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Texas Joe - Urintherapie
Texas Joe ist unter die Trinker gegangen. Unter die Urintrinker. Oder zumindest hat er es vor. Das heißt: Er sollte es vorhaben müssen, weil diese Welt so ist wie ist. Er hat nämlich von seinem neuen Boß dieses blöde Buch geschenkt gekriegt: "Schöner aussehen - gesünder leben - Urin trinken!" Scheißtyp.
Eigentlich müßte Texas Joe es ja wenigstens mal versuchen - nur für den Fall, daß sein Boß ihn nach ein paar Tagen fragen sollte, wie's denn so wirkt. Und er ist leider ein zum Kotzen schlechter Lügner. Also sitzt er schon den ganzen Tag mit dem Buch im Badezimmer und verkündet durch die halboffene Tür alle paar Minuten neueste Erkenntnisse über den Wundersaft. Daß er gegen Warzen hilft. Und Keuchhusten. Und Schwangerschaftsstreifen. Und Menstruationsbeschwerden. Allerdings nur, wenn man den guten naturtrüben rechtsdrehenden Morgenurin (das olle stinknormale Tagsüberzeug kannste voll vergessen!) bei Vollmond aus einem mundgeblasenen schwedischen Bleikristallbecher in sehr kleinen Schlucken trinkt...oder so.
Doch Texas Joe ist aus verständlichen Gründen etwas skeptisch. Zum einen kann er sich nicht recht entscheiden, welche der vielen urintherapierbaren Krankheiten, die er aus dem medizinischen Lexikon rausgesucht hat, er sich zulegen soll, zum anderen drängt sich ihm eine eigentlich sehr naheliegende Frage auf: Wenn das Zeug so unheimlich toll und gesund ist - warum in Hugos Namen veranstaltet unser Körper dann immer so einen Heidenspektakel, um es loszuwerden? (Bevorzugt auf der Autobahn, nachmittags um vier, wenn man noch ein paar Staukilometer vor sich hat...) Hat Mutter Natur das Buch vielleicht nicht richtig gelesen? Oder ist es doch wieder das erschreckend banal Naheliegendste: Alles Humbug?!
Wer weiß - vielleicht sind wir auch einfach zu altmodisch und zu borniert-verkrampft mit unserem Körper und so. Typisch westliche Zivilisation eben. Die Inder und so, die sind da ja ganz anders...blabla. Ich glaub, ich hör unsere Nachbarin sprechen, die mit dem lila Strohut und den lustigen Flicken auf der Latzhose, die ihre Wohnung nie putzt, "damit der Kleine nich so verweichlicht gegen die Bazillen und so..." Dumme Kuh. Gib doch zu, daß du nicht weißt, wie die Domestos-Flasche aufgeht. Kommt wohl von übermäßigem Urinkonsum.
Zu welchem sich Texas Joe noch immer nicht so recht durchringen kann. Wahrscheinlich wäre es das beste, wenn er seinem Boß die nächsten Wochen einfach so gut wie möglich aus dem Weg geht. Zur Not kann er sich ja auch krank schreiben lassen - vorzugsweise wegen etwas, das man NICHT mit Urintherapie bekämpfen kann...Krebs oder so.
Schließlich biete ich Texas Joe - quasi so zum üben - einen Scotch an. Der ist auch goldgelb und wird handwarm serviert. Die plötzlichen philosophischen Zweifel, ob wir nicht wenigstens mundgeblasene schwedische Bleikristallbecher verwenden sollten, betäuben wir mit weiteren kräftigen Schlucken aus dem guten alten Plastikzahnputzbecher mit Hustensaftlogo drauf. Man soll schließlich immer klein anfangen. Weiter kommen wir an diesem Abend allerdings nicht mehr. Wollten wir auch gar nicht. Irgendwo muß schließlich mal Schluß sein.