, für die ich mich nicht hergeben würde.
Okay, das erste ist eher keine Werbung für die Wagenmarke, aber müssen wir denn überhaupt Markenbezeichnungen verwenden,

… klapprigen Golf 2 …

- aber auch allerweltswörter, die eigentlich entbehrlich sind wie

interessanterweise //
superpeinlich

… beim Edeka …
Eine Nachbildung des „beim Aldi“, aber ebenso falsch. Hier würd ich sogar behaupten, dass EDEKA als Abkürzung entweder weiblichen (die Einkaufsgenossenschaft) oder Plural ([Einzelhandels]kaufleute) sei,, korrekt wäre also schlicht
bei EDEKA,
wenn es nicht reichte, im Laden oder geschwollen beim Einzelhändler ….

So viel (oder doch eher wenig) für heute vom

Friedel

 

hi sinuhe!

also ich tue mir ehrlich gesagt etwas schwer, mir nach deiner circa zweiten hier veröffentlichten geschichte ein feedback zu überlegen (ich spreche jetzt über deine tim-serie). nicht, dass ich sie grundsätzlich schlecht finden oder nicht mögen würde, aber in jeder story dreht es sich ungefähr um die gleichen themen: alkoholismus, die folgen des alkoholismuses, deinen protagonisten tim. ich weiß, ab und an kommen dann frauen, kumpel, arbeitsamt als weitere gewürze dazu, aber im prinzip steht alles auf diesen säulen. sprachlich und stilistisch bewegst du dich auch immer auf dem selben level und auf sicherem eis. ich will dir das jetzt nicht anprangern oder sagen, dass das langweilig wird, aber das ist eben der grund, wieso ich mir beim feedbackgeben deiner geschichten etwas schwer tue. habe eben das gefühl, es wurde schon das wichtigste gesagt.
aber nun zu meinem eindruck der geschichte: ich fand es ist einer deiner rundesten kurzgeschichten. hat mir gut gefallen. da tauchen zwar wieder tim und der alkoholismus auf, aber der vorgeschobene tod des typen lässt spannung entstehen, da fragt man sich als leser: wieso ist der jetzt gestorben? beim lesen ist nicht jeder schritt vorhersehbar, die neugier auf die auflösung des todes lässt einen dann doch gespannt weiter lesen, man hat das gefühl, es plätschert nicht einfach so dahin, sondern man nähert sich sich auflösung des todes. zwischendrin fädelst du dann geschickt die geschichte ihrer freundschaft ein, und charakterisierst den kumpel gut. und die story endet dann mit der auflösung des todes: die frau hat ihm das bein gestellt, als tim ihn zurück zum entzug bringen wollte. das war ein gutes ende, finde ich, das war nicht vorherzusehen, es war dramatisch, macht das erzählte rund.
was mich an diesem tim allgemein stört, ist diese abgebrühtheit, mit der er seine sachen erzählt. er macht sich nichts daraus, dass da sein kumpel gerade gestorben ist, hilft ganz cool der frau noch es so aussehen zu lassen, als ob er auf seinem eigenen fusel ausgerutscht ist, hält es bloß für kopfsache allein zu sein ... das kommt etwas zu obercool daher, finde ich. vielleicht ist das auch geschmackssache, aber ich finde, das kratzt an der authentizität deines charakters. in wirklichkeit ist doch keiner so, oder? nach außen hin vielleicht, vielleicht möchte er sich die abgebrühtheit auch einreden, aber insgeheim nimmt das doch jeden irgendwie mit. du musst diese "sentimentale" ecke deines prots ja auch nicht in seiner erzählart einbauen, aber vllt zeigst du uns einfach mal eine situation, wo er meint er ist abgebrüht, kommt damit locker klar, aber dann bricht er doch darunter zusammen, dann knackst die harte schale ein. mhm. keine ahnung, so viel von meinen gedanken :D hoffe, das bringt dich irgendwie weiter. wenn du mein geschwafel für blödsinn hälst, ist 's auch nicht schlimm ;)

wie auch immer,
schönes wochenende,
zigga.

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Abend Friedel,

du hast dich an einem (zumindest in unserer Region) trüben Karfreitag in die düstere Welt der Alkoholiker hineingewagt. Respekt!

»Der hat mir erklärt, dass man niemanden daran hindern kann, sich tot zu saufen«,
ist m. E. die Kernaussage dieser detailreichen Erzählung
Das ist zutreffend, weil der Satz als plakative Aussage so mitten im Text drinsteht.
Allerdings wollte ich das Hauptaugenmerk schon auf das – mMn in der öffentlichen Wahrnehmung bisher zu kurz kommende – Thema der sog. Co-Abhängigkeit lenken.
Von daher ist die vorliegende Erzählung aus Sicht der Leser vllt zu detailreich (sprich: zu lang). Für mein Dafürhalten hätte die Geschichte jedoch noch ausführlicher sein können. Weil letztlich die heimliche Hauptperson Hedwig viel zu knapp abgehandelt wird. Allerdings bewege ich mich mit 3800w sicherlich am Rande dessen, was man in einem Internetforum noch zu lesen gewillt ist.

Beginn ich mal mit der Zeichensetzung
Die ist immer wichtig. Sehe ich genauso. Weil sie eben zeigt, ob der Autor sich mit den Details beschäftigen möchte. Wenngleich ich die Kommas zumeist aus einem Bauchgefühl heraus setze.

»Was soll ich bloß unternehmen, Tim«, fragte sie mich zehn Minuten später …
Wäre eine Frage nicht besser mit einem entsprechenden Haken versehen?
Hier fehlt das Fragezeichen. D‘accord

Dafür wäre dann hier ein ? entbehrlich , da eine Übertreibung
»Nicht länger?? Das darf doch nicht wahr sein.«,
Die Dopplung soll das maßlose Erstaunen des Fragers widerspiegeln. Halt ein weit geöffneter Mund anstatt eines Stirnrunzelns.
Bin mir aber im Klaren darüber, dass 2x dasselbe Satzzeichen hintereinander von der RS her falsch ist.

»Verpiss dich, du Hurensohn. Ich komme bestens alleine klar.«
Warum hier zwei Aussagesätze, von denen der erste eher nach Wunsch, gar Befehl, in jedem Fall aber Ausruf klingt?
Stimmt. Hier könnte ich Minimum ein Ausrufezeichen – wenn nicht sogar zwei – setzen.
Gehe mit dem Ausrufezeichen aus mir selbst unerfindlichen Gründen sehr sparsam um. Vermutlich, weil ich seit Kindheit eine Abneigung gegen Imperative hege. Habe kürzlich von einem Autor gelernt, dass der das Ausrufezeichen ebenfalls zum Zwecke der Verdeutlichung von Lautstärke verwendet. Um auszudrücken, dass eine Figur in diesem Moment schreit oder lauter als normal spricht. Diese Anwendungsmöglichkeit war mir bis vor einigen Wochen völlig unbekannt.

…, Einzelbett, alles vom Feinsten für Klaus, …
M. W. hat nach heutigem Stand des Gesundheitsunwesens jeder Kunde,-Patient ein Bett für sich, das aber auch schon mal auf dem Flur geparkt werden kann. „Einzelbett“ meint eher ein "Zimmer mit nur einem Bett", oder als Wortmönsterchen ein „Einbettzimmer“.
Klar. Doppelbetten findet man in KHern eher selten. Evtl in teuren Privatkliniken.
Ich wollte einfach die Dopplung (o. Tripel) Zimmer in dem kurzen Absatz vermeiden.
Muss ich verbessern.

…; verfügte allerdings über trockenen Humor und einen klaren Blickwinkel aufs Leben.
Jap; der Winkel ist überflüssig. Kann weg.

… und lud mich mehrmals bei sich zum Essen ein.
Hier ist m. E. die Wahl der Präposition „bei“ gewagt. Zwar bedeutet etwa „bei Tisch“ oder „bei Klaus“, dasss der Icherzähler am Tisch sitzt oder eben in der Nähe/im Hause Klaus’ sei, er wird aber doch erst „(ein)geladen“, also „zu“ Tisch oder „zu“ Klaus“ …
Okay: zu sich zum Essen.

Hedwig sprang vom Stuhl auf, knallte die Tür zu und lief in den Nachbarraum, … wo … ich sie hemmungslos schluchzen hörte.
Übernehme ich

Bullen,
die sich aber doch für Hedwig und Tim als notwendige Helferlein entpuppen, dass ich mich nach dem Grund der Herabsetzung selbst im Rahmentext frage.
Es sind zu viel Bullen im Text enthalten. Sehe ich genauso.
Der Ausdruck passt zum alkoholisierten Klaus und zu Tim. Nicht jedoch zur Prokuristengattin Hedwig.
Es existieren wenig „gute“ Synonyme für Polizisten.
Z.B. Polypen, Wachtmeister, Grüner, Schutzmann etc. Bei uns in Köln sagt man ebenfalls: Die Schmier.
Da fällt mir gerade aber ein, dass ich Ordnungshüter gar nicht im Text verwendet habe. Dieses Wort könnte ich an einigen Stellen für die Bullen einsetzen.

… klapprigen Golf 2 …
Finde ich okay. Zeigt halt, dass Tim ein (sehr) altes Auto fährt. Baujahr ca. 1989.

allerweltswörter, die eigentlich entbehrlich sind wie
interessanterweise superpeinlich
das Adverb kann weg. Das Adjektiv scheint mir für das Verständnis von Hedwigs Empfinden jedoch wichtig zu sein

… beim Edeka …
Eine Nachbildung des „beim Aldi“, aber ebenso falsch. Hier würd ich sogar behaupten, dass EDEKA als Abkürzung entweder weiblichen (die Einkaufsgenossenschaft) oder Plural ([Einzelhandels]kaufleute) sei,, korrekt wäre also schlicht: bei Edeka
Beim ist natürlich Slang.
Habe gerade nachgeschaut:
Seit 1898: E.d.K. = Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin.
Daraus entwickelte sich 1911 im Rahmen der 5-ten germanischen Vokalerweiterung EDEKA.
D.h. die Präposition muss sich auf die Genossenschaft ausrichten. Bei ist korrekt

Friedel, herzlichen Dank für wertvollen Hinweise zu RS und Grammatik! Solche Anmerkungen sind mir immer hochwillkommen. Denn der Teufel versteckt sich bekanntermaßen im Detail.

Wünsche dir ein schönes und entspanntes Osterfest.

Vg sinuhe

 

Hi zigga,

auch du hast heute den Weg zu Tim gefunden. Das freut mich.

also ich tue mir ehrlich gesagt etwas schwer, mir nach deiner circa zweiten hier veröffentlichten geschichte ein feedback zu überlegen (ich spreche jetzt über deine tim-serie). nicht, dass ich sie grundsätzlich schlecht finden oder nicht mögen würde, aber in jeder story dreht es sich ungefähr um die gleichen themen: alkoholismus, die folgen des alkoholismuses, deinen protagonisten tim. ich weiß, ab und an kommen dann frauen, kumpel, arbeitsamt als weitere gewürze dazu, aber im prinzip steht alles auf diesen säulen.
Oh oh, wenn es dir bereits nach zwei Geschichten langweilig mit dem Prota wird. :(
Es existieren ca. 60 KGen mit Tim.
Das ist ein bisschen vergleichbar mit den Fortsetzungsromanen auf S.39 in den regionalen Tageszeitungen o. Endlos-Serien im Vorabendprogramm.
Ich hatte Tim für ca. ein Jahr in die Schublade gelegt und ihn erst vor vier Wochen wieder hervorgeholt. Weil mir halt in der Zwischenzeit Ideen für ein paar neue Episoden gekommen sind.
Säufergeschichten sind sicherlich Genre-Literatur. Der eine mag solche Stories, der andere hingegen überhaupt nicht. Ging Bukowski anfangs nicht anders.

aber der vorgeschobene tod des typen lässt spannung entstehen, da fragt man sich als leser: wieso ist der jetzt gestorben? beim lesen ist nicht jeder schritt vorhersehbar, die neugier auf die auflösung des todes lässt einen dann doch gespannt weiter lesen, man hat das gefühl, es plätschert nicht einfach so dahin, sondern man nähert sich sich auflösung des todes.
Das freut mich. Also dieses Mal nicht zu naturalistisch oder gar zu plätschernd. Gut!

was mich an diesem tim allgemein stört, ist diese abgebrühtheit, mit der er seine sachen erzählt. er macht sich nichts daraus, dass da sein kumpel gerade gestorben ist, hilft ganz cool der frau noch es so aussehen zu lassen, als ob er auf seinem eigenen fusel ausgerutscht ist, hält es bloß für kopfsache allein zu sein ... das kommt etwas zu obercool daher, finde ich. vielleicht ist das auch geschmackssache, aber ich finde, das kratzt an der authentizität deines charakters. in wirklichkeit ist doch keiner so, oder? nach außen hin vielleicht, vielleicht möchte er sich die abgebrühtheit auch einreden, aber insgeheim nimmt das doch jeden irgendwie mit.
Nun sind – zumindest männliche – Alkoholiker zumeist sehr abgebrühte Charaktere. Da wäre Tim im Vgl. noch einer der sanfteren Sorte. Der Tod des Bekannten (denn ein richtiger Freund ist Klaus für ihn ja nicht) nimmt ihn tatsächlich nicht allzu sehr mit. Es handelt sich beim Prokuristen schließlich nicht um einen nahen Verwandten.
Der Umgang mit dem Alleinesein – was ja übersetzt bedeutet: ich habe momentan keinen Partner – ist aus meiner Erfahrung heraus tatsächlich Gewöhnungs- und Kopfsache. Und hängt natürlich ebenfalls vom individuellen Charakter ab. Schon klar. Alleine iSv. Robinson Crusoe sind die wenigsten.

Natürlich ist Tim innen drin sensibler, als er es nach außen hin zeigt.

du musst diese "sentimentale" ecke deines prots ja auch nicht in seiner erzählart einbauen, aber vllt zeigst du uns einfach mal eine situation, wo er meint er ist abgebrüht, kommt damit locker klar, aber dann bricht er doch darunter zusammen, dann knackst die harte schale ein.
Es existieren einige sentimentale Liebesgeschichten mit Tim. Werde nach Ostern versuchshalber mal eine hier hochladen.

so viel von meinen gedanken hoffe, das bringt dich irgendwie weiter. wenn du mein geschwafel für blödsinn hälst, ist 's auch nicht schlimm
Bin an Eindrucksschilderungen stets interessiert.
Den Einwand, dass Tim zu cool rüberkommt, kenne ich bisher von weibl. Lesern. Deshalb sehr aufschlussreich für mich, dass du als Mann das ebenfalls so siehst.

Zigga, vielen Dank für deinen Kommentar! Werde am WE drüber nachdenken, ob Tim evtl weicher werden muss.

Wünsche dir ein schönes Osterfest!

Vg sinuhe

 

servus sinuhe,

Oh oh, wenn es dir bereits nach zwei Geschichten langweilig mit dem Prota wird. :(

ich hatte extra danach geschrieben:

ich will dir das jetzt nicht anprangern oder sagen, dass das langweilig wird, aber das ist eben der grund, wieso ich mir beim feedbackgeben deiner geschichten etwas schwer tue. habe eben das gefühl, es wurde schon das wichtigste gesagt.
um dieses fehlverstehen vorzubeugen.
ich meinte bloß, dass ich mir wegen der ähnlichkeit des plots (alkoholismus, folgen) und des immer auftauchenden protagonisten (tim) einfach schwer tue, dir feedback zu geben. ich würde mir doof vorkommen, unter jeder geschichte zu schreiben: oh toll, eine trinkergeschichte! alkoholismus und seine folgen, das war interessant! ich hoffe du verstehst, was ich meine ;) ist mir halt nur so selbst aufgefallen, als ich mir mein feedback überlegte. ich finde alkoholismus und trinker übrigens keineswegs uninteressant zu lesen. henry chinaski oder dein tim finde ich allemal spannender als irgendeine primaballerina, die über hautprobleme sinniert.
und zum thema 'sensibel': ich weiß, du hast da bestimmt mehr lebenserfahrung als ich, und kennst wohl auch (behaupte ich jetzt einfach mal) viele, die diesen abgebrühten alkoholiker-charakterzug haben, aber nachdem dir der dirty old man bekannt ist, denke doch mal an den: buk war auch starker trinker, sein alter ego hatte auch harte, abgebrühte charakterzüge, aber ich kann mich an viele stellen in seine storys erinnern, wo man eben auch diesen sensiblen kern durchschimmern sehen hat. und mit sensibel meine ich jetzt nicht, dass er plötzlich sentimental werden soll und in der ecke sich selbst beheult, aber ich kann mich z.b. an eine kurzgeschichte von buk erinnern, die heißt: zwei trinker.
weiß nicht, ob du die kennst, aber man könnte sie mit deiner geschichte vergleichen. da geht 's um zwei trinker (wer hätte es gedacht), harte typen, beide prügeln sich ständig, chinaski versucht im suff sich die freundin seines kumpels auszuspannen, aber beide verbindet, dass chinaski seinem kumpel immer gedichte vorliest, während der dazu bilder ausschließlich mit gelber farbe malt. auf jeden fall ist chinaskis kumpel eines tages plötzlich abgehauen, niemand weiß wohin. und das ist der knackpunkt, wo man merkt, dass es dem harten trinker chinaski schon berührt: die story endet nämlich mit den zeilen:
ich sah eddie nie mehr wieder und nach einer weile verschwand er einfach aus meiner erinnerung. bis heute abend, zehn jahre danach. eddie, ich habe für andere nicht viel übrig, aber du hättest vorbei kommen können, du hättest auf der couch schlafen können, oder auf dem boden. das ist nicht viel, ich weiß. aber gelb ist meine lieblingsfarbe. nur für den fall, dass du das dieses gedicht irgendwo liest.
will dich jetzt echt nicht damit zutexten, aber wenn dein prot tim ein bisschen dieses feinfühlige durchschimmern lassen würde, wie buk bei diesem ende hier, würde mir die figur viel authentischer vorkommen und besser gefallen. probiers einfach mal aus. wenn du kein bock drauf hast, ist 's aber auch nicht schlimm ;)

grüße,
zigga

 

Hi Sinuhe,

eine ziemlich lange Kurzgeschichte, diesmal. Für meine Begriffe etwas zu lang. Hab dir ja schon mal in einem anderen Kommentar geraten, das Tempo etwas durch Kürzen zu erhöhen. Gerade bei solchen Geschichten, denke ich, würde der Leser dann mehr gefesselt werden. Sprachlich und stilistisch hab ich nicht viel auszusetzen, einige Formulierungen kommen mir im Kontext des Themas etwas unpassend vor – komme noch im Detail drauf.

Wie ich einigen deiner Antworten auf Kommentare zu anderen Geschichten entnehmen konnte, ist Tim so ein Art Serienfigur aus einer längeren Geschichtenreihe. Vielleicht sollte ich mal die Serie lesen (auf deiner Heimseite?), damit ich die Figur und den Hintergrund der Story besser verstehe. Weiß nicht, ob das einzelne, unzusammenhängende Episoden aus Tims Leben sind oder ob sich da ein roter Faden verbirgt.

Zum Thema Alkoholismus, da hat auch Zigga schon bisschen was dazu gesagt. Ich denke auch, das ist halt so ein Thema, so wie Selbstmord. Da schreibt fast jeder irgendwann mal ein Geschichte drüber und im Endeffekt kommt da selten was Neues bei raus. Aber vielleicht gehört das Thema ja zu der Figur Tim und steht mit der Serie in Zusammenhang. Tim hat ja auch ein Alkoholproblem, erzählt das ja aus seiner Sicht. Da ich selbst kein Alkoholiker bin, kann ich natürlich nicht beurteilen, ob solche Leute eine Geschichte so erzählen würden. Mir kommt das jedenfalls überwiegend ziemlich distanziert und abgeklärt vor, wie Tim über die Alkoholsucht seines Bekannten erzählt. Weiß nicht, ob jemand, der selber Alkoholiker ist, das so erzählen würde, mit dieser Distanz. Da kommt mir etwas zuwenig Reflektion über Tims eigene Sucht heraus. Aber da ja Alkoholiker oft ihre eigene Situation falsch einschätzen - Thema „Ich habe alles im Griff“ - so wie ja auch Klaus reagiert, kann es natürlich sein, dass er (Tim) der Geschichte von Klaus relativ emotionslos folgt.

Auch das Verhalten Hedwigs vermag ich nicht so recht einzuordnen. Sie scheint ihre Rollen oder ihr Verhalten, zwischen fast müttlicher Liebe und Harmoniesucht und Hass ständig zu wechseln.

Zum Erzählstil – der Wechsel zwischen der gegenwärtigen Situation und den eingeschobenen Rückblicken – finde ich ganz gut gelungen. Einmal hast du zwei Absätze mit *** getrennt, ist mir nicht ganz klar warum an dieser Stelle. Ich sehe da keinen Bruch der das erfordern würde. Einmal komme ich auch mit dem Zeitabläufen etwas durcheinander, Details dazu weiter unten.

Aber gut – nun im Detail zur aktuellen Geschichte oder Episode:

Mir fiel zunächst mal auf, dass du häufig Semikola verwendest. Ist das in deinen anderen Geschichten auch so? Ich bin kein so großer Freund dieser Zeichensetzung, weiß ehrlich gesagt auch nie, wo man sie korrekt einsetzt. Aber da sie mir bei dir auffallen, setzt du sie offensichtlich häufiger ein und ich bin mir nicht sicher, ob sie immer richtig platziert sind oder ob nicht ein Punkt oder Komma besser wäre. Stört mich manchmal im Lesefluss.

der steilen Kellertreppe

würde das steilen streichen, wäre die Kellertreppe nicht steil, wäre er vielleicht nicht so heftig nach unten gestürzt. Das ist übrigens bei einigen deiner szenischen Beschreibungen so, dass da oft Informationen mitgeliefert werden, die eigentlich nur beim Lesen aufhalten aber nichts wesentlich Neues an Erkenntnis liefern.

den lackierten Betonboden

Weiteres Beispiel. Egal ober der Boden lackiert ist, was ein Grund für das Ausrutschen gewesen sein könnte, aber da er ja nicht ausgerutscht, sondern oben am Treppenanfang gestürzt ist, kommt Ausrutschen ohnehin nicht in Frage. Und dass man sich den Schädel auf einem unlackierten Betonboden genauso aufschlagen kann, wie auf einen lackierten, ist wohl naheliegend.

ungesunden Dunkelrot; ähnlich einem Vampir.

Das ist erstens so ein Semikolon, dass ich nicht verstehe und sollte man zweitens für den Vampir nicht den Genitiv verwenden? - Ähnlich eines Vampirs – Nee, vielleicht doch nicht, hört sich komisch an.

Die hintere Schädeldecke, mit der auf den Steinstufen aufgeprallt war, schien mir eingedrückt zu sein.

Das ist auch eine redundante Information.
Ohne wenn und aber: - durch und durch

Diese Doppelungen – sind für mich Füllwörter, würde ich rausnehmen
Der Kerl wirkte durch und durch ungepflegt:

Überhaupt ist dieser Satz eigentlich überflüssig, da der Leser durch die darauf folgende Beschreibung sehr anschaulich die Ungepflegtheit selbst erkennen kann.
Neben dem schmerzverzerrten Gesicht hockte Bianca

Also wenn er sofort beim Aufprall gestorben ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass er das Gesicht noch schmerzverzerrt verzogen hat. Weiß nicht wie das konkret abläuft, aber ich stelle mir da irgendwie einen anderen Gesichtsausdruck vor. Als Toter empfindet er ja keine Schmerzen mehr. Naja ist vielleicht kleinlich von mir.

Hedwigs erschallte:

Unter einer erschallenden Stimme stelle ich mir immer was anderes vor. Mir gefällt der Ausdruck hier nicht so, aber mir fällt momentan auch kein besserer ein.

Erfahrene Alkoholiker wussten zumeist, wann das Ende der Fahnenstange erreicht war, und es Zeit für den nächsten Entzug wurde.

Ja, das ist so ein Satz, da verstehe ich einfach zu wenig vom Thema, aber trotzdem kommt es mir unlogisch vor. Ich glaube, dass eben gerade erfahrene (das heisst langjährige und damit hochgradig Abhängige) es eher nicht mehr einschätzen können, wann der nächste Entzug fällig ist. Ich glaube, die sind sogar eher resistent gegen jede Art von Entzug. Die wollen das überhaupt nicht, weil sie eben das Ende der Fahnenstange nicht (mehr) erkennen oder noch weit weg wähnen.

einen markerschütternden Schrei: »NEIN!!!«

durch das Adjektiv markerschütternd muss man NEIN nicht mehr groß und mit drei Ausrufezeichen schreiben - ist auch grundsätzlich zu comicartig, finde ich.


Ich ging nach oben und entdeckte auf dem Flur die in sich zusammengesunkene Hedwig. »Ich bin schuld. Ich habe Klaus umgebracht«, wimmerte sie.
»Wie kommst du denn auf diese blöde Idee?«, fragte ich.
»Warum habe ich ihn nicht früher in die Klinik gefahren?«

Wie wir später erfahren ist Klaus ja gestürzt, weil Hedwig ihm ein Bein gestellt hat. Dann passt für mich die Argumentation - … ich habe ihn umgebracht, weil ich ihn nicht früher in die Klinik gefahren habe – nicht ganz. Sie müsste das dann doch eher darauf beziehen, weil sie ihm ein Bein gestellt hat. Aber vielleicht soll der Leser das hier noch nicht erfahren. Andererseits weiß Hedwig das ja zu diesem Zeitpunkt schon und müsste vielleicht anders formulieren. Gut, in so einer Situation macht sie sich wahrscheinlich kaum Gedanken über ihre eigene Argumentation. Aber mir als Leser fällt das irgendwie auf.


bemerkte es natürlich trotzdem, weil er trotz Pfefferminzpastillen

Vieleicht ein trotz durch ein Synonym ersetzen
Klaus hat einen Rückfall gebaut

Klaus hat einen Rückfall erlitten. Sowas baut man doch nicht. Ich denke du willst eigentlich was anderes damit ausdrücken, so nach dem Motto – er hat Scheisse gebaut - aber das passt dann nicht zu Rückfall.

»Schlimm?«, erkundigte ich mich.
»Sehr schlimm«, kam es schluchzend zurück.
»Bin schon auf dem Weg.« Ich stieg ins Auto und machte mich auf den Weg zu Hedwig, die am

Das ist auch so eine Szene, die wirkt irgendwie unglaubwürdig. Ich meine, da herrscht eine Notsituation und ich stelle mir die zwei gerade bildlich vor, wie sie am Telefon sitzen und sich vorsäuseln
Schlimm?
Sehr Schlimm.
Bin schon auf dem Weg

Also da müsste mehr Dynamik rein oder um mit Arnie zu sprechen – ÄKTSCHN. In den Dialog und auch das Folgende. Das hört sich so alltäglich und harmlos an, wie er ins Auto steigt und sich auf den Weg macht. Also nee, ich würde vielleicht schreiben – ich rannte zum Auto und raste zu Hedwig – irgend sowas. Den Rest des Satzes mit dem geerbten Bungalow kannst du dir auch wieder sparen. Der bremst die ganze Szene noch zusätzlich aus. Das muss aus der Handlung raus kommen, wie es da abgeht. Ich denke da eher an so was wie ein Drehbuchszene. Da steht auch nur: T. Rennt zum Auto, rast durch die Stadt …

Auf der Fahrt, die bei grüner Welle knapp dreißig Minuten dauerte, ließ ich meine Freundschaft mit Klaus vor meinem inneren Auge Revue passieren.

Das ist auch irgendwie unlogisch. Tim kennt Klaus ja erst ein paar Wochen. Da ist man doch noch nicht befreundet, im eigentliche Sinne – höchstens so facebook-mäßig. Und dann geht ja aus der ganzen Geschichte auch hervor, dass Tim Klaus eigentlich gar nicht richtig leiden kann, also der Begriff Freund ist da meiner Ansicht nach fehl am Platz. Vielleicht Bekannter, Saufkumpan, oder sowas?

Dante, ein Rotwein saufender Antiquitätenhändler

Mal was postives: Der Name gefällt mir :D Seh den Typ richtig vor mir – so muss es sein!

dem versoffenen Prokurist

dem versoffenen Prokuristen? Glaub ich.

verfügte allerdings über trockenen Humor und einen klaren Blickwinkel aufs Leben

Tut mir leid, aber nach allem, was ich am Ende der Geschichte von Klaus weiß, ist, dass er wohl kaum über Humor verfügt und schon gar keinen klaren Blickwinkel hat, sondern relativ uneinsichtig ist. Aber vielleicht erkenne ich seinen Humor nur nicht – Oder ist das vielleicht ironisch gemeint? Säufer – mit trockenem Humor – hahaha. Sieht Friedel glaub ich auch so.
Haar akkurat von lins nach rechts

Haar akkurat von links nach rechts


»Was sollen wir jetzt machen, Tim?«
»Kurz nachdenken und auf Polizei und Notarzt warten. Wobei die auch nur noch den Tod feststellen können.«
»Was habe ich bloß getan?« Tränen rannen ihr die Wangen entlang.
»Säufer sind für ihr Schicksal selbst verantwortlich«, gab ich zu bedenken.

Hhhmm, das ist auch irgendwie so, so, wirklichkeitsfremd, ist das der richtige Ausdruck? Weiß nicht, die Stelle gefällt mir nicht. Ist Tim wirklich so abgeklärt – so ne coole Sau? Würde der nicht auch eher panisch oder irgendwie emotionaler reagieren? Mal ist Klaus sein Freund, dann wieder verhält er sich total ablehnend, und hier verweist er schulterzuckend auf das Säuferschicksal. Und, da er ja selber Alkoholiker ist; hat er gar keine Angst dass er selber auch mal so enden könnte? Das kommt da und auch im Rest der Geschichte überhaupt nicht raus. Werd aus dem Burschen nicht schlau. Ich glaub, ich muß unbedingt diese Serie lesen.

Tränen rannen ihr über die Wangen – oder Tränen rannen ihr die Wangen runter.

Zwar einzig von seiner Frau; aber immerhin.

Wieder so ein komisches Semikolon, wäre Komma nicht besser?

glaubwürdiger erschien als das Händchenhalten

glaubwürdiger erschienKOMMA als das Händchenhalten
Love Stories

Lovestories?

Als ich vor vierzehn Tagen das erste Mal bei Klaus nach dem Rechten sah,

Hier hab ich ein bisschen Probleme mit den Zeitabläufen. Ich dachte, der kennt ihn schon etwas länger als vierzehn Tage, kurz vorher erwähnst du ein Gespräch „letzten November“ - das hört sich nach einem länger zurückliegenden Zeitpunkt an. Vielleicht mal die Zeitschiene checken, ob das alles passt. Vielleicht hab ichs aber auch nicht kapiert :-)

Der Arzt, ein älterer Herr mit grauem Bart, traf nach einer Viertelstunde ein, taxierte eine Minute lang schweigend den hochalkoholisierten Klaus und beugte sich dann zu ihm runter. Im Schlepptau hatte er eine bildhübsche Helferin mitgebracht, die eifrig Notizen anfertigte, während er auf den Patienten wie ein kleines Kind einredete. Es half nichts. Klaus ließ sich nicht erweichen und blieb stur auf dem Sofa liegen. »Würden Sie freiwillig mitkommen, wenn ich den Rettungswagen rufe?«
»Nein!«
»Nun gut. Sie zwingen mich also, härtere Bandagen anzulegen. Dann wird die Polizei direkt mit alarmiert. Denn nur die darf Sie gegen Ihren Willen anfassen.«
»Mir völlig egal.« Klaus hatte den Ernst seiner Lage anscheinend nicht verstanden. Kein Wunder, wenn ich auf die vielen leeren Wodkaflaschen auf dem Fußboden schaute.
Als die Beamten anrückten, erkundigten sie sich freundlich bei meinem Bekannten, ob er widerstandslos in den Krankenwagen steigen würde. Als er ihre Frage mehrmals verneinte und ebenfalls auf das Flehen seiner Frau nicht reagierte, streiften die Polizisten Handschuhe über und zerrten ihn von der Couch. Klaus, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, begann sich zu wehren und schlug wild um sich. Daraufhin warfen ihn die Bullen auf den Teppich, verschränkten seine Arme hinter dem Rücken und legten ihm Handschellen an.

Also die ganze Szene – ich weiß nicht. Das ist so im Berichtsstil abgefasst, ohne Emotionen, ohne Drive. Empfehlung: Lass die bildhübsche Helferin weg. Lass den Doc nicht so formales Zeug reden - „Sie zwingen mich also … - Vielleicht machen die das im wirklichen Leben ja tatsächlich so, aber in so einer Geschichte ist es einfach spannender, wenn die Dialoge kurz und knackig sind und vielleicht der Doc, der ja seine Pappenheimer auch kennt, ihm nicht im Stil von – „Ich lese ihnen jetzt ihre Rechte vor ...“ - redet, sondern knallhart sagt, was Sache ist. Der völlig Betrunkene kriegt doch sowieso nicht mehr mit, ob er mit oder gegen seinen Willen abgeführt werden darf oder nicht.

Da kommt mir grade so ne Tatort-Szene in den Sinn. Gab da ja große Diskussionen über den neuen Tatort-Kommisar Til Schweiger. Also man kann da sicher streiten über seine schauspielerischen Qualitäten und so, aber eine Szene, die ich persönlich genial fand und die eigentlich den Unterschied zwischen den „normalen“ (normal-langweiligen?) Tatort-Kommissaren, die immer nach dem Motto vorgehen: „Wo waren sie gestern um 20 Uhr?“, und dem Neuen, recht gut dokumentiert, war folgende: Til Schweiger liefert sich eine minutenlange Schiesserei mit zwei, drei Gangstern und als er den letzten vor sich am Boden liegen sieht und kurz überlegt ob er ihm ne Kugel verpassen soll, besinnt er sich und sagt - „Und du wirst verhört“.

Verstehst du, worauf ich hinaus will?

Superpeinlich

Das ist so ein Teenieausdruck, reden Erwachsene so?

Morgen wechsele die Schlösser

Morgen wechsele ich die Schlösser

Tim, ka.. kannst

Tim, ka ... kannst

Nicht länger??

Ein ? reicht

und murmelte »Verpiss dich,

und murmelte: »Verpiss dich,

»Ist er ausgerastet und hat versucht, mich zu schlagen.«
»Oh weh.« Wie der Alkohol manchmal friedfertige Menschen in Bestien verwandelte.

Die Reaktion „Oh weh“ ist auch zu schwach für mich. Der folgende Satz ist überflüssig – artikuliert eigentlich ne Binsenweisheit.

»Nein. Nur ein Hausverbot erteilt. Sogar die Flaschen durfte er behalten. Die haben sich wahrscheinlich davor geekelt, ihn anzufassen.«

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Edeka bei Ladendiebstahl keine Polizei oder den Ladendetektiv einschaltet.

»Bis morgen bereitest du alles vor, Hedwig. Notarzt und Polizei. Die sollen für ihn einen Beschluss bewirken. Minimum drei Wochen. Vorher darf er die Station auf keinen Fall wieder verlassen.«

Also so einen Beschluß kann, glaub ich, nur ein amtlicher, medizinischer Gutachter oder Richter erwirken, auf jeden Fall nicht der Notarzt oder die Polizei.

Mann, was musste Klaus für mordsmäßigen Durst verspüren, dass er solch einen Dreck runterwürgte.

Ich denke Klaus trinkt wohl eher nicht aus Durstgefühl, oder ? ;)
Margot

Hat Hedwig aus lauter Scham mitten in der Geschichte ihren Namen geändert? ;)


Jou, hört sich jetzt ziemlich nach'm Verriß an. Ist es aber wriklich nicht, und ich glaube du kannst Kritik schon ab. Du hast dir ein schwieriges Thema ausgesucht. Schwierig deshalb, weil es eben schon sooft behandelt wurde, dass man schon wirklich was ganz Besonderes abliefern muss, um damit Aufmerksamkeit zu erregen. Das ist dir leider nicht so ganz gelungen (auch wenn du natürlich meine Aufmerksamkeit erregt hast, sonst hätte ich ja nicht so ausführlich kommentiert :D )

Dass du schreiben kannst, weiss man ja mittlerweile. Aber hier, glaub ich, kann man mehr draus machen, mehr Spannung und Dramatik erzeugen. So liest sich das stellenweise wie ein Bericht oder Tagebucheinträge. Das kann auch interessant sein und gelegentlich als Stilmerkmal eingesetzt werden. Aber ich finde diesen Konflikt zwischen den Protagonisten und das Grundthema Alkoholismus und wie gehen die Bezugspersonen damit um, das kommt mir irgendwie zu wenig authentisch rüber.

Nix für ungut

Schöne Osterfeiertage (mit leckeren Liköreiern :D) wünscht trotzdem

Fred

 

Hi Fred,

was für ein Mordstrumm von Kommentar. Wow!! Da werde ich ja noch am Ostermontag an der Antwort dran sitzen.

Auf jeden Fall fange ich jetzt damit an, auf deine vielen Tipps und Anmerkungen einzugehen.

Deine RS-Vorschläge übernehme ich selbstredend. Bin hin- und hergerissen, ob ich mal wieder ein neues RS-Programm testen soll. Im vergangenen Jahr hatte ich den Duden-Korrektor installiert. Der unterkringelte jedoch so viele Worte in unterschiedlichen Farben, dass ich alleine vom Hinsehen bereits farbenblind wurde. Und ich hatte das Gefühl, dass sich die Geschwindigkeit meines PCs halbierte. Deshalb habe ich die Software nach zehn Tagen wieder deinstalliert. Papyrus Autor ist ein gutes Tool. Allerdings mMn sehr aufwändig in der Handhabung. Muss man vorab viele Feineinstellungen eigenständig vornehmen, bevor das Ganze zufriedenstellend funktioniert.

Semikolon. Ja: ich mag dieses – immer mehr aus der Mode geratende – Satzzeichen. Wollte bereits einen Verein „Rettet den Strichpunkt“ ins Leben rufen. Kam allerdings wg zu geringer Anzahl der Gründungsmitglieder nicht zustande. Ob ich das Semikolon immer an der richtigen Stelle einsetze, steht auf einem anderen Blatt. Ich verwende den Strichpunkt – rein aus einem Bauchgefühl heraus – dann, wenn ich normalerweise einen Punkt setzen würde, aber das Gefühl habe, dass der zweite Satz von der Aussage her noch gut beim Vorgänger aufgehoben wäre. D.h. der Strichpunkt dient mir als Ersatz für den Punkt; nicht jedoch für ein Komma.

Rückfall. Ist ein Substantiv, dem aus meiner Erfahrung heraus unterschiedliche Verben zugeordnet werden können:
( ) haben (die simpelste Variante)
( ) machen (Slang)
( ) bauen (hört man in den Kliniken oft)
( ) fabrizieren (selten)
( ) erleiden (sagen eher die Ärzte)
( ) bekommen (ist natürlich Unsinn, weil man den Rückfall ja nicht von außen erhält, sondern ihn sich selbst ansäuft).

Mir hatte mal ein Kommentator das Adjektiv entzügig angekreidet. Das würde der Duden nicht kennen. Stimmt. Trotzdem wird das Wort sowohl von Patienten als auch Medizinern benützt.

Margot. Ups. So hatte ich die Bankiersgattin anfangs getauft. Bis mir auffiel, dass ich schon mal eine KG mit einer saufenden Buchhalterin geschrieben hatte, die ebenfalls Margot hieß. Die saß drei Tage lang zugedröhnt neben der Leiche ihres Ehemanns und wurde dann wg. unterlassener Hilfeleistung festgenommen. Deshalb habe ich im Nachhinein in Hedwig ausgewechselt. Allerdings manuell und dabei wohl eine Margot übersehen. *peinlich*

Über die Sinnhaftigkeit von steilen Kellertreppen und lackierten Betonböden kann man sicher stundenlang diskutieren. Da mache ich mir im Schreibfluss keine allzu großen Gedanken drüber. Werde bei der Neufassung überlegen, ob ich die kleinen Adjektive entfernen werde. Denn richtig stören tun sie mMn ja nicht.

eine ziemlich lange Kurzgeschichte, diesmal. Für meine Begriffe etwas zu lang. Hab dir ja schon mal in einem anderen Kommentar geraten, das Tempo etwas durch Kürzen zu erhöhen. Gerade bei solchen Geschichten, denke ich, würde der Leser dann mehr gefesselt werden.
Ja und nein. Hatte ich bereits weiter oben an Friedel geantwortet: eigentlich ist die Story zu kurz geraten, weil der Punkt, auf den es mir v.a. ankam – nämlich die fatale Co-Abhängigkeit Hedwigs herauszustellen – zu knapp dargestellt wird. Ohne die Vorgeschichte mit Klaus würde man allerdings das Verhalten der Ehefrau überhaupt nicht verstehen. Die beiden haben sich vermutlich zu Beginn der Beziehung geliebt. Diese „natürliche“ Zuneigung bröckelte jedoch im Laufe der Jahre und aufgrund der zahlreichen Besäufnisse von Klaus immer mehr ab. Bis zum Schluss nur noch eine Fassade nach außen aufrechterhalten wurde. Und die Frau schafft es nicht – trotz gegenteiliger Ratschläge von Freundinnen und Ärzten – , sich von ihrem saufenden Mann zu trennen. Sie droht damit, tut es aber nicht. Was Klaus begriffen hat und deshalb „sorgenfrei“ das Spiel alle paar Wochen von Neuem beginnt. Weil er ja weiß, dass sie ihn nach der Entgiftung wieder bei sich aufnehmen wird. Der Tod im Keller ist deshalb – zumindest nach Überwinden der ersten Trauer – eine Erlösung für die Frau. Es geht nicht immer so „gut“ aus. Manchmal legt sich der (nicht trinkende) Partner vor Gram eher ins Grab als der Säufer.

Weiß nicht, ob das einzelne, unzusammenhängende Episoden aus Tims Leben sind oder ob sich da ein roter Faden verbirgt.
Sind überwiegend Einzelepisoden, die auch zeitlich vor u. zurück springen.
Es gibt innerhalb der Reihe ebenfalls zusammenhängende Teile. Bspw. In der Geschlossenen 1 bis 7.

Tim hat ja auch ein Alkoholproblem, erzählt das ja aus seiner Sicht.

Mir kommt das jedenfalls überwiegend ziemlich distanziert und abgeklärt vor, wie Tim über die Alkoholsucht seines Bekannten erzählt. Weiß nicht, ob jemand, der selber Alkoholiker ist, das so erzählen würde, mit dieser Distanz. Da kommt mir etwas zuwenig Reflektion über Tims eigene Sucht heraus. Aber da ja Alkoholiker oft ihre eigene Situation falsch einschätzen - Thema „Ich habe alles im Griff“ - so wie ja auch Klaus reagiert, kann es natürlich sein, dass er (Tim) der Geschichte von Klaus relativ emotionslos folgt.
Tim ist Hardcore-Alkoholiker, der knapp 50 klinische Entzüge absolviert hat. Bei Klaus wird es von der Anzahl her ähnlich aussehen. Dante hingegen dürfte sich im dreistelligen Bereich bewegen.

Und jetzt muss ich ein paar (hoffentlich nicht allzu langweilige) Sätze zur Psyche eines solchen Mannes einstreuen. Damit seine Emotionen u. Handlungen nachvollziehbarer werden.

In diesem „Business“ wirst du im Laufe der Jahre sehr abgebrüht. Du bietest anderen Säufern deine Unterstützung an – bringst sie in die Klinik, leihst ihnen Geld, schenkst ihnen Klamotten –, weil dir selbst im Notfall ja auch geholfen wird. Aber: du tust es in 99% der Fälle sehr emotionslos. IdR. treffen sich Patienten außerhalb der Entgiftungsstation nicht auf eine Tasse Kaffee, sondern sind froh, wenn sie sich draußen nicht über den Weg laufen. In der alleräußersten Notlage bietest du zuhause für eine Nacht dein Gästezimmer an. Nicht länger, denn sonst wird diese Freundlichkeit oft ausgenutzt. Von daher denkt und handelt Tim vor dem Hintergrund seiner eigenen Suchterkrankung logisch u. konsequent.

Es existieren Geschichten, in denen er über sich selbst nachdenkt. Das war sogar der Aufhänger der ersten Erzählungen. Jedoch tut er das halt nicht in jeder Episode. Bin als Autor auch kein großer Freund von Eigen-Reflektionen. Die lesen sich für einen Dritten oft larmoyant.

Auch das Verhalten Hedwigs vermag ich nicht so recht einzuordnen. Sie scheint ihre Rollen oder ihr Verhalten, zwischen fast müttlicher Liebe und Harmoniesucht und Hass ständig zu wechseln.
Sie ist die heimliche Prota in dieser Geschichte. Denn das – zu kurz beleuchtete – Phänomen der Co-Abhängigkeit steht im Vordergrund der Erzählung. Und genauso fühlen diese Frauen. Sie sind hin- und hergerissen zw. Liebe, Haß, Mutterinstinkt, Verachtung und Hoffnungslosigkeit, weil sie sich oft nicht trauen, die auf der Hand liegenden Schritte einzuleiten. Du kannst ihnen 10x sagen: »Lass die Schlösser auswechseln!« Sie werden 10x beifällig nicken, und es in 90% der Fälle doch nicht tun.

Einmal hast du zwei Absätze mit *** getrennt, ist mir nicht ganz klar warum an dieser Stelle. Ich sehe da keinen Bruch der das erfordern würde.
Habe ich 1x zum Ende hin getan. Und zwar aus dem Grund heraus, weil ich vorher immer um einige Wochen/ Monate hin- und hergesprungen war. Und an dieser Stelle einzig um einen Tag.
Kann die Asterisken aber rausnehmen. Kein Problem.

Ja, das ist so ein Satz, da verstehe ich einfach zu wenig vom Thema, aber trotzdem kommt es mir unlogisch vor. Ich glaube, dass eben gerade erfahrene (das heisst langjährige und damit hochgradig Abhängige) es eher nicht mehr einschätzen können, wann der nächste Entzug fällig ist. Ich glaube, die sind sogar eher resistent gegen jede Art von Entzug. Die wollen das überhaupt nicht, weil sie eben das Ende der Fahnenstange nicht (mehr) erkennen oder noch weit weg wähnen.
Es kommt immer darauf an. Es gibt solche u. solche Hardcore-Alkoholiker:
( ) diejenigen, die nach einer (o. zwei) Woche/n spüren, dass es Zeit für die Klinik wird
( ) die Gruppe, die diesen Zeitpunkt nicht erkennt und weitertrinkt, bis der Notarzt erscheint
( ) und die, denen alles egal geworden ist und sich tottrinken wollen.
Tim u. Dante gehören der ersten Fraktion an, während Klaus zw. 2 u. 3 einzusortieren ist.

Wie wir später erfahren ist Klaus ja gestürzt, weil Hedwig ihm ein Bein gestellt hat. Dann passt für mich die Argumentation - … ich habe ihn umgebracht, weil ich ihn nicht früher in die Klinik gefahren habe – nicht ganz. Sie müsste das dann doch eher darauf beziehen, weil sie ihm ein Bein gestellt hat. Aber vielleicht soll der Leser das hier noch nicht erfahren.
Hast du dir ja selbst die Antwort gegeben: weil ich eben nicht direkt am Anfang die Katze aus dem Sack lassen wollte.

Das ist auch so eine Szene, die wirkt irgendwie unglaubwürdig. Ich meine, da herrscht eine Notsituation und ich stelle mir die zwei gerade bildlich vor, wie sie am Telefon sitzen und sich vorsäuseln. Also da müsste mehr Dynamik rein oder um mit Arnie zu sprechen – ÄKTSCHN
Ich kann natürlich mehr Dramatik einbauen. Jedoch trifft der emotionslose Tonfall von Tim eher die Realität. Er bekommt einen solchen Anruf ja nicht zum ersten Mal. Ob Klaus nun eine halbe Stunde länger betrunken auf dem Sofa liegt o. nicht: wen juckt das großartig? Zudem verzögert er seinen notwendigen Abtransport ohnehin so lange, bis alles zu spät ist.

Das ist auch irgendwie unlogisch. Tim kennt Klaus ja erst ein paar Wochen. Da ist man doch noch nicht befreundet, im eigentliche Sinne – höchstens so facebook-mäßig. Und dann geht ja aus der ganzen Geschichte auch hervor, dass Tim Klaus eigentlich gar nicht richtig leiden kann, also der Begriff Freund ist da meiner Ansicht nach fehl am Platz. Vielleicht Bekannter, Saufkumpan, oder sowas?
Tim kennt Klaus bereits länger. Minimum ein Jahr.
Das Finale spielt an Gründonnerstag. Also Ende März/ Anfang April.
Es gibt einen Rückblick in den November, als Tim den Kumpel auf die Beziehung zu Hedwig anspricht. Wäre ca. ein halbes Jahr zurück.
Die Szene mit Dante könnte im Sommer zuvor spielen.
Und getroffen – ohne sich mit ihm zu unterhalten – hatte Tim den Klaus ja schon mehrmals vorher.

Freund ist zu hoch angesiedelt. D‘ accord
Ich hatte in früheren Stories oft von Bekannten geschrieben. Das war den Kommentatoren jedoch ein zu unpersönlicher Begriff.
Saufkumpan trifft nicht zu, da die beiden nie zusammen gezecht hatten.

Tut mir leid, aber nach allem, was ich am Ende der Geschichte von Klaus weiß, ist, dass er wohl kaum über Humor verfügt und schon gar keinen klaren Blickwinkel hat, sondern relativ uneinsichtig ist.
Man muss zw. dem nüchternen (Humor, klarer Blick auf seine persönlichen Finanzen) und dem betrunkenen (uneinsichtig, neigt zu Aggressivität etc) Klaus unterscheiden. Ca. 50% der Trinker verwandeln sich unter Alkoholeinfluss von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde.

Hhhmm, das ist auch irgendwie so, so, wirklichkeitsfremd, ist das der richtige Ausdruck? Weiß nicht, die Stelle gefällt mir nicht. Ist Tim wirklich so abgeklärt – so ne coole Sau? Würde der nicht auch eher panisch oder irgendwie emotionaler reagieren? Mal ist Klaus sein Freund, dann wieder verhält er sich total ablehnend, und hier verweist er schulterzuckend auf das Säuferschicksal. Und, da er ja selber Alkoholiker ist; hat er gar keine Angst dass er selber auch mal so enden könnte? Das kommt da und auch im Rest der Geschichte überhaupt nicht raus. Werd aus dem Burschen nicht schlau. Ich glaub, ich muß unbedingt diese Serie lesen.
Er bleibt in diesem Moment cool, weil Klaus nicht der erste Tote ist, den er erblickt. Es wird in diesen Kreisen oft zu früh gestorben. Er ist kein naher Verwandter.
Natürlich beschleicht Tim hin u. wieder die Sorge, dass er ebenfalls so enden wird. Weshalb er einiges unternimmt, um dagegen anzusteuern: SHGen, Psychologin, treibt Sport, meidet Kneipen etc. Und trotzdem wird er immer wieder rückfällig.
Ist das Ausblenden von Tod jedoch nicht ein ureigener menschlicher Trieb? Wenn du als Autofahrer einen tödlichen Unfall beobachtest: denkst du in diesem Moment daran, dass dir das morgen ebenfalls passieren könnte? Bin ich skeptisch, ob viele darüber reflektieren, wenn sie ein brennendes Autowrack sehen. Gaffen (ja); aber ernsthaft drüber nachdenken?

Hier hab ich ein bisschen Probleme mit den Zeitabläufen. Ich dachte, der kennt ihn schon etwas länger als vierzehn Tage, kurz vorher erwähnst du ein Gespräch „letzten November“ - das hört sich nach einem länger zurückliegenden Zeitpunkt an. Vielleicht mal die Zeitschiene checken, ob das alles passt. Vielleicht hab ichs aber auch nicht kapiert :-)
Wie lange sie sich in etwa kennen, habe ich weiter oben erklärt.
Die Rückfallsequenz mit Klaus dauert in etwa zwei Wochen.
Hierauf bezieht sich der (evtl missverständliche) Satz: Als ich vor vierzehn Tagen das erste Mal bei Klaus nach dem Rechten sah, …
Nach zwei Tagen wird er das erstemal ins KH gebracht.
Dort haut er nach einer Nacht wieder ab.
Dann trinkt er sofort weiter und nach weiteren ca. vier Tagen ruft Hedwig erneut bei Tim an.
Das zweite Drama erstreckt sich dann über knapp eine Woche bis zum blutigen Finale.

Also die ganze Szene – ich weiß nicht. Das ist so im Berichtsstil abgefasst, ohne Emotionen, ohne Drive. Empfehlung: Lass die bildhübsche Helferin weg. Lass den Doc nicht so formales Zeug reden - „Sie zwingen mich also … - Vielleicht machen die das im wirklichen Leben ja tatsächlich so, aber in so einer Geschichte ist es einfach spannender, wenn die Dialoge kurz und knackig sind und vielleicht der Doc, der ja seine Pappenheimer auch kennt, ihm nicht im Stil von – „Ich lese ihnen jetzt ihre Rechte vor ...“ - redet, sondern knallhart sagt, was Sache ist. Der völlig Betrunkene kriegt doch sowieso nicht mehr mit, ob er mit oder gegen seinen Willen abgeführt werden darf oder nicht.
Nun sind (Haus-) Ärzte zu Alkoholikern oft nicht nett. Weil sie sich aus der Sicht des Mediziners das Leid eben eigenverschuldet zugezogen haben. Die Fachärzte in den Kliniken sehen das natürlich etwas abweichend. Deshalb ist der lapidare Ton des Arztes schon realistisch. Er fragt, ob Klaus freiwillig mitkommt, ansonsten muss er die Polizei hinzurufen. Oft warten die Ärzte noch nicht einmal ab, bis die Ordnungshüter erscheinen (denn das kann dauern), sondern fahren zügig weiter zum nächsten „richtigen“ Patienten.
Ich kann aber mehr Action/ Dialog in die Szene reinbringen. Kein Thema.

Die Arzthelferin war tatsächlich bildhübsch. Ist Tim sofort aufgefallen. Eigentlich hätte die junge Dame eine ausführlichere Beschreibung verdient gehabt.

Superpeinlich
Das ist so ein Teenieausdruck, reden Erwachsene so?
Ich würd’s sagen, weil ich den Begriff oft von meinen Kindern zu hören bekomme: »Papa, du bist mal wieder superpeinlich.«
Das Wort steht zudem in einem Erzählsatz u. nicht im Dialog.
Kann ich aber auswechseln.

Die Reaktion „Oh weh“ ist auch zu schwach für mich. Der folgende Satz ist überflüssig – artikuliert eigentlich ne Binsenweisheit.
D‘ accord. Oh weh werde ich drastischer formulieren.
Die nachgeschobene Erklärung fliegt raus.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Edeka bei Ladendiebstahl keine Polizei oder den Ladendetektiv einschaltet.
Aber hoppla. Was soll die Polizei mit einem hochalkoholisieren Dieb machen? Die bringen den zurück nach Hause. Aus einer Anzeige wird häufig nichts, weil der Kranke im Zustand völliger Verwirrung gehandelt hat. Also schmeißen sie den Mann raus u. erteilen ein Hausverbot.

Also so einen Beschluß kann, glaub ich, nur ein amtlicher, medizinischer Gutachter oder Richter erwirken, auf jeden Fall nicht der Notarzt oder die Polizei.
Jetzt steigen wir natürlich in die juristischen Feinheiten der gesetzlichen Unterbringung für psychisch Kranke ein. Ganz so detailliert wollte ich den Vorgang dann doch nicht schildern.

Der Not- (ebenfalls der Haus-) Arzt kann eine Einweisung bewirken. Die gilt für min. eine Nacht. Deshalb war Klaus beim ersten Mal ja auch sofort wieder draußen. Der Beschluss auf eine längere Unterbringung (z.B. zehn Tage, drei Wochen bis hin zu mehreren Monaten) muss beim Amtsgericht beantragt werden. Die Gerichte reagieren schnell. Die Frage lautet jedoch: wer ist überhaupt antragsberechtigt? Die Angehörigen zumeist nicht. Nur über den langwierigen Umweg Kreisverwaltung, Gesundheitsamt. Das dauert. Schneller geht es, wenn die Klinik sich an das Gericht wendet o. ein gesetzl. Betreuer (den Klaus aber nicht hatte) das tut. Voraussetzungen für eine zeitweise Zwangsunterbringung sind:
( ) Eigengefährdung (muss allerdings gravierend sein)
( ) Fremdgefährdung: in diesem Fall kann evtl die Polizei den Antrag stellen (muss ich aber nochmal recherchieren).
Ist geregelt in den PsychKGen der Bundesländer.

Ich denke Klaus trinkt wohl eher nicht aus Durstgefühl, oder ?
Durst ist ein dehnbarer Begriff.
Ich kann an dieser Stelle aber in Saufdruck auswechseln.

Jou, hört sich jetzt ziemlich nach'm Verriß an. Ist es aber wriklich nicht, und ich glaube du kannst Kritik schon ab. Du hast dir ein schwieriges Thema ausgesucht. Schwierig deshalb, weil es eben schon sooft behandelt wurde, dass man schon wirklich was ganz Besonderes abliefern muss, um damit Aufmerksamkeit zu erregen. Das ist dir leider nicht so ganz gelungen (auch wenn du natürlich meine Aufmerksamkeit erregt hast, sonst hätte ich ja nicht so ausführlich kommentiert )
Nein, ein „richtiger“ Verriss ist das nicht. Habe ich zu keinem Zeitpunkt so empfunden. Kritik kann ruhig hart und deutlich ausfallen, wenn es der Sache dienlich ist. Du hast sehr detailliert die Schwachstellen aufgezeigt u. mir konstruktive Lösungsvorschläge unterbreitet. Von daher ist das alles völlig okay für mich.

Aber hier, glaub ich, kann man mehr draus machen, mehr Spannung und Dramatik erzeugen. So liest sich das stellenweise wie ein Bericht oder Tagebucheinträge. Das kann auch interessant sein und gelegentlich als Stilmerkmal eingesetzt werden. Aber ich finde diesen Konflikt zwischen den Protagonisten und das Grundthema Alkoholismus und wie gehen die Bezugspersonen damit um, das kommt mir irgendwie zu wenig authentisch rüber.
Natürlich, kann/ könnte man aus nahezu jeder kurzen Geschichte mehr draus machen. Es ist halt eine KG und kein Roman.

Über den Hinweis Tagebuch/ Bericht werde ich am WE reflektieren (schönes Verb). Das fällt mir beim Schreiben selbst gar nicht so auf. Mit Dialogen habe ich in dieser Story mMn nicht gegeizt. Evtl in einigen Passagen weniger reden und dafür an anderen mehr. Muss ich ausprobieren.

Authentisch (zu 80%) ist die Story. Wäre ich nicht selbst Alkoholiker, würde ich von solchen Geschichten die Finger weglassen. Die fehlenden 20 auf 100 sind Fiktion. Ich will ja keine Autobiographie zu Papier bringen. Vllt liegt der Verdacht der mangelnden Glaubwürdigkeit darin begründet, dass sich ein „Normalo“ nur schwer in die Denkweise eines Suchtkranken hineinfinden kann. Keine Ahnung.


Hoffe, ich habe die meisten deiner Fragen beantwortet. Bin auf jeden Fall vor Oster-MO mit meiner Replik fertiggeworden *schweißvonderstirnwischend*

Fred, ganz herzlichen Dank für diesen Mega-Kommentar!!! (drei Ausrufezeichen, auch wenn es comicartig wirkt). Ich weiß diese Arbeit sehr zu schätzen. Da sitzt man als Analyst gut u. gerne zwei Stunden dran. Aber die Detailhinweise nützen mir als Autor viel.

Wünsche dir ein schönes Oster-WE!
(und ich werde natürlich keine Likör-Eier futtern. Das fällt mir einfach, weil ich das klebrige Zeug noch nie mochte).

Vg sinuhe

 

Hi Sinuhe

scheint, wir beide sind Freunde der langen Form, sowohl was die Geschichten als auch die Kommentare angeht :D

Deswegen versuch ich mich auf deine Replik jetzt mal etwas kürzer zu fassen und nur auf einige wesentliche Aspekte einzugehen.

Semikolon.

Ja, das ist vielleicht auch Geschmackssache, Thomas Mann, bekannt für seine langen und verschachtelten Sätze (und trotzdem einer meiner wenigen deutschen Lieblingsautoren), hat die auch häufig verwendet.

Rückfall bauen

Also wenn du u.a. sagst dass das in Kliniken häufig verwendet wird, muss ich dir das glauben. Bin Gottseidank nicht sooft in KHs. Ich hab das nämlich noch nie gehört.

Margot

Kann schon mal passieren – da helfen halt leider auch keine RS-Programme, aber dafür sind ja wir Kommentatoren da ;)

Ja und nein. Hatte ich bereits weiter oben an Friedel geantwortet: eigentlich ist die Story zu kurz geraten, weil der Punkt, auf den es mir v.a. ankam – nämlich die fatale Co-Abhängigkeit Hedwigs herauszustellen – zu knapp dargestellt wird

Naja, das ist vielleicht das Problem der ganzen Geschichte. So wie ich das jetzt verstehe, wolltest du eigentlich eine Geschichte über Hedwig schreiben und es ist eine über Tim und Klaus daraus geworden. Ich hab das Problem auch oft, meist wenn ich so aus dem Bauch schreibe, dass sich mitten in der Geschichte der Fokus ändert.

Du argumentierst im Folgenden, dass du ja auch aufgrund eigener Erfahrungen und daher relativ authentisch erzählst, Dinge die du z.T. selbst erlebt hast oder jemanden mit derlei Erfahrungen kennst. Du unterlegts das auch sehr genau mit Statistiken und Zahlen und da habe ich halt das Problem. Meine erste Geschichte, die ich hier eingestellt hatte handelte von meinem Berlin-Marathon und war auch in einer Art Berichtsform abgefasst. Das wurde damals auch kritisiert und es wurde behauptet, dass die Story meiner 42 Berlinkilometer wohl ausser passionierten Läufern kaum jemanden interessieren würde. Ich verstand das damals (noch) nicht, weil mich halt die Geschichte auch emotional berührt hatte. Heute würde ich diese Story wahrscheinlich auch anders schreiben. Das ist halt die Gefahr, wenn man was selbst Erlebtes „beschreiben“ will, da kommt halt dann oft sowas wie ein Bericht (oder im schlimmsten Fall ein Schulaufsatz) heraus. Versteh mich nicht falsch – aber da ist mir halt zuwenig „distanzierte Emotion“ drin. Damit meine ich Emotion die aus den Figuren kommt und nicht die Gefühle des Autors widerspiegelt. Der Autor/Erzähler sollte ja eher im Hintergrund bleiben.

Viel Spaß und Erfolg noch beim Überarbeiten

Herzliche Grüße

Fred

 

Hi Fred,

jap. Die Repliken auf Repliken sollten kürzer ausfallen als Erstkommentar und Story. Sehe ich genauso. Deshalb jetzt nur noch ein paar schnelle Sätze zum Thema:

Naja, das ist vielleicht das Problem der ganzen Geschichte. So wie ich das jetzt verstehe, wolltest du eigentlich eine Geschichte über Hedwig schreiben und es ist eine über Tim und Klaus daraus geworden. Ich hab das Problem auch oft, meist wenn ich so aus dem Bauch schreibe, dass sich mitten in der Geschichte der Fokus ändert.
Ja und nein. Es sollte eine Geschichte über Tim und das Paar (also Klaus & Hedwig) werden. Dabei ist Klaus vermutlich zu sehr betont worden. Zulasten Hedwigs Anteil.

Beim Schreiben einer KG habe ich eine Idee im Kopf. Dann tippe ich drauflos. Es kann – in ca. 50% der Fälle – durchaus passieren, dass die Story zur Hälfte hin eine andere Wendung nimmt als die, die ich ursprünglich vorgesehen hatte. Natürlich wird dann aus einer Alkoholgeschichte kein Fantasy; aber es kann sein, dass ich jemanden – aus dem Bauch heraus – sterben lasse, bei dem das anfangs gar nicht geplant war.

Du argumentierst im Folgenden, dass du ja auch aufgrund eigener Erfahrungen und daher relativ authentisch erzählst, Dinge die du z.T. selbst erlebt hast oder jemanden mit derlei Erfahrungen kennst. Du unterlegts das auch sehr genau mit Statistiken und Zahlen und da habe ich halt das Problem. Meine erste Geschichte, die ich hier eingestellt hatte handelte von meinem Berlin-Marathon und war auch in einer Art Berichtsform abgefasst. Das wurde damals auch kritisiert und es wurde behauptet, dass die Story meiner 42 Berlinkilometer wohl ausser passionierten Läufern kaum jemanden interessieren würde.
Marathon- und Säufergeschichten stellen sicherlich beides Genre-Literatur dar. Liest ohnehin nicht jeder so gerne.

Die von dir bemängelte Berichtsform verwende ich ab und an ganz gerne, um eine dramatische Szene möglichst lakonisch darzustellen. Vermutlich übertreibe ich es hin und wieder mit diesem Stilmittel. Muss ich in Zukunft stärker drauf achten.

Eine „richtige“ Schilderung von Hedwigs Co-Abhängigkeit wäre aber m.E. nur möglich, wenn:
( ) ich aus ihrer Perspektive erzähle (was dann aber keine Timgeschichte mehr wäre)
( ) oder Tim sich lange mit ihr unterhalten lasse (das könnte im Rahmen einer KG langweilig wirken. In einem Roman wäre das mMn eher angebracht).

Muss ich in Ruhe drüber nachdenken.


Fred, nochmals herzlichen Dank für all deine Hinweise! Ich nehme mir die schon zu Herzen. Weiß aber nicht – da ich eben zumeist im Fluss bzw. aus dem Bauch heraus tippe –, ob ich die bereits beim nächsten Mal derart verinnerlicht haben werde, dass ich mich beim Schreiben daran erinnere.:schiel:

Wünsche dir einen sonnigen Donnerstag und herzliche Grüße, sinuhe

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom