Tod einer jungen Frau
Auch junge Menschen sterben. Jaja, sagt das Hirn, na klar. Nein nein, schreit mein Herz: Das ist ungerecht. Ich will nicht das sie tod ist. Ich will es nicht. Nein, nein schreie ich und stampfe mit dem Fuss auf den Boden. Man schiebt mich in einen dicken Ledersessel und streichelt meinen Arm. Ich bin kein Kind mehr, ich will nicht gestreichelt werden. Ich schreie. Fasst mich nicht an.
Gestern Nacht ist sie mit ihrem Mini über eine Kreuzung gefahren. Sie hat wohl nicht nach links geguckt. Hätte sie nämlich nach links geguckt, hätte sie den Milchlaster gesehen, der kam und in ihre Seite geknallt ist und ihr Auto gegen eine Hauswand geschleudert hat.Jede Nacht rufe ich ihr zu, sie soll zur Seite schauen. Ich sehe den Milchlaster, der kommt. Warum hat sie ihn nicht gesehen!? Ihr Gehirn ist ausgelaufen. Ich wollte sie noch einmal sehen. Aber das ging nicht. Das mit dem Hirn ist nicht wieder herzustellen gewesen. Ich sehe ihren Sarg und frage mich, wer denn darin liegt. Wie es sein muss unter der Erde auf zu wachen und nicht raus zu können. Darauf steht ein Photo von ihr. So hat sie nie ausgesehen. In der Kirche sitzen Fremde. Ich habe einen Platz ganz hinten. Ich mache die Augen zu und lasse sie aufstehen. Sie sieht nur mich und keiner kann sie sehen. Es ist wie früher, nur wir verstehen uns. Sie nimmt mich an die Hand und wir gehen raus. Ich will nicht darin bleiben. Lasst mich doch gehen, Hände drücken mich wieder in die Bank. Nein, ich gehe. Es ist vorbei. Ich wusste, es war nur ein böser Traum. Ich werde gleich aufwachen und öffne die Augen und liege mit ihr auf unserer Wiese. Und sie lebt. Sie hat den Milchlaster gesehen. Sie hat gebremst. Nur eine große Narbe wird da sein. Ihr Gehirn ist nicht ausgelaufen. Ich höre ein Geräusch, Sirenen kommen näher. Ich rufe ihnen zu, dass sie nicht kommen müssen. Alles ist gut. Sie lebt, es geht ihr wieder gut. Geht alle weg. Meine Katze ist da und schnurrt uns ins Ohr. Wir werden jetzt schlafen auf der Wiese. Es ist warm. Sirenen kommen näher. Ich werde wach. Meine Beine, ich kann Sie nicht bewegen, die Katze liegt darauf. Neben mir ist es laut. Ich will nichts hören. "Holt Sie raus, sie lebt". Sag ich doch. Alles ist gut, lasst uns in Ruhe. Dann nehmen sie mich weg und tragen mich auf eine Bahre. Meine Beine,...Ich will nicht weg von ihr.
01.01.2002
Gestern verunglückte auf der B239 ein Mini-Cooper. Die Fahrerin verstarb noch am Unfallort, die Beifahrerin konnte leicht verletzt geborgen werden. Der Unfallhergang wird von der örtlichen Polizeibehörde wie folgt rekonstruiert: ...