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This Must be The Place

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03.05.2016
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This Must be The Place

Mittels Smartphone suche ich das Sushi in der Dunkelheit. Eine sehr intime Taschenlampe. Nicht, weil ich eine Nachricht an V geöffnet habe und sie auf mein Display linsen kann. Sondern weil das Handy-Licht nur kleine Bereiche frei räumt. Weil ich mich mühsam durch den dunklen Raum tasten muss, um alles zu überblicken und mit meiner Erinnerung abzugleichen. Und dann erinnere ich mich, dass ich das Sushi unter das Bett geschoben habe. Als ich den Teller hervorhole, sehe ich, dass er mehr als nur halb voll ist. Das ärgert mich. Denn meine Prognose war weniger optimistisch gewesen.

Ich stelle das Nigiri auf ihrem Bauch ab. Und sie greift sich gleich eine Hand voll und legt es auf ihre Brüste. “Reiseproviant”, sagt sie und presst die Arme an ihren Körper. Ich leuchte auf das Essen und dann in ihr Gesicht. Sie schaut prüfend an sich hinunter, wie jemand, der eine Aufgabe erledigt hat und dann das Ergebnis kontrolliert. Scheinbar ist alles in Ordnung, denn sie sortiert sich wieder und blickt verschwommen in Richtung Zimmerdecke, mit ihrem müden Mädchengesicht und den leicht geöffneten Lippen. Sie liest die Nachricht an V, vermute ich. Trotzdem halte ich weiter das Handy vor ihre Augen und mache Wimpernschatten und Augenringe aus ihr.

Dann sehe ich mir wieder ihren Körper an und denke an meine Arbeit. An die nächste Woche, die Zeit danach. Dabei zerdrücke ich geistesabwesend das Sushi auf ihren Brüsten, ohne es wirklich zu wollen. Der Reis zerbröckelt und gleitet ihre Rippen entlang. Das Wasabi verschmiert ölig ihre Haut. Dabei überlege ich, wohin sie nicht reisen wird und was ich ihr aus Oslo mitbringe.
“Kommst du wieder zu mir zurück?”, fragt sie.
“Es ist keine Reise, wenn man nicht mehr zurückkehrt”, antworte ich und muss etwas lachen.

Draußen ist es sommerstill und morgen ist Montag.

Der Merrettichgeruch lässt meine Augen tränen und ich frage mich, ob ich nicht einfach nur erbärmlich aussehe. So wie ich hier vor ihm liege. Nicht sexy, nicht weiblich, eher wie eine Leichendarstellerin im öffentlich-rechtlichen Krimi. Ich wundere mich auch, warum er die Nachricht an V geöffnet hat und mir zu Lesen hinhält. Ich möchte nicht wissen, wie er “in echt” ist. Er klingt so anders, wenn er hier schreibt. “Nimm mich aus dem Verteiler das ist nicht mein Kunde.” Ohne „bitte“, ohne Satzzeichen. Im Betreff reiht sich ein AW an das andere. Bis in die Unendlichkeit, denke ich, und habe ein schwarzes Loch im Kopf. Dann lacht er mich aus, weil ich ihn durch die Blume frage, wann er wieder zurück kommt. Seiner ironischen Antwort nach, bin ich mir nicht sicher, ob er überhaupt noch Lust auf mich hat.

Und während wir all das besprechen, beschmiert er mich mit dem Nigiri. Seine Augen verschweigen dabei, ob er mich wahrnimmt. Mich als Person, als Mitmensch, als Freundin, Ich fürchte, er ist satt. In jeder Hinsicht. Doch da ist irgendetwas in mir, dass mich glauben lässt, eine andere Frau könnte seinen Hunger halten. In seiner Gegenwart vermute ich immerzu, dass ich wenig wert bin. Und wenn er weg ist, fürchte ich, dass es ihm im Wechselkurs noch deutlicher bewusst wird. Aber das ist alles mein Problem. Es ist meine Einstellung, die falsch ist. Weil ich keinen Respekt vor mir selbst habe. Weil ich am liebsten jeden Spiegel zerbrechen würde, der sich traut mein abstoßendes Gesicht einzufangen. Weil ich am liebsten aus dem Leben eine Klippe machen würde, auf die ich zulaufen kann, um mich irgendwann zerschmettert zu wissen.

Ich habe einen Wunsch. Ich möchte diejenige von uns beiden sein, die verreist. Möchte an einen Ort, den ich nur mit mir besetzen kann und alle anderen müssten sich anmelden und Eintritt zahlen. Wenn man bei seiner Logik bliebe, müsste man eigentlich sagen: Ich möchte nicht verreisen. Denn wenn ich einmal weg bin, will ich nicht mehr zurückkehren. Aber ich nenne es trotzdem so, eine Reise. Ich brauche das, um mir klar zu machen, dass sich Unsicherheit lohnt. Vielleicht auch um mich zu überzeugen, dass es noch nicht das Ende ist.

Dann stehe ich auf, schalte den Beamer ein und starte den Film. Die Musik erfüllt mich warm und exklusiv. Es ist immer nur die Musik, die mich wirklich berührt. Und dann bin ich einen Moment lang selbstbewusst und beschließe: Das hier muss der Ort sein.

 

Hej Alida Montesi,

deine Geschichte ist interessant geschrieben, etwas kompliziert, ich konnte sie nicht in einem Rutsch lesen, steckte fest, dachte nach, las weiter, weil ich glaubte, es erschließt sich mir sowohl der Inhalt, als dass ich mich auch an den Rhythmus gewöhne.

Der Perspektivwechsel machte es nicht wirklich leichter. :shy: Aber, hej, ich bin nicht doof!

Doch am Ende hab ich das Gefühl, all das nicht verstanden zu haben, was du nicht geschrieben hast.

Außer, Mann, Frau, (wer um Teufel ist 'V'?), abends, nackt, Abschied, und unklare Beziehungsverhältnisse habe ich nicht Zuviel kapiert. Achja, sie hat ein kleines Selbstbewusstseinsproblem.

Spaß hat sie mir nicht gemacht, aber mir ein etwas anderes Leseerlebnis beschert. ;)

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Alida Montesi,
also mir gefällt die Geschichte. Und muss jetzt feststellen, dass es viel schwerer ist zu sagen, warum einem etwas gefällt, als warum nicht.
Sie regt meine Phantasie an. Da ist dieses Paar am Ende einer Beziehung, mehr muss ich über die beiden nicht wissen. Das Sushi steht für den Sex im allgemeinen, und dass dem einen der Teller zu voll ist und der anderen die Augen tränen, sagt so ziemlich alles darüber aus, wie es damit mittlerweile bestellt ist.
Der Perspektivenwechsel ist klasse.
Die Mail ist klasse. Er gibt etwas preis, aus dem Leben, mit dem sie nichts zu tun haben soll und will, und dann ist es eine banale Geschäftsmail.
Gut geschrieben ist es allemal.
Nur zwei Anmerkungen:

Trotzdem halte ich weiter das Handy vor ihre Augen und mache Wimpernschatten und Augenringe aus ihr.
Wie kann er Wimpernschatten aus ihr machen? Ohne das "aus" verstünde ich den Satz besser. Also "... und mache ihr Wimpernschatten und Augenringe."
Seiner ironischen Antwort nach, bin ich mir nicht sicher, ob er überhaupt noch Lust auf mich hat.
Hier kann das Komma nach "nach" weg, aber eigentlich würde ich es umdrehen wollen: "Nach seiner ironischen Antwort bin ich mir nicht sicher, ..."

Viele Grüße
Ella Fitz

 

Hallo Alida,

ich mag solche Texte. Das ist für mich wie ein Sandkasten, in dem ich nach etwas suche.

Allerdings könnte dieser etwas allegorische Stil nicht zuletzt den Schnulzenliebhaber überfordern. Man muss sich schon reindenken. Und irgendwie, hach, deprimiert der Text zwischendurch auch ganz schön. Ich mag es nicht, wenn irgendwo eine Miss- oder Mangelkommunikation vorherrscht. Aber das ist mein Geschmack, mein Leid, mehr nicht. Es ist gut, dass das mal irgendwie zur Sprache gebracht wird.

Alles in allem: Fein! Ich les von dieser Sorte Text gerne mehr.

LG
Schleife

 

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