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Moin zusammen,
die "Hausaufgabe" eines Freundes lautete: »Schreib eine KG mit maximal 1500 Wörtern und dem Titel: Tequila, Tod und Meuterei.«
Am Ende sind zwei Geschichten dabei herausgekommen. Welche gefällt euch besser?
Tequila, Tod und Meuterei II (Drei Buzzwords - Zwei Stories)
Karibisches Meer, 1576
Der Kapitän war tot.
Sie hatten ihn an der Rah aufgeknüpft, bis sein Gesicht ganz lila angelaufen war. Das brachte ihn nicht um, also holten sie ihn wieder herunter. Der Alte würgte und keuchte und dann stach ihm Mr. Godfrey ein Entermesser in den Wanst. Ein leiser Furz war das Letzte, das dem Körper entfuhr, bevor er wie ein gefällter Mast aufs Deck fiel.
Snud hockte auf einem festgezurrten Fass und beobachtete das Geschehen. In Gedanken versunken, drehten seine schwieligen Hände die Meerschaumpfeife hin und her, durch ihren täglichen Gebrauch glänzte das Gestein wie blankpoliert. Der Kapitän hatte ihm dieses Kleinod bei ihrem zweiten Treffen geschenkt, es war von Bedeutung. Und nun fledderten die Männer, die dem Anführer eigentlich hätten dienen sollen, seine Leiche, nur wenige Schritte entfernt.
Bei diesem Anblick wuchs Snuds Groll. Halsabschneider waren sie, alle miteinander. Wie konnten sie nur? Dies hier war sein Schiff. Der Kapitän war sein Freund gewesen. Er würde ihnen beibringen, dass es nicht ohne Konsequenzen blieb, wenn man das Ruder selbst in die Hand nahm. Unsichtbar für die Augen der Seeleute sprang der Klabauter vom Fass und kletterte in die Takelage. Unter ihm warf die Meute den Toten über Bord. Futter für die Haie.
»Sollen die Biester an seinem feisten Arsch ersticken«, polterte Randall Garlick mit Reibeisenstimme, gefolgt von seinem Lachen, das klang, als würden Stahlnägel in einer Kaffeemühle zerrieben. Harr, Harr, Harr. Zufrieden ließ er die silberne Taschenuhr in seiner Weste verschwinden, Garlicks Beute im Kampf um die Habseligkeiten des Kapitäns.
Mehrere der Männer stimmten in sein Gelächter ein, ihre Laune war gut, jetzt wo die Meuterei geglückt war. Keiner von ihnen war so verblendet gewesen zu denken, dass sie ihr Ziel kampflos erreichen würden. Sieben Leichen lagen an Deck des Dreimasters, die kabbelige See ließ das vergossene Blut von der Ladeluke bis zum Aufgang und wieder zurück fließen.
Der große John Godfrey rückte sich den Dreispitz des Kapitäns zurecht und trat breitbeinig neben Garlick. »Hergehört Männer! Wir haben getan, was getan werden musste!« Er ließ den Blick über die Mannschaft wandern. »Ich sage zum Teufel mit Königin Elisabeth und ihrem Kaperbrief! Zum Teufel mit der Prisenabgabe! Ab jetzt sind wir uns selbst am nächsten! Lasst uns Holländer und Spanier jagen!«, rief er und reckte dabei das Entermesser in die Luft. Die Matrosen jubelten, wohl wissend, dass sie sich durch ihre Tat von Freibeutern im Dienste der englischen Krone zu gesetzlosen Piraten gewandelt hatten. Godfrey murmelte dem untersetzten Bootsmann Garlick etwas zu und wandte sich dann ab.
»Laffet, ab mit dir ins Krähennest, halt die Klüsen auf!«, rief Garlick, woraufhin einer der Männer in die Wanten stieg und behände die Takelage emporkletterte. An die Menge gerichtet, strich sich der Bootsmann eine fettige Haarsträhne aus den Augen und wies sie weiter an: »Trimmt die Segel und luvt an, bringt dieses ostindische Schätzchen auf Fahrt. Morgen speisen wir auf den Kaimaninseln, bevor ...«
Ein gellender Schrei von hoch oben ließ ihn innehalten und eine Sekunde später schlug Laffets Körper wie eine Lumpenpuppe aufs Deck. Mit dumpfen Klatschen prallte er von der Nagelbank des Großmastes ab und blieb mit verdrehten Gliedern liegen.
»Was zum Henker ...«, murmelte Garlick und schaute wie fast alle anderen nach oben in die Takelage. Niemand sprach auch bloß ein weiteres Wort, nur die Segel knatterten im Wind.
Snuds Laune besserte sich. Das hatte gut geklappt. Der Affenmensch, den seine Freunde Laffet nannten, war flink durch die Wanten geklettert. Genau auf ihn zu. Er hatte bloß abwarten müssen, bis der Mann auf seinem Weg zum Ausguck die Saling erreichte, auf der Snud kauerte. Kurz den Tarnzauber fallen gelassen, war er direkt vor Laffet sichtbar geworden und hatte seine spitzen Zähne gebleckt. Er hatte überlegt auch noch »Buh!« zu rufen, doch das war gar nicht nötig. Der junge Affe erschrak bereits über Snuds Anblick so sehr, dass er daneben griff und in die Tiefe rauschte.
Die Meuterei war ein Fehler gewesen, dessen war sich Henry sicher. Laffets tödlicher Sturz war ein Zeichen. Er kannte keinen Kameraden, der besser klettern konnte. Sein Blut klebte an ihren Händen. Vom Tod der anderen acht ganz zu schweigen.
»Mach schneller, sonst sorge ich dafür, dass du die Neunschwänzige zu spüren bekommst!«, riss ihn Garlicks Reibeisenstimme in die Gegenwart zurück. Der stets übellaunige Bootsmann schaute auf Henry herab, dieser schrubbte ein wenig energischer.
Acht gute, gottesfürchtige Männer. Ihre Leichen gefleddert und ohne den Segen des Herrn in den Untiefen des Meeres versenkt. Die Hölle würde den Rest dieser Mannschaft gebührend empfangen.
»Bootsmann, auf ein Wort.« Zwei Piraten kamen von achtern herangeschlendert.
»Was wollt ihr?«, fragte Garlick.
»Jetzt, wo Kapitän Godfrey das Kommando hat, haben wir uns gefragt, ob er uns erlaubt, ›das fremdländische Fass‹ anzustechen.«
»Saufbolde seid ihr, alle beide.« Garlick grinste die beiden an. »Ich werde eure Bitte noch heute dem Kapitän vortragen«, sagte er und hieb dem Nächststehenden kameradschaftlich auf die Schulter.
Das fremdländische Fass. Das wäre in der Tat eine Möglichkeit. Snud saß in der Nähe des Besanmastes und beobachtete die Piraten bei ihrem Treiben. Henry, der Schiffsjunge, tat dem Klabauter ein wenig leid. Der Mensch war ganz blass um die Nase, wie er so da auf allen Vieren das Rot von den Planken schrubbte. Die beiden Männer, die nach dem Fass gefragt hatten, gingen unter Deck und auch Garlick ließ Henry allein zurück.
Snud grübelte über seine nächsten Schritte. Das Fass. Wo genau befand sich die hölzerne Tonne? In der Kapitänskajüte. Der Kapitän … der echte Kapitän, hatte es aus gegebenen Gründen in sein persönliches Quartier schaffen lassen, kurz nachdem sie vom Kloster an der Küste von San Luis des Tampico abgelegt hatten.
Snud hatte einige Geschichten über den Inhalt des Bottichs aufgeschnappt, die Männer spekulierten darüber, welches Gebräu sich wohl darin befinden würde. War es zuckersüßer Rum? Oder fruchtiger Rotwein?
Doch der Kapitän beanspruchte das Gefäß für sich allein. Wie Snud aus erster Hand erfahren hatte, war es das Geschenk eines Franziskanermönchs, der es wiederum von einem inländischen Händler erhalten hatte. Der Kapitän hob es für seine triumphale Rückkehr nach Portsmouth auf, dort hätte er es mit seinem ältesten Sohn angestochen.
Wenn diese Verräter ihn nicht vorher umgebracht hätten. Snud ballte seine kleinen Hände zu Fäusten, die spitzen Nägel stachen in seine Haut. Ja, so würde es gehen. Alle auf einmal. Fast alle.
Er nahm sich Zeit, um die Zauber mit sorgfältigen Gesten zu weben, dann pflanzte er dem Schiffsjungen Henry und wenigen weiteren guten Seelen an Bord eine Abneigung gegen den Inhalt des Fasses in den Geist. Sie würden nicht davon trinken wollen.
Der Klabauter trippelte über das Deck und wich einem Piraten aus, der mit einer Holzbohle über der Schulter seinen Weg kreuzte, so erreichte er die Tür zur Kapitänskajüte, direkt unter dem Achterdeck. Snud flüsterte die magischen Worte und schon drehte sich der stählerne Knauf, wie von Geisterhand. Rasch schlüpfte er durch den Spalt.
Das sonst so aufgeräumte Zimmer lag in Unordnung dar. Schubfächer waren aufgerissen und auf den Boden geschleudert worden. Seekarten und nautische Gegenstände wie ein aus Messing gefertigter Sextant lagen verstreut auf dem Teppich. Godfrey hatte seine Neugier befriedigt, jetzt wo es sein Gemach war. Der große Mann saß hinter dem Eichenschreibtisch, er hatte beim Knarzen der Tür kurz den Kopf gehoben, doch natürlich konnte er Snud nicht sehen.
Der Klabauter tappte heran und kletterte auf die Tischplatte. Godfrey sah auf. Wäre Snud nicht unsichtbar gewesen, der Piratenkapitän hätte ihm direkt in die Augen geschaut.
Den Schlafzauber beherrschte Snud mit Leichtigkeit und wenige Handbewegungen später sackte Godfreys Kopf auf die Tischplatte. Er schnarchte leise. Snud sah sich um. Da war das Fass. Eher ein Fässchen. Er rollte es neben den Schreibtisch. Mit Godfreys Dolch hebelte Snud den Deckel auf. Ein herber Geruch nach vergorenen Früchten schlug ihm entgegen, die farblose Flüssigkeit schwappte sachte im ruhigen Takt des Schiffes.
Der Klabauter lächelte. Dann kraxelte er erneut auf die Tischplatte, stellte sich breitbeinig über das Holzgefäß und öffnete seinen Hosenstall.
Das tiefe Knarren und Knacken der Fregatte vermischte sich mit leisem Plätschern, bis schließlich bloß noch ein tröpfeln zu hören war. Zufrieden schüttelte Snud ab und verschloss das Fässchen wieder. Er wischte seine Hände an der Wachsjacke des Piratenkapitäns ab und nutzte die letzten magischen Reserven, um Godfrey den Wunsch nach einem gemeinsamen Saufgelage im Kreise seiner engsten Vertrauten in den Geist zu pflanzen.
Henry stand neben dem Steuerrad, der alte Cornwallis lenkte das Schiff. Es waren nicht mehr viele von ihnen übrig, gerade noch ausreichend, um die Fregatte nach Trinidad zu segeln.
Tief in seinem Innern spürte Henry Gewissheit, der Teufel hatte das kleine Fass vergiftet und die Piraten um Garlick und Godfrey samt dem Rest ihrer Bande in der letzten Nacht in Versuchung geführt.
Henry blinzelte, als die Sonne ihm einen Streich spielte und es für einen Wimpernschlag so aussah, als würde ein kleines rothaariges Männchen ihn vom Bugspriet her anlächeln. Im Mund des vollbärtigen Kerlchens blitzte eine Pfeife auf.