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Tiefe Wasser

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01.01.2010
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Tiefe Wasser

Das Mädchen erwacht in Stille und Kälte.
Graues Licht fällt durch das Fenster und legt sich wie ein Schleier vor die wenigen Möbelstücke der Schlafstube. Dem Mädchen fällt auf, dass der Schrank an der gegenüberliegenden Wand geöffnet ist. Es könnte von seinem Bett aus den Arm strecken und die Tür schließen, doch es will möglichst viel seines Körpers unter der Decke behalten.
„Max?“, fragt es in den Raum, obwohl die Stille ihm längst verraten hat, dass es allein ist. Es hält den Atem an und hofft auf Geräusche – das Klappern von Schüsseln, die Stimmen seiner Eltern oder die Laute des Viehs. Nichts.
Langsam richtet es sich auf und hält mit den Fingerspitzen die Decke vor seinen Körper. Das Bett von Max ist leer und zerwühlt, auf dem Fensterglas haben sich Eiskristalle gebildet. Das muss ein Traum sein, denkt das Mädchen, aber würde es in einem Traum sein Nachthemd spüren, wie es ihm am Rücken klebt? Würde es in einem Traum seine spröden Lippen fühlen, die Schmerzen beim Schlucken?
Widerwillig schiebt es seine Füße unter der Decke hervor und stellt sie auf den Boden. Es hasst das Gefühl nackter Haut auf dem Holz, kann seine Pantoffeln aber nirgends entdecken. Es hat lange geschlafen, so lange, dass es erschöpft ist vom vielen Schlaf. Die angelehnte Schranktür beunruhigt das Mädchen mehr als das ungemachte Bett oder die Kälte. Ihr Bruder schließt den Schrank immer, weil er denkt, ein Kobold hause darin. Max würde die Tür nur angelehnt lassen, wenn er das Zimmer in höchster Eile verlassen müsste.
Wieder schweift der Blick des Mädchens zu dem unordentlichen Bett.
Fröstelnd steht es auf, öffnet die Tür der Kammer und betritt einen Gang, der in die Wohnstube und Küche führt. Weder auf dem gemauerten Herd noch in dem Kachelofen brennt ein Feuer, und dem Mädchen wird bewusst, dass über Nacht sämtliche Gerüche verschwunden sind: Der beißende des Rauchs, der süßliche von gebackenem Brot – als hätte jemand die Luft entleert.
Obwohl der Kienspan nicht brennt, ist das Licht ausreichend, um zu erkennen, dass sich niemand in der Stube oder der Küche aufhält. Die Familie des Mädchens hat sich über Nacht aufgelöst wie dampfender Atem in kalter Luft.
Es schlottert, und erst jetzt bemerkt es, dass die Eingangstür offen steht. Trotz der Schneeflocken, die hereinwehen, geht das Mädchen zur Tür und wirft einen Blick auf den Hof. Eine feine Schneeschicht bedeckt die Scheune und den angrenzenden Stall.
Jemand muss sich um das Vieh kümmern, denkt es, aber durch das offene Tor kann es erkennen, dass auch die Kühe verschwunden sind. Als es nach seiner Mami schreit, spürt es ein Stechen in seiner Kehle und hört als einzige Antwort das Echo des Berges. Es fürchtet sich nicht davor, allein zu sein – im Gegenteil, oft wird ihm die Arbeit zu schwer, dann wünscht es sich Ruhe und zieht sich heimlich zurück an den Brunnen hinter der Scheune. Doch jetzt ist es mehr als allein, es ist verlassen.
Schluchzend geht es durch das Dorf, spürt kaum den Schnee an seinen Füßen oder die Tränen auf den Wangen. Als es ein weiteres Mal mit heiserer Stimme nach der Mami ruft, schweigt selbst der Berg.
Obwohl die Türen und Tore sämtlicher Gebäude offen stehen, ist niemand zu sehen, weder Mensch noch Tier. Das Mädchen hat das Gefühl, länger als eine Nacht geschlafen zu haben – was ist in dieser Zeit geschehen? Es versucht sich zu erinnern, wie seine Mami es ins Bett brachte, versucht, an das Kratzen der Bartstoppeln beim Gutenachtkuss seines Papas zu denken – doch im Kopf des Mädchens tauchen nur Schablonen dieser Ereignisse auf, das tatsächlich Geschehene verbleibt im Trüben. Die Einsicht, dass mit seiner Familie auch Erinnerungen an sie verschwunden sind, schwächt das Mädchen zusätzlich.
Als es das letzte Bauernhaus erreicht, hält es nicht an. Es geht über eine Lichtung zum Ufer des Sees, und einen Augenblick sieht es so aus, als sei selbst der einer großen Leere gewichen. Dann erkennt das Mädchen, dass er gefroren ist und Schnee, der im Schatten des Berges grau wirkt, die Eisfläche bedeckt. Ohne zu zögern betritt es das Eis, hebt seine tauben Füße nicht an, sondern lässt sie über das gefrorene Wasser gleiten. Letzten Sommer hat Papa ihm das Schwimmen beigebracht, und was damals unmöglich war – auf die kleine Insel in der Mitte zu kommen – gelingt jetzt ohne Anstrengung. War der See gestern schon gefroren? Das Mädchen weiß es nicht mehr, nichts liegt ferner als der gestrige Tag.
Kurz vor der Insel bleibt es stehen, Winterluft lässt seine Kehle brennen. Es schaut zurück zu seinen Spuren, die langsam von Neuschnee verdeckt werden. Gleich ist es so, als wäre ich nie da gewesen, denkt es, und das ist der letzte klare Gedanke, denn jetzt fällt sein Blick auf den See und unter das Eis, und es sieht, was hier verborgen liegt.
Das fahle Gesicht einer Frau treibt im Wasser, aufgedunsen, umwallt von schwarzem Haar. Das Mädchen taumelt und stürzt rücklings auf das Eis. Keuchend starrt es auf die Stelle, an der sich die Frau befindet. Wie verdorbenes Essen arbeitet sich etwas durch seinen Magen – die Frau sieht so friedlich aus, die Augen geschlossen, als schlafe sie. Der Körper des Mädchens zuckt, es schiebt mit beiden Armen Schnee zur Seite. Unter der Oberfläche erscheint eine faltige Hand, und als das Mädchen weitere Teile des Eises freilegt, sieht es den Mann, zu dem sie gehört. Sein weißes Gesicht drückt gegen die Unterseite, mit seinem verzerrten Mund sieht er aus, als schreie er, als lache er, als lebe er. Etwas drängt ihn ab, und als das Mädchen den Kiefer und das schwarze, blicklose Auge sieht, denkt es an ein Ungeheuer. Dann erkennt es, worum es sich tatsächlich handelt, und während ein Schrei seine Kehle zerreißt, schwebt das Pferd unter ihm vorbei.
Immer schneller wirft das Mädchen den Schnee zur Seite, immer schneller entdeckt es weitere Körper. Männer, Frauen, Kinder. Tiere. Einige treiben mit dem Gesicht nach unten, doch die meisten starren zu dem Mädchen, als forderten sie es auf, sie aus ihrem Grab zu befreien. Obwohl es mit beiden Fäusten auf das Eis hämmert, dringt es nicht zu den Toten vor. Es sind so viele, mehr, als es jemals zählen könnte.
Seine Stimme bricht, es sackt zusammen.
Schnee fällt auf seinen Körper und schmilzt auf seiner Haut.
Das Mädchen versinkt in Stille und Kälte.

***​

Am Abend ihrer Ankunft wurde Roman auf seinem Spaziergang von Anna begleitet. Schweigend verließ sie mit ihm die Hütte, und Roman hätte gerne gesagt, dass er sich freute, mit ihr und den Kindern hier zu sein. Er wollte ihr sagen, dass sie ein Recht auf diese Woche hatten, doch er blieb still, weil Anna in einer Stimmung war, in der jedes Wort den gemeinsamen Moment zerstört hätte.
Die Vögel zwitscherten, als erzählten sie sich die Geschichte der Welt, und Roman beneidete sie. Wenn Schweigen alltäglich geworden war, kostete manchmal jedes Wort Überwindung.
Immerhin war dieser Urlaub ein Anfang.
Der Spaziergang führte sie an den See, den Roman bislang nur im Prospekt gesehen hatte und von dem es hieß, es sei einer der schönsten Seen der Schweiz. Sie blieben am Ufer stehen und betrachteten die Spiegelung der Berge im dämmernden Tageslicht; ein Bild, das so zerbrechlich wirkte wie die Verbundenheit dieses Augenblicks. Als Roman in Annas glasige Augen blickte, erkannte er Ähnlichkeiten zu den Untiefen des Sees.
„Es wird alles gut“, sagte er schließlich, weil er etwas sagen musste und sein Mut nur zu einer Floskel reichte. „Ich spüre das, hier können wir uns erholen.“ Als er ihre Nähe suchte und einen Arm um ihre Hüfte legte, wendete sie sich nicht ab.
„Ich hoffe, dass Gott mir Kraft gibt“, sagte sie. „Ich wünsche mir nichts mehr, als wieder stark zu sein.“
Roman küsste sie auf die Stirn und berührte dabei die Kette ihres Anhängers. Er selbst hoffte, sie würde sich endlich von dieser Last befreien, um wieder atmen zu können.
„Das wirst du“, antwortete er. „Ganz sicher.“
Anna schwieg.
Lange blickten sie auf das türkisfarbene Wasser. Es kräuselte sich, obwohl kein Wind zu spüren war.

Als Katrin die Schlafzimmertür öffnete, drang aus der Dunkelheit kein Laut zu ihr. Sie bemühte sich, leise zu sein, was unsinnig war, weil sie ihre Eltern wecken wollte.
„Mama?“, flüsterte sie in die Dunkelheit. Es kam weder eine Antwort noch sonst ein Geräusch zurück. Sie hörte ihre Eltern nicht einmal schlafen.
Katrin tastete nach dem Lichtschalter, doch sie kannte sich in dem Zimmer nicht aus und wusste nicht, auf welcher Seite der Tür sie suchen sollte.
„Papa?“
Wenn dies ein Albtraum war, würde sie gleich das Licht anknipsen und ihre Eltern vor sich sehen. Sie stünden da, regungslos, selbst wenn Katrin sie anschrie. Ihre schlimmsten Träume handelten immer von vertrauten Menschen, die sich fremd verhielten.
„Katrin?“ Das war ihr Papa, und Sekunden später knipste er seine Nachttischlampe an. „Was ist denn?“
Er sah verschlafen aus, was ihr mitten in der Nacht nicht fremd war. Katrin entspannte sich. „Ich kann nicht schlafen. Vor meinem Fenster höre ich die ganze Zeit komische Geräusche.“
Jetzt wurde auch ihre Mama wach und blickte sie mit halb zugekniffenen Augen an.
„Darf ich bei euch schlafen? Bitte.“
Ohne ein Wort zu sagen legte sich ihre Mama wieder zurück, als hielte sie ihre Tochter für einen Traum. Ihr Papa rutschte zur Seite und klopfte mit der Hand auf die freie Stelle neben sich. „Du kannst hier schlafen, wenn du möchtest.“
Nach kurzem Zögern kletterte Katrin auf die Seite ihres Papas und kuschelte sich an ihn. Er schaltete das Licht aus und legte einen Arm um sie. „So, jetzt wird geschlafen“, murmelte er, und sie spürte seinen Atem auf der Wange.
Katrin versuchte, sich an die letzte Umarmung ihrer Mutter zu erinnern. Diese musste zu lange zurückliegen, denn bevor Katrin sich erinnern konnte, schlief sie ein.

Sebastian stand vor dem Badezimmerspiegel. Obwohl er eben erst aufgestanden war und das Licht aus einer matten Birne kam, spürte er die Wut in sich.
Du darfst diese Wut nicht zulassen. Das war einer der Ratschläge in einem Internetforum gewesen, ebenso lächerlich und nutzlos wie alle Ratschläge von dort. So was konnte nur jemand schreiben, der vermutlich nie betroffen gewesen war und sich daran aufgeilte, das Leid der anderen mit Schwachsinn zu kommentieren.
Wut war wichtig, weil sie eine Ablenkung war.
Das Leben ist lebenswert, weil. Auch eine saudumme Idee aus dem Forum. Zählt jeden Abend drei Gründe auf, warum ihr heute gerne gelebt habt.
Es war neun Uhr am Morgen, und Sebastian konnte bereits drei Gründe aufzählen, warum er heute gerne sterben würde. Sein Gesicht, seine Schultern, seine Brust.
Über Nacht war die Akne schlimmer geworden. Normalerweise sah es nach dem Aufstehen besser aus als am Abend zuvor, doch jetzt wucherten neue Pickel auf seiner glänzenden Stirn. Es waren keine, die man einfach ausdrücken konnte und deren Eiter mit einem geräuschvollen Platzen gegen den Spiegel spritzte; es waren diese Knoten, dunkelrot, die bei jeder Berührung schmerzten. Vielleicht lag es am Wasser in dieser Hütte im Nirgendwo. Sebastian überlegte, wie seine Haut im grellen Sonnenlicht aussehen, wie ihn die Leute – die Wohlgeformten mit der reinen Haut – anstarren würden. Wie einen Aussätzigen.
Auf der Ablage befanden sich seine Rasierklingen. Er packte eine davon aus, näherte die Klinge seiner Stirn und hielt knapp vor der Berührung inne.
Er wünschte, sich das entstellte Gesicht zu zerschneiden, die Klinge tief durch seine Haut zu ritzen und sie in Streifen und Fetzen zu zerteilen. Vor seinem inneren Auge trennte Sebastian sich von dieser Hülle, von jedem einzelnen, gottverdammten Pickel.
In seiner Vorstellung lächelte er dabei.

„Hallo. Ich bin Rüdiger. Ich glaube, wir sind Nachbarn.“
Roman blickte von seinem Taschenbuch auf. Ein Mann mittleren Alters hatte sich zwischen ihn und den See gestellt.
„Hallo. Mein Name ist Roman“, antwortete er und schüttelte dem Mann die Hand, ohne aus seinem Campingstuhl aufzustehen. „Das ist Anna, meine Frau“, sagte er. Sie lag auf einem Handtuch neben ihm.
„Schön. Ich hab mir gedacht, ich komm mal vorbei, hallo sagen. Ich bin mit meiner Tochter hier, Claudia.“ Er wies in die Richtung eines Mädchens mit weißem Bikini, das etwa in Sebastians Alter war und sich in der Sonne bräunte. Roman war sie bereits aufgefallen. „Wir kommen jedes Jahr her. Ist schön ruhig hier, man kann gut abschalten. Keine betrunkenen Engländer, keine brüllenden Russen. Angenehm, oder?“
„Stimmt“, antwortete Roman. „Wir sind zum ersten Mal hier. Der See ist einmalig.“
„Spiegelglatt, nicht wahr? Ist ein Geheimtipp, sollte auch so bleiben. Sonst wimmelt es hier irgendwann von Touristen.“
„Das Wasser könnte wärmer sein“, sagte Anna.
Rüdiger machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach was, das ist prima. Claudia weigert sich auch, einen Fuß reinzusetzen, dabei weiß sie gar nicht, was ihr entgeht. Ich sag Ihnen, eine halbe Stunde schwimmen, und man fühlt sich wie neu. Gehört wohl zu den Dingen, die man erst im Alter schätzen lernt.“ Er lachte ein lautes Ihr-wisst-schon-was-ich-meine-Lachen, und Roman befürchtete, Rüdiger würde ihm auf die Schulter klopfen. „Ihre Kinder scheinen da abgehärteter zu sein. Wie alt sind sie denn?“
„Unser Sohn ist sechzehn, die Tochter zwölf.“
„Na, das passt doch prima. Meine Claudia ist fünfzehn. Hören Sie, wenn Sie Lust haben, können Sie ja heute Abend mal bei uns vorbeikommen. Wir haben die Hütte Nummer acht, direkt neben Ihrer. Wir könnten gemeinsam grillen und ein paar Bier trinken, dann lernen sich auch unsere Kinder kennen. Was meinen Sie?“
Roman war nicht sicher, was Anna von der Idee hielt, aber bevor er antworten konnte, überraschte sie ihn. „Warum nicht?“, sagte sie.
„Spitze. Sagen wir um sieben? Essen bringt jeder selbst, für Getränke sorge ich.“
Nachdem Rüdiger gegangen war, schaute Roman zu Anna.
„Was?“, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf und ertappte sich bei einem Lächeln. „Nichts“, sagte er.
Roman überlegte, dass sie sich hier prächtig erholten, nicht trotz, sondern wegen der Tatsache, dass sie sich in einen normalen Alltag zurückkämpften. Roman fragte sich, welche Rolle der See dabei spielte. Neben dem Körper schien er auch die Seele zu erfrischen und verwirklichte auf diese Art Romans größte Hoffnung. Jetzt sehnte er sich danach, dass sich auch die Wünsche seiner Familie erfüllen mochten.
Wenn es jemand verdient hatte, dann sie.
Irgendwann versank er wieder im schwedischen Ystad, wo Kurt Wallander den Mord an einem Kollegen untersuchte.

Als Katrin die Insel erreichte, fühlte sie sich wie ein Entdecker in einem unbekannten Land.
Wie James Cook, dachte sie. Seit sie in einem Buch über berühmte Abenteurer seine Geschichte gelesen hatte, wünschte sie sich, ebenfalls Seefahrerin zu sein und zu ungewissen Orten aufzubrechen. Auf ihrem Globus hatte sie sich auch schon interessante Stellen herausgesucht – jene blauen Bereiche fernab der Kontinente.
Heute wollte sie mit dieser Insel beginnen. Der vordere Teil war vom gegenüberliegenden Ufer aus gut einsehbar, da würde sie bestimmt nichts Neues entdecken. Der hintere Teil jedoch war durch Bäume geschützt, und auf der anderen Seeseite ragte statt eines Ufers ein grauer Fels in Richtung Himmel. Wenn es auf dieser Insel etwas zu entdecken gab, dann sicher in jenem Teil.
Mit vorsichtigen Schritten ging Katrin zwischen den Bäumen durch. Sie erkannte Eichen- und Ahornbäume. Der Boden war mit Laub und spitzen Ästen bedeckt, beim nächsten Mal sollte sie als ambitionierte Entdeckerin an ihre Sandalen denken.
Über sich hörte sie das Flattern und Zwitschern von Vögeln. Sie stellte sich vor, dass es solche wären, die nur auf dieser Insel lebten. Vielleicht hatte sich nie jemand die Mühe gemacht, das zu überprüfen.
Als Katrin die andere Seite erreichte, stand sie vor einer Gruppe von Büschen und Sträuchern. Etwas raschelte und knackte darin, und als sie sich neugierig vorbeugte, schlug ihr Herz schneller. In einem Nest aus Schilf und Zweigen befanden sich sechs Entenbabys inmitten von zerbrochenen Eierschalen. Sie fiepten leise und tapsten durch die Gegend, ohne sich voneinander zu trennen. Nur ein Ei war noch ganz.
„Wow“, flüsterte Katrin. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
Lange beobachtete sie das Schauspiel, hielt ihren Blick gebannt auf das siebte Ei. Ob sie sehen würde, wie das Küken schlüpfte?
Sie fragte sich, wo die Entenmama blieb.
Und ob sie ihre sechs Küken lieben könnte, wenn das Siebte nicht schlüpfte.

„Wie ist das Wasser?“
Sebastian blieb stehen. Natürlich war ihm das Mädchen auf dem Handtuch aufgefallen, aber er hätte nie gedacht, dass sie ihn ansprechen würde. Zur Sicherheit drehte er sich um, doch da war niemand mehr.
„Es ist – ziemlich kalt“, antwortete er, während es von seinem Körper und den Badeshorts tropfte – jenen mit den Hosenbeinen bis über die Knie.
„Das sehe ich, du zitterst ja.“
Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, nicht der Kälte wegen, sondern weil es eine gewohnte Geste war, wenn er mit bloßem Oberkörper einer Person gegenüberstand. „Das ist nur die Luft jetzt. Im Wasser ist es gar nicht so kalt, wenn man sich erst mal bewegt.“
„Das sagen sie alle, und am Ende hat jeder blaue Lippen, oder?“ Eine Sonnenbrille verbarg ihre Augen, und so konnte Sebastian nicht sehen, ob sie nun seine Lippen, seine Pickel oder den Himmel über ihm betrachtete. Er prüfte ihre Haut, wie er es bei jedem Menschen tat, und kam zu dem Schluss, dass sie eine von den Wohlgeformten war, und das nicht nur im Vergleich zu ihm.
Weil sich das Schweigen in die Länge zog, sagte er das erste, was ihm einfiel: „Kannst du mit der Brille überhaupt sehen, ob meine Lippen blau sind?“
Das Mädchen lachte, und Sebstian wurde etwas lockerer.
„Na ja, immerhin traust du dich ins Wasser. Da bist du einer der wenigen hier. Den meisten ist es zu kalt. Mein Dad geht auch immer ins Wasser und redet so Zeug von wegen das macht einen jünger und so. Ich bräuchte eher was, das mich älter macht. Jedes Jahr zwingt er mich in den Ferien hierher, weil er die gute Luft liebt und die Ruhe und so. Ich sag dir, nächstes Jahr schau ich, dass ich ans Meer komme. Da friert man sich im Wasser wenigstens nicht den Arsch ab.“
Sebastian wünschte sich eine schlagfertige Antwort, eine, die sie noch mal zum Lachen bringen würde, und sagte stattdessen: „Wir sind zum ersten Mal hier.“
„Na dann viel Spaß. Deine Eltern scheinen auch keine Wasserratten zu sein, hm?“
„Woher kennst du meine Eltern?“
„Na, ich nehme mal an, es sind die beiden da unter eurem Sonnenschirm. Mein Dad hat euch glaub zu einem Grillabend bei uns eingeladen. Erzähl mir jetzt nicht, das sind deine Geschwister.“
Trotz des kalten Wassers begann Sebastians Gesicht zu glühen. „Nein, Quatsch.“
Wieder lachte das Mädchen. „Ich sag dir mal was, selbst wenn das Wasser hier so warm wäre wie das Meer, ich würde nicht reingehen. Es ist irgendwie – keine Ahnung, so düster. Man sieht ein paar Meter runter, dann wird es stockdunkel. Als ob man über einen endlosen Abgrund gleitet. Ich hätte die ganze Zeit Angst, dass auf einmal was unter mir auftaucht und mich packt. Geht es dir nicht auch so?“
Sebastian schüttelte den Kopf. „Bis jetzt nicht.“
Bis jetzt. Du bist echt witzig. Ich wette, beim nächsten Mal wirst du sicher dran denken. Das hast du jetzt mir zu verdanken.“
Als Kind hatte Sebastian manchmal geträumt, dass Menschen in Seen verschwanden, allerdings niemals er selbst. In diesen Träumen war er mit seiner Familie und Freunden auf einem Fels gestanden, und sie waren alle ins Wasser gesprungen, einer nach dem anderen, doch keiner war jemals wieder aufgetaucht.
„Hey, tut mir leid, ich wollte dich nicht beunruhigen.“
Sebastian schüttelte den Kopf. „Nein, schon gut.“
„Na ja, bei aller Langeweile, wenn du zum ersten Mal hier bist, wette ich, du weißt nicht, dass dieser See ein Geheimnis hat.“
„Ach ja? Was denn für eins?“
„Wenn ich dir das sage, ist es ja kein Geheimnis mehr.“ Trotz der Sonnenbrille konnte er sehen, dass sie ihn musterte, und er wünschte sich, woanders zu sein. „Vielleicht zeige ich es dir irgendwann. Kann schon sein. Du scheinst ein netter Kerl zu sein, ein bisschen schüchtern zwar, aber nett. Ich bin übrigens Claudia.“
„Ich bin Sebastian.“
„Freut mich, Sebastian“, sagte sie und streckte ihre Hand nach ihm aus. Sebastian bückte sich und schüttelte sie. Sie war warm, und ihm kam der Gedanke, dass es heute Abend zum ersten Mal einen Grund geben könnte, warum er diesen Tag gerne gelebt hatte.

Zunächst genoss Roman den Grillabend.
Auch wenn sich sein erster Eindruck von Rüdiger festigte – nett, aber ein Tick zu kumpelhaft – mochte er dessen Gesellschaft. Anna sprang auf seinen offenherzigen Charakter an, redete viel und lächelte dabei. Auch Sebastian und Katrin amüsierten sich; im Falle von Sebastian lag das sicher an Claudias Anwesenheit. Sie war ein hübsches Mädchen; umso mehr fragte sich Roman, weshalb Sebastian trotz des warmen Wetters ein langärmeliges Shirt angezogen hatte und sein Gesicht hinter einer Baseballkappe versteckte.
„Noch ein Kaltes, Roman?“, fragte Rüdiger nach dem Essen. Sie saßen in Campingstühlen vor der Hütte und hatten Teelichter und eine Gaslampe angezündet.
„Danke, ich glaube, ich hab genug für heute“, sagte Roman, dem der Alkohol bereits zu Kopf stieg.
„Ach was, das soll doch nicht schlecht werden. Schließlich sind wir im Urlaub.“ Rüdiger warf ihm eine weitere Dose zu, die Roman gerade noch fangen konnte, bevor sie in seinem Schoß landete. „Prost, aufs Wohl“, sagte Rüdiger und schwenkte mit seiner Dose in Romans Richtung.
Eine Weile saßen sie schweigend beisammen, dann fiel Roman etwas ein: „Seit wie vielen Jahren kommt ihr jetzt schon hierher?“
Rüdiger überlegte. „Hm, bin nicht sicher. Seit der Scheidung eigentlich jedes Jahr. Vier oder fünf, würde ich sagen.“
„Viel zu oft jedenfalls“, murmelte Claudia, was Rüdiger ignorierte.
„Ich frage nur, wenn ihr so oft schon hier wart, dann wisst ihr bestimmt, was es mit dem Wappen von Susters auf sich hat. Katrin wollte wissen, ob das kleine Mädchen darauf eine Bedeutung hat.“ Roman lächelte seiner Tochter zu, deren Augen größer wurden.
„Ja, das weiß ich tatsächlich“, antwortete Rüdiger. „Man nennt es hier das Schlafende Mädchen in Weiß.“
„Was bedeutet das?“, fragte Katrin.
Flackerndes Feuer tauchte Rüdigers Gesicht in Licht und Schatten. „Ist seltsam, dass die Geschichte so unbekannt ist. Oft hört man Erzählungen über Menschen, die wie von Geisterhand verschwinden. Einzelschicksale, oft erklärbar, aber nicht immer. In den USA ist im sechzehnten Jahrhundert eine Siedlung verschwunden, und im Ersten Weltkrieg ist in der Türkei eine ganze Kompanie in eine Wolke gelaufen und nie wieder aufgetaucht. In Europa gibt es nur einen Fall, in dem ein ganzes Dorf verschwunden ist, und das hat sich vor zweihundert Jahren genau hier ereignet.“
„Ist das eine Gruselgeschichte?“, flüsterte Katrin.
Rüdiger lächelte. „Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, weil sie überliefert, also wahr ist. Damals befand sich eine Gruppe von Mönchen auf einer Pilgerreise in Richtung Italien, und als sie die Viamala – eine große Schlucht nicht weit von hier – überquert hatten, wurden sie von einem frühen Wintereinbruch überrascht. Sie suchten Schutz in einem Dorf, das sich etwa an der Stelle befunden hat, wo wir jetzt sitzen. Und als sie in das Dorf kamen, stellten sie fest, dass kein Mensch mehr da war. Die Häuser standen sperrangelweit offen, und sie waren alle leer. Auch von den Tieren fehlte jede Spur – nicht einmal ein Hund oder ein Vogel war zu sehen. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Erst als sie an den See kamen, fanden sie ein Mädchen – jünger als du –, das auf der Eisfläche lag. Es sah aus, als würde es schlafen, aber in Wirklichkeit war es erfroren.“
Katrin zog hörbar Luft ein, und Roman blickte zu Anna. Ihr Gesicht drückte eine Mischung aus Verwirrung und Neugier aus.
„Keiner aus dem Dorf ist jemals wieder aufgetaucht. Bis heute ist dieses Ereignis aus wissenschaftlicher Sicht nicht erklärbar. Natürlich gibt es eine Menge Legenden, schließlich befinden wir uns hier in einer erzkatholischen Gegend. Manche Leute glauben, das Dorf hat in Sünde gelebt, und Gott hat beschlossen, es zu zerstören. Wie Sodom und Gomorrha. Und weil nur das Mädchen gottesfürchtig gelebt hat, hat Er es auf den See geschickt, um es zu verschonen. Und als das Mädchen von dort aus gesehen hat, wie Gott jedes einzelne Lebewesen vernichtete, hat es beschlossen, den See nicht mehr zu verlassen.“
Einen Augenblick schwieg Rüdiger, dann fuhr er fort: „Sie nennen es das Schlafende Mädchen in Weiß. Es ziert das Wappen von Susters, ist außerdem ein beliebtes Motiv für Bilder. In Wirklichkeit ist das Mädchen auf allen Bildern tot, nur klingt das tote Mädchen in Weiß nicht so idyllisch, oder?“
Niemand antwortete. „Es wird immer als absolut rein dargestellt, frei von jeder Sünde, und wunderschön, wie der See. Er war lange Zeit ein beliebtes Zwischenziel auf Pilgerreisen. Schließlich war man der Meinung, Gott selbst hat ihn ausgesucht, um das Gute zu schützen. Manche denken das auch heute noch.“
Eine Weile sprach keiner ein Wort, und bis auf die Grillen war nichts zu hören.
„Ist das echt passiert?“, fragte Katrin irgendwann.
„Natürlich nicht“, antwortete Roman. „Das ist nur eine Geschichte, wie die vom Rattenfänger.“
„Würde ich so nicht sagen“, sagte Rüdiger, der offenbar nicht verstand. „Der Teil mit Gott ist natürlich Blödsinn, aber beim Rest sind die Überlieferungen ziemlich klar. Das Grab des Mädchens ist nicht weit von hier. Und das Ganze ist vergleichsweise jung, da kann man sich eher drauf verlassen wie bei älteren Quellen.“
„Aber wo sind die Leute alle hin verschwunden?“, bohrte Katrin nach.
Rüdiger zuckte mit den Schultern. „Das weiß man nicht. Wie gesagt, die Wissenschaft hat keine Erklärung dafür.“
„Wohin wohl?“, fragte Sebastian. „In den See natürlich. Wo sollten sie sonst alle hin?“
„Alle in den See?“
„Kann ich mir nicht vorstellen“, sagte Claudia. „Schließlich war er zugefroren. Außerdem hätte er im nächsten Frühjahr voller Leichen sein müssen.“
„Und was ist mit den Tieren passiert?“ Das Thema beschäftigte Katrin.
„Vermutlich haben die Menschen sie alle gegessen, bevor sie verschwunden sind. Und vielleicht ist dann was gekommen, das die Menschen gefressen hat.“
In dem Augenblick, als Roman seinen Sohn zurechtweisen wollte, hörte er Annas Schluchzen. Sämtliche Augenpaare richteten sich auf sie. Katrin stieß einen erschrockenen Laut aus.
„Anna, ist alles in Ordnung?“
Sie fuhr sich mit einem Taschentuch über das Gesicht, schnäuzte. „Schon gut“, sagte sie, schüttelte den Kopf und stand auf. „Ich bin nur – es tut mir leid – ich bin –“
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und rannte zu ihrer Hütte zurück.
„Scheiße“, fluchte Roman und hechtete hinter ihr her. Am liebsten hätte er Rüdiger seine Dose ins Gesicht geworfen, dafür, dass er mit seinem Gerede über das tote Mädchen eine Wunde aufgerissen hatte, die noch nicht verheilt war.

Im letzten Licht der Abenddämmerung erreichte Sebastian den See. Das Wasser war schwarz.
Sebastian zitterte.
Claudia lief hinter ihm her. „Hey, jetzt warte halt.“
Er blieb stehen, trotz seines Entsetzens froh darüber, dass sie ihm gefolgt war.
„Was war das grad?“, fragte sie. „Ist alles klar mit dir?“
„Nein, nichts ist klar. Siehst du das nicht?“
„Hey, tut mir leid, mein Dad erzählt ständig solchen Stuss. Deine Mum sollte das nicht so ernst nehmen, nichts davon ist wahr. Das weißt du, oder?“
Sebastian antwortete nicht, sondern setzte sich auf einen Stein und verbarg das Gesicht in seinen Händen.
„Ich weiß, es ist scheiße, wenn die Eltern austicken. Wenigstens seid ihr noch eine heile Familie, im Gegensatz zu uns.“
„Meine Familie ist nicht heil“, murmelte Sebastian in seine Hände.
„Was?“
Er richtete sich auf. „Ich hab gesagt, meine Familie ist nicht heil. Das sieht oberflächlich vielleicht so aus, aber so ist es nicht.“
Claudia zögerte. Zum ersten Mal schien sie nicht zu wissen, was sie sagen sollte. „Was ist denn mit deiner Familie?“
Sebastian konnte ihr Gesicht in der Dunkelheit nicht mehr erkennen und war dankbar dafür. Vielleicht konnte er sich nur einem Schatten öffnen. „Meine Mutter hat vor einem Jahr noch ein Kind bekommen. Es war ein Junge, Patrick. Mein Vater war nicht bei der Geburt dabei, weil er eine Lungenentzündung hatte. Patrick ist gleich nach der Geburt gestorben.“
Das Seewasser plätscherte leise gegen den Kieselstrand.
„Meine Mutter hatte ihn schon auf ihrem Arm. Er hat geatmet, und sie hat ihn zum ersten Mal gestillt. Dann hat er plötzlich aufgehört zu saugen, und meine Mutter dachte, er ist satt. Erst nach zwei oder drei Minuten hat sie an sich runtergeschaut. Da war sein Gesicht schon blau.“
Auffrischender Wind ließ die Blätter des Waldes rascheln.
„Das ist das Schrecklichste, was einer Frau passieren kann. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn das eigene Kind an der eigenen Brust stirbt. Davon hat sie sich nicht erholt, und das wird sie auch nie. Die Ärzte konnten das nicht erklären, deshalb sagt meine Mutter immer, Patrick hat sich diese Scheißwelt zehn Minuten angesehen und dann beschlossen, dass er darin nicht leben möchte.“
Stille. „Das ist das Traurigste, was ich jemals gehört habe“, flüsterte Claudia.
Für Sebastian war es das Ehrlichste, was er jemals gehört hatte, aber vielleicht war das auch dasselbe.
„Meine Eltern wollten drei Kinder. Meine Mutter hat so einen Anhänger, sieht aus wie ein vierblättriges Kleeblatt. Da ist Platz für vier kleine Fotos, und vor Patricks Geburt hatte sie ein Bild von meinem Vater, eins von mir und eins von Katrin. Ein Platz war noch frei, und seit Patricks Geburt hat sie vier Bilder von ihm drin, aber auf allen ist er schon tot, weil er nicht mal für ein Foto lang genug gelebt hat. Sie trägt seit einem Jahr vier Bilder von ihrem toten Sohn durch die Gegend, und das macht sie fertig. Das macht uns alle fertig, vor allem Katrin.“ Sebastians Stimme brach.
„Sie ist öfter traurig, als es ein Mädchen in ihrem Alter sein sollte. Nicht, weil sie vor einem Jahr ihren Bruder verloren hat, sondern ihre Mutter.“
Eine Weile schwiegen sie gemeinsam, dann nahm Claudia seine Hand.
„Weißt du was?“, fragte Claudia irgendwann, und ohne dass Sebstian antwortete, fuhr sie fort: „Ich hab dir doch erzählt, dass dieser See ein Geheimnis hat. Ich möchte es dir zeigen, aber das geht nur am frühen Morgen. Komm morgen früh um sechs genau hierher, dann zeig ich es dir.“
Sebastian nickte nur.
Er blickte auf den See hinaus, der sich als schwarzes Loch von der Umgebung abhob, dunkler als die Nacht.

Lange nachdem Katrins Tränen getrocknet waren, fasste sie einen Entschluss.
Auch wenn die Geräusche aus dem Zimmer ihrer Eltern – das Weinen ihrer Mutter, die ruhigen Worte ihres Vaters – verstummt waren, verstand Katrin, dass dieser Abend lange nachklingen würde. Die Traurigkeit, die Patrick in den wenigen Minuten seines Lebens über ihre Familie gebracht hatte, würden sie und Sebastian niemals ausgleichen können, nicht in hundert Jahren. Neulich hatte sie ein Wort für einen solchen Zustand kennengelernt: Irreparabel. Ihre Familie war irreparabel geschädigt.
In ihrem Kalender stand, dass um halb sechs die Sonne aufgehen würde, also stellte sie ihren Wecker auf diese Zeit.
Sie dachte an die sechs Küken auf der Insel. Als sie aufbrechen musste, war das siebte Ei noch verschlossen gewesen, und jetzt wollte sie mehr denn je wissen, ob diese Familie vollständig war. Um das herauszufinden, würde sie ein weiteres Mal mit ihrem Schlauchboot über den See fahren und nachschauen.

Sie steht vor dem Grab ihres Sohnes und weiß, sie träumt.
Regen prasselt nieder, und als sie das Kleeblatt in ihrer Hand sieht, wird ihr klar, dass dieser Traum eine Erinnerung ist.
Du musst ihn loslassen, sagt Roman und meint nicht den Anhänger, sondern ihren Sohn. Du musst wieder zu uns kommen.
Wenn Sie die Kraft haben, legen Sie den Anhänger in sein Grab, sagt Pfarrer Siebert. Als nächsten Schritt der Trauerbewältigung.
Sie versucht es, steht mit dem Kleeblatt in ihren zitternden Händen in kaltem Novemberregen vor dem Grab und fühlt sich entblößt, ihrer Seele beraubt. Und weil dieser Traum eine Erinnerung ist, weiß sie, dass ihr die Kraft fehlen und sie den Anhänger wieder anlegen wird.
Sie beschwört das Bild von Patrick herauf, möchte jede Sekunde mit ihm genießen, selbst die flüchtigen in einem Traum. Regen weicht die Erde des Grabes so sehr auf, dass es sich in einen See verwandelt, und als das Wasser klar wird, sieht sie Patrick auf dem Grund.
Er schaut zu ihr auf, und bei seinem Anblick findet sie doch die Kraft und lässt das Kleeblatt los.
Ihr Sohn lächelt, während es auf ihn zuschwebt.

Als Anna erwachte, war es draußen noch dunkel.
Der Traum stand ihr so deutlich vor Augen, dass sie einen Moment dachte, ihre Hände müssten feucht sein. Jener Nachmittag, als sie vergeblich versucht hatte, den Anhänger zu Patrick zu legen, lag über sieben Monate zurück.
Wie im echten Leben hatte Patrick auch in ihren Träumen niemals gelächelt. Bis auf heute.
Sie spürte jetzt mehr Kraft als damals.
Gott selbst hat den See ausgesucht, um das Gute zu schützen.
Eine Idee keimte in ihr auf.
Manche denken das auch heute noch.
Statt in dunkler Erde könnte sie das Kleeblatt auch in einem See versenken und Patrick so an dessen Schönheit teilhaben lassen, einer Schönheit, die ihm bislang vorenthalten blieb.
Anna stand auf und zog sich leise an, um Roman nicht zu wecken.
Als sie die Hütte verließ, zwitscherten die ersten Vögel.
Es war zwanzig nach fünf.

Katrin erwachte von einem Geräusch und erschrak, weil sie der Meinung war, verschlafen zu haben. Als sie auf ihren Wecker blickte, sah sie, dass es kurz vor halb sechs war.
Gleich würde sie aufstehen, das Schlauchboot von der Terrasse holen und zum See gehen.

Als Anna den See erreichte, fielen die ersten Sonnenstrahlen auf seine Oberfläche. Ihr Gesicht wirkte im Wasser blass, und sie musste an das Mädchen in Weiß denken.
Anna war ein paarmal schwimmen gewesen und wusste, der Grund des Sees fiel vom Ufer sanft ab. Es machte keinen Sinn, das Kleeblatt hier zu versenken, man würde es allzu leicht finden.
Sie zog ihre Kleider aus und stieg nur mit BH und Slip bekleidet ins Wasser. Es war so ruhig, dass es den Eindruck machte, noch nie von einem Menschen betreten worden zu sein.
Und es war viel wärmer, als sie erwartet hatte.

Sebastian hörte, wie sich die Tür zu Katrins Zimmer öffnete und seine Schwester über den Flur schlich. Vermutlich war sie auf dem Weg zur Toilette.
Es war ein paar Minuten nach halb sechs, aber er war bereits wach. Noch zwanzig Minuten würde er warten und sich dann aus der Hütte schleichen.
Was wohl Claudias Geheimnis war?
Beim Gedanken an sie lächelte er und fragte sich, welche Überraschungen dieser Tag für ihn bereithalten würde.

Irgendwo zwischen dem Ufer und der Insel, lange nachdem Anna den Boden nicht mehr spürte, tauchte sie unter und betrachtete die verschwommene Welt aus Grün und Schwarz. Den Grund konnte sie nicht mehr sehen.
Als sie ihren Kopf aus dem Wasser hob und nach Luft schnappte, umschloss Kälte ihren Körper. Anscheinend war das Wasser nur in Ufernähe warm.
Sie schwamm auf der Stelle, und weil ihre Arme schwer wurden, beschloss sie, dass es tief genug war.
Bist du sicher? Wie weit konntest du runter sehen, bis es dunkel wurde? Einen Meter? Zwei? Was, wenn dann gleich der Grund kommt?
Auf keinen Fall wollte sie, dass der Anhänger irgendwann gefunden oder von der Strömung ans Ufer getrieben wurde. Wenn sie nicht auf Nummer sicher ging, würde sie der Gedanke ewig quälen.
Wenn du den Boden erreichst, ist es noch zu flach. Mehr kannst du nicht tun.
Sie atmete tief ein, tauchte unter und schwamm in Richtung der Dunkelheit, die den Grund des Sees verbarg. Ihr Herz pochte, und als die Finsternis sie umgab, ließ das immer kältere Wasser ihre Haut kribbeln. Obwohl sie nichts mehr sehen konnte, ruderte sie unablässig mit den Armen und brachte so ihren Körper weiter in die Tiefe.
Als die eingeatmete Luft in ihren Lungen brannte und die Finger an ihren ausgestreckten Armen den Morast des Seebodens noch nicht fühlten, wusste sie, dass es reichte. Sie drehte ihren Körper, schlug mit den Beinen und paddelte mit den Armen, um wieder an die Oberfläche zu kommen.
Die Dunkelheit des Sees verschwand nicht.
Gleich wird es heller, gleich bist du oben.
Wie tief war sie getaucht?
Plötzlich spürte sie etwas an ihrer Stirn, etwas baumelte da, und als ihr bewusst wurde, dass es ihr Kleeblatt war, breitete sich Panik in ihr aus.
Ihr Kopf zeigte immer noch nach unten.
Erneut drehte sie ihren Körper, ohne zu wissen, in welche Richtung. Sie bewegte ruckartig ihre Arme und Beine; das Wasser wurde kälter, und sie spürte weiterhin den Anhänger in ihrem Gesicht.
Der Atemdrang jagte Schmerzen durch ihren Brustkorb, ihre Kehle zog sich zusammen. Sie biss auf ihre Zunge, und ihr Mund füllte sich mit Blut.
Die Kette des Anhängers legte sich enger um ihren Hals.
Als sie ihrem Atemreflex nicht länger widerstehen konnte und Seewasser ihre Luftröhre und Lunge flutete, wollte sie schreien, doch heraus kam nur ein Würgen.
Es fühlte sich an, als würde sie sich übergeben.

Der See wirkte ruhiger als sonst.
Katrin konnte sich kaum vorstellen, dass er Leben enthielt, weder das von Fischen noch von Enten. Vorsichtig setzte sie ihr Schlauchboot auf das Wasser und fuhr in Richtung der Insel. Sie vermutete, dass die Chance, auf die Enten zu treffen, am frühen Morgen am größten war.
Bis auf die Paddel, die in das Wasser tauchten, war nichts zu hören. Mehr denn je kam sie sich jetzt wie eine Abenteurerin vor.
Da sie mit dem Rücken zur Insel saß, drehte sie sich immer wieder um, um den Kurs zu halten. Sie hatte die Insel beinahe erreicht, als Luftblasen aus der Tiefe auftauchten und an der Oberfläche zerplatzten.
Katrin zuckte zurück.
War das ein Fisch?
Sie zog ihre Paddel ein und blickte in den See. Nichts.
Mit ruhigen Bewegungen ruderte sie weiter, als plötzlich etwas an der Unterseite des Bootes entlangstrich. Sie hörte das Kratzen, spürte einen Körper durch das dünne Plastik. Sie schrie auf und brachte ihr Boot ins Wanken. Das war fast wie in Der weiße Hai, nur dass es in diesem See natürlich keine Haie –
Etwas stieß von unten gegen das Boot und kippte es um. Katrin landete kopfüber im See, das kalte Wasser raubte ihr den Atem.
Sofort tauchte sie auf und klammerte sich an das Boot, das umgedreht neben ihr trieb. Ihre vollgesogene Kleidung zog sie hinunter. Sie hustete. Als sie nach unten blickte, sah sie nur endlose Leere.
Sie beschloss, nicht mehr auf die Insel zu fahren. Irgendwas war hier im See, vermutlich ein Riesenfisch, und sie würde jetzt einfach das Boot drehen und zurück zum Ufer –
Etwas berührte ihr Bein, und erneut schrie sie auf.
Als Katrin dieses Mal nach unten sah, wich sämtliche Kraft aus ihrem Körper. Es fühlte sich an, als hätte eine eiskalte Hand ihr Herz umschlossen und zugedrückt. Etwa zwei Meter unter ihr trieb eine Gestalt im Wasser.
Katrin brüllte, und während sie hektisch versuchte, auf die Unterseite des Bootes zu klettern, hörte sie das Echo ihrer eigenen Schreie. Das nasse Plastik war glitschig, ihre Hände rutschten ab.
Als sie wieder nach unten schaute, bemerkte sie, wie der Körper langsam auftauchte.
Das konnte nicht sein, das konnte einfach nicht passieren.
Ein letztes Mal versuchte sie, auf das rettende Boot zu gelangen, dann packte die Gestalt Katrins Fuß und zog sie nach unten, ganz nah zu sich. Im Wasser erkannte Katrin ein Gesicht, bleich, verschwommen, aber so vertraut.
Während sie schrie, wurde sie von ihrer Mutter umarmt.
Dann versanken sie gemeinsam in der Tiefe.

Sebastian erreichte den See um kurz vor sechs. Auf keinen Fall hatte er sich verspäten wollen. Er setzte sich auf den Stein, auf dem er vor etwa acht Stunden zum ersten Mal über seinen Bruder gesprochen hatte.
Die Sonne glitzerte auf der Wasseroberfläche, und wieder fragte er sich, was für ein Geheimnis Claudia mit ihm teilen wollte. Ob sie ein weiteres Mal seine Hand nehmen würde? In der Ferne sah Sebastian die Insel, und – er runzelte die Stirn.
Er stand auf, kniff die Augen zusammen und blickte auf den See.
Etwas trieb nicht weit vor der Insel im Wasser. Es war rosa, und Sebastian fragte sich, ob es Katrins Schlauchboot sein konnte.
Nein.
Oder doch?
Es sah jedenfalls so aus.
Heute morgen hatte er noch gehört, wie sie auf die Toilette gegangen war. War sie auch wieder von dort zurückgekommen? Was, wenn sie nicht auf die Toilette, sondern –
Aber das war absurd.
Der rosafarbene Gegenstand schaukelte im Wasser. Wenn es Katrins Schlauchboot war, dann trieb es verkehrt herum im See.
Sie hielt sich gern auf der Insel auf. In den letzten Tagen war sie oft dort herumgefahren.
Sebastian legte die Hände um seinen Mund und rief ihren Namen.
Bis auf das Echo hörte er nichts.
Seine Eingeweide zogen sich zusammen.
Katrin konnte zwar schwimmen, aber dann müsste er sie sehen. Oder sie müsste auf seine Rufe antworten.
„Scheiße“, murmelte er und drehte sich um. Natürlich war er allein. Er hatte keine Zeit, jemanden zu holen, sondern musste selbst etwas unternehmen. Er schlüpfte aus seinen Schuhen und dem Shirt und rannte ins Wasser. „Katrin“, schrie er, doch sie war nirgends zu sehen.
Gott, bitte, lass es nicht ihr Boot sein.
Als er weit genug im Wasser war, sprang er kopfüber hinein und kraulte in Richtung des rosafarbenen Gegenstands. Noch nie zuvor war er so schnell geschwommen.
Wenn es ihr Boot ist, was dann? Soll ich nach ihr tauchen?
Mehrmals rief er ihren Namen, hustete und schwamm.
In dem Augenblick, als er nahe genug dran war, um ihr Boot zu erkennen – und ja, es trieb falsch herum – spürte er einen stechenden Schmerz an seinem rechten Arm. Zunächst ignorierte er ihn, doch als der Arm beim nächsten Zug an einer anderen Stelle brannte, schaute er hin.
Was ist das?
Tiefe Schnitte zogen sich über seinen rechten Unterarm. Blut sickerte aus den Wunden und mischte sich mit dem Wasser.
Sebastian stoppte, immer noch einige Meter von dem Boot entfernt.
Er fuhr mit der linken Hand durchs Wasser, um die Wunden zu betasten. Wie Rasierklingen zerschnitt etwas seine Hand, und er zog sie schreiend nach oben. Graue Schleier legten sich über sein Bewusstsein, als er die Hand betrachtete. Sämtliche Finger waren abgetrennt, aus den Stümpfen quoll dunkelrotes Blut.
„Scheiße, scheiße, scheiße“, schrie er. Zwei seiner Finger trieben vor ihm auf dem Wasser.
Weitere Schmerzen rasten durch seine langsam paddelnden Beine, und als sich das Wasser um ihn herum rot verfärbte, fasste er reflexartig mit seiner rechten Hand nach unten. Noch während er durchs Wasser fuhr, spürte er, wie die Haut seines Armes an mehreren Stellen durchschnitten wurde.
Er heulte und hörte auf, seine Beine zu bewegen.
Das Wasser hatte sich in Klingen verwandelt. Jeder Teil seines Körpers, der sich im Wasser bewegte, wurde zerschnitten.
Sofort ging er unter, und als er mit den Beinen strampelte, um wieder nach oben zu kommen, wurden seine Zehen abgetrennt. Beim Auftauchen hing ihm ein Hautlappen von der Stirn und bedeckte eines seiner Augen. Überall löste sich Haut von seinem Körper.
Zum Boot, du musst zum Boot.
Doch die Schnitte waren zu tief, und Sebastian stellte jede Bewegung ein. Wenn er weiter schwamm, würde das Wasser seine Arme und Beine abschneiden.
Er ging unter.
Nicht ertrinken, bitte nicht ertrinken.
Seine Schreie bildeten Blasen, die durch das blutgeschwängerte Wasser an die Oberfläche trieben, und als er seinen Kopf ruckartig zur Seite warf, zerschnitt der See seine Kehle.

***​

Es war eines jener Verbrechen, über die Peter nicht sprechen konnte.
Man hatte sie während ihrer Ausbildung auf solche Fälle vorzubereiten versucht, aber diese Bilder gehörten zum Grausigsten, was er in seinen acht Jahren bei der Kantonspolizei Graubünden gesehen hatte. Nichts und niemand hätte ihn darauf vorbereiten können.
Um etwa acht Uhr waren sie an den See gerufen worden, und Seraina von der Einsatzzentrale hatte ihnen gesagt, was sie erwartete. Noch bevor das Ufer in Sichtweite war, hatten Peters Beine gezittert.
„An was denkst du?“, fragte Nicole. Sie lag neben ihm und war ebenfalls noch wach.
Peter antwortete nicht.
„Denk nicht daran. Versuch an was Schönes zu denken. Denk an Julia.“
Er fuhr über ihren gewölbten Bauch, versuchte an seine Tochter zu denken,
Der Mann stand hüfthoch im See, und um ihn herum trieben
die Spielzeuge, die sie bereits gekauft hatten und
die Leichen seiner Familie, sein Gesicht war voller Rotz und Tränen und
die Pläne, die sie schmiedeten, und immer wieder
brüllte er, brüllte ohne Unterlass, aber es war kein Wort zu verstehen, und so
kehrten seine Gedanken an den See zurück.
holten sie ihn aus dem Wasser.
Warum? Das war heute die Schlagzeile im Blick gewesen. Vielleicht, weil die Familie im letzten Jahr ein Kind verloren hatte. Auch wenn der Mann bis jetzt nicht in der Lage gewesen war, eine Aussage zu machen, war es offensichtlich, dass er über diesen Verlust nie hinweggekommen war.
„Ich verstehe nicht, wie jemand so etwas tun kann“, sagte Peter in die Dunkelheit. Die Frau und das Mädchen waren ertränkt worden, der Junge hingegen war –
Peter würgte.
Bislang hatten sie wenig Informationen über die Familie. Es gab die Aussage eines anderen Touristen, nach der sich sowohl der Mann als auch dessen Frau am Abend zuvor seltsam verhalten hatten. „Mit denen stimmte was nicht, das hab ich gleich gemerkt“, waren seine Worte gewesen. Die Tochter dieses Touristen war offenbar am frühen Morgen mit dem getöteten Jungen am See verabredet gewesen, doch er war nicht aufgetaucht.
„Weißt du, was komisch ist?“, fragte er.
„Nein.“
„Ich habe mit einem Mädchen gesprochen, das dem Jungen, der getötet wurde, den Sonnenaufgang am See zeigen wollte. Sie hat gesagt, wenn die ersten Sonnenstrahlen aufs Wasser treffen und es zum Glitzern bringen, sieht es aus, als wäre der See lebendig.“
Seine Frau schwieg.
„Der See ist wunderschön“, sagte Peter. „Trotz allem was dort geschehen ist. Wir sollten da mal hingehen. Ich hoffe, ich kann dort eines Tages mit Julia schwimmen.“
Irgendwann überkam ihn die Müdigkeit, und als er kurz vor dem Einschlafen war, hörte er bereits ein Geräusch aus seinem Traum. Es musste von dort kommen, denn es klang, als würde Wasser gegen sein Bett branden.

 
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Hi,

Das Mädchen sieht zum Schrank an der gegenüberliegenden Wand, seine Tür ist angelehnt. Es könnte von seinem Bett aus den Arm strecken und die Tür schließen, doch es will möglichst viel seines Körpers unter der Decke behalten.
Also ich bin kein Freund von Mädchen+Es. Der Duden erlaubt einem auch, da möglicht schnell zu „sie“ zu wechseln. Du machst es hier ja sehr ausführlich mit vielen „seinen“ und „es“ und „Ihm“.
Es gibt an einer Stelle dadurch auch ein Problem, nämlich hier.
„seine Tür“ – da weiß man nicht, ob es die Tür des Schranks ist oder die des Mädchens.
Es kann sein, dass ich jetzt auf den Teil auch einen Fokus habe und mir das sofort auffällt, weil ich mich damit beschäftigt habe und ein anderer Leser würde das komplett übersehen, aber am Einstieg eines Satzes wird hier so eine „Schwachstelle“ der deutschen Sprache in Szene gesetzt, ich denke, wie man es da macht, hat man irgendwen gegen sich.
Also mich stört das hier massiv.
Wenn du es mit „sie“ machen würdest im 3. Satz spätestens, würde es vielleicht jemand anderen stören.

Würde es in einem Traum seine spröden Lippen fühlen, die Schmerzen beim Schlucken?
Also … wirklich, mich stört das. „Seine Lippen fühlen“ – da denkt man doch an einen Mann. Sie würde seine Lippen fühlen. Also … ist dir das beim Schreiben nicht komisch vorgekommen?
Bin ich der einzige, der das ganz seltsam findet?
„kleine Eiskristalle“ – da kann das „Kleine“ wirklich raus.

. Max würde die Tür nur angelehnt lassen, wenn er selbst im Zimmer bliebe – oder es in großer Eile verlassen müsste.
Schwierig.
So wie es da steht geht es nicht. Oder es ist auf jeden Fall so schwierig, dass der Leser innehalten und darüber nachdenken wird, ob das so korrekt ist.
Vorschlag: Max hätte die Tür nur angelehnt gelassen, wenn er selbst im Zimmer geblieben wäre – oder es in (großer) Eile hätte verlassen müssen.

Fröstelnd steht es auf,
Wie soll das gehen? Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, das sind ironisch verwendete Stilmittel. Aufstehen hat nichts mit Frösteln zu tun, das sind zwei Gedanken, die du durch die Konstruktion mit dem Ding hier in einen Halbsatz quetscht. Was ist das? Ein Partizip, das adverbial verwendet wird?

und betritt einen kurzen Gang, der in die große Stube mit angrenzender Küche führt.
Ich brauche nicht so viele Adjektive.
„Kurzer Gang“ – Flur
Stube – Wohnstube
Angrenzender Küche – Einbauküche? Ist das wichtig für den Satz? Ist die Küche im Nebenzimmer? Ist sie in der Stube selbst? Dann ist „angrenzend“ seltsam.

Eine dünne Schneeschicht bedeckt die Scheune und den angrenzenden Stall.
2*“angrenzend“, stärkeres Adjektiv für „dünn“?

Als es ein weiteres Mal mit dünner Stimme nach der Mami ruft, schweigt selbst der Berg.
Nicht diese Standard-Adjektiv: „Dünn“, „Groß“, „Klein“, "kurz"
Ich hab die einfach maleingegeben in die „Suche“. Was schätzt du selbst?
3*dünn, 7mal „groß“, 15mal „klein“, 15mal „kurz“

Es überkommt das Gefühl, länger als eine Nacht geschlafen zu haben – was ist in dieser Zeit geschehen?
Mir kommt das so vor, als hättest du erst „sie“ gehabt und hast es dann erbarmungslos und mechanisch in „Es“ geändert, das ist doch schlimm. Also hier z.B. Es gibt die stehende Wendung "Es überkommt „Ihn/Sie“ ein Gefühl des/der ..."
Und du kommst hier in Teufelsküche mit dem sächlichen Mädchen als Subjekt in so vielen Sätzen - das sind ganz komische Rhythmen und Assoziationen.

Die Einsicht, dass nicht nur seine Familie, das Vieh und alle anderen verschwunden sind, sondern mit ihnen auch Erinnerungen an sie, schwächt es zusätzlich.
Auf was bzeeiht sich das „es“? Auf das Mädchen? Auf etwas Ungeanntes?

Am Abend ihrer Ankunft begleitete Anna Roman auf seinen Spaziergang.
auf einem Spaziergang.

Katrin überlegte, wann ihre Mama sie das letzte Mal im Arm gehalten hatte, aber es musste zu lange her sein, denn sie schlief ein, bevor sie sich erinnern konnte.
Viel zu viele Pronomen.
Im ganzen Text, dadurch kriegst du Probleme mit Bezügen und als Leser denkt man: Wer spricht denn da. „Ihre, sie, es, sie, sie“ – das sind 5 Pronomen in so einem winzigen Satz, der ja nur einen Gedanken hat.
Gib doch mal „sie“ ins Suchfenster ein in deinem Browser hier. Oder „Es“.
Das ist der Hammer.
Grad wenn man eine figur neu einführt: Öfter den Namen nennen. Nicht exzessiv, aber auch nicht 3 Pronomen hintereinander. Das 3. Pronomen oder wenn es unklar sein könnte, für was das Pronomen steht, durch den Namen ersetzen. Oder so als grobe Richtlinie.
Bei Dan Brown, der ja wirklich super-straight und mainstream ist, ist das auch irgendwie so geregelt. Da mal drauf achten. Das sind Probleme, die grade Spannungsautoren natürlich haben. Pronomen vs. Namensnennung. Wie macht man das? Wie geht das? Das muss man mal für sich angehen die Problematik, die wird man bei jedem Spannungstext haben. Man braucht Speed, man will sich nicht wiederholen, man will aber auch auf keinen Fall, dass der Leser nicht weiß, wer "Er" ist. Grade weil bei Spannungstexten die Leser oft auch nicht so intensiv lesen.

Es waren keine, die man einfach ausdrücken konnte und deren Eiter mit einem lauten Platzen gegen den Spiegel spritzten;
Irgendwie ist in dem Text grammatikalisch der Wurm drin. „spritzte“ – Eiter ist Singular.
„laut“ – anderes Wort
Ich find das, was du beschreibst, hat ja durchaus was, aber der Text wirkt unpoliert.

„Sebastian ist sechzehn, und Katrin – das Mädchen in dem Schlauchboot – ist zwölf.“
„das Mädchen in dem Schlauchboot“ klingt unnatürlich so, gestellt

„Bis jetzt. Du bist echt witzig. Ich wette, beim nächsten Mal wirst du sicher dran denken. Das hast du jetzt mir zu verdanken.“
Ich bin kein Fan von dem Satz. Klingt auch gestellt. Die Figuren reden arg für den Leser. „bis jetzt. Du bist echt witzig“ – würde doch reichen, oder?

Was ich dir sofort verrate, ist mein Name. Claudia.“
Die sprechen ja wie in Druckbuchstaben. Das ist ein 15jähriges Mädchen, das sich mit einem 15jährigen Jungen unterhält, nicht auf einem Empfang in einem britischen Adelshaus, sondern auf einem See.
Also … das ist natürlich immer sehr subjektiv, aber …

Aber nur in einem Fall ist ein ganzes Dorf verschwunden, und das hat sich vor zweihundert Jahren genau hier ereignet.“
Nee … Roanoke ist 2mal verschwunden, sogar. Kann man mal googeln, ist eine hübsche Geschichte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Roanoke_(Kolonie)
Dient auch immer wieder als Inspiration. „Croaton“ und so.

„Hey, tut mir leid, mein Dad erzählt ständig solchen Stuss. Deine Mum sollte das nicht so ernst nehmen, nichts davon ist wahr. Das weißt du, oder?“
Also irgendwie ist das so ein urbaner Mythos, dass man Jugendliche darstellt als Jugendliche, indem man sie „Mum“ und „Dad“ statt „Mama“ und „Papa“ sagen lässt.
Also … wenn das Jugendliche machen, dann machen sie auch tausend andere Sachen, und grade „Mum“ und „Dad“ dann vielleicht nicht.

„Ich weiß, es ist scheiße, wenn die Eltern austicken. Mir musst du da nichts erzählen, bis zur Scheidung hab ich das selbst jahrelang mitgemacht. Wenigstens seid ihr noch eine heile Familie. Meine Eltern sind getrennt, und ich verbring jeden Sommer zwei Wochen von meinen Ferien in diesem Langweilerkaff, weil meinem Dad diese Zeit zusteht und ich ihn nicht enttäuschen will. Ich erfülle ständig seine Erwartungen, das ist mal richtig scheiße.“
Zu sehr zum Leser gesprochen.

Da nicht die Gefahr bestand, noch mal einzuschlafen, schaltete sie ihn aus und legte sich zurück.
Ist das wichtig? Und warum besteht keine Gefahr noch mal einzuschlafen? Also der Satz wirft mehr Fragen auf als er beantwortet (zumal ich gar nicht die Frage gestellt hätte: Warum macht sie den Wecker aus?)

Gleich, sobald es hell wurde.
Das ist ja Grammatik für Fortgeschrittene.
Gleich, sobald es hell werden würde.
Das sind genau die Fälle, die man vermeiden möchte. In einer Geschichte, die im Präteritum geschrieben ist, in eine Situation kommen, die ein Futur erfordern würde (Nachzeitigkeit oder wie nennt man das: Nicht den Leser über Grammatik nachdenken lassen. Solche Situationen vermeiden. Gibt einen Satz, ich glaub von Kästner oder so, dass man dem besten Deutsch nicht ansieht, welche Klippen es umschifft hat.
Dass der Leser nicht sieht: Aha, der hat hier ein „welches“ genommen, weil er vorne schon ein „die“ hatte.
Oder: Oh, hier hat er Konjunktiv II, weil so und so.
Also in diese Versuchung, sowas zu denken, sollte ein Leser nicht kommen.
Das ist auch Stilistik. Und nicht nur, was viele meinen, Partizipien zu verwenden oder Schachtelsätze.

Wenn das Boot verkehrt herum im Wasser schwamm, stimmte etwas nicht.
Ich merke, wie ich anfange, gemein zu dem Text zu werden, aber: Alter!
Wenn das Boot verkehrt herum im Wasser schwimmt, stimmt etwas nicht.
No Shit Sherlock. :)
Also ich bin kein Fan von dem Text, ich seh mindestens 3 große Problemfelder auf einer formalen Ebene, da kann ich mich immer nur schwer auf einen Inhalt konzentrieren.
Inhaltlich nur: es scheinen mir zu viele Figuren zu sein, die nicht viel Raum kriegen. Du hast so 6 Figuren und Platz nur für 3. Das ist immer schwierig.

Mädchen + ES
Personalpronomen
Gestellte Dialoge

Ich denke das reicht.
Vielleicht geht’s ja nur mir so mit der Geschichte, und andere finden die gut, du wirst ja immer für die dichte Atmosphäre gelobt, ich find auch, das was du schreibst, so die Komposition der Bilder, die Ideen, das hat schon immer was in Ansätzen. Die Mutter mit den 4 Fotos im Medaillon – das war wirklich eine gute Passage. Oder der Junge mit den Pickeln – das ist vielleicht immer alles ein bisschen zu dick, so 2 Finger breit zu dick und jenseits von subtil, aber es hat schon Wirkung.

Ich hab bei dem Text aber das Gefühl, dass hier mindestens 3, 4 Politurschritte fehlen.

Gruß
Quinn

 

Hallo Schwups

Ihr Bruder schließt den Schrank immer, weil er denkt, ein Kobold haust darin. Max würde die Tür nur angelehnt lassen, wenn er selbst im Zimmer bliebe –

Ist da nicht ein Widerspruch, an einen Kobold zu glauben und die Schranktür bei Anwesenheit offen lassen? Es sei denn, eine positive Konnotation sei damit verbunden.

Im weiteren Verlauf nimmt die Geschichte dann auch märchenhafte Züge an, bis zu der Stelle:

Das fahle Gesicht einer Frau treibt im Wasser, aufgedunsen, umwallt von schwarzem Haar.

In einem der wenigen Bücher zum Genre Horror, die ich vor vielen Jahren las, war eine ähnliche Passage. Es spielte in einer Einöde in Nordamerika oder Kanadas. Nahe eines heruntergekommenen Ortes, das ein Hotel hatte, war ein zugefrorener See. Der Prot. entdeckte da unter dem Eis lange schwarze Fäden, die sich als die Haare einer Frau entpuppten. – Es war eines der gruseligsten Geschichten, die ich las. An den Autor oder den Titel erinnere ich mich leider nicht. Doch seither lassen mich solch unansehnliche Gewässer Böses schwanen …

Das Mädchen taumelt und stürzt rücklings auf den See.

Mir wirkte hier auf das Eis präziser, ansonsten noch auf den zugefrorenen See. Ein See gibt mir stets das Bild einer Wasserfläche. Bei Eis und Schnee ist dies aufgelöst, auch wenn das "darunter" bewusst bleibt.

Obwohl er eben erst aufgestanden war und das Licht aus einer matten Birne kam, spürte er den Hass in sich.

Das Obwohl liess mich als Leser vorerst ratlos über diesen Satz sinnieren. Lichtallergie? Nein, ein paar Sätze weiter die Lösung: Akne. Eine gemeine Krankheit die Jugendliche befällt, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt in dem sie das Äussere favorisieren. Aber ist Hass deren Gefühlempfindung? Als Objekt bleiben ihnen da nur die Pickel, oder dann andere Personen mit makelloser Haut. Entspricht da nicht Wut vielmehr dieser Empfindung?

Sie stellte sich vor, dass es solche waren, die nur auf dieser Insel lebten.

Wäre es so nicht eleganter?: Sie stellte sich vor, dass es nur solche waren, die auf dieser Insel lebten. Hm, es verändert sich damit natürlich etwas in der Bedeutung.

Tja, der Schrecken trat am Schluss geballt auf, stark kontrastierend, zum weitgehenderen Teil der Geschichte. Schlecht dünkt mich die Idee nicht, doch hat es Längen, welche Leser die Suspektes suchen, lange warten lassen. Das Ertrinken von Mutter und Tochter klingt plausibel, das des Sohnes hingegen, ist irreal, wenngleich in seiner Beschreibung mitreissend.

An sich mag ich die Geschichte, die Nähe zur Viamala gab mir auch vertraute Bilder, doch hatte ich den Eindruck, dass gegen Ende die Szenarien gerafft und sich überschlagend auftraten. Dies scheint mir sich dadurch noch zu verstärken, da es sich auf verschiedenen Ebenen abspielt.

Ich habe es dennoch gern gelesen, wenn ich es auch nicht deine Stärkste finde. Doch meine ich, den Geist den du da antönen wolltest, erfasst zu haben.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
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Hallo, lieber Schwups,

erst mal mein Gesamturteil:
ich fand es eine spannende, lesenswerte Geschichte, die mich an einigen Stellen echt schaudern ließ. Ich hab sie sehr gerne gelesen und wollte unbedingt wissen, wie das alles nun zueinanderkommen wird.
Aber es gab für mich auch ein paar Ungereimtheiten, allerdings hab ich da eine andere Gewichtung als meine Vorredner.

1. Der Vorspann:
Auch mir fiel auf, dass du konsequent es für das Mädchen schreibst. Es ist mir jedoch nicht unangenehm aufgefallen, vermutlich liegt das daran, dass ich ich dieser Beziehung recht leidenschaftslos bin. Kann schon sein, dass man, je nachdem, welche Variante man wählt, immer einen Grammatikspezialisten vor den Kopf stößt, wie z. B. Quinn schrieb:

ich denke, wie man es da macht, hat man irgendwen gegen sich.
Also mich stört das hier massiv.
Wenn du es mit „sie“ machen würdest im 3. Satz spätestens, würde es vielleicht jemand anderen stören.

Quinn, eine direkte FRage an dich, kann es nicht sein, dass dir das Mädchen+es so unangenehm aufgestoßen ist, weil du das prinzipiell nicht magst? Dann achtet man halt mehr drauf.
Ist doof vielleicht, dass man da jetzt so eine eher grammatische Diskussion führt, statt sich mit dem Inhalt zu beschäftigen, ist aber auf jeden Fall spannender als sich weiter mit Hubert ohne e rumzukabbeln.
Prinzipiell darf man auf jeden Fall sehr schnell "sie" schreiben, hab ich in einem anderen Fall extra mal nachgeschlagen. Es enthebt einen mancher Probleme, z. B. der Zuordnung, zu welchem Nomen das "seine" z. B. gehört. Das kriegt man dann auf jeden Fall leichter geregelt.
Aber wie gesagt, mir fällt das meistens eh nicht groß auf, ob man nun konsequent "es" schreibt, und schon gar nicht, wenn jemand sehr schnell das "sie" einführt.
Etwas anderes gibts zum Thema zu bedenken: Der Vorspann hatte so einen altertümlichen, märchenhaften Touch, wie so eine alte Sage, von daher ist das "Es" und "sein" vielleicht gar nicht so falsch.
Ja, und jetzt, lieber Schwups, musst du es entscheiden, hihi.
Ansonsten gefiel mir gerade der Vorspann wegen seines märchenhaften oder Sagencharakters sehr gut.

Was mir aber sehr auffiel, das war das Nebeneinander von grammatikalisch etwas ungaren Stellen und wunderschönen Bildern, die eine gruselige Atmosphäre zaubern.
Das folgt jetzt auch in meiner Kommentierung als wildes Durcheinander.

dem Mädchen wird bewusst, dass über Nacht sämtliche Gerüche verschwunden sind: Der Beißende des Rauchs, der Süßliche von gebackenem Brot – als hätte jemand die Luft entleert.
Geil.

Die Familie des Mädchens hat sich über Nacht aufgelöst wie dampfender Atem in kalter Luft.
Genauso!

Trotz der wenigen Schneeflocken, die in das Innere wehen, geht das Mädchen zur Tür und wirft einen Blick auf den Hof.
Das passt nicht, das wenigen muss weg, denn es relativiert den sonstigen Inhalt. Das M. geht raus trotz der Schneeflocken, wenn es wenige nur sind, passt das trotzdem nicht.

Als es nach seiner Mami schreit, spürt es ein Stechen in seiner Kehle und hört als einzige Antwort das Echo des Berges.
Gefällt

Doch jetzt ist es mehr als allein, es ist verlassen.
Und das auch.

Begleitet von seinem Schluchzen geht es durch das Dorf, spürt kaum den Schnee an seinen Füßen oder die Tränen auf den Wangen.
Das klingt komisch, das Schluchzen ist doch keine Person oder Hund, entweder schluchzend oder weinend.

Als es ein weiteres Mal mit dünner Stimme nach der Mami ruft, schweigt selbst der Berg.
Auch gut.

Es überkommt das Gefühl, länger als eine Nacht geschlafen zu haben – was ist in dieser Zeit geschehen?
Das klingt so ein bisschen hintenrum durchs Knie gebohrt. Es überkommt das Gefühl, das würd ich irgendwie anders formulieren.

Die Einsicht, dass nicht nur seine Familie, das Vieh und alle anderen verschwunden sind, sondern mit ihnen auch Erinnerungen an sie, schwächt es zusätzlich.
Auch dieser Satz klingt so methodisch, so negativ, zu langatmig, das schwächt für mich das eindrucksvolle Bild, dass alles weg ist, sogar die Erinnerungen.

Als es das letzte Bauernhaus erreicht, hält es nicht an.
Den zweiten Teilsatz würd ich positiv formulieren, die verneinte Form klingt hier für mich zu schwach, entweder "auch, als es das ...." damit dem Leser klar wird, dasss das Kind hier etwas sehr Ungewöhnliches tut, nämlich weiterzugehen, obwohl das letzte Haus erreicht ist. Oder wie gesagt, du formlulierst es positiv um.

Es geht über eine kleine Lichtung zum Ufer des Sees, und einen Augenblick sieht es so aus, als sei selbst er einer großen Leere gewichen.
Guter Satz, man könnte nur vielleicht der statt er schreiben, aber warum man das könnte? Ist nur ein Gefühl.


Kurz vor der Insel bleibt es stehen, Winterluft lässt seine Kehle brennen.
Schön.

Das Mädchen taumelt und stürzt rücklings auf den See.
Anakreon hats schon geschrieben: auf das Eis


Dann erkennt es, worum es sich tatsächlich handelt, und während ein Schrei seine Kehle zerreißt, schwebt das Pferd unter ihm vorbei.
Pfui deibel. Was für ein fieses Bild.

Es sind so viele; mehr, als es jemals zählen könnte, und irgendwann wird ihm bewusst, dass es alle sind.
Mit dem fettgedruckten Teil hatte ich Probleme, klingt find ich nicht nach dem, was du erreichen willst, nämlich dass ihr klar wird, dass alle tot sind, keiner mehr übrig ist.


2. Was mir eher aufgestoßen ist, als es und sie, das war die sonstige Fülle von Pronomina. Ich bin beim Lesen einfach manchmal gestolpert, weil ich nicht wusste, wer nun gemeint war, da könnte es tasächlich helfen, den Namen einzusetzen.
Das hab ich aber jetzt nicht im Einzelnen aufgeführt, ich denk, da schaust du eh selbst noch mal nach.


3. Das ist "Sebastian". In der Pickelszene ist er aus meiner Sicht sehr überzeichnet.
Ich weiß, dass du das für deine Idee brauchst mit dem See, der jeden auf ganz eignen Weise "holt", aber vielleicht kannst du es ja ein bisschen abschwächen. Ich glaub schon, dass Pickel absolut nerven können und einen jungen Kerl in der Pubertät zum Wahnsinn treiben, aber so, wie er hier geschildert ist, hab ich an einen kommenden Amokläufer/Sittlichkeitsverbrecher was weiß ich denken müssen. Das hat für mich nicht richtig gepasst.

Zumal da eine Stelle vorkommt, die dich mir nicht richtig erschließt:

Es gab nur einen Weg, diesen Parasiten loszuwerden, und die Spuren davon befanden sich jetzt auf den Innenseiten seiner Oberschenkel.
Was ist denn da jetzt auf den Oberschenkeln, hat er sich selbst geritzt, beim Versuch, die Pickel loszuwerden oder hat er sich einen runtergeholt. So klingts eher. Oder bin ich zu versaut? Trotzdem - der Zusammenhang zwischen Pickel loswerden und Masturbation, der leuchtet mir nicht ein, höchstens wenn er sich die Pickel mit feuchten Träumen von einem schönen Mädchen vom Hals schaffen muss. Oder denk ich jetzt zu betschwestermäßig? Ist irgendwie eine komische Stelle.

Und hier:

es waren diese Knoten, dunkelrot, die bei jeder Berührung schmerzten. Vielleicht lag es am Wasser in dieser Hütte im Nirgendwo. .
Das klingt, als wenn er die Pickel erst jetzt hier am See bekommen hätte.
Dann aber wäre er mental doch noch nicht in einem so verzweifelten Zustand, dass er sich fast mit der Klinge schlitzen will. Ist ansonsten eine Superidee, dass der See seine destruierende Wirkung so ausübt , dass er bei jedem an der Schwachstelle ansetzt.

In ganz genau demselbsen Absatz sind auch ein paar absolut wunderbare Sätze drin:

Ohne den Hass kam die Leere, hungrig, und um sich zu füllen, fraß sie alles auf.

Es gab nur einen Weg, diesen Parasiten loszuwerden,

Hass war wichtig, weil er die Leere fernhielt.

Es war kurz nach neun Uhr am Morgen, und Sebastian konnte bereits drei Gründe aufzählen, warum er heute gerne sterben würde. Sein Gesicht, seine Schultern, seine Brust.

In dem eigentlichen Hauptteil dann gefiel mir gut, wie du die Geschichte angebahnt, dann gesteigert und "gelöst" hast. Mir gefiel sehr gut, was du mit diesem Kleeblatt machst, erst wartet das eine Kleeblatt da wie ein Loch auf das restliche Kind, auch das finde ich eine echt gruselige Idee, dann ersetzt die Mutter es durch die Bilder des Babys - und immer ist es tot - auf allen Bildern, das fand ich eine Wahnsinnsidee. Und dass die Mutter sich dann ins Verderben begibt gerade durch das Kleeblatt, wo sie doch gerade Abschied nehmen will von ihrem Festhalten am Leid. Das ist echt gemein.

Toll geschrieben fand ich auch die Szene, als Sebastian stirbt, mich hat es nicht gestört, dass er so unertrinkend zugrundegeht. Nein, du hast ja die Idee gehabt, dass jeder einzelne, der in diesem See zugrunde geht, auf sehr individuelle Art zerstört wird. Auch das finde ich genial, nicht einfach ein See, der alle aufschnabbelt und ersaufen lässt, oder ein fressendes Seevieh, nein, jeden packt der See sozusagen bei der Schwachstelle und lässt ihn genau durch die Schwachstelle sterben. Die Mutter beim Medaillon, Sebastian bei den Pickeln und die kleine Kathrin will die Entenküken erforschen, weil sie eine heile Familie will und dann wird sie von der Person zu Tode umarmt, nach deren Umarmung sie sich die ganze Zeit sehnt, ihrer Mutter. Und der Vater, der die ganze Zeit nichts anderes getan hat, als nach bestem Ermessen die ganze Chose zusammenzuhalten, der wird für den Mörder der gesamten Familie gehalten. Jetzt hat der See alle zur Strecke gebracht. Also mir gefällt dieser Plot echt gut, das ist mal was anderes.
Mir hat es auch gut gefallen, dass da ein paar Cliffhanger eingebaut sind und auch das Ende gefiel mir sehr gut.

So, das wars, ich wünsch dir was. liebe Grüße von Novak

 
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Hallo Schwups,

mir hat Deine Geschichte gut gefallen, sie hat den klassischen Aufbau einer Horror-Kurzgeschichte und geht steigernd und zielstrebig vorwärts.

Die Sache mit dem sächlichen Mädchen finde ich völlig in Ordnung, das Deutsche hat hier keine Schwachstelle, Du verwendest es völlig richtig. Und ich finde auch, daß man Richtiges nicht umgehen, sondern es getrost verwenden sollte, damit Richtiges nicht irgendwann ungewöhnlich oder gar schwierig erscheint.

Am Abend ihrer Ankunft begleitete Anna Roman auf seinen Spaziergang.

Auch hier kann ich Quinns Kritik nicht so ganz teilen. Ich sehe folgenden Unterschied: wenn Anna Roman auf seinen Spaziergang begleitet, dann geht sie (auch) mit ihm bis zu Tür, an der der Spaziergang beginnt. Wenn sie ihn auf seinem Spaziergang begleitet, geht sie die gesamte Strecke mit. Da Du nun mal ersteres geschrieben hast, gehe ich davon aus, daß auch das gemeint ist. Du nutzt die deutsche Sprache in ihren Möglichkeiten. Ich finde das eher positiv bemerkenswert.

Neben dem Lob, das 90% meiner Anmerkung ausmacht, hier einige -kleine- Punkte, die mir aufgefallen sind:

Die Familie des Mädchens hat sich über Nacht aufgelöst wie dampfender Atem in kalter Luft.

Hier schimmert für mich eine omnipotente Erzählhaltung durch - daß die Eltern sich "aufgelöst" haben, kann das Mädchen zu dem Zeitpunkt nur vermuten. Ansonsten ist der erste Abschnitt so schön aus der Perspektive des Mädchens geschildert, daß mir dieser Satz aufgefallen ist. Das Bild zum Auflösen allerdings gefällt mir wiederum so gut, daß ich auch gedacht habe, daß der Wechsel der Erzählperspektive Absicht sein könnte.

Ich fänd' im ersten Absatz einen noch früheren Hinweis auf die Zeit, in der er handelt, noch besser.

Die einzelne Einführung der Personen, die später dann erst erkennbar zu einer Familie zusammengesetzt werden, verstehe ich. Ich deute das so, daß die Personen doch nicht eine richtig zusammengehörge Familie darstellen. Vielleicht würde eine intakte Familie auch gemeinschaftlich in der Geschichte vorgestellt. Für eine Kurzgeschichte finde ich diese einzelne Vorstellerei aber etwas überdimensioniert. Zusätzlich Spannung ergibt sich durch dieses wenn auch kurze Ratespielchen "wer gehört denn nun zu wem?" für mich nicht.

Die zwei unterschiedlichen Mordtechniken des Sees fand ich zu vielfältig oder zu unterschiedlich. Mir hätte entweder ersäufen oder zerschneiden gereicht. Daß ein Anhänger um den Hals eine Person ins Wasser zieht, kommt auch in den Filmen "Herr der Ringe" und "Harry Potter" vor, die Idee mit dem Zerschneiden war mir neu. Herrlich.

Novaks´ Anmerkungen über die gelungenen Bilder schließe ich mich an. Perlen!

Dankesehr für die kurzweilige Unterhaltung.

Viele Grüße

Fitsch

 
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Nur kurz, weil ich direkt angesprochen wurde:

Die Sache mit dem sächlichen Mädchen finde ich völlig in Ordnung, das Deutsche hat hier keine Schwachstelle, Du verwendest es völlig richtig. Und ich finde auch, daß man Richtiges nicht umgehen, sondern es getrost verwenden sollte, damit Richtiges nicht irgendwann ungewöhnlich oder gar schwierig erscheint.
Mädchen ist eine Verniedlichungsform, die wir heute nicht mehr sehen, weil wir die Magd und den Kram eh nicht mehr gebrauchen. Verniedlichungsformen haben im Deutsch ein sächliches grammatikalisches Geschlecht (Das Fräulein, das Mäuschen, das Kläuschen).
Da ist nichts „heiliges“ oder „richtiges“ dran, dass die Zivilisation untergehen würde, wenn man möglichst schnell vom grammatikalischen ins natürliche Geschlecht wechselt. Das erlaubt der Duden. Er würde sich mit der Frage ja gar nicht befassen, wenn es da keine Schwachstelle im Deutschen, wenn es da kein Problem damit gäbe.
Das ist aber ein kruder Umgang mit Sprache, zu sagen: Das ist Richtig! Wo kommen wir denn da hin, wenn wir das anders machen!
Diese Verniedlichungsform von Magd, die wir da verwenden, und dann machen wir das sächlich, also bitte. Da rüttelt man nicht an den Grundfesten der Gesellschaft, wenn man sagt: Wechsel da im 3. Satz auf „sie“.
Muss mal ein Sprachwissenschaftler kommen und sich damit beschäftigen, in welcher Zeit sich Neutrum+Dimunitiv durchgesetzt haben. Es wird irgendein banales Problem mit Pluralbildung beim Dimunitiv sein, warum sich das hält.
Grammatikalisch gibt's überhaupt keinen Grund, da beim grammatikalischen Geschlecht zu bleiben, wenn keine Verwechslungsgefähr mit dem Plural besteht.
Mit "Richtig" hat das überhaupt nichts zu tun. Also meins ist genau so "Richtig" wie deins.

Quinn, eine direkte FRage an dich, kann es nicht sein, dass dir das Mädchen+es so unangenehm aufgestoßen ist, weil du das prinzipiell nicht magst? Dann achtet man halt mehr drauf.
Ich hab mich ja damit beschäftigt, weil es mich stört. Und es hat mich nicht gestört, weil ich mich damit beschäftigt habe. Genau so stört mich der Genetiv-Apostroph, der dazu führt, dass in keinem Roman eine Figur mit einem s-Laut am Ende des Namens auftaucht, weil kein Autor den dämlichen Genetiv-Apostroph verwenden will. (ja, ich übertreibe … aber fragt euch mal, wie oft ihr den korrekt verwendeten Genetiv-Apostroph im Deutschen seht).
Ich kann nicht sagen, wie ich die Geschichte lesen würde, wenn ich mir nie über das natürliche/grammatikalische Geschlecht Gedanken gemacht hätte.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es außer mir gar keinen stört.

Ich finde der Text hat ernsthafte stilistische Schwächen und Makel (Standard-Adjektive, Dialoge usw.) und wunder mich, dass es wieder einmal keinen groß stört. Also irgendwie scheint über den Geschichten ein Zauber zu liegen, der mir entgeht. Formal, Satz für Satz betrachtet, ist das - nach meinen Maßstäben - kein starker Text. Die Gründe hab ich versucht darzustellen.
Dann hab ich halt die Meinung exklusiv, find ich auch okay.

 

Hallo Schwups!

Also auf mich wirkt das so: Du hast sehr lange die Zutaten für eine wirklich gute Geschichte im Kopf gesammelt, hast dir den gesamten Plot ausgedacht, hast sehr gute Ideen gehabt und dann war die Geschichte im Kopf schon fertig. Dann hast du angefangen, zu schreiben, und es kommt mir vor, als hättest du den Drang verspürt, das alles ganz schnell abzutippen. Und dabei ist dir, glaube ich, ein bisschen die Geduld flöten gegangen.

Ich hatte auch ein Problem mit dem ersten Absatz, weil das es für das Mädchen mich ständig aus dem Rythmus gebracht hat, aber danach kam ja noch eine ganze Menge, wo das gar kein Thema mehr war, und natürlich wollte ich es zu Ende lesen, weil ich von dir Qualität erwarte und Grusel. Ich fand die Stelle sehr gut, wo die Mutter das Medallion versenken will, da kann man die Motivation verstehen, das hätte sogar auch in Wirklichkeit so sein können, ganz ohne lebendigen See. Ich fand vom Inhalt her auch den esrten Absatz gut, das war schon gruselig für mich, wie das Mädchen aufwacht und alle verschwunden sind. leider musste ich kurz an Kevin allein zu Haus denken, und dann war der Grusel für einen Moment verschwunden. Trotzdem, die Idee fand ich schon stark. überhaupt: Viele Ideen fand ich gut, aber am Ende hat sich für mich kein Gesamtbild ergeben, Mich hat das gestört, dass der Bruder dann auch noch vom See zerschnitten wird, es wäre für mich gruseliger gewesen, wenn nur die Mutter gestorben wäre und dann jemand das Amulett gefunden hätte. Vielleicht auf eine gruselige Art und Weise verändert. Vielleicht hätte man jetzt ein Lächeln auf Patricks Gesicht gesehen ... So was wäre mir lieber gewesen.

Aber: Die Dialoge fand ich teilweise richtig schlecht. Sorry.

„Hallo. Ich bin Rüdiger. Ich glaube, wir sind Nachbarn.“
Roman blickte von seinem Taschenbuch auf. Ein Mann mittleren Alters hatte sich zwischen ihn und den See gestellt.
„Hallo. Mein Name ist Roman“, antwortete er und schüttelte dem Mann die Hand, ohne aus seinem Liegestuhl aufzustehen. „Das ist Anna, meine Frau“, sagte er und deutete auf das Handtuch neben sich.
„Freut mich. Ich hab mir gedacht, ich komm mal vorbei, hallo sagen. Ich bin mit meiner Tochter hier, Claudia.“ Er wies in die Richtung eines Mädchens mit weißem Bikini, das etwa in Sebastians Alter war und sich in der Sonne bräunte. Roman war sie bereits aufgefallen. „Wir kommen jedes Jahr her. Ist schön ruhig hier, man kann gut abschalten. Keine betrunkenen Engländer, keine brüllenden Russen. Angenehm, oder?“
„Stimmt“, antwortete Roman. „Wir sind das erste Mal hier, seit drei Tagen jetzt, und erholen uns prächtig. Der See ist einmalig.“
„Spiegelglatt, nicht wahr? Ist ein Geheimtipp, sollte auch so bleiben. Sonst wimmelt es hier irgendwann von Touristen.“
„Das Wasser könnte wärmer sein“, sagte Anna. „Heute morgen haben sie die Temperatur mit achtzehn Grad angegeben.“
Rüdiger machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach was, das ist prima. Claudia weigert sich auch, einen Fuß reinzusetzen, dabei weiß sie gar nicht, was ihr entgeht. Ich sag Ihnen, eine halbe Stunde schwimmen, und man fühlt sich wie neu. Gehört wohl zu den Dingen, die man erst im Alter schätzen lernt.“ Er lachte ein lautes Ihr-wisst-schon-was-ich-meine-Lachen, und Roman befürchtete, Rüdiger würde ihm auf die Schulter klopfen. „Ihre Kinder scheinen da abgehärteter zu sein. Wie alt sind sie denn?“
„Sebastian ist sechzehn, und Katrin – das Mädchen in dem Schlauchboot – ist zwölf.“
„Na, das passt doch prima. Meine Claudia ist fünfzehn. Hören Sie, wenn Sie Lust haben, können Sie ja heute Abend mal bei uns vorbeikommen. Wir haben die Hütte Nummer acht, direkt neben Ihrer. Wir könnten gemeinsam grillen und ein paar Bier trinken, dann lernen sich auch unsere Kinder kennen. Was meinen Sie?“
Da hab ich gedacht: Der will unbedingt weiter voran kommen, muss aber diese Szene schreiben, damit der Plot passt, damit die Wege sich kreuzen, und ich dachte: Er hat da gerade egentlich gar keinen Bock drauf, der Schwups, der will lieber zum Eingemachten kommen.

Auch Sebastian und das Mädchen (Sorry, Name entfallen) als die sich kennenlernen und dann sich später gleich Dinge erzählen, am gleichen Abend, Dinge, die sie sonst nie jemandem erzält haben, über ihre dunklen Familiengeheimnisse. Also, da kann ich wirklich nicht nachvollziehen, woher diese Vertrautheit plötzlich kommen soll, das wirkt mir gestellt, um eben die Geschichte in die Bahn zu lenken, die du im Kopf schon lange fertig vor dir hattest.
Wie gesagt: Eigentlich sind das die Zutaten für eine tolle Geschichte, aber ich finde, du hast dir nicht genügend Zeit gelassen beim zusammenmischen. Hast manches nur schnell grob geschnitten, damits in den Topf kommt. Ich würde dir empfehlen, das grammatikalische Geschlecht des Mädchens zu ändern. Ich würde sagen, kürze bestimmte Stellen und erweitere andere. Mehr Gewicht auf Mitte und Ende, weniger auf die Vorgeschichte. Die brauchst du zwar, um das ganze stimmig zu machen, aber nicht in dieser Länge, glaube ich.
Mir sind es auch zuviele Personen. Die Legende des Sees "am Lagerfeuer" erzählt, die gebrochene Mutter mit dem Amulett (und ihre wirklich schlimme Geschichte), das schlafende Mädchen und ihr Gang übers Eis. Und das in leisen Tönen erzählt. Mehr hätte ich nicht gebraucht.

Liebe Grüße
Lollek

 
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Hallo Quinn

Also ich bin kein Freund von Mädchen+Es. Der Duden erlaubt einem auch, da möglicht schnell zu „sie“ zu wechseln.

Das stimmt. Ich hab mich mit diesem Thema auch beschäftigt, bevor ich den Text hier eingestellt habe. Das ist schon öfter diskutiert worden, es gibt sogar einen „Fachausdruck“ dafür, dass man das natürliche statt dem grammatikalischen Geschlecht verwenden kann: http://de.wikipedia.org/wiki/Constructio_ad_sensum

Eine gängige Variante ist, im selben Satz das sächliche Pronomen und in weiteren Sätzen das Weibliche zu verwenden. Das klingt dann etwa so:

Das Mädchen, das um die Ecke kommt, trägt einen Hut. Sie lächelt.

vs.

Das Mädchen, das um die Ecke kommt, trägt einen Hut. Es lächelt.

Es gibt wie gesagt schon sehr viele Diskussionen zu dem Punkt, und eine (gefühlte) Mehrheit ist sich einig, dass die erste Version vorzuziehen ist. Ich habe da auch lange überlegt und mich trotzdem für die andere Version entschieden, weil mich das sächliche Pronomen nicht stört und ich auch nicht finde, dass das komisch klingt (und mit dieser Meinung stehe ich auch nicht alleine da).

Vielleicht liegt es daran, dass ich die Konstruktion „Mädchen + es“ aus Märchen kenne, dort (oder generell in älteren Texten, wie Novak richtig anmerkte) wird das häufig verwendet. Hier ein extremes Beispiel: http://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/die_sterntaler

Oder vielleicht auch daran, dass ich früher häufiger mit Saarländern zu tun hatte (ich selbst komme allerdings nicht von dort), und es dort üblich ist, sogar Frauen mit „es“ zu bezeichnen, siehe etwa hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Dialekte_im_Saarland#Neutrale_Feminina
Anfangs fand ich das schrecklich, weil sie eben Vorname + es verwenden, mit der Zeit gewöhnt man sich ein bisschen dran, aber ich könnte mir vorstellen, dass ein Saarländer den ersten Abschnitt hier ganz anders liest als bspw. du jetzt.

Auch ist in der Schweiz „Mami“ sächlich, hier heisst es also „das Mami“ statt „die Mami“.

Letzten Endes weiss ich auch nicht, woran es liegt, aber ich finde das Personalpronomen „es“ nicht seltsamer als die Tatsache, dass es überhaupt „das Mädchen“ heisst. Zusammen mit dem Umstand, dass dieser Teil des Textes vor 200 Jahren spielt, wars für mich dann klar, „es“ zu nehmen.

Ich habe damit gerechnet, dass sich Leute daran stören, das konnte ich schon anderen Diskussionen entnehmen. Dass es jemanden aber so sehr aus dem Text haut, dass man sich nur noch schwer auf den Inhalt konzentrieren kann, damit hätte ich nicht gerechnet. Und das ist für einen Autor ja mit das Schlimmste, was er zu hören kriegen kann: Der Stil ist so schlecht, dass ich mich kaum auf den Inhalt konzentrieren kann. Schade.

Ich überlege, auch aufgrund von Lolleks Feedback, die Geschichte nochmal neu aufzuziehen. Vielleicht nicht statt dieser hier, aber als Ergänzung. Dann würde ich mal die „sie“-Variante probieren.


Fröstelnd steht es auf,
Wie soll das gehen? Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, das sind ironisch verwendete Stilmittel.

Ja in dem Fall wäre es ein adverbiales Partizip. So wie: „Schreiend läuft er durch die Strasse“. Da hat das „schreien“ mit dem „laufen“ ja auch nicht direkt was zu tun. Es ist einfach eine Verkürzung von „Es fröstelt und steht auf, ...“ oder „Während es fröstelt, steht es auf ...“.
Falls meine Variante grammatikalisch falsch ist, wäre ich für einen kurzen Hinweis dankbar (auch per PM), denn dann hab ich da wirklich ein falsches Verständnis. Oder störst du dich an dem Verb? Wäre „Zitternd steht es auf“ besser?

Angrenzender Küche – Einbauküche?

Einbauküche, hallo :)? „Gemauerter Herd“ und „Kienspan“ sollten genug Hinweise liefern, dass der Teil lange Zeit vor Einbauküchen spielt. Die Idee ist, dass es eine grosse Stube ist, die nahtlos (also ohne Tür) in eine Küche übergeht. Aber da das 2x angrenzend wirklich nicht gut kommt, hab ich das jetzt geändert.

Nicht diese Standard-Adjektiv: „Dünn“, „Groß“, „Klein“, "kurz"
Ich hab die einfach maleingegeben in die „Suche“. Was schätzt du selbst?
3*dünn, 7mal „groß“, 15mal „klein“, 15mal „kurz“

Generell muss ich sagen, dass ich in einer Geschichte mehr Wert auf den Inhalt lege als darauf, Synoyme für solche Standardwörter zu suchen. Ich weiss, dass das eine Schwäche ist, an der ich arbeiten will und es auch schon getan habe. Wenn ich heute schreibe, habe ich parallel immer Synonym-Seiten offen und bin dort auch fleissig unterwegs. Auch habe ich mir Wörter zusammengestellt, die ich (zu) häufig verwende, was mir in der Vergangenheit schon angekreidet wurde. Also so Wörter wie „aber, doch, sehr, immer“, da achte ich viel mehr darauf, dass die nicht zu oft vorkommen und schaue auch, wo sie geballt auftreten. Dann ersetze ich sie oder schreibe Sätze um. Ich werde aufgrund deines Hinweises jetzt auch solche Standard-Adjektive mit aufnehmen und meine zukünftigen Texte darauf „abklappern“.

Das Schöne hierbei ist, dass diese Adjektive in vielen Fällen einfach wegfallen können. So hatte ich zum Beispiel „klein“ fast immer in Verbindung mit „Mädchen“ oder „Insel“. Das konnte fast immer raus. Ingesamt habe ich den Text jetzt ziemlich entschlackt und in einigen Fällen auch Synonyme verwendet (bspw. jetzt „feine Schneedecke“, „heisere Stimme“). Das ist ein wertvoller Hinweis für mich.


Es überkommt das Gefühl, länger als eine Nacht geschlafen zu haben – was ist in dieser Zeit geschehen?
Mir kommt das so vor, als hättest du erst „sie“ gehabt und hast es dann erbarmungslos und mechanisch in „Es“ geändert, das ist doch schlimm.

Nein, ich hatte das von Beginn an schon so drin. Fand aber auch, dass dieser Satz irgendwie immer seltsam war. Habe es jetzt geändert.

Die Einsicht, dass nicht nur seine Familie, das Vieh und alle anderen verschwunden sind, sondern mit ihnen auch Erinnerungen an sie, schwächt es zusätzlich.
Auf was bzeeiht sich das „es“? Auf das Mädchen? Auf etwas Ungeanntes?

Schon auf das Mädchen. Ist aber auch geändert, sollte jetzt klar sein.

Am Abend ihrer Ankunft begleitete Anna Roman auf seinen Spaziergang.
auf einem Spaziergang.

Ok das ist wirklich ärgerlich. Ich möchte schon betonen, dass es Romans Spaziergang ist (weil er jeden Abend einen macht), aber es muss natürlich Dativ sein.

Katrin überlegte, wann ihre Mama sie das letzte Mal im Arm gehalten hatte, aber es musste zu lange her sein, denn sie schlief ein, bevor sie sich erinnern konnte.
Viel zu viele Pronomen.

Und ich hatte eher noch das Gefühl, zu häufig Namen zu verwenden ... :)
Gut, das zeigt mal wieder, wie unterschiedlich doch so ein Text aufgefasst wird. Bei dem Beispiel jetzt wäre eine Variante

Katrin überlegte, wann ihre Mama sie das letzte Mal im Arm gehalten hatte, aber es musste zu lange her sein, denn Katrin schlief ein, bevor sie sich erinnern konnte.

Ich finde das sperrig und die zweite Namensnennung überflüssig, da der Text hier mMn keine zwei Meinungen zulässt. Aber du hast natürlich Recht, der Leser soll da nicht erst drüber nachdenken müssen, und die Sätze, die man selbst geschrieben hat, sind sowieso (meistens) klar, daher bin ich dankbar für die Art von Feedback, weil mir das an eigenen Texten einfach nicht auffällt. Ich merke auch, dass ich beim Lesen anderer Texte eher über zu viele als zu wenig Namensnennungen stolpere.

Ich habe das jetzt geändert in

Katrin versuchte, sich an die letzte Umarmung ihrer Mutter zu erinnern. Diese musste zu lange zurückliegen, denn bevor Katrin sich erinnern konnte, schlief sie ein.

Auch wenn es ein winziger Satz (jetzt zwei) mit nur einer Aussage ist, so ist diese für den weiteren Verlauf doch immens wichtig. Eigentlich ist dieser letzte Teil der Grund für die gesamte Szene.

Der Hinweis auf die häufigere Namensnennung ist ebenfalls gutes Feedback für mich. Ich hab den Text auch an einigen Stellen daraufhin angepasst. Ist wirklich kein einfaches Thema, ich kann mich an einen Text von dir erinnern, vor zwei Jahren oder so, da hiess der Prot. „Hoffmann“ und das Wort ist in jedem Satz aufgetaucht. Das war dann praktisch das andere Extrem, auf Pronomen fast vollständig zu verzichten. Hier muss man dann wohl (wie so oft) irgendwo den goldenen Mittelweg finden.

Irgendwie ist in dem Text grammatikalisch der Wurm drin. „spritzte“ – Eiter ist Singular.

Extrem ärgerlicher Fehler.

Die Dialoge habe ich an den Stellen angepasst, die du angesprochen hast, da hab ich auch einiges entfernt jetzt. Generell kann ich auf die Schnelle nicht die ganzen Dialoge anpassen, sollte ich nochmal intensiver an die Geschichte herangehen im Sinne einer zweiten Version, werde ich da mehr Arbeit investieren.

Aber nur in einem Fall ist ein ganzes Dorf verschwunden, und das hat sich vor zweihundert Jahren genau hier ereignet.“
Nee … Roanoke ist 2mal verschwunden, sogar.

Stimmt, das hätte ich wissen sollen, ist mir aber nicht eingefallen. Hab auch mal den Sturm des Jahrhunderts gelesen. Ich könnte ja jetzt sagen, dass nur Rüdiger das nicht weiss, aber es wäre erstens eine billige Ausrede und zweitens nicht ehrlich :). Danke für den Hinweis.

Also irgendwie ist das so ein urbaner Mythos, dass man Jugendliche darstellt als Jugendliche, indem man sie „Mum“ und „Dad“ statt „Mama“ und „Papa“ sagen lässt.

Ich kenne mindestens zwei Mädchen, die das machen bzw. gemacht haben, auch in höherem Alter. Daher hab ich das hier aufgegriffen.

Da nicht die Gefahr bestand, noch mal einzuschlafen, schaltete sie ihn aus und legte sich zurück.
Ist das wichtig? Und warum besteht keine Gefahr noch mal einzuschlafen?

Nein es ist nicht wichtig. Warum keine Gefahr besteht? Weiss nicht, stellst du keinen Unterschied fest wenn morgens der Wecker klingelt und du zur Arbeit musst oder sagen wir mal einen interessanten Ausflug machst? Bei mir sind das Welten, im ersten Fall könnte ich sofort weiterschlafen, im anderen Fall bin ich sofort topfit. Daher besteht dann auch keine Gefahr mehr, nochmal einzuschlafen. Ich dachte das sei klar und wollte hier nicht Offensichtliches erwähnen, da es aber wirklich nicht wichtig ist, ist es jetzt auch rausgeflogen.

Gleich, sobald es hell wurde.
Das ist ja Grammatik für Fortgeschrittene.
Gleich, sobald es hell werden würde.

Ganz ehrlich, ich finde die „würde ... werden“ - Konstruktion eine der Schrecklichsten überhaupt, noch schlimmer als „gehabt ... hatte“ und versuche sie zu vermeiden wann immer es geht. Der Hinweis, solche Fallstricke zu umgehen, ist gut. Entsprechendes hab ich dann auch getan.

Ich denke das reicht.

Dann bleibt mir nur noch danke zu sagen für gutes Feedback und wertvolle Hinweise. Ich weiss, dass du dich mit meinen Geschichten nicht anfreunden kannst. Das ist zwar schade, aber umso mehr freut mich dann auch ein solches Feedback wie wenn du nach dem ersten Absatz gedacht hättest, boah, der verwendet Mädchen + es, das geht mal gar nicht und die Geschichte weggeklickt hättest.


Hallo Anakreon

Ist da nicht ein Widerspruch, an einen Kobold zu glauben und die Schranktür bei Anwesenheit offen lassen?

Irgendwie schon. Keine Ahnung, warum ich das ursprünglich drin hatte, ist jetzt auf jeden Fall draussen.

In einem der wenigen Bücher zum Genre Horror, die ich vor vielen Jahren las, war eine ähnliche Passage.

Ich finde das auch eine sehr gruslige Vorstellung. Schlimmer ist nur noch, das ganze aus der Sicht desjenigen im Wasser zu schreiben ...

Mir wirkte hier auf das Eis präziser,

Ja, stimmt, ist angepasst.

Aber ist Hass deren Gefühlempfindung? Als Objekt bleiben ihnen da nur die Pickel, oder dann andere Personen mit makelloser Haut. Entspricht da nicht Wut vielmehr dieser Empfindung?

Ich schwankte an der Stelle zwischen Verzweiflung, Wut und Hass. Hass erschien mir am Passendsten, weil es die Stärkste und Tiefste dieser Empfindungen ist und ich ausdrücken wollte, dass sich Sebstian überdurchschnittlich mit dieser Thematik befasst und darunter leidet.
Daher auch das SVV. Er leidet neben seiner Akne an einer psychischen Störung namens Dysmorphophobie, die häufig in Verbindung mit Akne auftritt, wenn auch eher in älteren Jahren. Ausführliche Infos dazu findet man hier: http://www.aknetherapie.de/bdd.htm und an einigen Stellen habe ich Auffälligkeiten in Sebastians Verhalten beschrieben, die typisch sind für diese Krankheit.

Wäre es so nicht eleganter?: Sie stellte sich vor, dass es nur solche waren, die auf dieser Insel lebten. Hm, es verändert sich damit natürlich etwas in der Bedeutung.

Betont werden sollte in dem Satz, dass es fremde Vögel sind, die nur hier existieren. In deiner Variante geht diese Bedeutung – wie du ja schreibst – verloren.

Tja, der Schrecken trat am Schluss geballt auf, stark kontrastierend, zum weitgehenderen Teil der Geschichte. Schlecht dünkt mich die Idee nicht, doch hat es Längen, welche Leser die Suspektes suchen, lange warten lassen. Das Ertrinken von Mutter und Tochter klingt plausibel, das des Sohnes hingegen, ist irreal, wenngleich in seiner Beschreibung mitreissend.

Ja, der Beginn (abgesehen vom ersten Absatz), die Vorstellung der Figuren usw. beinhaltet nicht viel Schrecken. Ich wollte die Geschichte ruhig aufziehen und neben dem See auch die Probleme innerhalb der Familie thematisieren, denn jeder leidet da ja unter irgendwas. Am Schluss sollte das Tempo dann angezogen werden, daher auch die kürzeren Abschnitte (und daher auch dein Eindruck der gerafften Szenen), und beides „zusammengeführt“ werden – daher auch das „thematische“ Sterben im See, das ja für jeden irgendwie mit dem Leid innerhalb der Familie zusammenhängt. Und dafür wird Sebastian dann die Haut vom Körper gezogen.

Ich habe es dennoch gern gelesen, wenn ich es auch nicht deine Stärkste finde. Doch meine ich, den Geist den du da antönen wolltest, erfasst zu haben.

Schön :). Merci vielmals fürs Lesen & den Kommentar.

Novak, Fitsch und Lollek: Euch natürlich auch ganz herzlichen Dank für euer Feedback. Ich gehe noch auf jede Antwort einzeln ein, aber erst beim nächsten Mal.

Bis dahin, viele Grüsse.

 

Hey,

Ich weiss, dass du dich mit meinen Geschichten nicht anfreunden kannst.
Das würd ich so nicht sagen, ich hab drei Geschichten von dir gelesen. Die erste (Tante Annie) fand ich schon gut, bei der nächsten, die ich gelesen habe, und bei der hier stören mich eben einige Sachen. Das heißt nicht, dass ich irgendwas gegen deine Art zu schreiben hätte oder gegen deine Geschichten.

Ist wirklich kein einfaches Thema, ich kann mich an einen Text von dir erinnern, vor zwei Jahren oder so, da hiess der Prot. „Hoffmann“ und das Wort ist in jedem Satz aufgetaucht. Das war dann praktisch das andere Extrem, auf Pronomen fast vollständig zu verzichten. Hier muss man dann wohl (wie so oft) irgendwo den goldenen Mittelweg finden.
Bei Hoffmann war das ein Stilmittel, so schreib ich normal nicht. War damals die Idee den Leser eben in einen anderen Rhythmus reinzukriegen.
Man kann das wirklich gut sehen bei Spannungsromanen, wie oft da Namen genannt werden.
Es ist auch nicht schlimm mal viele Pronomen in einem Satz zu haben: Nur führst du eben geballt neue Figuren ein und ersetzt sie dann häufig durch Pronomen. Am Anfang braucht man als Leser, denke ich, immer eine Weile, um eine neue Figur überhaupt zu erfassen und sie einzuordnen. Wenn du einen 300 Seiten Roman hast, dann hast du irgendwann mal alle Figuren eingeführt, der Leser hat sie im Kopf und sieht sie, dann ist das mit Pronomen alles leicht und locker, aber neu eingeführte Figuren brauchen so eine Vorstellungszeit, und das Problem hat man in Kurzgeschichten mit vielen Figuren eben arg, wenn man dazu noch viele Pronomen hat, ist es schwierig für den Leser, glaube ich.

Ja in dem Fall wäre es ein adverbiales Partizip. So wie: „Schreiend läuft er durch die Strasse“. Da hat das „schreien“ mit dem „laufen“ ja auch nicht direkt was zu tun. Es ist einfach eine Verkürzung von „Es fröstelt und steht auf, ...“ oder „Während es fröstelt, steht es auf ...“.
Ja, das Problem ist, dass „ich fröstele“ jetzt nicht gerade ein Spitzenbeispiele eines aktiven Verbs ist. Also „Während das Mädchen fröstelt“ oder „Das Mädchen fröstelt und …“: Das wären ja beides Sätze bei denen man sagen würde: Macht es da aktiv was? Ist das ein bewusster Vorgang?
Ich denke heute wird frösteln meistens in einer „Es fröstelt mich“-Wendung gebraucht.
Deshalb finde ich das hier als Partizip schon schwierig. Bei „schreiend laufen“ zum Beispiel, da sind die beiden Vorgänge schon stark verknüpft. Bei „zitternd aufstehen“ zum Beispiel auch. Bei „kalkulierend sagen“ oder so. Also meistens ist das schon eine engere, eine modale Verknüpfung. Durch das Partizip zwei Sachen, die nicht direkt passen, beizuordnen finde ich schwierig.
Das Abitur besitzend buk er Brot – oder so.
Also um auf deine Frage zu antworten: Ja, „zitternd“ wäre viel besser.
Das mit Partizipien als verkürzten „während“-Satz ist immer eine ganz heikle Geschichte, glaub ich.
Ich hab da aber auch keine genaue Regelkenntnis, dass ich da einen Paragraphen vorziehen kann. Ich hab Grammatik mal gebüffelt, ich hab mich mit einigem auseinander gesetzt, aber ich hab das meiste vergess und vertrau da meinem Sprachgefühl. Deshalb hab ich da auch keinen Absolutheitsanspruch. Wenn dein Sprachgefühl sagt, dass es okay ist, dann ist es okay.

Gruß
Quinn

 

14 Seiten Manuskript, engzeilig unter TNR 12 pt. ergibt so etwa 18 bis 19 Seiten bei 60 Anschlägen/Seite und 30 Zeilen je Manuskriptseite unter Courier New 12 pt.,

lieber Schwups,

erfordert nicht nur vom Autor, sondern auch vom Publikum einiges an Sitzfleisch (Stehvermögen wäre ein eher falsches Bild). Zudem erfordert es einige Arbeit, sei es, die Geschichte einigermaßen widerspruchsfrei zu konstruieren - obwohl: seit wann folgte ein Leben der Logik oder einer andern Gesetzgebung? - und andererseits, mehr als Unterhaltung daraus zu ziehen.

Was hat nun einer wie ich, der Horror u. a. als Genre wie überhaupt Spartendenken ablehnt (erinnert arg an Anlagen-, Debitoren-, Kreditoren-, Ober- und Bilanzbuchhalter nebst Kassenwart, alles ehrenwerte Berufe …), weil die besten Geschichten sich in keine Schublade zwängen lassen und sind i. d. R. alles zugleich, wie im richtigen Leben die Ehe, die romantisch beginnt und im Horror endet, mag nun der dünnbeinige Gevatter Tod oder der dickbäuchige Scheidungsanwalt sein Geschäft verrichten. Gleichwohl: Der Titel verspricht einiges, ist doch das „tiefe“ Wasser neben der Sonne, die Licht und Wärme verspricht, zweite Quelle des Lebens und zugleich eine Bedrohung, schlimmer als das Feuer (was das Feuer nicht schafft, schafft die Feuerwehr). Zudem: Wer ins Wasser blickt, sieht wie in einem Spiegel sich selbst.
Wasser ist also auch Mittel zur Selbsterkenntnis und Reinigung.
Wenn aber der Geist schwer wird, wird er selbst zu Wasser und zieht einen hinab. Da kann man alleine oder mit anderen im Boot sitzen und man kann rudernd dagegenhalten: zu rudern ist nutzlos. Denn Wasser ist zugleich das geläufigste Symbol fürs Unbewusste. Wasser ist der Geist, der unbewusst geworden ist, und das Unbewusste ist k e i n minderwertiges Bewusstsein, das Bewusstsein wird allemal dem Unbewussten abgerungen Und dazu passt dann der erste Satz und erst recht der zweite. So ähnlich hab ich vor fünf Jahren eine andere Geschichte hier vor Ort kommentiert, die wohl als Schauplatz den See Deiner Geschichte hat. Es ist „Am Sog“ von Gisanne (http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=36046)

Und schon führt uns eine unbunte Farbe in das Gebiet der Handlung - den Kanton (Grau)Bünden – und dem mit der Farbe nichts gemeinhabenden Grauen (mag manchem vorm Morgen- oder Abendgrauen grausen).

Graues Licht fällt durch das Fenster und legt sich wie ein Schleier vor die wenigen Möbelstücke der Schlafstube.
Grau liegt zwischen Weiß (hell) und Schwarz (dunkel), ist also unbunt (wenn’s denn so etwas gibt). Das Sonnenlicht – die einzige natürliche Lichtquelle, selbst der Mond reflektiert nur das Sonnenlicht – ist weiß und hell und kann zudem in die Spektralfarben zerlegt werden (was diesen Sommer der Regenbogen unaufgeregt in Serie beweist).
Doch Grau ist einem abergläubischen Volk die Farbe der Geister und ruhelosen Toten.
Und wer wollte sich davon freisprechen, nicht irgend ein absurdes Zeug für Wahr zu nehmen wie etwa, dass man die Tür eines Schrankes einem Mädchen zusprechen könnte? Doch gehn wir der Reihe nach, dass das Auffinden der Stellen leichter falle:

Ihr Bruder schließt den Schrank immer, weil er denkt, ein Kobold haust darin.
Der Appendix wäre m. E. genauer formuliert im Konjunktiv, weil wir alle nicht an Kobolde glauben, selbst wenn gelegentlich die eine oder der andere sich gleich einem Kobold gebärden würde – was Anlass gibt, die würde-Konstruktionen nachher zu überdenken.
Ein Vorschlag wäre also hier
…, weil er denkt, ein Kobold haus[e] darin. Max [ließe] die Tür nur angelehnt […], wenn …

… sämtliche Gerüche verschwunden sind: Der Beißende des Rauchs, der Süßliche von gebackenem Brot …
Die Adjektive sind m. E. allesamt klein zu schreiben, beziehen sich die Substantivierten doch auf die Gerüche – spätestens zu erkennen am Artikel (das Beißende, aber der beißende Geruch usw.)

Kein Fehler, kann aber sicherlich einfacher ausgedrückt werden

Trotz der wenigen Schneeflocken, die in das Innere wehen, geht das Mädchen zur Tür und wirft einen Blick auf den Hof,
etwa so
Trotz der wenigen Schneeflocken, die [herein]wehen, geht das Mädchen zur Tür und wirft einen Blick auf den Hof.

Hier ist ein Infinitivsatz, dem selbst ein per Volksentscheid angepasster Duden das Komma nicht verweigern kann:
„Ich wünsche mir nichts mehr[,] als wieder stark zu sein.“

Vielleicht ließen sich auch würde-Konstruktionen einschränken, wie z. B. hier
Wenn dies ein Albtraum war, würde sie gleich das Licht anknipsen und ihre Eltern vor sich sehen. Sie würden dastehen und nichts tun, selbst wenn Katrin sie anschrie. Ihre schlimmsten Träume handelten immer von vertrauten Menschen, die sich fremd verhielten,
denn was – außer der Umgangssprache, mit der man umgeht wie mit den Leuten – hindert uns daran, Hochsprache zu schreiben (oder glaubt einer wirklich, dass wir schreiben wie wir sprechen?). Zudem frag ich mich, wie etwas „sich fremd verhalten“ kann, besonders wenn es „vertraute“, nicht aber Unbekannte zeigen.
Das Adjektiv „fremd“ – keine Bange, ich komm nicht auf Karl Valentin, selbst wenn’s mich juckt – ist eine Ableitung vom Althochdeutschen (und schon Gotischen) Adverb „fram“, dessen Bedeutungsvielfalt noch im heutigen engl. „from“ als In alphabetischer Reihenfolge) „ab, aus, von, vor“ steckt und auf die Kernbedeutung „entfernt“ verweist, wie ja noch „die Fremde“ fern der Heimat ist, der Fremde/Fremdling aber jeder uns Unbekannte und Nichtvertraute.
Vielleicht eher
Wenn dies ein Albtraum war, würde sie gleich das Licht anknipsen und ihre Eltern vor sich sehen. Sie [stünden -/ ständen da] und … Ihre schlimmsten Träume handelten immer von vertrauten Menschen, die sich [wie Fremde] verhielten.
Weiter unten – Stichwort: James Cook – wird’s doch konsequent durchgeführt.
Er sah verschlafen aus, was nicht fremd war mitten in der Nacht.
Besser vielleicht
Er sah verschlafen aus, was [nichts besonderes] war mitten in der Nacht,
sonst zumindest
…, was [ihr] nicht fremd war mitten in der Nacht.

Sicherlich nicht falsch, aber doch immerhin eine kleine Versammlung der Pronomen
…, murmelte er, und sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange,
als wüsste der Leser nicht, wessen Atem von wem gespürt werde. Auflockernd könnten schlicht die Artikel verwendet werden, ohne dass allzu großer Schaden in den Besitzverhältnissen angerichtet wird.
…, murmelte er, und sie spürte [den] Atem auf [der] Wange.

Auf der Ablage befanden sich seine Rasierklingen.
„Sich befinden“ wird oft verwendet, wenn einem gerade nix besseres einfällt, was einem Schreibenden zumindest nicht offensichtlich passieren sollte. Alles befindet sich, sonst wär’s ja nicht da und würde weder gesessen, gestanden, gestellt, gelegen usw. Können Rasierklingen nicht schlicht „liegen“ oder das Päckchen mit ihnen „stehen“?

Vor seinem inneren Auge trennte Sebastian sich von dieser Hülle, von jedem einzelnen[,] gottverdammten Pickel.
Klingt wie ein Selbsthäutungsversuch, sollte aber in der Aufzählung auf jeden Fall ein Komma aufweisen.

Schöner kann eine Beziehung in der Kiste nicht umschrieben werden

„Das ist Anna, meine Frau“, sagte er und deutete auf das Handtuch neben sich.
Die Frau, das Handtuch neben mir ...

Mit ein Grund, warum ich hier gestrandet bin, ist natürlich der menschenfreundliche Henning Mankell, der für die Bedrohung durch Mord und Totschlag der Schweden verantwortlich ist

Irgendwann versank er wieder im schwedischen Ystad, wo Kurt Wallander den Mord an einem Kollegen untersuchte.

Welche junge Frau würde außerhalb des Schlachthofes darauf bestehen, Abdeckerin genannt zu werden? Halt ich für sehr übertriebene Korrektheit,
Entdeckerin
zu verwenden, zumal James Cook genannt wird, sicherlich ist er wegen seiner Menschenfreundlichkeit und Korrektheit von dummen Eingeborenen erschlagen worden …

Sie stellte sich vor, dass es solche waren, die nur auf dieser Insel lebten.
Besser vielleicht
Sie stellte sich vor, dass es solche w[ä]ren, die nur auf dieser Insel lebten.

Da fehlt was oder es ist zu viel
Mein Dad hat euch glaub zu einem Grillabend bei uns eingeladen.

Viamala
Via Mala - auseinander!

Einmal widerfährt „dem Mädchen“ doch die grammatische Geschlechtsumwandlung, und zwar genau da, wo’s bezweifelt werden darf, denn der Vortrag der Legende geht konsequent mit der Grammatik um:

Und nur weil das Mädchen als einzige gottesfürchtig gelebt hat, hat Er es auf den See geschickt, um es zu verschonen.

Sie beschwört das Bild von Patrick herauf, möchte jede Sekunde mit ihm genießen, selbst die Flüchtigen in einem Traum.
Die Flüchtigen wäre m. E. klein zu schreiben, da das Adjektiv als Attribut seines Substantives (mag das Bild gemeint sein, wesentlich näher ist die Sekunde)

Regen weicht die Erde des Grabes so sehr auf, dass sie sich in einen See verwandelt, und als das Wasser klar wird, sieht sie Patrick auf dem Grund.
Nicht die schlammige Erde, die ins Grab abrutscht, sondern das Grab selber wächst zum See an, also
Regen weicht die Erde des Grabes so sehr auf, dass [es] sich in einen See verwandelt, und...

… Patrick so an dessen Schönheit teilhaben lassen, einer Schönheit, die ihm bislang vorenthalten gewesen war.
Einfacher
…, die ihm bislang vorenthalten [blieb].

Trotz dem was dort geschehen ist.
Trotzdem, zusammen!

Abschließend sei daran erinnert, dass Kunst oft in der Beschränkung oder gar in der Andeutung und nicht im bloßen, minutiösen Beschreiben besteht. Der von mir bewunderte Akira Kurosawa z. B. zeigt in Kagemusha („Im Schatten des Krieges“) das Grauen und Elend des Schlachtgetümmels viel ergreifender, wenn er statt detaillierte Schlachtenszenen darzubieten allein den Todekampf eines waidwunden Pferdes in Zeitlupe ablaufen lässt. Umgekehrt bin ich auch nicht ganz frei von eher entbehrlichen als notwendigen Beschreibungen, ist mir auch schon hier vor Ort in der Darstellung des Mordes an Wallenstein eine vielleicht allzu ausführliche Beschreibung gelungen.

Trotz allem –
gern gelesen vom

Friedel

 

Liebe Novak

erst mal mein Gesamturteil:
ich fand es eine spannende, lesenswerte Geschichte, die mich an einigen Stellen echt schaudern ließ. Ich hab sie sehr gerne gelesen und wollte unbedingt wissen, wie das alles nun zueinanderkommen wird.

Zunächst mal vielen Dank für das Lob, es freut mich wenn dir die Geschichte gefallen hat.

Prinzipiell darf man auf jeden Fall sehr schnell "sie" schreiben, hab ich in einem anderen Fall extra mal nachgeschlagen. Es enthebt einen mancher Probleme, z. B. der Zuordnung, zu welchem Nomen das "seine" z. B. gehört. Das kriegt man dann auf jeden Fall leichter geregelt.

Schon, aber dann hast du dasselbe Problem halt mit „ihre“ bzw. „sie“. Vergleiche:

Das Mädchen trägt eine rote Jacke. Es lächelt.

vs.

Das Mädchen trägt eine rote Jacke. Sie lächelt.

Im 2. Fall könnte man stutzen und das Pronomen auf die Jacke beziehen, oder?

Etwas anderes gibts zum Thema zu bedenken: Der Vorspann hatte so einen altertümlichen, märchenhaften Touch, wie so eine alte Sage, von daher ist das "Es" und "sein" vielleicht gar nicht so falsch.

Find ich schön dass dir das aufgefallen ist. Wie ich in meiner Antwort zu Quinns Kommentar schon geschrieben habe war das einer der Gründe, weshalb ich mich letzten Endes für das sächliche Pronomen entschieden habe.

Trotz der wenigen Schneeflocken, die in das Innere wehen, geht das Mädchen zur Tür und wirft einen Blick auf den Hof.
Das passt nicht, das wenigen muss weg, denn es relativiert den sonstigen Inhalt. Das M. geht raus trotz der Schneeflocken, wenn es wenige nur sind, passt das trotzdem nicht.

Stimmt, das kann wirklich raus, ist angepasst.

Begleitet von seinem Schluchzen geht es durch das Dorf, spürt kaum den Schnee an seinen Füßen oder die Tränen auf den Wangen.
Das klingt komisch, das Schluchzen ist doch keine Person oder Hund, entweder schluchzend oder weinend.

Ich hab ein bisschen darüber nachgedacht, das Konstrukt stört mich nicht so sehr weil das Schluchzen keine Person ist. Man kann das glaub schon so verwenden. Aber das „von seinem“ ist irgendwie sperrig. Werde das ändern.

Es überkommt das Gefühl, länger als eine Nacht geschlafen zu haben – was ist in dieser Zeit geschehen?
Das klingt so ein bisschen hintenrum durchs Knie gebohrt. Es überkommt das Gefühl, das würd ich irgendwie anders formulieren.

Ja, ist nicht so toll. Wie gesagt, das war auch einer der Sätze die beim Durchlesen irgendwie nie so recht gepasst haben. Ist inzwischen geändert, hoffe es ist jetzt flüssiger.

Die Einsicht, dass nicht nur seine Familie, das Vieh und alle anderen verschwunden sind, sondern mit ihnen auch Erinnerungen an sie, schwächt es zusätzlich.
Auch dieser Satz klingt so methodisch, so negativ, zu langatmig, das schwächt für mich das eindrucksvolle Bild, dass alles weg ist, sogar die Erinnerungen.

Ist jetzt auch knapper formuliert.

Als es das letzte Bauernhaus erreicht, hält es nicht an.
Den zweiten Teilsatz würd ich positiv formulieren, die verneinte Form klingt hier für mich zu schwach, entweder "auch, als es das ...." damit dem Leser klar wird, dasss das Kind hier etwas sehr Ungewöhnliches tut, nämlich weiterzugehen, obwohl das letzte Haus erreicht ist. Oder wie gesagt, du formlulierst es positiv um.

Dann hab ich aber die Wortdopplung „auch“ an der Stelle, klingt dann in Kombination mit dem vorherigen Satz nicht mehr gut. Ich möchte hier gar nicht so sehr das Ungewöhnliche betonen, sondern einfach nur sagen, dass es das Dorf jetzt verlässt :).

Es geht über eine kleine Lichtung zum Ufer des Sees, und einen Augenblick sieht es so aus, als sei selbst er einer großen Leere gewichen.
Guter Satz, man könnte nur vielleicht der statt er schreiben, aber warum man das könnte? Ist nur ein Gefühl.

Das hatte ich zunächst sogar so an der Stelle, also wir scheinen da dasselbe Gefühl zu haben. Ich denke es ist beides möglich, „der“ ist mehr betont als „er“.

Es sind so viele; mehr, als es jemals zählen könnte, und irgendwann wird ihm bewusst, dass es alle sind.
Mit dem fettgedruckten Teil hatte ich Probleme, klingt find ich nicht nach dem, was du erreichen willst, nämlich dass ihr klar wird, dass alle tot sind, keiner mehr übrig ist.

Aber du hast verstanden worauf ich hinaus will (vielleicht mit etwas überlegen) :). Ja hab auch so ein Gefühl, das kann man eleganter formulieren. Ich frage mich, ob man den Satz nach dem „könnte“ nicht einfach beenden könnte. Denn dass es wirklich „alle“ sind kann dem Mädchen nicht bewusst werden, es kann unmöglich alle davon sehen. Dem Leser sollte es klar werden, und später wird ja erwähnt, dass alle verschwunden sind. Werde das anpassen.

2. Was mir eher aufgestoßen ist, als es und sie, das war die sonstige Fülle von Pronomina. Ich bin beim Lesen einfach manchmal gestolpert, weil ich nicht wusste, wer nun gemeint war, da könnte es tasächlich helfen, den Namen einzusetzen.
Das hab ich aber jetzt nicht im Einzelnen aufgeführt, ich denk, da schaust du eh selbst noch mal nach.

Ja da hab ich einige Stellen inzwischen angepasst. Danke auch dir für diesen Lesereindruck, wie gesagt, das sind so Sachen, die mir bei meinen eigenen Geschichten nicht auffallen.

3. Das ist "Sebastian". In der Pickelszene ist er aus meiner Sicht sehr überzeichnet.
Ich weiß, dass du das für deine Idee brauchst mit dem See, der jeden auf ganz eignen Weise "holt", aber vielleicht kannst du es ja ein bisschen abschwächen. Ich glaub schon, dass Pickel absolut nerven können und einen jungen Kerl in der Pubertät zum Wahnsinn treiben, aber so, wie er hier geschildert ist, hab ich an einen kommenden Amokläufer/Sittlichkeitsverbrecher was weiß ich denken müssen. Das hat für mich nicht richtig gepasst.

Vielleicht hast du es in meiner Antwort zu Anakreons Kommentar schon gelesen, aber Sebastians Problem geht über den körperlichen Aspekt hinaus. Es läuft vermutlich auf das hinaus, was Quinn meinte, als er sagte, es sei jenseits von subtil, und auch Friedel deutet in seinem Kommentar was in der Richtung an. Es ist schon krass an der Stelle, aber es soll krass sein. Heutzutage kann man sowas ja ganz leicht recherchieren und einfach mal einen Blick in solche Foren werfen oder Erfahrungsberichte lesen. Das eigentlich Traurige daran ist, dass die Betroffenen das in der Regel als viel schlimmer auffassen als ihre Umwelt, das ist ein zentraler Aspekt von Dysmorphophobie/BDD (s. Link den ich in meiner anderen Antwort gepostet hatte). Von daher, wenn du jetzt sagst, die Figur sei überzeichnet, wirkt sie schon ein Stück weit so wie ich sie auch darstellen wollte. Nicht-Betroffene reagieren da häufig staunend und denken, woher kommt jetzt diese Überreaktion?

Was ist denn da jetzt auf den Oberschenkeln, hat er sich selbst geritzt, beim Versuch, die Pickel loszuwerden oder hat er sich einen runtergeholt.

:)

Nee also er hat sich schon geritzt. Das ist vielleicht wirklich etwas, das raus kann, nicht weil Betroffene sowas nicht machen würden (manche machen auch das), sondern weil es für den weiteren Verlauf der Geschichte eigentlich keine Rolle spielt. Es wird übrigens später nochmal kurz angedeutet:

„Es ist – ziemlich kalt“, antwortete er, während es von seinem Körper und den Badeshorts tropfte – jenen mit den Hosenbeinen bis über die Knie.

Das klingt, als wenn er die Pickel erst jetzt hier am See bekommen hätte.

Diese neuen Pickel, die ihn in dem Moment so runterziehen, schon. Das passiert noch häufig, dass über Nacht ein solcher Schub kommt.

Ist ansonsten eine Superidee, dass der See seine destruierende Wirkung so ausübt , dass er bei jedem an der Schwachstelle ansetzt.

Das Kompliment freut mich, weil ich da ziemlich lang gegrübelt hab wie man es aufziehen kann, dass es am Ende passt. Vor allem auch, aus welchen Gründen alle drei am Ende fast zur selben Zeit an den See gehen.

Auch das finde ich genial, nicht einfach ein See, der alle aufschnabbelt und ersaufen lässt, oder ein fressendes Seevieh, nein, jeden packt der See sozusagen bei der Schwachstelle und lässt ihn genau durch die Schwachstelle sterben.

:D
Mensch, wäre mir das nur als Titel eingefallen: „Das fressende Seevieh

Und der Vater, der die ganze Zeit nichts anderes getan hat, als nach bestem Ermessen die ganze Chose zusammenzuhalten, der wird für den Mörder der gesamten Familie gehalten.

Du hast das alles sehr gut durchschaut, nur ein kleiner Hinweis: Er ist eigentlich auch dran schuld. Gedacht war das ursprünglich als ein See, der ähnliche Eigenschaften aufweist wie die berühmte Affenpfote: Er erfüllt die Wünsche von bestimmten Personen, aber das eben auf eine bösartige Art und Weise.
Beim Mädchen:
im Gegenteil, oft wird ihm die Arbeit zu schwer, dann wünscht es sich Ruhe
Die Ruhe bekommt es, indem der See alle Menschen und Tiere des Dorfes unter seiner Eisfläche „einschliesst“.

Bei Roman:

Jetzt sehnte er sich danach, dass sich auch die Wünsche seiner Familie erfüllen mochten.
Und diese Wünsche erfüllen sich; Anna findet die Kraft, den Anhänger loszuwerden, Sebastian wünscht sich, von seiner Haut losgelöst zu sein und Katrin die Umarmung der Mutter.

Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, Novak, auch für die vielen eingestreuten Komplimente.

Hallo Fitsch

Die Familie des Mädchens hat sich über Nacht aufgelöst wie dampfender Atem in kalter Luft.
Hier schimmert für mich eine omnipotente Erzählhaltung durch - daß die Eltern sich "aufgelöst" haben, kann das Mädchen zu dem Zeitpunkt nur vermuten.

Das stimmt, es ist nicht ganz korrekt. Ich müsste andernfalls ein „anscheinend“ oder „es schien, als ob“ in diesen Satz quetschen, und das finde ich dermassen unschön, dass ich diese Unschärfe hier in Kauf nehme, vor allem weil mir der Vergleich mit dem Atem auch ganz gut gefällt.

Ich fänd' im ersten Absatz einen noch früheren Hinweis auf die Zeit, in der er handelt, noch besser.

Früher als im 2. Satz (Schlafstube – sagt man heute ja nicht mehr) ;)? Evtl. könnte ich die Beleuchtung erwähnen, aber das kommt ja später und dann wärs wieder doppelt. Ist schwierig, das so einfliessen zu lassen, dass es nicht zu gezwungen wirkt.

Für eine Kurzgeschichte finde ich diese einzelne Vorstellerei aber etwas überdimensioniert.

Ich sehe diesen Punkt und habe lang überlegt, ob es nicht zu viel ist in der Geschichte. Den Kommentaren entnehme ich, dass es wohl so ist. Ganz ehrlich, ich hab auch lang überlegt ob das in der Form überhaupt für eine KG taugt. Ich hätte es noch ausbauen können, dann wärs ziemlich schnell ein kurzer Roman / eine Novelle oder was auch immer geworden, also rein von der Dimension des Inhalts her. Ich finde es selbst grenzwertig, aber du hast schon erkannt, warum das einzelne Vorstellen wichtig ist. Ich hätte sogar gerne mehr Platz dafür gehabt (und ich hab viel gestrichen, bevor diese Version online ging), aber ich werde hier keine Geschichte mit 15.000 Wörtern online stellen.

Die zwei unterschiedlichen Mordtechniken des Sees fand ich zu vielfältig oder zu unterschiedlich. Mir hätte entweder ersäufen oder zerschneiden gereicht.

Es sollte halt nicht zu trivial sein. Irgendwie fand ich einen See, in dem einfach Leute ertrinken, nicht „spektakulär“ genug. Aber vielleicht wäre auch hier – wie in vielen Fällen – das Einfache das Bessere gewesen. Ich hätte wirklich Lust, mich an der Thematik nochmal zu versuchen, es ein wenig anders aufzuziehen, also vielleicht gibt’s bald wirklich eine zweite Version der Geschichte.

Novaks´ Anmerkungen über die gelungenen Bilder schließe ich mich an. Perlen!
Dankesehr für die kurzweilige Unterhaltung.

Vielen Dank für das liebe Kompliment und deine Eindrücke zu dieser Geschichte.

Hallo Lollek

Also auf mich wirkt das so: Du hast sehr lange die Zutaten für eine wirklich gute Geschichte im Kopf gesammelt, hast dir den gesamten Plot ausgedacht, hast sehr gute Ideen gehabt und dann war die Geschichte im Kopf schon fertig. Dann hast du angefangen, zu schreiben, und es kommt mir vor, als hättest du den Drang verspürt, das alles ganz schnell abzutippen. Und dabei ist dir, glaube ich, ein bisschen die Geduld flöten gegangen.

Eigentlich nicht :)
Ich hab da lang „getüftelt“, und als ich die Geschichte begonnen habe sollte sie wirklich komplett anders verlaufen. Das hat sich alles mit der Zeit erst so entwickelt, aber ich hab mir oft gewünscht, es ginge schneller voran, vielleicht schimmert da die Ungeduld dann durch.

Ich fand die Stelle sehr gut, wo die Mutter das Medallion versenken will, da kann man die Motivation verstehen, das hätte sogar auch in Wirklichkeit so sein können, ganz ohne lebendigen See.

Das freut mich ganz besonders, weil ich persönlich finde, dass die Mutter sehr kurz kommt in der Geschichte. Da hatte ich schon die Befürchtung, man kann ihre Handlung nicht nachvollziehen oder sie wirkt zu gestellt.

leider musste ich kurz an Kevin allein zu Haus denken, und dann war der Grusel für einen Moment verschwunden.

Witzig, welche Eindrücke so alles beim Lesen entstehen … :)

Trotzdem, die Idee fand ich schon stark. überhaupt: Viele Ideen fand ich gut, aber am Ende hat sich für mich kein Gesamtbild ergeben, Mich hat das gestört, dass der Bruder dann auch noch vom See zerschnitten wird, es wäre für mich gruseliger gewesen, wenn nur die Mutter gestorben wäre und dann jemand das Amulett gefunden hätte. Vielleicht auf eine gruselige Art und Weise verändert. Vielleicht hätte man jetzt ein Lächeln auf Patricks Gesicht gesehen ... So was wäre mir lieber gewesen.

Das geht von der Idee her in die Richtung, die auch Fitsch angemerkt hat: Es ist alles ein bisschen „überdimensioniert“, vielleicht zu viel. Ja, man kann das auch viel einfacher machen, ich werde das wirklich mal probieren und bin gespannt was dabei rauskommt.

Aber: Die Dialoge fand ich teilweise richtig schlecht. Sorry.

Kein Problem, musst dich nicht entschuldigen. Ich hab da ein bisschen was gemacht, auch aufgrund Quinns Kommentar, aber um in der Geschichte jetzt die Dialoge umzuschreiben fehlt mir momentan die Kraft.

Auch Sebastian und das Mädchen (Sorry, Name entfallen) als die sich kennenlernen und dann sich später gleich Dinge erzählen, am gleichen Abend, Dinge, die sie sonst nie jemandem erzält haben, über ihre dunklen Familiengeheimnisse. Also, da kann ich wirklich nicht nachvollziehen, woher diese Vertrautheit plötzlich kommen soll, das wirkt mir gestellt, um eben die Geschichte in die Bahn zu lenken, die du im Kopf schon lange fertig vor dir hattest.

Natürlich erfüllt es irgendwo seinen Zweck, um dem Leser die Geschichte mit dem verstorbenen Säugling zu erzählen. Aber zu weit hergeholt finde ich es nicht. Sebastian befindet sich ja in einer extremen Stresssituation, ist sehr unglücklich, dann noch die Szene mit seiner Mutter kurz vorher … und Claudia ist ein Mädchen, das ihn beeindruckt, da meint er vielleicht, durch eine solche Geschichte eine besondere Art des Vertrauens aufbauen zu können. Es ist schon weit hergeholt und vermutlich ist die Figur auch zu oberflächlich beschrieben, dass der Leser das „erahnen“ könnte. Wie gesagt, mehr Platz wäre da nicht schlecht gewesen.

Wie gesagt: Eigentlich sind das die Zutaten für eine tolle Geschichte, aber ich finde, du hast dir nicht genügend Zeit gelassen beim zusammenmischen. Hast manches nur schnell grob geschnitten, damits in den Topf kommt. Ich würde dir empfehlen, das grammatikalische Geschlecht des Mädchens zu ändern. Ich würde sagen, kürze bestimmte Stellen und erweitere andere. Mehr Gewicht auf Mitte und Ende, weniger auf die Vorgeschichte. Die brauchst du zwar, um das ganze stimmig zu machen, aber nicht in dieser Länge, glaube ich.
Mir sind es auch zuviele Personen. Die Legende des Sees "am Lagerfeuer" erzählt, die gebrochene Mutter mit dem Amulett (und ihre wirklich schlimme Geschichte), das schlafende Mädchen und ihr Gang übers Eis. Und das in leisen Tönen erzählt. Mehr hätte ich nicht gebraucht.

Ich finde das sehr gut zusammengefasst und stimme mit dir in allen Punkten überein (nun ja, bis auf die Mädchen-Sache, aber dazu hab ich mich ja schon ausgelassen). Nur – diese Geschichte werde ich in der Form nicht umschreiben, ich möchte es eher – wie gesagt – neu aufziehen. Manche Elemente möchte ich belassen, manches fliegt raus und es soll einfacher, knapper und klarer werden.

Danke dir für deinen Eindruck & die ehrlichen Worte.

Hallo Friedel

14 Seiten Manuskript, engzeilig unter TNR 12 pt. ergibt so etwa 18 bis 19 Seiten bei 60 Anschlägen/Seite und 30 Zeilen je Manuskriptseite unter Courier New 12 pt.
Ja ich schreibe gerne längere Geschichten (und lese sie übrigens auch gerne). Ich hab das ja schon öfter erwähnt hier, klar gibt es auch sehr gute Geschichten auf zwei Seiten, aber ich tauche da immer gerne tiefer ein, und wenn ich nach fünf Minuten Lesen schon wieder fertig bin, ist mir das oft zu kurz. Die Geschichte hier ist glaub schon meine Längste, aber nicht wesentlich länger als die Letzten. Glaub ich zumindest.

Zudem erfordert es einige Arbeit, sei es, die Geschichte einigermaßen widerspruchsfrei zu konstruieren - obwohl: seit wann folgte ein Leben der Logik oder einer andern Gesetzgebung? - und andererseits, mehr als Unterhaltung daraus zu ziehen.

Es war gar nicht mein Anspruch, da mehr als Unterhaltung hineinzupacken.

Gleichwohl: Der Titel verspricht einiges, ist doch das „tiefe“ Wasser neben der Sonne, die Licht und Wärme verspricht, zweite Quelle des Lebens und zugleich eine Bedrohung, schlimmer als das Feuer (was das Feuer nicht schafft, schafft die Feuerwehr). Zudem: Wer ins Wasser blickt, sieht wie in einem Spiegel sich selbst.

Es ist auch ein bisschen wie das Familienleben, Sebastian bringts ja auf den Punkt:

„Ich hab gesagt, meine Familie ist nicht heil. Das sieht oberflächlich vielleicht so aus, aber so ist es nicht.“

Wie beim See und wie so vielem – von aussen schön, glatt, harmlos – aber wehe, man schaut zwei Meter unter die Oberfläche …

Grau liegt zwischen Weiß (hell) und Schwarz (dunkel), ist also unbunt (wenn’s denn so etwas gibt). Das Sonnenlicht – die einzige natürliche Lichtquelle, selbst der Mond reflektiert nur das Sonnenlicht – ist weiß und hell und kann zudem in die Spektralfarben zerlegt werden (was diesen Sommer der Regenbogen unaufgeregt in Serie beweist).

Ich werd jetzt nicht ganz schlau draus, ob dich das Grau stört oder nicht. Mit deinen Ausführungen hast du schon recht, aber in dem zweiten Satz soll ja auch schon eine gewisse Stimmung mitschwingen – du kennst ja sicher den grauen Herbst-/Wintertag, da wirkt das Licht (zumindest auf mich) schon „grau“, wenn die Sonne von schweren, tief hängenden Wolken verdeckt wird. Die kann das Mädchen aber in dem Moment nicht sehen, sondern eben nur das, was durch die Wolkendecke kommt. Wissenschaftlich mag es falsch sein, aber ich finde, es transportiert die gewünschte Stimmung.

Bei den folgenden Verbesserungsvorschlägen gehe ich nur auf die ein, die ich nicht ändere. Alles Unerwähnte ist angepasst.

… sämtliche Gerüche verschwunden sind: Der Beißende des Rauchs, der Süßliche von gebackenem Brot …
Die Adjektive sind m. E. allesamt klein zu schreiben, beziehen sich die Substantivierten doch auf die Gerüche – spätestens zu erkennen am Artikel (das Beißende, aber der beißende Geruch usw.)

Mann wie schwierig. Ich weiss es auch nicht sicher, aber ich halte mich jetzt einfach blind an die Regel: „Wörter anderer Wortarten schreibt man gross, wenn sie als Substantive gebraucht werden.“
In dem Fall handelt es sich wohl um „adjektivistisch gebrauchte Partizipien“, die gemäss Regelwerk gross geschrieben werden. Dein Einwand bzgl. des Artikels macht mich auch stutzig, aber ich finde jetzt keine Regel, die sagt, schreib das klein.

Das Adjektiv „fremd“ – keine Bange, ich komm nicht auf Karl Valentin, selbst wenn’s mich juckt – ist eine Ableitung vom Althochdeutschen (und schon Gotischen) Adverb „fram“, dessen Bedeutungsvielfalt noch im heutigen engl. „from“ als In alphabetischer Reihenfolge) „ab, aus, von, vor“ steckt und auf die Kernbedeutung „entfernt“ verweist, wie ja noch „die Fremde“ fern der Heimat ist, der Fremde/Fremdling aber jeder uns Unbekannte und Nichtvertraute.

Der Duden definiert „fremd“ u.a. als „unbekannt; nicht vertraut“ bzw. als „nicht zu der Vorstellung, die jemand von jemandem, etwas hat, passend; anders geartet“. Ich finde, das passt hier ganz gut, vor allem als Gegensatz zu „vertraut“, was ja auch in dem Satz auftaucht.
Hier greife ich dann das Wort einfach wieder auf:
Er sah verschlafen aus, was nicht fremd war mitten in der Nacht.

…, murmelte er, und sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange,
als wüsste der Leser nicht, wessen Atem von wem gespürt werde. Auflockernd könnten schlicht die Artikel verwendet werden, ohne dass allzu großer Schaden in den Besitzverhältnissen angerichtet wird.

„seinen Atem“ finde ich da noch wichtig, denn „der Atem auf der Wange“ könnte auch für ihren Atem gehalten werden. „ihrer Wange“ ist ersetzt.

Können Rasierklingen nicht schlicht „liegen“ oder das Päckchen mit ihnen „stehen“?

Hatte ich erst, aber dann „lagen Rasierklingen auf der Ablage“. Klingt scheußlich, oder? Mit „ein Päckchen steht“ kann ich mich auch nicht so recht anfreunden, da hab ich irgendwo das Gefühl, es müsste Beine haben.

„Das ist Anna, meine Frau“, sagte er und deutete auf das Handtuch neben sich.
Die Frau, das Handtuch neben mir ...

:D
Da musste ich so lachen. Wird natürlich ersetzt.

Mein Dad hat euch glaub zu einem Grillabend bei uns eingeladen.
Da fehlt was oder es ist zu viel

Nein ist schon richtig so, ist Umgangssprache.

Viamala
Via Mala - auseinander!

Geht beides, aber Wikipedia nennt die zusammengeschriebene Version zuerst und auch auf http://www.viamala.ch ist es immer zusammen geschrieben.

Sie beschwört das Bild von Patrick herauf, möchte jede Sekunde mit ihm genießen, selbst die Flüchtigen in einem Traum.
Die Flüchtigen wäre m. E. klein zu schreiben, da das Adjektiv als Attribut seines Substantives (mag das Bild gemeint sein, wesentlich näher ist die Sekunde)

Ich halte es auch hier für ein substantiviertes Adjektiv, das gross zu schreiben ist (bezieht sich auf die Sekunde).

Trotz dem was dort geschehen ist.
Trotzdem, zusammen!

Tatsächlich, du hast recht. Ich hätte Haus und Hof drauf verwettet, dass man es hier auseinander schreibt. Da ich aber finde, das sieht schrecklich aus zusammen, habe ich es jetzt in „Trotz allem“ umgewandelt.

Abschließend sei daran erinnert, dass Kunst oft in der Beschränkung oder gar in der Andeutung und nicht im bloßen, minutiösen Beschreiben besteht.

Beides ist legitim und hat seine Daseinsberechtigung, wie auch die persönlichen Präferenzen eines jeden Lesers.

Trotz allem –
gern gelesen vom

Friedel


Ich danke dir herzlich für deine zahlreichen Anmerkungen, die sprachliche Kleinarbeit und überhaupt für das Durchkämpfen durch knappe zwanzig Seiten.

Euch allen nochmals vielen Dank fürs Auseinandersetzen mit der Geschichte – und bis zum nächsten Mal.

Viele Grüße.

 

Nix zu danken,

lieber Schwups,

zu der Ausführung

Zitat:
Grau liegt zwischen Weiß (hell) und Schwarz (dunkel), ...
bemerkstu
Ich werd jetzt nicht ganz schlau draus, ob dich das Grau stört oder nicht.
Es stört mich nicht und wenn mit Farbsymbolik gearbeitet wird dann erkennt man zwischen hell und dunkel, Weiß und Schwarz die ungeheure "Grau"zone, im Grunde wieder die weite Spanne zwischen dem sog. Guten und Bösen. Selbst das berühmte "jenseits von Gut und Böse" kann nur diese Grauzone meinen.

Das ist in Ordnung, vor allem aber, dass Du Deinen eigenen Kopf hast und vor allem gebrauchst und nicht blind auf das eingehst, was der Papst oder sein Teufel so sagt, haben wir doch nicht den Kopf nicht nur zum Haare schneiden.

Zitat:
Mein Dad hat euch glaub zu einem Grillabend bei uns eingeladen.
Da fehlt was oder es ist zu viel
Nein ist schon richtig so, ist Umgangssprache.
Nunja, als von Karl Krauss und Walter Benjamin verseucht umgeht man gerne die Umgangssprache. Und gegenüber Wikipedia habe ich ein hoffentlich gesundes Misstrauen. Ich vertrau lieber dem, was ich in die Hand nehmen kann und auch ruhig drauf schlafen kann: dem Buch.

Dein Abschluss lässt mich schon fast einen Hegelianer in Dir vermuten, nach dem ja alles, was ist, vernünftig, und alles, was vernünftig ist auch sei. Aber jetzt geh ich wohl zu weit ...

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Schwups,

hab das überarbeitete Seevieh noch mal gelesen, die kleinen Überabeitungen haben ihm gut getan.

Gespannt bin ich jetzt auf die Zweitversion. Jedenfalls, wenn du sie irgendwann schreiben magst. Interessant fand ich in diesem Zusammenhang deinen Ausspruch, ich glaube, es war in der Antwort zu Lolleks Kommentar, dass dir zur Überarbeitung der Dialoge die Kraft fehle.
Mir geht das auch oft so, dass das Schreiben überhaupt ganz schön kräftezehrend sein kann, und auch, dass an irgendeinem Punk die Luft zu einer bestimmten Geschichte einfach draußen ist. Ich wollte zu meiner letzten G. ja auch eine zweite Version schreiben, ist nix draus geworden. Weiß nicht, woran sowas liegt. Schade, aber das muss man dann wohl für sich selbst akzeptieren, sonst vermiest man sich glaube ich auch die Lust am eigenen Schreiben.

Die Seite über die BDD in Zus. mit Akne hab ich interessiert gelesen. In diesem Kontext ist S. Verhalten tatsächlich erklärlich. Dennoch würde ich in einem der Sätze, die uns die Figur des S. näherbringen, eine kleine Info über diese selische Störung einbauen. Das macht es den Lesern leichter. Ich kannte zwar Dysmorphobie, aber ich wusste nicht, dass sie besonders häufig im Zus. mit Akne auftaucht.
In deinen Geschichten kann ich immer mal was Neues über bizarre Verhaltensweisen lernen, da denkt man, man liest einfach ein bisschen Grusel zur Unterhaltung und dann gibts noch eine kleine psychologische Infostunde nebenbei. :)
Ich denk zum Beispiel noch an eine letzte Geschichte, die mit dem Bild: Khan.

Und zum Schluss noch eine kleine Anmerkung zu dem Problem der substantivierten Adjektive. Ist zwar nur Rechtschreibkram und mich stört es nicht beim Lesen, aber wenn man mal die Regel für diesen Sonderfall wissen will, dazu unten was.

Hattest Friedels Korrektur so beantwortet:

… sämtliche Gerüche verschwunden sind: Der Beißende des Rauchs, der Süßliche von gebackenem Brot …
Die Adjektive sind m. E. allesamt klein zu schreiben, beziehen sich die Substantivierten doch auf die Gerüche – spätestens zu erkennen am Artikel (das Beißende, aber der beißende Geruch usw.)
Mann wie schwierig. Ich weiss es auch nicht sicher, aber ich halte mich jetzt einfach blind an die Regel: „Wörter anderer Wortarten schreibt man gross, wenn sie als Substantive gebraucht werden.“
In dem Fall handelt es sich wohl um „adjektivistisch gebrauchte Partizipien“, die gemäss Regelwerk gross geschrieben werden. Dein Einwand bzgl. des Artikels macht mich auch stutzig, aber ich finde jetzt keine Regel, die sagt, schreib das klein.

Und bei den flüchtigen Sekunden war es das gleiche Problem.

Man schreibt substant. Adj. groß, das stimmt schon. Ist aber das Nomen, auf das es sich bezieht, zu dem es eine Ausschmückung ist, in der Nähe, dann muss man es klein schreiben.

Hier was zur Aufklärung, rauskopiert aus dem Duden:

Regel 73:

Adjektive und Partizipien mit Artikel werden kleingeschrieben, wenn sie Beifügung (Attribut) zu einem vorangehenden oder folgenden Substantiv sind <§ 58 (1)>.

Mir gefallen alle Krawatten sehr gut. Besonders mag ich die gestreiften und die gepunkteten (= die gestreiften und gepunkteten Krawatten).
Sie war die aufmerksamste und klügste unter allen Zuhörerinnen.
Das blaue ist mein Auto.


Bis die Tage und lass es dir gut gehen. Liebe Grüße von
Novak

 
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Hallo Schwups

Ich beginne gleich mit dem, was mir am Meisten Schwierigkeiten bereitet hat:

Das Mädchen erwacht in Stille und Kälte
Am Abend ihrer Ankunft begleitete Anna Roman auf seinem Spaziergang
Als Katrin die Schlafzimmertür öffnete
Sebastian stand vor dem Badezimmerspiegel.
Hallo. Ich bin Rüdiger.

Du beginnst fünf Abschnitte in Folge damit, dass Du eine neue Figur einführst! Das ist too much - und auch der Hauptgrund warum ich die Geschichte nicht zu Ende gelesen habe bzw. zu Ende lesen werde.
Überhaupt finde ich die Geschichte, soweit ich kam, nervtötend. Das fängt schon mit dem kleinen, namenlosen Mädchen an. Nein, halt die Einleitung verdient einen eigenes Kapitel:

Vier Gründe warum ich den Anfang nicht mag:
1. Das Klischee. Das Horrorgenre ist durchwachsen von Klischees, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Auch „kleine Mädchen“ bilden da mittlerweile eine eigene Rubrik, die sich da noch mal unterteilt in „hilfloses Opfer“ und „Wurzel des Übels“. Das Klischee ist japanischen Horrorfilmen geschuldet und wann immer ich mir so einen ansehe, taucht ein kleines schwarzhaariges Mädchen auf. Ich weiß nicht, wie es anderen ergeht, aber Horror und kleines Mädchen ist für mich ein Grund nicht weiterzulesen.
2. Die „Es-“Debatte. Mir ergeht es da genauso wie Quinn. Dieses „es“ statt dem vernünftigeren „sie“ geht mir so was von auf die Eier, ich kann’s gar nicht genug betonen. Und sei es nun grammatikalisch vertretbar oder nicht, wenn ich weiß, dass 50 Prozent der Leser damit ein Problem haben werden, dann mache ich aus dem Mädchen einen Jungen. Punktum. Schließlich will ich nicht auf meinen grammatikalischen Rechten pochen, sondern möglichst viele Leser gewinnen.
3. Das Märchenhafte. Ist in diesem Fall eine rein subjektive Abneigung, aber so wie es geschrieben ist, ist es mir zu märchenhaft, vielleicht sogar zu kitschig.
4. Unlogik. Auf den ersten Blick ist es spannend, wie das Mädchen durch die verschneite Landschaft stolpert und dabei nach ihrer Familie sucht und weder die noch sonst jemand findet. Allerdings möchte man (oder doch nur ich?) wissen, wieso das kleine Mädchen verschont wurde. Vielleicht wird das später in der Geschichte noch aufgelöst, aber meinem Gefühl nach fehlt da noch irgendwas.


Am Abend ihrer Ankunft begleitete Anna Roman auf seinem Spaziergang

Jetzt komme ich noch mal zu dem Satz und zwar weil ich ihn immer „falsch“ lesen muss/will. Lesen möchte ich nämlich immer:
„Anna Roman begleitete ... auf seinem Spaziergang“. Häh, will man da sagen? Wo ist der Kerl, den Anna Roman begleitet?
Natürlich ist gemeint: Anna begleitete Roman auf seinem Spaziergang, aber, vielleicht bin ich da auch nur spitzfindig, ich will es immer falsch lesen. Na jedenfalls stört es mich – auch wenn das jetzt nur ein Nebenkriegsschauplatz ist.

Was mich an der Geschichte auch nervt ist, dass sie bekannten und sehr ausgetretenen Pfaden folgt. Und da komme ich schon wieder auf die Einleitung. Dieses vergangene Ereignis, wo ein Dorf entvölkert wird, dient ja als Spannungsgeber um den Leser bei Laune zu halten, wenn nachfolgenden „Einleitungen“ mit der jeweiligen Charaktereinführung Tempo aus der Geschichte nehmen. In dieser Hinsicht hat die Einleitung, zumindest was mich betrifft, komplett versagt. Da war zu wenig Neues vorhanden. Und bei der anschließenden Figurenparade war auch nichts dabei, was mich gefesselt hätte.
Ich denke ich hör hier am Besten auf. Mehr und mehr bin ich gegen diese Geschichte negativ eingestellt. Und ich vermag gar nicht mehr zu sagen, was Objektiv ist und was nicht. Also lass ich es jetzt lieber. Ich hoffe aber, dass mein Eindruck Dir dennoch helfen konnte.

Viele Grüße

Mothman

# # #

Hallo Schwups

Ich muss meinem Kommentar etwas von seiner Schärfe nehmen – man sollte einfach an einem Freitag kurz vor/ nach Feierabendbeginn keine Rezi schreiben. Nach so einer Bürowoche fühlt sich der Kopf wie ein Zeppelin an und Kleinigkeiten werden zum Aufreger – also sorry, wenn ich an der einen oder anderen Stelle über das Ziel hinausgeschossen bin.

Heute ist meine Einstellung jedenfalls eine sanftere – wobei ich grundsätzlich zu dem stehe was ich letztens geschrieben habe. Vielleicht magst Du dir die Schärfe wegdenken, falls möglich.

Erneut viele Grüße

Mothman

 

Servus Schwups,

ich muss erstmal einen relativ banalen Punkt vorausschicken, der den Stil betrifft: irgendwie hat mich in dieser Geschichte (ich kann leider nicht auswendig sagen, ob es sich in deinen anderen Erzählungen damit grundsätzlich anders verhält) die mangelnde Abwechslung in Sachen Sprechaktverben 'gestört', wenn ich denn überhaupt einen so vergleichsweise starken Ausdruck dazu gebrauchen sollte.

Vielleicht hast du aber auch bewusst einen stilistischen Minimalismus angesteuert, um den eigentlichen Kern der Story deutlicher hervortreten zu lassen. In diesem Atemzug ließe sich erwähnen, dass mir deine Sprachbilder in diesem Fall nicht annähernd so intensiv vorkommen wie in anderen Beiträgen auf kg.de. Aber wie gesagt: wenn es ausdrücklich deiner Absicht entsprach, nehm ich diesen Kritikpunkt gern zurück.

Auch ich war gelegentlich irritiert und wusste nicht, wem welches Pronomen zuzuordnen war. Und meine Vorredner beweisen, dass es nicht ausschließlich an der Uhrzeit gelegen hat. Allerdings kann man sich bei einer solchen Textfülle leicht im einen oder anderen Extrem vergreifen, was ja bereits angesprochen wurde.

Dennoch habe ich das Gefühl, dass du den Spannungsaufbau hier nicht so stringent betreibst wie in einigen deiner Vorzeigegeschichten (Film ab!, Das Böse in uns). Ich kann mir nicht helfen, aber aus irgendeinem Grund geht mir Sebastians Abgang kein bisschen unter die Haut (no pun intended) und scheint mir ein wenig zu flott abgehandelt - zumindest im Vergleich zur langen Anlaufphase, die du der Mutter hast angedeihen lassen. Und auch der Tod seiner Schwester hat mehr Gewicht, was womöglich auf die Interaktion mit der Mutter (und die morbide Ironie, dass deren erste Umarmung sie ins Verderben hinterzieht) zurückzuführen ist.

Nichtsdestrotrotz möchte ich dich für die Idee mit der individuellen Vernichtung durch den See ein großes Lob aussprechen: sehr originell!

Ach, ja: Hast du die Story vllt beim Luzifer-Verlag unter "Urlaubsalbtraum" eingereicht oder hattest das vor? Das Setting weckt spontan diese Assoziation?

Schönes Restwochenende
ts

 
Zuletzt bearbeitet:

Grüß dich, Schwups,

ich hab jetzt nicht die ganzen anderen Kommentare gelesen, nur teilweise überflogen, daher sorry, falls ich was nur wiederhole.

Erstmal grundlegend: Das legendenmäßig aufgezogene Motiv des unheimlichen See gefällt mir. Gleich den ersten Abschnitt finde ich sehr stark, die unheimliche Stimmung, die Einführung des Frühe-Neuzeit(oder so)-Settings. Hat was Irreales, Mystisches (schon weil wohl niemand ohne Schuhe durch Schnee und dann noch auf Eis gehen würde, das wär einfach zu schmerzhaft).
Dann Zeitsprung. Es wurde die Anzahl der Charaktere kritisiert - ich fand die ok. Klar sind das schon ein paar, aber es ist ja auch eine relativ lange Geschichte, und mit ein bisschen Konzentration ging das. (Rüdigers Frau hast du ja (wahrscheinlich aus diesem Grund?) z.B. auch rausgelassen.)
Ich finde die Geschichte ab hier geschickt aufgebaut, und das ist auch konsistent, z.B. wo Sebastian von der Kleeblattkette erzählt, hab ich mich an den Anfang erinnert, wo Roman sich wünschte, Anna würde diesen Anhänger ablegen, und durch solche Sachen sowie Analogien (wo Katrin die Enten findet und sich fragt, ob die Entenmutter die anderen Küken lieben könnte, wenn das letzte nicht schlüpfen würde), war es unterhaltsam zu lesen, weil man ein bisschen zu knobeln hatte und man durch diese Sachen bestätigt und auf der richtigen Fährte gehalten wurde.
Ich habe gesehen, dass gesagt wurde, dass das Ende ziemlich schnell abgehandelt wird; das kam mir auch so vor, wo sie alle zum See aufbrechen, andererseits fände ich es auch unpassend, das mehr zu strecken, weil du alles Wichtige sagst. Fragt sich also, woher dieses Empfinden kommt. Beim Nachdenken bin ich auf einen Punkt gekommen, den ich grundlegend für diese Geschichte halte: Das Motiv des Sees und das Motiv der kaputten Familie harmonieren in meinen Augen nicht so gut.
Der Aufbau ist ja klassisch; erst wird der unheimliche See eingeführt, dann die Charaktere, und am Ende kommt die Konfrontation.
Der See und die Familie haben im Grunde nichts miteinander zu tun, und das sehe ich als Problem. Beides sind starke Motive, aus denen man je eine Geschichte machen könnte, und mir kommt es so vor, als hättest du Schwierigkeiten gehabt, den Schwerpunkt zu setzen.
Würde man ihn auf das See-Motiv legen, würde man wahrscheinlich eher flachere Charaktere nehmen. Würde man ihn auf die Charaktere legen, würde der See weniger Wichtig sein, aber irgendwie zu den Charakteren passen. Ich könnte mir vorstellen, dass es dich da so ein bisschen rausgehauen hat.
Du hast den Schwerpunkt auf beides gelegt - hast starke Charaktere mit einer starken Hintergrundgeschichte, was in weiten Teilen das Seemotiv verdrängt (du hältst es zwar dadurch im Vordergrund, dass die Charaktere sich da aufhalten oder über es sprechen, aber im Grunde ist es nebensächlich). Und deswegen ist man, glaube ich, auch etwas perplex, wenn dann am Ende wieder der See dominiert.
Ich glaube, eine natürlichere Inszenierung des Stoffes wäre gewesen, das Seelegendenmäßige noch etwas auszubauen und weniger spektakuläre Charaktere zu nehmen (eben weil keine direkte Verbindung von See und Familie). So kommt sich das m.E. etwas ins Gehege.
Ich habe die Geschichte trotzdem sehr gerne gelesen, sie hat starke Stellen (z.B. der erste Abschnitt; wo Anna in die Tiefen des Sees gezogen wird; Katrins Versuch, wieder aufs Schlauchboot zu kommen), hat mich prima unterhalten, und wie immer - Hut ab vor deiner sauberen Arbeit!

Ah, ein Kritikpunkt noch zu Sebastian; die Stelle, wo er eingeführt wird, als er in den Spiegel guckt, sich selbst hasst und sich vorstellt, sich mit den Rasierklingen aufzuschneiden (auch gute Stelle, übrigens!), passt nicht zum Rest, finde ich. Durch sie hatte ich das Bild eines gefährlichen, aggressiven Psychopathen vor Augen, aber im Rest der Geschichte ist er ja eher schüchtern, selbstkritisch und sehr traurig..

Ein paar einzelne Sachen:

Er sah verschlafen aus, was ihr nicht fremd war mitten in der Nacht.
war, mitten (würd ich zumidnest machen)

Zur Sicherheit drehte er sich um, doch da war keiner mehr.
doch da war niemand (außer ihm) (?)

„Das ist nur die Luft jetzt.
Luft, jetzt (würd ich wieder so machen)

Weil sich das Schweigen in die Länge zog, sagte er das erste, das ihm einfiel:
das letzte das würde ich zu was machen (das ..., das machst du öfter, würd ich wegen Abwechslung meistens zu das..., was machen, kommt noch ein-, zweimal)

Manche Leute glauben, das Dorf hat in Sünde gelebt, und Gott hat beschlossen, es zu zerstören.
Ich würd's besser finden, wenn das, was (ha) der Rüdiger hier erzählt konjunktivisch wär.

Erst nach zwei oder drei Minuten hat sie an sich runter geschaut. Da war sein Gesicht schon blau.“
runtergeschaut; außerdem ist mir das zu schockmomentmäßig inszeniert, ich glaub nicht, dass jemand das in echt so erzählen würde, schließlich tut es weh, über so was zu sprechen, da wird man das so emotionslos wie möglich über die Bühne bringen..

Es gibt nichts Schlimmeres, als dass der eigene Sohn an der eigenen Brust stirbt.
das eigene Kind (?) (um's universeller zu machen)

„Das ist das Traurigste, das ich jemals gehört habe“
das..., was

Für Sebastian war es das Ehrlichste, das er jemals gehört hatte,
das..., was

möchte jede Sekunde mit ihm genießen, selbst die Flüchtigen in einem Traum.
flüchtigen

Bis auf die Paddel, die auf das Wasser schlugen, war nichts zu hören.
Hehe, ich sehe sie im Boot sitzen, mit den Paddeln wild aufs Wasser schlagend, sich keinen Deut fortbewegend. ;) Vielleicht eher "die in das Wasser tauchten" oder so?

Ihre vollgesogene Kleidung zog sie nach unten. Sie hustete. Als sie nach unten blickte, sah sie nur endlose Leere.
..

aber diese Bilder gehörten zum grausigsten, was er in seinen acht Jahren bei der Kantonspolizei
Grausigsten

Viele Grüße,
Maeuser

 

Hallo Novak

Lolleks Kommentar, dass dir zur Überarbeitung der Dialoge die Kraft fehle.
Mir geht das auch oft so, dass das Schreiben überhaupt ganz schön kräftezehrend sein kann, und auch, dass an irgendeinem Punk die Luft zu einer bestimmten Geschichte einfach draußen ist. Ich wollte zu meiner letzten G. ja auch eine zweite Version schreiben, ist nix draus geworden. Weiß nicht, woran sowas liegt. Schade, aber das muss man dann wohl für sich selbst akzeptieren, sonst vermiest man sich glaube ich auch die Lust am eigenen Schreiben

Ab einem bestimmten Punkt – wenn ich lange genug über einer Geschichte gebrütet und sie auch schon mehr als einmal umgeschrieben hab – hab ich einfach nicht mehr das Gefühl, sie besser machen zu können. Das heisst dann natürlich nicht, sie ist perfekt, aber einfach „ausgelutscht“ - wie du schreibst, die Luft ist raus.

Und hier werden ja teilweise sehr grundsätzliche Dinge kritisiert - bspw. zu viele Personen. Das ist nichts, was ich einarbeiten könnte, ohne die Geschichte grundsätzlich zu verändern.

In diesem Kontext ist S. Verhalten tatsächlich erklärlich. Dennoch würde ich in einem der Sätze, die uns die Figur des S. näherbringen, eine kleine Info über diese selische Störung einbauen.

Das Problem hier ist, dass Sebastian sich selbst dieser Störung nicht bewusst ist, sondern nur die Auswirkungen davon erlebt. Da diese Absätze aus seiner Sicht erzählt sind, kann ich aus dem „Rahmen“ nicht ausbrechen und die Störung auch nur anhand der Symptome beschreiben, die Sebastian erlebt.

Danke noch für deine Ausführungen bezüglich der Gross-/Kleinschreibung. Genau diese Regel Nr. 73 hat mir gefehlt :). Habe es entsprechend angepasst.


Hallo Mothman

Du beginnst fünf Abschnitte in Folge damit, dass Du eine neue Figur einführst! Das ist too much - und auch der Hauptgrund warum ich die Geschichte nicht zu Ende gelesen habe bzw. zu Ende lesen werde.

Ja, kann ich nachvollziehen wenn einem das zuviel ist. Ich habs weiter oben schon geschrieben, ich hab auch überlegt, ob der Stoff in dieser Form überhaupt für eine KG taugt. Ist grenzwertig. Ich hätte gerne das eine oder andere noch mit hineingenommen, die ganze Geschichte des Sees noch weiter ergänzt, aber dann wäre der Rahmen deutlich gesprengt worden.
Was die Figuren angeht, so hatte ich gehofft, sie einigermassen interessant gestalten zu können – die Andeutung mit dem Anhänger im zweiten Abschnitt, Katrins und Sebastians Probleme in den nächsten beiden – aber wenn der Leser denkt, das ist alles total langweilig und ich ihn damit nicht erreiche, gibt es wirklich wenig Grund, weiterzulesen.

Für die Geschichte selbst ist das Vorstellen der Figuren und ihrer Probleme – sei es mit sich selbst oder untereinander – zentral, weil es am Ende noch eine Rolle spielt. Insofern kann ich da nichts ändern, ohne die Geschichte komplett neu zu schreiben.

1. Das Klischee. Das Horrorgenre ist durchwachsen von Klischees, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Auch „kleine Mädchen“ bilden da mittlerweile eine eigene Rubrik, die sich da noch mal unterteilt in „hilfloses Opfer“ und „Wurzel des Übels“. Das Klischee ist japanischen Horrorfilmen geschuldet und wann immer ich mir so einen ansehe, taucht ein kleines schwarzhaariges Mädchen auf.

Da sind es aber Geister, oder? (Bin kein Fan des asiatischen Horrors und kenne eigentlich auch nur die US-Remakes der Filme, The Ring, The Grudge (und dort gibt es mWn auch einen kleinen Geister-Jungen), Shutter). Ich möchte dir nicht absprechen, hier an ein Klischee zu denken, finde persönlich aber, das nur aufgrund des Auftauchens eines Mädchens zu tun, ist zu streng. Und schwarze Haare hab ich ja noch nicht mal erwähnt. Wenn du diesen Massstab anlegst, wird es schwer, eine klischee-freie Horrorgeschichte zu schreiben (und vielleicht gibt es heute ja auch nur noch wenige).

2. Die „Es-“Debatte. Mir ergeht es da genauso wie Quinn. Dieses „es“ statt dem vernünftigeren „sie“ geht mir so was von auf die Eier, ich kann’s gar nicht genug betonen. Und sei es nun grammatikalisch vertretbar oder nicht, wenn ich weiß, dass 50 Prozent der Leser damit ein Problem haben werden, dann mache ich aus dem Mädchen einen Jungen. Punktum. Schließlich will ich nicht auf meinen grammatikalischen Rechten pochen, sondern möglichst viele Leser gewinnen.

Dass es da abweichende Meinungen gibt, war mir bewusst. Dass es Leser aber komplett aus der Geschichte kickt, damit hab ich nicht gerechnet. Ich hab ja begründet, warum ich mich für das „es“ entschieden habe, und es geht mir dabei nicht darum, auf „grammatikalischen Rechten zu pochen“.

3. Das Märchenhafte. Ist in diesem Fall eine rein subjektive Abneigung, aber so wie es geschrieben ist, ist es mir zu märchenhaft, vielleicht sogar zu kitschig.

Ja, das war einer der Gründe für das „es“.

Es wäre interessant zu wissen, ob durch die Änderung des Geschlechts in einen Jungen – wenn Punkt 1 und 2 wegfallen würden – auch Kritikpunkt 3 obsolet wäre (solange ich aus dem Jungen kein „Bübchen“ mache ;)). Kommt das Märchenhafte nicht nur aufgrund des Pers.pronomen?

Der Witz daran ist, dass das Geschlecht überhaupt keine Rolle spielt, also hätte ich mir wohl viel „Ärger“ ersparen können. Aber auf der anderen Seite ist das eine interessante Erkenntnis: Wie man schon durch die Änderung einer Kleinigkeit, die keine Konsequenz für die Handlung hat, einen ganz anderen Eindruck beim Leser erzeugen kann.

4. Unlogik. Auf den ersten Blick ist es spannend, wie das Mädchen durch die verschneite Landschaft stolpert und dabei nach ihrer Familie sucht und weder die noch sonst jemand findet. Allerdings möchte man (oder doch nur ich?) wissen, wieso das kleine Mädchen verschont wurde

Na ja, so dringend kann dieser Wunsch nicht gewesen sein, sonst hättest du auch die zweite Hälfte der Geschichte gelesen, denn es gibt einen Grund dafür. Also die Kritikpunkte 1-3 sind für mich nachvollziehbar, aber jemandem vorzuwerfen, inhaltliche Fragen nicht zu beantworten, wenn man nicht den ganzen Text gelesen hat, ist schon ein bisschen ... an den Haaren herbeigezogen, oder?

Jetzt komme ich noch mal zu dem Satz und zwar weil ich ihn immer „falsch“ lesen muss/will. Lesen möchte ich nämlich immer:
„Anna Roman begleitete ... auf seinem Spaziergang“. Häh, will man da sagen? Wo ist der Kerl, den Anna Roman begleitet?

Es klingt schon etwas komisch, habe das jetzt angepasst.

Was mich an der Geschichte auch nervt ist, dass sie bekannten und sehr ausgetretenen Pfaden folgt. Und da komme ich schon wieder auf die Einleitung. Dieses vergangene Ereignis, wo ein Dorf entvölkert wird, dient ja als Spannungsgeber um den Leser bei Laune zu halten, wenn nachfolgenden „Einleitungen“ mit der jeweiligen Charaktereinführung Tempo aus der Geschichte nehmen. In dieser Hinsicht hat die Einleitung, zumindest was mich betrifft, komplett versagt. Da war zu wenig Neues vorhanden. Und bei der anschließenden Figurenparade war auch nichts dabei, was mich gefesselt hätte.

Ja, ist schade, wenn nichts dabei war, das dich irgendwie interessiert hätte. Ich glaube, mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Doch, eins noch: Ich finde es gut, dass du trotz aller Abneigung und der Tatsache, dass du die Geschichte nicht zu Ende gelesen hast, deine Eindrücke hier geschildert hast. Danke dafür!

Ich werde dieses „Mädchen-es“ - Motiv in der Form sicher nicht mehr bringen, das ist jetzt klar. Auch deine Anmerkungen zum Klischee werde ich im Hinterkopf behalten. Ich habe mir über das Geschlecht der Person keine Gedanken gemacht, vielleicht ist bereits das das Klischeehafte daran – Opferrolle = Mädchen. Ändern werde ich es in dieser Geschichte wie gesagt nicht mehr, die Leser mit den negativen Kritikpunkten haben da einfach zu viele Baustellen identifiziert. Ein komplett neuer Versuch macht da in meinen Augen mehr Sinn.

also sorry, wenn ich an der einen oder anderen Stelle über das Ziel hinausgeschossen bin.

Kein Problem – ich hab dir das nicht übel genommen. Ich stelle in dieses Forum Geschichten ein, um ehrliches Feedback zu bekommen, und genau als solches hab ich deinen Kommentar auch gelesen.

Hallo tutorialslave

ich muss erstmal einen relativ banalen Punkt vorausschicken, der den Stil betrifft: irgendwie hat mich in dieser Geschichte (ich kann leider nicht auswendig sagen, ob es sich in deinen anderen Erzählungen damit grundsätzlich anders verhält) die mangelnde Abwechslung in Sachen Sprechaktverben 'gestört', wenn ich denn überhaupt einen so vergleichsweise starken Ausdruck dazu gebrauchen sollte.

Meinst du damit den Verzicht auf Synonyme von „sagen“? Ich mache das absichtlich, wird soweit ich weiss hin und wieder auch empfohlen. Es gibt da ziemlich abenteuerliche Konstrukte („Nein“, knurrte Peter – wie soll sich das anhören?), mir persönlich gefällt das nicht. Auch in Spannungsromanen findet man das häufig, die Betonung liegt dabei ja auf dem Thema das Gesagten, nicht auf der Art und Weise, wie es gesagt wird. Da beschränke ich mich dann gern auf „sagen“, „fragen“ und „antworten“.

In diesem Atemzug ließe sich erwähnen, dass mir deine Sprachbilder in diesem Fall nicht annähernd so intensiv vorkommen wie in anderen Beiträgen auf kg.de. Aber wie gesagt: wenn es ausdrücklich deiner Absicht entsprach, nehm ich diesen Kritikpunkt gern zurück.

Wenn du das an einem kleinen Beispiel verdeutlichen könntest, wäre ich dir dankbar. Was den Stil angeht, den habe ich in dieser Geschichte nicht bewusst minimalistischer gehalten als in anderen Geschichten. Es kann natürlich sein, dass aufgrund der Fülle des Inhalts das eine oder andere weggefallen oder zu kurz gekommen ist, aber wie gesagt, bewusst gemacht habe ich das nicht.

Ich kann mir nicht helfen, aber aus irgendeinem Grund geht mir Sebastians Abgang kein bisschen unter die Haut (no pun intended) und scheint mir ein wenig zu flott abgehandelt - zumindest im Vergleich zur langen Anlaufphase, die du der Mutter hast angedeihen lassen. Und auch der Tod seiner Schwester hat mehr Gewicht, was womöglich auf die Interaktion mit der Mutter (und die morbide Ironie, dass deren erste Umarmung sie ins Verderben hinterzieht) zurückzuführen ist.

Ist witzig, ich hatte es genau anders herum befürchtet – Sebastian hat zu viel Platz, die Mutter zu wenig. Aber ich merke anhand deines Kommentars – wie auch von einigen anderen – dass die Mutter als Figur besser gelungen ist. Ich denke, ich könnte Sebastians Abgang besser vorbereiten, indem ich noch mehr auf seine Probleme eingehe, denn damit hat ja auch sein „Abgang“ zu tun. Allerdings komm ich dann wieder schnell in den Bereich, wo der Rahmen gesprengt wird, und dann sind wir wieder beim Thema, ist das nicht alles schon zu viel für eine KG?

Nichtsdestrotrotz möchte ich dich für die Idee mit der individuellen Vernichtung durch den See ein großes Lob aussprechen: sehr originell!

Vielen Dank.


Ach, ja: Hast du die Story vllt beim Luzifer-Verlag unter "Urlaubsalbtraum" eingereicht oder hattest das vor? Das Setting weckt spontan diese Assoziation?

Nein, hab ich nicht und werde ich auch nicht.

Danke fürs Lesen und dein Feedback – wie gesagt, wäre cool wenn du das mit dem Sprachbild noch an einem Beispiel festmachen könntest.

Hallo Maeuser

Erstmal grundlegend: Das legendenmäßig aufgezogene Motiv des unheimlichen See gefällt mir. Gleich den ersten Abschnitt finde ich sehr stark, die unheimliche Stimmung, die Einführung des Frühe-Neuzeit(oder so)-Settings. Hat was Irreales, Mystisches (schon weil wohl niemand ohne Schuhe durch Schnee und dann noch auf Eis gehen würde, das wär einfach zu schmerzhaft)

Schön wenn das deinen Geschmack getroffen hat. Gerade der erste Abschnitt wird doch sehr kontrovers aufgefasst.

Dann Zeitsprung. Es wurde die Anzahl der Charaktere kritisiert - ich fand die ok. Klar sind das schon ein paar, aber es ist ja auch eine relativ lange Geschichte, und mit ein bisschen Konzentration ging das. (Rüdigers Frau hast du ja (wahrscheinlich aus diesem Grund?) z.B. auch rausgelassen.)

Es sollte möglichst schnell klar werden, wie die zusammenhängen – Roman und Anna sind die Eltern, Sebastian und Katrin die Kinder. Genau, Rüdiger braucht es für die Legende, Claudia um die Geschichte mit dem Anhänger unterzubringen. So hat jede Figur ihren Sinn, und auf alle weiteren wurde verzichtet.

Ich finde die Geschichte ab hier geschickt aufgebaut, und das ist auch konsistent, z.B. wo Sebastian von der Kleeblattkette erzählt, hab ich mich an den Anfang erinnert, wo Roman sich wünschte, Anna würde diesen Anhänger ablegen, und durch solche Sachen sowie Analogien (wo Katrin die Enten findet und sich fragt, ob die Entenmutter die anderen Küken lieben könnte, wenn das letzte nicht schlüpfen würde), war es unterhaltsam zu lesen, weil man ein bisschen zu knobeln hatte und man durch diese Sachen bestätigt und auf der richtigen Fährte gehalten wurde.

Das freut mich, wenn dir solche Details aufgefallen sind. Es sind solche Dinge, die den Leser auch zum Weiterlesen „animieren“ sollten und dann erst ein paar Absätze später aufgeklärt werden.

Der See und die Familie haben im Grunde nichts miteinander zu tun, und das sehe ich als Problem. Beides sind starke Motive, aus denen man je eine Geschichte machen könnte, und mir kommt es so vor, als hättest du Schwierigkeiten gehabt, den Schwerpunkt zu setzen.

Das ist ein sehr guter Punkt und trifft die Sache wohl im Kern. Daher auch das Gefühl, dass alles einfach ein bisschen zu viel ist.

Du hast den Schwerpunkt auf beides gelegt - hast starke Charaktere mit einer starken Hintergrundgeschichte, was in weiten Teilen das Seemotiv verdrängt (du hältst es zwar dadurch im Vordergrund, dass die Charaktere sich da aufhalten oder über es sprechen, aber im Grunde ist es nebensächlich)

Ich hab wirklich lange hin und her überlegt, wie ich es so hinbekomme, dass die Personen im See umkommen und das auch noch irgendwie mit ihren privaten Problemen verbinde. Das macht die ganze Sache ziemlich komplex und natürlich auch ziemlich lang. Ich wollte einfach nicht den Standard hier nehmen, dass sie einfach reingehen und in die Tiefe gezogen werden (da wären wir wieder bei Novaks Seevieh), sondern das Ganze am Ende zusammenführen – ihre Probleme innerhalb der Familie, ihre Wünsche und das Umkommen im See. Ich habs weiter oben mal geschrieben – manchmal (fast immer) ist einfacher besser, so wohl auch hier. Deine Worte bringen das sehr gut auf den Punkt.

Ich habe die Geschichte trotzdem sehr gerne gelesen, sie hat starke Stellen (z.B. der erste Abschnitt; wo Anna in die Tiefen des Sees gezogen wird; Katrins Versuch, wieder aufs Schlauchboot zu kommen), hat mich prima unterhalten, und wie immer - Hut ab vor deiner sauberen Arbeit!

Das geht runter wie Öl, vielen Dank für das Kompliment.

Ah, ein Kritikpunkt noch zu Sebastian; die Stelle, wo er eingeführt wird, als er in den Spiegel guckt, sich selbst hasst und sich vorstellt, sich mit den Rasierklingen aufzuschneiden (auch gute Stelle, übrigens!), passt nicht zum Rest, finde ich. Durch sie hatte ich das Bild eines gefährlichen, aggressiven Psychopathen vor Augen, aber im Rest der Geschichte ist er ja eher schüchtern, selbstkritisch und sehr traurig..

Siehe dazu meine Anmerkungen zu Novaks Antwort, die es ganz ähnlich aufgefasst hat, und der Krankheit, unter der leidet: http://de.wikipedia.org/wiki/Dysmorphophobie

Anmerkungen sind übernommen bis auf:

„Das ist nur die Luft jetzt.
Luft, jetzt (würd ich wieder so machen)

Ich finde das sieht irgendwie seltsam aus.

Manche Leute glauben, das Dorf hat in Sünde gelebt, und Gott hat beschlossen, es zu zerstören.
Ich würd's besser finden, wenn das, was (ha) der Rüdiger hier erzählt konjunktivisch wär.

Wenn man es laut ausspricht, finde ich, der Indikativ klingt realistischer.

Vielen Dank für dein Feedback, das Lob und die Textarbeit.

Viele Grüsse und bis zum nächsten Mal.

 

Hallo, mein lieber Schwups!

Ich habe diese Geschichte schon länger in der Lade, hab sie also ausgedruckt, bevor sie eventuell überarbeitet wurde. Alles, was ich anführe, ist aber noch drinnen in dem Text.

Ich versuche ja, wenn ich das Stück ein bisschen sacken lassen konnte, zu sagen, ob es mir insgesamt gefallen hat oder nicht. Das hat es, auf jeden Fall. Doch, wie so oft, mit Abstrichen. Ich hab allzu deutlich erkennen können, nach welchem Schema du vorgegangen bist. Du hast wirklich planvoll die Figuren eingeführt, hast jedem ein kleines Päckchen mitgegeben, das dann ein jeder auch brav zu Ende tragen muss.

Das alles wäre nicht so schlimm, dass heißt, es wäre genau richtig. Wenn der Schluss nicht ebenso wirken würde, als wäre er am Reißbrett entstanden.
Wie gesagt, das ist alles sehr schön, gut gemacht, aber irgendwie steril. Die Figuren agieren in ihren Rollen, sie leben nicht.

Ich weiß, das ist sehr schwammig, wie soll ich es festmachen?
Der Schluss, der See holt euch alle!, erscheint irgendwie grundlos, motivlos. Das stört, mich zumindest. Habe jetzt nicht hochgescrollt, wie es anderen ging.

Das Mädchen erwacht in Stille und Kälte.

Subjektive Sache: Stille und Kälte -> zwei Empfindungen, die nacheinander eintreten. Sie Stille ist vielleicht das erste Gefühl und zunächst beherrschend.

Es hasst das Gefühl des Holzes auf der nackten Haut

Eigentlich müsste es doch umgekehrt sein, nicht? Das Gefühl nackter Haut auf dem Holz.

Ohne den Hass kam die Leere, hungrig, und um sich zu füllen, fraß sie alles auf.

Das ist Geschwurbel. Ich würde es besser finden, wenn da nur stände: Ohne Hass kam die Leere.
Wirkt eher.

In der Szene hat mich außerdem etwas das inflationäre Auftreten des Hasses gestört. Das ist wieder so eine Sache, die man vielleicht besser zeigt, als das man davon spricht. Hat mich wirklich gestört.

Eine starke, prägende Szene hingegen, gerade für diesen Charakter, fand ich ich die erste Interaktion mit Claudia. Hier zeigt sich wieder mal, dass gerade in Konflikten Figuren entstehen!
Sehr schön!

Flackerndes Feuer tauchte Rüdigers Gesicht in Licht und Schatten.

Zuerst hat mir das Bild wirklich gut gefallen, muss ich sagen. Dann aber fand ich es ein wenig plakativ.

Die Schicksale Verschwundener erinnert mich an Bierce, ach herrjeh, ein Fall von geheimnisvollem Verschwinden oder so.


Und jetzt noch was, wovon ich weiß, dass du dagegen argumentieren wirst, aber ich bin unerschütterlich davon überzeugt, dass es so rechtens ist, wie ich denke:

„Und was ist mit den Tieren passiert?“ Das Thema beschäftigte Katrin.

Warum dieser Nachsatz? Dadurch, dass Katrin nachgefragt hat, bewies sie doch ihr Interesse an dem Thema. Meiner Meinung nach überflüssig.


In der Ferne sah Sebastian die Insel, und er – runzelte die Stirn.

Soll der Bindestrich Stilmittel sein? Hmm, auch überflüssig. Wenn er die Stirn runzelt, ist das schon ziemlich auffallend.


Also, wie gesagt. Ich habe unter den Text ziemlich dick Warum geschrieben.

Aber, keine Frage, deine Lektionen hast du gelernt, es war spannend, es war eingängig. Insofern eine schöne Geschichte.

Schöne Grüße von diesseits!

 

Hallo Hanniball

Ich versuche ja, wenn ich das Stück ein bisschen sacken lassen konnte, zu sagen, ob es mir insgesamt gefallen hat oder nicht. Das hat es, auf jeden Fall.

Die Meinungen gehen ziemlich auseinander, es freut mich, dass du der Geschichte etwas Positives abgewinnen konntest.

Ich hab allzu deutlich erkennen können, nach welchem Schema du vorgegangen bist. Du hast wirklich planvoll die Figuren eingeführt, hast jedem ein kleines Päckchen mitgegeben, das dann ein jeder auch brav zu Ende tragen muss.

Ja, zu sehr am Reissbrett konstruiert. Ich will das gar nicht abstreiten, denn so war es tatsächlich. Am Ende sollte einfach alles irgendwie zusammenpassen, da hab ich mich schwer getan, weil es eben auch relativ viele Figuren gibt. Ich habe lange überlegt, die eine oder andere Figur zu streichen, aber irgendwie hatte jede ihren Platz, der mir wichtig erschien.

Der Schluss, der See holt euch alle!, erscheint irgendwie grundlos, motivlos.

Prinzipiell bin ich der Ansicht, dass in Geschichten - gerade in diesem Genre - auch nicht immer alles erklärt werden muss. Gerade hier habe ich aber schon versucht, dem Ganzen ein Motiv zu geben - vielleicht zu erzwungen. Der See holt sie, indem er jedem Familienmitglied den persönlichen Wunsch erfüllt - und das, weil es der Wunsch des Vaters war:

Jetzt sehnte er sich danach, dass sich auch die Wünsche seiner Familie erfüllen mochten.

Die Frau wird ihr Medaillon los, die Tochter bekommt ihre Umarmung, der Sohn wird von seiner Haut "befreit" - das sind alles die "Päckchen" gewesen, von denen du gesprochen hast. Auch in der Einleitung wird etwas in der Art angedeutet - ein Motiv letzten Endes für das "Verhalten" des Sees ist das natürlich nicht.

Das Mädchen erwacht in Stille und Kälte.
Subjektive Sache: Stille und Kälte -> zwei Empfindungen, die nacheinander eintreten. Sie Stille ist vielleicht das erste Gefühl und zunächst beherrschend.

Hm, je nachdem. Es gibt auch das Gefühl, dass man, bevor man richtig wach wird, schon spürt, dass man friert. Aber ich wollte hier auch gar keine Reihenfolge oder so hineinbringen.

Es hasst das Gefühl des Holzes auf der nackten Haut
Eigentlich müsste es doch umgekehrt sein, nicht? Das Gefühl nackter Haut auf dem Holz.

Ja du hast Recht, das passe ich an. Das Gefühl ist natürlich auf der Haut, nicht auf dem Holz. Gut beobachtet.

Ohne den Hass kam die Leere, hungrig, und um sich zu füllen, fraß sie alles auf.
Das ist Geschwurbel. Ich würde es besser finden, wenn da nur stände: Ohne Hass kam die Leere.
Wirkt eher.

Hm, ja, irgendwie ist das so ne Stelle, die nie so richtig passen will. Vielleicht nehm ich das mit dem Hass noch komplett raus, in der Originalversion war die Stelle ja etwas länger.

In der Szene hat mich außerdem etwas das inflationäre Auftreten des Hasses gestört. Das ist wieder so eine Sache, die man vielleicht besser zeigt, als das man davon spricht. Hat mich wirklich gestört.

Da haben wirs schon :). Das haben auch andere angemerkt, ich denke das ist wirklich nicht so gelungen.

Flackerndes Feuer tauchte Rüdigers Gesicht in Licht und Schatten.
Zuerst hat mir das Bild wirklich gut gefallen, muss ich sagen. Dann aber fand ich es ein wenig plakativ.

Mir gefällt der Satz, ist sicher nichts Besonderes, aber ich finde, den kann man stehenlassen.

Die Schicksale Verschwundener erinnert mich an Bierce, ach herrjeh, ein Fall von geheimnisvollem Verschwinden oder so.

Sagt mir jetzt nichts ...

„Und was ist mit den Tieren passiert?“ Das Thema beschäftigte Katrin.
Warum dieser Nachsatz? Dadurch, dass Katrin nachgefragt hat, bewies sie doch ihr Interesse an dem Thema. Meiner Meinung nach überflüssig.

Na ja, man könnte den Satz auch gelangweilt sagen, oder? Ich selbst hatte das Bild im Kopf, wie sie sich aufrichtet, grosse Augen macht, die Stimme vielleicht schneller wird ... wie sich Kinder eben verhalten, wenn sie etwas plötzlich brennend interessiert. Vielleicht sollte ich es eher so formulieren?

In der Ferne sah Sebastian die Insel, und er – runzelte die Stirn.
Soll der Bindestrich Stilmittel sein? Hmm, auch überflüssig. Wenn er die Stirn runzelt, ist das schon ziemlich auffallend.

Ja schon eine Art Stilmittel. Es soll aussagen, dass er zunächst ohne Böses zu ahnen über den See schaut, dann auf einmal aber stutzt. Dieses "Stutzen" soll der Bindestrich ausdrücken.

Also, wie gesagt. Ich habe unter den Text ziemlich dick Warum geschrieben.

Da gehen die Meinungen immer auseinander, manche wollen Erklärungen haben, andere wiederum nicht. Es kommt auch immer auf die Geschichte an, ich habe hier eine Begründung geliefert, warum die Personen auf diese Art und Weise im See umkommen. Warum tötet der See überhaupt Menschen? Ja, das wird nicht beantwortet, aber würde es die Geschichte wirklich besser machen, wenn ich - wie auch immer - dafür eine Antwort liefere? Vielleicht wurde er mal verflucht, oder es ist ein ausserirdisches Raumschiff hineingefallen, oder es ist mal jemand drin ertrunken, dessen Geist da jetzt rumspukt ... ich frage mich, ob es für diese Geschichte jetzt wirklich relevant ist, das ins kleinste Detail zu begründen.
Wie gesagt, ich verstehe deinen Wunsch, er wird ja immer wieder geäussert, hier glaube ich aber einfach, es würde nichts bringen. Und nicht auszudenken, welche Verrenkungen ich machen müsste, um eine plausible Begründung noch einigermassen glaubhaft in diesen Text zu verpacken :).

Aber, keine Frage, deine Lektionen hast du gelernt, es war spannend, es war eingängig. Insofern eine schöne Geschichte.

Das freut mich, ebenso wie die Tatsache, dass du dir Zeit fürs Lesen & Kommentieren genommen hast. Vielen Dank, und die genannten Stellen werde ich noch ausbessern.

Viele Grüsse,
Schwups

 

Hallo Schwups

Nur eine kleine Anmerkung.

In der Ferne sah Sebastian die Insel, und er – runzelte die Stirn.

[Kommentar Hanniball:]
Soll der Bindestrich Stilmittel sein? Hmm, auch überflüssig. Wenn er die Stirn runzelt, ist das schon ziemlich auffallend.

Ja schon eine Art Stilmittel. Es soll aussagen, dass er zunächst ohne Böses zu ahnen über den See schaut, dann auf einmal aber stutzt. Dieses "Stutzen" soll der Bindestrich ausdrücken.

Wäre es da nicht Stilvoller, wenn der Gedankenstrich nach dem und erfolgt? M. E. betont es den Gehalt dann anders: In der Ferne sah Sebastian die Insel, und – er runzelte die Stirn.

Beim Lesen der Geschichte war es mir damals nicht aufgefallen, doch als Hanniball seinen Kommentar einstellte, wurde es mir auch zur Falltür.

Dass der See sein Geheimnis bewahrt, nicht preisgibt, was seine Anziehungskraft ausmacht, ist mir hingegen sympathisch. Für mich als Leser rundet sich die Kurzgeschichte ab, wie die drei Familienmitglieder den Tod fanden, und im Nachgang, der Polizist in Gedanken auch schon angezogen von dem schönen See, Ferien mit seiner Familie dort plant. Gruselig gut.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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