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Threat-Class: Millenium
Threat-Class
Millenium
Kratas schreckte hoch. War da etwas gewesen? Nein, beruhigte er sich. Es war nur seine Schlaflosigkeit. Aber, wenn er nicht schlafen konnte, dann war das sehr schlecht. Also stand er auf. „Krankenstation?“
„Krankenstation hier.“, meldete sich eine junge, männliche Stimme.
„Ist Doktor Zoukow da?“
„Ja, soll ich sie durchstellen?“
„Nein, danke. Ich komme vorbei. Ende.“
Kratas zog seine schwarze Uniformjacke an und begab sich auf den Weg zur Krankenstation.
Als er durch die Tür des Medlabs (andere Bezeichnung für Krankenstation) kam, saß Zoukow an seinem Schreibtisch und diktierte dem Computer etwas. Kratas warf dem Doktor einen Blick zu, der ihn erwiderte, ein kurzes Handzeichen gab, so etwas wie „Moment, bin gleich fertig“ und sich dann wieder zum Bildschirm wandte.
Kratas setzte sich auf eines der Betten, da es keine Stühle in der Krankenstation gab. Dann wartete er. Während der Zeit, in der er wartete, besah er sich den Raum etwas genauer. Hier war ein großer, etwa hundert Quadratmeter großer Raum, in dem zirka zwanzig Betten standen. Weiter hinten befand sich ein verschlossenes Schott, hinter dem, laut Kratas Wissen, die Intensivstation lag. Auf der gegenüberliegenden Seite lag ein großes, torpedoröhrenartiges Gebilde mit vielen Computetbildschirmen: Der Genetikscanner.
Er hörte ein leises Zischen. Verträumt, wie er gerade war, drehte er sich zur Seite und fiel beinahe vom Bett. Dort stand jemand. Eine junge, rothaarige Frau.
„Angel!“, keuchte der Offizier. „Machen sie das nie, nie wieder!“
Angel sah ihn interessiert an.
Sicherlich hatte sie nie vor, mich zu erschrecken, aber es ist wirklich nicht zu glauben, dass sie den Schreck so . . . .wissenschaftlich betrachtet, dachte Kratas, als er sich beruhigte.
„Tut mir leid, Captain. Ich hatte nicht die Absicht, sie zu erschrecken.“
„Was machen sie hier?“
„Ich bin nicht wirklich hier, sondern am Computerterminal in meinem Quartier. Ich benutze das Holoprojektor-Diagnose-System der Krankenstation, um mich hier einzuklinken und mit ihnen zu sprechen.“
Das Holoprojektor-Diagnose-System war ein System, mit dem der Doktor ein lebensechtes, holografisches Modell seines Patienten erstellen konnte.
„Sie sagten mir ja gestern, dass ich sie nur fragen brauche, wenn ich einen Wunsch habe. Nun, ich habe einen Wunsch.“
„Was wünschen Madame?“
„Ich hätte gerne einen Namen“
Kratas sah das Abbild des Androiden an. „Angel ist ihr Name“
„Ich weiß.“, antwortete Angel und sah dabei todunglücklich aus.
Die catanischen Baumeister haben ganze Arbeit geleistet, musste sich Kratas eingestehen.Ihre Trauer sah perfekt aus. Sie schien Gefühle zu haben.
„Ich habe in ihrer Datenbank gelesen, dass die Menschen immer mehrere Namen haben.“
Kratas verstand das nicht ganz. „Was?“
„Na, etwa: Dwight Eisenhower, John Fitzgerald Kennedy, Jeff Kratas.“
„Nett, dass sie mich mit zwei Präsidenten in einem Atemzug nennen.“
„Ich gab ihnen nur ein Beispiel“, stellte die Androidin klar, nicht begreifend, auf was Kratas anspielte. ( Ich verstehe es selbst nicht, aber manche Leute machen ab und zu komische Sachen)
„Ja, das sind Vor- und Nachname.“
„Und welche Bedeutung haben sie?“
Kratas sah das Hologramm an. „Sie stellen Fragen! Ich denke, dass es eine Idee war, die Freunden und Verwandten die Chance gibt, einem durch die Aussprache des Vornamens näherzusein, als wenn sie nur den unpersönlichen Nachnamen aussprechen.“
„Interessant“, gab die Androidin von sich. „Dann möchte ich mir auch einen Vornamen zulegen.“
„Und an welchen Namen dachten sie?“, fragte Kratas interessiert.
„Ich weiß es nicht.“, gab Angel zur Antwort. „Sie sind der Captain. Geben sie mir einen Namen.“
„Das kann ich nicht. Einen Namen hat jeder individuell.“
„Ach so.“ Angel schien überrascht.
„Sie werden schon einen Namen finden.“, munterte Kratas sie auf.
Sie wollte zu einer Antwort ansetzen, wurde aber durch Zoukow unterbrochen, der gerade in die Krankenstation kam. „Miss Angel, ich hätte gerne mein Diagnoseprogramm wieder.“
„Natürlich, Doktor. Gute Nacht, Captain“
„Gute Nacht, Angel“
Dann flimmerte das Hologramm kurz und sie war verschwunden.
Zoukow schüttelte den Kopf. „Sie ist so. . . . unglaublich!“
„Wieso?“
„Andauernd hackt sie sich in die Schiffssysteme. Das nennt sie: 'Einklinken'“
Kratas grinste. „Ich habe nichts dagegen, solange sie das A.I.C.S. In Ruhe lässt.“
Zoukow sah ihn hilflos an. „Aber genau deswegen klinkt sie sich in die Schiffsysteme.“
„Was?“
„Aus ihrer Sicht ist das A.I.C.S. eine Art Kleinkind, um das sie sich liebevoll kümmern muss. Und das A.I.C.S. denkt, dass Angel eine gute Freundin ist, die ihm alles zeigt. Daher hat sie leichten Zugriff auf alle Daten“
„Seit wann denken A.I.s?“, fragte Kratas halb im Scherz.
„Keine Ahnung. Aber alle meine Medlabdaten und Computerdiagnoseprogramme sind geändert.“
Kratas sah ihn an. „Angel und das A.I.C.S. haben die Programme umgeschrieben?“
„Ja.“
„Ist irgendetwas weg?“
„Nein, es ist nur. . .“
„Was?“ Kratas hatte gerade beschlossen, Angel einen Besuch abzustatten.
„Alles Daten und Diagnosen funktionieren nun doppelt so schnell.Sie werden schneller geladen, durchgeführt und besser gespeichert.“
„Alles durch Angel?“
„Ja. Also ich hätte kein Problem damit, sie als Schiffssystem zu haben.“
„Moment, Doc. Jetzt gehen sie etwas zu weit“, bremste Kratas den Doktor ab. „Wir wollen etwas warten. Vielleicht geht ja gleich die Tür auf. . . .“
Mit einem Mal ging das Schott auf. Zwei junge Crewmen kamen herein. Einer hielt Tracy Garrett in den Armen. Sie schrie wie am Spieß und war völlig blutverschmiert. Ihre Uniform war zerissen, ihre Haare zerzaust.
„Was ist passiert?“, rief Zoukow.
„Sie hat versucht, sich die Pulsader aufzuschneiden“
„Was?“, ertönte es von Kratas.
Der junge Soldat legte Garrett auf ein Bett und hielt, zusammen mit seinem Kameraden, Beine und Arme fest, während sich Zoukow zu den dreien begab, Kratas im Schlepptau.
„Wie ist es passiert?“
„Ich weiß es nicht. Wir kamen gerade aus der Mannschaftsmesse und wollten zu unseren Quatieren, als ich etwas aus ihrem Raum hörte. Dann stürzte sie aus den Tür und fiel uns direkt in die Arme.“
„NEMMT SIE WEG! NEMMT SIE WEG!“, schrie Garrett. Panisch wandte sich sich auf dem Bett. „NEMMT SIE WEG! SIE SOLL VERSCHWINDEN!“
„Wer?“, fragte Kratas.
„Lionel! Zwei Einheiten Morphium, schnell!“
Der junge Pfleger entfernte sich schnell und kam kurze Zeit später mit einem Injektionsgerät wieder.
Zoukow nahm es und injizierte es in die Halsschlagader.
Garrett wurde ruhig. Jetzt hatte Zoukow Zeit, die Pulsader zubehandeln.
„Bitte, gehen sie!“, befahl er. „Ich muss arbeiten!“
Kratas entfernte sich mit den Crewmen. „Kommen sie mit!“
Die drei begaben sich zu Garretts Quartier. Mit seinem Notfallcode überbrückte Kratas die Türensicherung. Die drei stürmten in das Quartier. Kratas sah sich um. Das Zimmer sah aus, als wäre eine Plasmagranate detoniert. Kleidungsstücke lagen auf dem Boden. Möbel waren umgeworfen oder in unmögliche Positionen verrückt worden.
„Okay. Sorgen sie dafür, dass niemand ins Zimmer kommt, ausser mir!“
„Aye, Sir!“
Kratas lief zurück zur Krankenstation. Vielleicht hatte Zoukow etwas Neues.
Aber auch der Doktor konnte ihm nichts neues sagen, als dass Garretts Zustand jetzt stabil war.
Aber sie brauchte mindestens sechs Stunden Ruhe.
Die würden ihm auch ganz gut tun, befand der Captain. Auch Taggert war der Meinung und übernahm die Wache, die er eigentlich hätte leiten sollen.
Also ließ sich Kratas von Zoukow ein Schlafmittel geben, legte sich in sein Quartier und schlief. . . sechs lange Stunden.
Als er aufwachte, fühlte er sich frisch und ausgeruht. Er zog seine schwarze Uniformjacke an, setzte die Mütze auf, salutierte, wie meistens, vor der englischen Flagge, da England sein Heimatland war und verließ dann das Quartier in Richtung Brücke. Es war wichtig, dass er sich über den neuesten Stand der Dinge informierte, bevor er nach Garrett sah.
Kurz nachdem Kratas den Turbolift betreten hatte, meldete sich Zoukow. „Captain, Commander Garrett ist wach, sie muss mit ihnen sprechen.“
„Ich bin unterwegs.“
„Also, Trace, was haben sie?“
Die Telepathin sah ihn aus geröteten Augen an. „Es. . . ich. . .“, begann sie.
„Ganz langsam“, beruhigte Kratas. Er machte sich Sorgen um die Frau, vor allem, weil sie sein erster Offizier war.
Sie setzte erneut zum Sprechen an. „Sie kam plötzlich, hat mich angegriffen. . .war in mir!“ Sie sah ihn panisch an. „Nehmt sie weg. . Nehmt sie weg!“
„Wer hat sie angegriffen?“, fragte Kratas.
„Vergangenheit. . . Trauer. . . Tod. . .Angst!“, stammelte Garrett. Sie schien geistesabwesend zu sein.
„Trace, wer oder was griff sie an?“, bohrte Kratas, nun energischer.
Sie sah ihn an. In ihren Augen stand blankes Entsetzten. „Bulk. .Engel . . Vergangenheit. . . Entsetzten. . . Tod. . .Angst!“
Damit verfiel sie wieder in irgendwelche Fieberträume. Zoukow gab ihr ein Beruhigungsmittel.
„Sie hat viel Blut verloren. Irgendeine Ahnung, was sie damit gemeint hat?“
Kratas schüttelte den Kopf. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. „Ich bin auf der Brücke.“
Zoukow nickte und Kratas verließ das Medlab. „Bulk, Engel, Vergangenheit, Tod, Angst“, wiederholte er immer und immer wieder. „Was hat sie damit gemeint?“ Kratas überlegte. „Engel sagt mir nichts. Tod ist klar. Angst auch. Vergangenheit könnte etwas mit dem Bürgerkrieg zutun haben. Dazu würde auch Tod und Angst passen. Aber was ist Bulk?“
Der Offizier dachte nach. Bulk war vielleicht eine Waffe. Oder ein Waffensystem. Ein Telepath?
Nein, schloss er im Geiste aus. Sie ist die einzige Telepathin hier. Das kam nicht in Frage. Und ein Waffensystem? Er hatte nie von einem Bulksystem gehört, aber nach dem Ende der Kaiserin Allisee Vehedrian hatten sie auch TMBs gefunden: Trans-Molekulare-Bomben. Diese Waffensysteme arbeiten nach dem Prinzip des Urknalls. Tausende Teilchen werden auf mehrfache Lichtgeschwindigkeit gebracht und dann zusammengerammt. Dabei entsteht eine Sprengkraft, die die von achthunderttausend Hiroshima-Bomben übertrifft. Man hatte den Bau dieser Bomben als unmöglich erachtet, da bei einer unkontrollierten Explosion ein schwarzes Loch entstehen konnte, dass die gesamte Umwelt um die Bombe in einem Radius von einem Lichtjahr zerstörte.
Aber diese Waffe war erfolgreich eingesetzt worden.
Also konnte es auch eine Bulkwaffe geben.
Aber er konnte auch diese Möglichkeit ausschließen, da Acher ihn sicherlich informiert hätte, wenn es so eine Waffe gab. Außerdem hatten sie nichts gescannt. Und. . . . Kratas kam ein Gedanke. Wenn es etwas mit dem Schiff zutun hatte? Dieser Gedanke beunruhigte ihn. Er musste sich besser über das Schiff informieren!
Die einzige Person, die das Schiff wie seine Westentasche konnte, war Chefingenieur Fergus Donan. Der Ire, der die Systeme der Threat überwachte, hatte auch an der Fertigstellung des Kreuzers mitgearbeitet. Als Kratas ihn auf der Brücke traf, sprach er gerade mit Taggert über die Verwendung der neuen Waffengeneratoren.
„Donan, haben sie kurz mal Zeit?“, erkundigte sich Kratas.
„Aye, Sir!“, kam zur Antwort.
Die beiden begaben sich in eine kleine Nische. „Wissen sie etwas über eine Bulk oder so ähnlich?“, hakte Kratas nach.
„Ja, aber das heißt Bulg. Der Bulgraum“ Donan schien über das Gesicht des Captain amüsiert.
„Was ist der Bulgraum?“
„Der Bulgraum ist der Raum, der ursprünglich als Brücke geplant war. Zwischen den beiden Frontgeschützen. Bei Waffentest stellte sich heraus, dass beim Abfeuern der Geschütze immer kleine Haarrisse entstehen. Einzeln nicht gefährlich, aber sie entstehen an so vielen Stellen, bis das Magnetfeld sie abgedichtet hat, ist ne Menge Luft verloren gegangen. Also wurde der Raum versiegelt und wird nicht weiter benutzt.“
„Wissen sie, wie wir da rein kommen?“
„Ja, Sir.“
Es war kurz vor 23.45 Uhr, als Kratas, Donan, Angel und drei Marines, ausgerüstet mit Raumanzügen, in den Raum kamen. Da dort alles bereits wie auf der Brücke aussah, war der Raum sehr weit verwinkelt.
„Interessant“, bemerkte Angel.
„Was denn?“, hörte sich Kratas sagen.
„Dieser Raum. Er ist fertiggestellt, wird allerdings nicht benutzt. Was für eine Verschwendung“
Kratas grinste. Langsam bewegte er sich über den Metalboden. Der Captain sah sich um. Hier war nichts. Die Taschenlampen, die sie benutzten, erhellten die Umgebung zwar, allerdings nur dürftig. Trotzdem, immerhin etwas.
Langsam umschritt er die Wand, vor der sich der zweite Teil des Raums, die Hauptbrücke befunden hätte.
Donan freute sich über den weichen Fußbodenbelag, bis ihm auffiel, dass es hier keinen Fußbodenbelag geben durfte. Schnell leuchtete er auf den Boden. „Captain!“
„Ja?“
„Sehen sie sich das mal an!“
Kratas hielt inne und wandte sich von dem abgeschotteten Hauptteil des Raumes ab. Dann begab er sich zu Donan, wo sich auch die anderen versammelt hatten. Alle sahen auf eine Leiche herab. Es war ein Mann mittleren Alters, der scheinbar erstickt war.
„Oh, Shit!“, ließ sich einer der Marines vernehmen. Die Person war noch nicht verwest, was auf die Leere schließen ließ, wie man Gegenden ohne Lufte nannte.
Kratas sah die Person kurz an. „Armer Kerl. Holen sie Zoukow her. Er soll die Leiche wegschaffen.“
Er drehte sich um und ging, interessiert wie die alten Planungen gewesen waren, durch den Schott auf die 'Hauptbrücke'.
„Oh mein Gott!“
Vor ihm saßen Leichen in den Stühlen. Einige hingen noch über den Bedienungspulten für Com, Waffen oder an anderen Stationen. Auch sie waren alle erstickt. Im Kommandosessel saß eine weibliche Leiche. Sie sah aus wie Angel. „Das meinte sie mit Engel! Sie dachte, Angel hätte sie angegriffen.“
Jetzt waren die anderen ebenfalls im Raum.
Donan starrte entgeistert auf die Toten. „Was ist hier passiert?“
Auch die Marines schienen entsetzt. Nur Angel beobachtete alles mit großem wissenschaftlichen Interesse.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Kratas. „Dort ist etwas auf ihrem Anzug.“
Donan trat näher. „Es ist ein Schriftzug: Jessica. . .“ Er sah auf, wandte sich zu Angel, dann zu Kratas. „. . . . Angel“
Kratas aktivierte die Com. „Brücke, finden sie etwas über eine Jessica Angel heraus.“
Die Antwort ließ nur wenige Sekunden auf sich warten. „Jessica Angel verschwand 2964 auf der Sternenwerft New Pearl. In der Datenbank ist sie als politische Gegnerin des Vehedrian-Regimes geführt. Daher wurde sie nach Nordmars deportiert und später zum Bau der Threat eingesetzt, wo sie verschwand.“
Kratas fühlte mit der Frau, obwohl sie nun schon lange tot war.
Dann meldete sich die Brücke noch einmal: „Captain, wir haben gerade noch eine Information erhalten: Sie war Telepathin!“
In diesem Moment schlug die Uhr von Kratas an. Es war null Uhr des 1. Januar 3000.
Millenium!
Ende