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The Oak Inn oder Aus unerklärlichen Gründen starben in Edinbourgh 3 Menschen
Schon zwei Tage war sie in der dunklen, fremden, großen Stadt gewesen. Schüchtern hatte sie sich in dieser Zeit die Sehenswürdigkeiten, Land und Leute angesehen. Heute Abend aber wollte sie Mut zeigen. Heute Abend würde das überhaupt größte Ereignis für sie stattfinden. Schließlich war sie schon alt genug. Ihre Umwelt sollte sich wundern!
Sie zog sich um, schminkte sich dezent und verließ um 20.00 Uhr das Haus. Die Straßen lagen im Dämmerlicht und scheu um sich blickend ging sie, man sollte es nicht glauben, in einen Pub. Sie mußte schon allen Mut zusammennehmen, aber schließlich trat sie todesmutig ein und, Totenstille kam mit ihr in den Raum. Nur die Musikbox spielte „Send me an angel“, doch nicht mehr lange.
Der Wirt war so von ihrem Antlitz gefesselt, daß er über seinen Hund stolperte und beim Fallen das schlecht isolierte Kabel mit sich riß. Die Folge davon war, daß nicht nur die Musikbox unter Strom stand. Unter ihrem Make-up lief sie rot an. Sie wollte ja wirklich nicht, daß jemand wegen ihr Ungelegenheiten hatte. Vorsichtig stieg sie über den vom Stromschlag noch zitternden Wirt. Sie fragte sich, ob es ihm vielleicht peinlich war, daß er gestolpert war, da er so rot angelaufen war, traute sich dann aber nicht, ihn darauf anzusprechen, da er immernoch scheinbar verletzt am Boden lag.
Sie tastete sich zum Tresen heran und hauche:
„Whiskey, please.“
„On the rocks or with soda?“,
fragte die Frau hinter dem Tresen.
Da sie hohe Schuhe trug und lieber auf einem bequemen Sofa als auf harten Felsen saß, flüsterte sie:
“Soda“,
leise, aber mit solcher Bestimmtheit, daß sich ihr Nachbar zu ihr herumdrehte. Sie lächelte in an. Von ihrem Anblick gepackt, griff sich der schon etwas ältere Herr ans Herz und kippe rückwärts vom Barhocker. „Aber das war doch nicht nötig“, sagte sie, bedankte sich und ließ sich auf dem freigewordenen Barhocker nieder.
Sie nahm einen Schluck Whiskey und schaute sich zögernd um. Schräg hinter ihr saß er. Ein wahrer Adonis. Ein bisher unbekanntes Gefühl durchströmte ihren Körper. War das Liebe? Schnell drehe sie sich wieder um. Sie würde seinem Blick nicht standhalten können, wenn er sie ansähe. Unsicher zog sie einen Spiegel hervor und kontrollierte ihre zartblauen Wangen und Lippen. Das dezente Schwarz um ihre Augen war noch perfekt bis an die Schläfen hochgezogen, die wiederum mit einer Spur blauem Rouge betont waren. Sie zupfte noch ein paar blaue Strähnen aus ihrem auftoupierten Haar in die Stirn und steckte den Spiegel wieder ein. Wie konnte sie, die Fremde, die Einsame in der großen Stadt, diesen netten jungen Mann kennenlernen? Sie faßte sich ein Herz, ging an ihm vorbei zur Musikbox und las leise die Titel vor sich hin. Ihr Traummann hinter ihr stand auf. Er betrachtete sie lange und trat einen Schritt auf sie zu und wieder zurück. Sie bemerkte ihn nicht. Er setzte sich wieder, sie schien ihm zu gefallen. Er wollte sich wohl ein Herz fassen, stand auf, schüttelte verzagt mit dem Kopf und setzte sich abermals. Immerhin beobachtete er sie, wie auch schon vorher, und er dachte auch noch daran, daß ja die Musikbox unter Strom stand.
Gerade als er diesen Gedanken fertiggedacht hatte, machte sie eine Bewegung, von der er annahm, sie würde jetzt gleich ein Geldstück einwerfen und ein Lied drücken. Er sprang auf, hechtete über zwei Tische, dann noch eine Flugrolle und er wäre bei ihr. Er suchte und fand Ihre Augen, sie aber zögerte, wich ein wenig von der Musikbox zurück und drehte sich um. Ihr Adonis war verschwunden! Sie dachte, es würde ihr das Herz zerreißen. Der erste Mensch, für den sie sich hier interessiert hatte, war verschwunden. Die Tränen traten ihr in die Augen. Das war wohl auch der Grund dafür, daß sie nicht merkte, daß ihr Retter und Traummann selbst an der Musikbox klebte.
Besser so, sie hätte es nicht verstanden. Traurig, betrübt und wieder alleine verließ sie den Pub, um ihren Traummann zu suchen. Vielleicht sucht sie noch heute in Edinbourgh, und wenn Sie ihr einmal begegnen, sollten Sie ihr nicht zu tief in die Augen schauen. Es könnte das letzte Mal sein, daß Sie überhaupt jemandem in die Augen sehen. Der Wirt, der den Pub übernahm, wußte schon, warum er das Abbild der Medusa über die Tür hängte.