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Tischgespräche bei Familie K.
Und es geht schon wieder los. Man könnte meinen, dass das gemeinsame Abendessen meiner Familie eine Art Theaterstück sei, welches Abend für Abend erneut aufgeführt wird. Vielleicht mit einigen ''special effects'', um dem interessierten Zuschauer etwas Abwechslung zu bieten. Damit meine ich jetzt nicht etwa neue Gesprächthemen. Nein, das bei Weitem nicht. Es sind eher Dinge von profaner Natur, wie die Kleidung und das Essen bei Tisch. Das Thema ist eigentlich immer dasselbe ...
Meine Eltern Gabi und Josef, beide Mitte vierzig und naja, sagen wir es mal mit den Worten meiner Schwester Ramona: ''spießig''. Ramona ist 14, Ramona ist Punk UND Veganer und wie man in diesem Alter nunmal so ist, versucht sie gegen alles zu rebellieren, was ihr in die Quere kommt. Wir sind eine ganz ''normale Familie'', wäre da nicht die neue Frisur meiner Schwester ...
Papa: ... dass du dir die Haare abrasiert hast! Weißt du wie das aussieht? Da schneidest du dir ne Halbglatze und ich soll das auch noch gut finden??!
Ramona: Das nennt sich ''Iro'', Papa, und alle meine Freunde haben das ...
Papa: Wenn alle deine Freunde ins Wasser, springen, springst du dann auch hinterher??!
Mama: Jetzt lass doch das Kind mal ...
Papa: Ja, genau! Fall du mir auch noch in den Rücken!
Ramona: Es sind meine Haare und ich kann damit machen, was ich will!
Papa plustert sich auf ...
Mama. Naja, Liebes ... der Papa hat da nicht ganz unrecht. Kannst du nicht wenigstens das blau ...
Ramona: NEIN, kann ich nicht! Ich find das geil!
Mama: Du hattest SO SCHÖNE Haare, Kind!
Ramona: Eben, HATTE!
Papa: Die Nachbarn reden alle schon. Der Herr Keuf von gegenüber hat mich letztens gefragt, ob du Drogen nimmst! Meinst du ich find das lustig, sowas gefragt zu werden?
Ramona: Ich kiffe nur, ich nehm kein Pep oder H.
Mama schaut entsetzt und traurig zugleich, ich starre auf meine Kartoffeln und überlege, ob einer von den beiden überhaupt weiß, was letztere Drogen eigentlich sind.
Papa: DU TUST WAAAAAAS???
Ramona: KIFFEN! Soll ich es dir aufschreiben?
Papa: Werd nicht frech!
Mama: Also, dass du Drogen nimmst ...
Ramona: Als ob ihr in eurer Jugend nie gekifft hättet!
Papa: Sicher nicht! Da hätten die Omma und der Oppa mich so verprügelt, dass ich nicht mehr hätte sitzen können, da kannst du dich aber drauf verlassen! Du lässt von sowas gefälligst die Finger, hast du mich verstanden?
Ramona: Nö.
Mama: Kind, du weißt doch, was die Frau Keuf für eine alte Klatschbase ist! Wenn das dann die ganze Straße denkt ...
Ramona: Mir doch egal.
Papa: UNS aber vielleicht nicht?
Ramona: Du bist voll der Heuchler, ey! Machst hier einen auf: MORAL! WO IST DIE MORAL! Die Aposteln sind schon da und schreien laut SKANDAL, SKANDAL!
(Ich führe in Gedanken den von ihr zitierten Song fort: ''So hält der Tor, allen den Spiegel vor, nur sich selber nicht, guck mal wer da spricht.'' Dabei zähle ich langsam bis drei. Eins ... zwei ... dr...)
Papa: Das sind alles deine asozialen ''Freunde'' schuld! Die kommen mir nicht mehr ins Haus!
Ramona: Du stopfst dich hier mit Fleisch voll und meinst mir erzählen zu dürfen, ich soll nicht kiffen?! Wenigstens essen meine Freunde und ich keine zu Tode gequälten Tiere!
Papa: Das eine hat überhaupt nichts mit dem anderen zu tun!
Ramona: Du beleidigst meine Freunde, aber DIE halten wenigstens zu mir! Übrigens gehe ich morgen Abend auf ne Party und penne dann bei Jobi!
Der plötzliche Themenwechsel (oder das übliche Ablenkungsmanöver) zeigt Wirkung und sorgt zunächst für ein kurzes Schweigen.
Mama wird blass, als wüsste sie, dass ihre Frage überflüssig ist, fasst sich aber und fragt: ''Ist Jobi die nette Blonde, die am Wochenende hier war?''
Ramona: Nein, Mum, Jobi ist der Spitzname von Sebastian.
(Ich weiß auch nicht, wie die zu ihren Spitznamen kommen. Wahrscheinlich werden die beim Kiffen erfunden ...)
Papa: Das ist aber nicht dieser langhaarige Bombenleger, den du hier letztens angeschleppt hast, oder??!
Ramona: Doch, genau DER!
Nun sind sich meine Eltern einig, nur, dass Mama versucht es nett zu sagen, während bei Papa endgültig die Bombe explodiert.
Mama: Also, Schatz, es wäre mir lieber du kämst nach Hause ... der Papa kommt dich auch um 22Uhr da abholen.
Ramona (lacht): Das fängt um 22Uhr erst an, Mum!
Papa: JETZT HAB ICH ABER DIE SCHNAUZE VOLL! DU GEHST NIRGENDWO HIN! ASOZIALES PACK, DA!
Ramona (fängt wie jeden Abend an zu heulen): DU HAST MIR GAR NICHTS ZU SAGEN! DAS IST MEIN LEBEN! ICH MACHE WAS ICH WILL!
Mamas ''Schluss jetzt, alle beide.'' findet (wie jeden Abend) keine Beachtung, es wird weiter geschrien.
Endlich fallen die Schlusssätze:
Papa: GEH IN DEINER ZIMMER, DASS ICH DICH NICHT MEHR SEH'N MUSS HEUT!
Ramona: ARSCHLOCH, ICH HASSE DICH!
Mama schau Papa traurig und entsetzt zugleich an: ''Musste das jetzt wieder sein? Jeden Abend dasselbe mit euch.''
Ich beende in Begleitung des Schweigens meiner Eltern mein Abendessen und bin ebenfalls froh wieder in meinem Zimmer zu sein. Immer wieder denke ich darüber nach, ob ich bei diesem Schauspiel eigentlich einer Komödie oder Tragödie beiwohne. Ich kann mich nie ganz entscheiden. Die Interpretation dieses Stückes fällt mir immer wieder schwer, dafür fällt mir meine kreative Hausaufgabe für den Deutschunterricht bedeutend leichter. Herr Förster wird von meinem kleinen ''Theaterstück'' begeistert sein.