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Thekengespräch
Thekengespräch
„Ein grosses Soda-Zitron, bitte!“
„Neu hier? Zigarette?“ Stammgast Schorsch hielt dem Neuen seine Packung „Memphis Red“ hin.
„Ja. Nein. Danke.“ Der Neuankömmling schüttelte den Kopf und schenkte seinem Thekennachbarn ein freundliches Grinsen.
„Schorsch.“, sagte Schorsch und hielt dem Neuen bierselig die Hand hin.
„Brenner.“, sagte Brenner, schüttelte flüchtig die angebotene Arbeiterpranke und bezahlte sein Getränk.
„Du trinkst nichts? Du rauchst nicht?“, erkundigte sich Schorsch neugierig.
„Erraten. Beides nicht.“
„Schön. Ist ja auch viel gesünder.“
„Eigentlich geht’s mir mehr um’s Geld.“
„Ach was.“
„Doch, doch. Kostet ja ein Schweinegeld.“
„Ich kann’s mir locker leisten. Hab ’nen guten Job.“ Schorsch zündete sich eine neue Zigarette an. „Mensch Babsi, kannst du nicht mal diesen Dreck hier ausleeren?“, motzte er die junge Barfrau an und schob ihr dabei seinen überfüllten Aschenbecher hin.
„Und was verdienen sie in ihrem guten Job?“ Brenner nippte an seinem Soda.
„Ach, runde zweitausend. Ist doch nicht übel, oder?“
„Klingt gut.“ Neuerliches Nippen. „Und wieviel rauchen sie so pro Tag?“
“Na viel zu viel. Soviel steht fest.“ Schorsch lachte heiser, verschluckte sich am Zigarettenrauch und liess ein tiefes und rasselndes Husten vom Stapel.
„Nein, nein, ganz im Ernst jetzt. Wieviel?“ Während er das fragte klopfte Brenner seinem Nachbarn mitfühlend den Rücken.
„Also auf drei Packungen komm’ ich schon.“ Schorsch wischte sich mit dem Handrücken die Spucke von den Lippen.
„Pfuh. Nicht übel, sprach der Dübel.“
„Tja.“
„Noch nie nachgerechnet, was sie der Spass im Jahr kostet?“
„Willst du mich jetzt irgendwie deprimieren, oder was?“
„Aber nicht doch. Ich versuche ihnen doch nur näher zu bringen, warum ich meine Finger von dem Zeugs lasse.“
„Naja. Ich schätze ein paar Hunderter werden schon draufgehen.“
„Optimist.“
„Hä?“
„Was kostet eine Packung?“
„Drei Sechzig.“
Brenner holte sein Telefon aus der Jackentasche hervor. „Na mal sehen.“ Er begann zu tippen. „Drei Sechzig mal drei Packungen mal dreihundertfünfundsechzig Tage ... das wären dann ...“ Mit gespieltem Erstaunen zog er die Augenbrauen in die Höhe. „Ho Ho. Nicht schlecht Herr Specht.“
„Na?“ Schorsch blinzelte auf das Telefon in Brenners Hand.
„Dreitausendneunhundert und ein paar Zerquetschte.“
Schorsch’s Mundwinkel wanderten ein gutes Stück nach unten.
„Oder anders formuliert: für das gute Nikotin gehen sie pro Jahr mal eben so zwei Monate zur Arbeit. Sind sie noch entspannt?“
„Geht so.“ Schorsch beschloss, dass es an der Zeit für ein frisches Bierchen war. „Babsi, noch ein Kleines für mich!“
„Das ist dann das nächste.“, nickte Brenner zu Schorsch’s leerem Bierglas hin.
“Was? Das Saufen?“
„Exakt. Sie sind wohl öfters hier?“
„Jeden Tag nach der Arbeit.“ Schorsch nahm einen kräftigen Schluck und wischte sich den Bierschaum von der Oberlippe. Brenner nahm die Karte zur Hand und begann darin zu blättern.
„Drei, vier, fünf, oder noch mehr?“
„Du meinst Bierchen? Vier könnten so ungefähr hinkommen.“, antwortete Schorsch vorsichtig.
„Na mal sehen. Ein kleines Bier kostet zwei Euro gerade heraus. Ich bin jetzt mal nett zu ihnen und behaupte, dass sie höchstens hundertfünfzig mal im Jahr hier sind.“ Wieder tippte er eifrig auf seinem Handy und stiess er einen leisen Pfiff aus. „Tausendzweihundert. Prächtig, prächtig.“
Schorsch bedachte sein halbleeres Glas mit einem angewiderten Blick, während Brenner den letzten Schluck seines Getränks hinunterkippte. „Ok Schorsch. Ich muss dann wieder. War nett mit ihnen zu plaudern.“ Er klopfte Schorsch zum Abschied noch einmal aufmunternd auf die Schulter. Schorsch hob wortlos die Hand zum Gruß während Brenner das Lokal verließ. Nachdenklich sah er ihm nach.
„Was für ein Arschloch.“, verkündete er laut. „Babsi, noch ein Kleines für mich. Und hast du Memphis Red?“