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Tempel der Habgier

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15.04.2018
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Tempel der Habgier

Reist man durch die Herzlande in Richtung der Michaelsfeste, dem Hauptsitz des Heiligen Ordens, so wird man an zahlreichen kleinen Dörfern vorbeikommen, aneinandergereiht wie Perlen an einer Halskette. Falkenblick ist eines eben dieser Dörfer, umgeben von satten grünen Weiden und herrlichen Obstgärten. Im goldenen Licht der Abendsonne schienen die roten Äpfel beinahe zu glühen, als ein Bote in Uniform der freien Stadt Alant durch den Garten ritt. Er trug Stiefel aus braunem Leder, eine verstärkte Hose und ein Wams aus grünem Stoff, verziert mit goldenen Linien, die sich auf seiner Brust zur goldenen Rose vereinigten, dem Wappen seiner Heimatstadt. So erhaben seine Kleidung aber auch war, sein vernarbtes Gesicht verriet, dass er keineswegs wie Geldadel der freien Städte seine Zeit nur in Ballsälen und in Empfangszimmern verbrachte, sondern ein hartes Leben auf der Straße gewohnt war.

Seit zwei Wochen war er nun schon ohne Pause unterwegs und nichts wäre ihm lieber, als sich im Schatten der Bäume dieses goldenen Gartens auszuruhen und die Früchte zu genießen. Seine Mission ließ jedoch keine derartige Zerstreuung zu. Immerhin war er David Haarlem, einer der effizientesten und gleichzeitig diskretesten Kuriere von Alant. Wann immer es die Mitglieder der Alanter Oberschicht nach neuen, exotischen Substanzen und Schmuck gelüstete, die den moralischen Standards des Senats nicht genügten, wurde er beauftragt, ihre Gier unbemerkt von den wachsamen Augen der Stadtregierung zu stillen. Aber auch in geschäftlichen Dingen wurde er oft beauftragt, um Informationen zu beschaffen oder zu überbringen, seien es nun schmutzige Gerüchte über Konkurrenten oder geheime Informationen über künftige Handelsabkommen mit den örtlichen Nordlingsstämmen. Nicht ganz ohne Stolz musste er zugeben, dass heute schon so mancher Kaufmann in der Gosse leben würde, hätte er ihm nicht zum richtigen Zeitpunkt etwas Gold zugeschoben. Dieser Gedanke trieb ihm ein Grinsen aufs Gesicht und er gab seinem Pferd die Sporen, während die Häuser von Falkenblick langsam am Horizont erschienen.
Sein Auftraggeber war diesmal Jan von Zwoll, der wichtigste Schnapshändler von Alant. Obwohl er schon mehrmals für ihn gearbeitet hatte und die Aufträge meist gutes Geld für einfache Arbeit bedeuteten, hatte er diesmal ein sonderbares Gefühl dabei. Er erinnerte sich noch gut an den Abend, als Jan van Zwoll ihn in seine Villa gerufen hatte.

Wie üblich stand er in der kalten, nebelverhangenen Rosengasse, einem unfassbar teuren und momentan sehr beliebten Viertel von Alant. Seinen Namen hatte es von einem Nonnenkloster erhalten, dass hier in früheren Zeiten stand, lange bevor Alant eine freie Stadt wurde. Die Hauptaufgabe der Nonnen war es damals, eine Anlaufstelle für verstoßene und verarmte Frauen und Straßendirnen zu sein. Da sich mit Nächstenliebe jedoch nicht viel Geld verdienen ließ, musste sich der Konvent eine andere Einkommensquelle zunutze machen. Die Äbtissin des Schlosses entschied damals, einen Rosengarten vor der Kapelle anzulegen und diese an die Bewohner der Stadt zu verkaufen. Diese Rosen wurden schon bald weit über das Stadtgebiet hinaus bekannt und brachten dem Kloster einen nicht unerheblichen Reichtum ein. Als Alant jedoch seine Unabhängigkeit vom Orden erklärte und alle geistlichen Besitztümer säkularisierte, fiel auch das Kloster in die Hand des Senats. Der heimatlose Konvent musste daher die Stadt verlassen, jedoch verließ mit ihnen gleichermaßen die Lebenskraft der Rosen die Stadt, denn in ihrem Garten wollte nichts mehr wachsen. Das Kloster verfiel und niemand schenkte dem Viertel mehr Beachtung, bis Jan van Zwoll die meisten Gebäude aufkaufte und sich selbst im ehemaligen Schwesternhaus häuslich einrichtete. Scheinbar brachte die Anwesenheit eines schmerbäuchigen, ruchlosen Ausbeuters wieder neues Flair in eine trostlose Gegend wie diese, sodass bald der halbe Geldadel von Alant hier wohnte. Und vor der Tür eben dieses Mannes stand Haarlem jetzt und schlug dreimal kräftig mit der Faust gegen das Eichenholz. Nur ein paar Herzschläge später hörte er bereits ein metallisches klicken, als die Tür umständlich entriegelt wurde. Es war immer derselbe Diener, der Haarlem hier die Tür öffnete, ein hagerer alter Mann, dessen lichtes graues Haar ihm strähnig ins Gesicht hing, mit einer groben Schnur um den Hals, anderen Ende ein Anhänger aus grob geschnitzten Knochen in Form eines Menschen hing, jedoch ohne Gesicht und jegliche Verzierung. Vermutlich handelte es sich dabei um das Götzenbild eines der vielen Mysterienkulte, die in Alant im Verborgenen existierten. Haarlem hatte sich nie die Mühe gemacht sich den Namen des Mannes zu merken, sah er doch mehr tot als lebendig aus. Er nannte ihn daher in seinen Gedanken dementsprechend einfach nur Tod.

"Wie oft habe Ich dem Boten schon gesagt, dass es nicht gewünscht wird, seine Anwesenheit durch derart lautes Klopfen zu verraten? Was sollen nur die Nachbarn denken!"
Haarlem hatte sich nie erklären können, warum Van Zwoll sich nicht einfach eine vollbusige Hausmagd statt dieses griesgrämigen Greises anstellte, aber Neureiche wie er waren ja oft exzentrisch.
Er schenkte Tod einen abschätzigen Blick und entgegnete:"Die verehrten Nachbarn werde Ich morgen besuchen, die haben genug eigene Probleme, als dass sie genug Zeit hätten sich über die okkulten Interessen eines Schnapshändlers das Maul zu zerreißen."
Tod murmelte etwas von Unverschämtheit und Anstandslosigkeit, während er in Richtung der Steintreppe loshumpelte, die sie vom Hintereingang direkt in das Arbeitszimmer des Hausherrn führen würde. Die Steinwände des Hauses waren aus schlichtem, grob behauenem Granit gefertigt. Der Konvent wollte anscheinend seine Bescheidenheit selbst in er Wahl der Baumaterialien ausdrücken. Van Zwolls Arbeitszimmer hob sich vom Dienstbotengang selbstverständlich stark ab: Der Raum war in ein warmes, helles Licht von zahlreichen Kerzen und einem großen Kamin getaucht, die Wände waren mit Wandteppichen ausgekleidet und exotische Kunstwerke von den Gewürzinseln standen zwischen zahlreichen Büchern auf mannshohen, antiquarischen Regalen aus altem Eichenholz. Van Zwoll selbst saß in einem Sessel aus braunem Leder vor dem Kamin, in der Hand ein Kristallglas von geschwungener Form, gefüllt mit feinem Wacholderschnaps, der inzwischem weit über die freien Städte hinaus bekannt war.
"Ah, mein Flaschengeist ist da! Nehmt Platz, Ich werde dafür sorgen, dass euch Schnaps gebracht wird", rief van Zwoll aus, während er Haarlem ein süffisantes Grinse zuwarf.
"Zu gütig edler Herr, doch lasst uns lieber über den Auftrag sprechen, den Ihr für mich habt."
Van Zwolls Lächeln verschwand vom einen Augenblick auf den anderen. "Ihr wählt eure Worte weise, aber eure scharfe Zunge verdeckt das dennoch nicht. Aber gut, reden wir übers Geschäft. Ihr werdet für mich auf einen Markt im Herzland gehen und einen Tauschhandel durchführen."
Haarlem sah van Zwoll ungläubig an "Ihr wollt, dass ich eine Reise von vierzehn Tagen auf mich nehme nur um mit ein paar hinterwäldlerischen Bauern Mitbringsel auszutauschen? Das erscheint mir eher wie ein Auftrag für den Postdienst des Senats."
Van Zwoll schnaubte verächtlich und sah Haarlem mit einem eindringlichen Blick direkt in die Augen. "Ihr nehmt euch zu viel heraus Haarlem. Dieser Auftrag benötigt höchste Diskretion und Vorsicht. Ich habe Feinde in dieser Stadt und das letzte was ich brauchen kann ist, dass das Artefakt in ihre Hände fällt. Um es nochmal klar zu formulieren: rechnet mit Verfolgern, stellt keine Fragen und öffnet keinesfalls das Paket, dass Ihr entgegennehmen werdet."
"Sobald ich die Bestätigung habe, dass die übliche Bezahlung in meiner Kammer in der Hochdorfer Bank eingegangen ist, mache ich mich auf den Weg." Mit diesen Worten drehte Haarlem sich um und wollte bereits zur Tür schreiten, als er bemerkte, dass Tod, mit einem seltsamen, schwarzen Kästchen in der Hand, direkt hinter ihm stand und ihm den Ausgang versperrte.
"Nicht so schnell, ich bin noch nicht fertig mit Euch", drang van Zwolls spöttische Stimme an sein Ohr, "in diesem Kästchen liegt die Bezahlung, die ihr dem Händler überbringen werdet. Los, nicht so schüchtern, öffnet es."
Haarlem sah sich das Kästchen genauer an. Es war uralt und vermutlich wie fast alles in van Zwolls Haus eine Antiquität. Es bestand aus kostbarem Ebenholz und war mit geschickten Schnitzereien verziert, die Menschen mit verzerrten Fratzen darstellten, die um ein Feuer tanzten und war mit filigranen Silberbeschlägen versehen, auf denen geschwungene Schriftzeichen einer ihm unbekannten Sprache angebracht waren. Vorsichtig machte er sich an dem metallenen Verschlussmechanismus des Kästchens zu schaffen und seine Augen weiteten sich von Erstaunen, als er einen ersten Blick hinein warf.

Im Inneren des Kästchens ruhte eine schwarze Perle, die mit den selben kalligrafisch anmutenden Schriftzeichen auf dem Kästchen verziert war und auf den Wellen eines Tuches aus violettem Samt ruhte. In seinen 12 Jahren, in denen Haarlem für den Geldadel von Alant tätig war, hatte er noch nie einen derart faszinierenden Edelstein zu Gesicht bekommen. Wie in Trance fuhr er mit einem Finger über die feinen Linien und Gräben auf der sonst glatten Oberfläche des Steins, die sich unter seiner Berührung stets zu ändern schienen. Doch zu dieser Faszination gesellte sich im nächsten Herzschlag eine urtümliche Angst, wie er sie seit er auf den Straßen von Narrwen nicht mehr gespürt hatte. Als wäre der Stein auf einmal glühend heiß geworden, schnellte seine Hand zurück und er schloss das Kästchen. Erst das tiefe, hämische Lachen von Van Zwoll riss Haarlem aus diesen Gedanken. "Ich sehe, Ihr seid jetzt bereit. Mein Diener wird euch zur Tür begleiten."
Wie betäubt und ohne Verabschiedung trottete Haarlem hinter Tod her, die Steintreppe herunter und auf die Eingangstür zu. "Viel Erfolg auf euer Mission, der Herr erwartet eure Rückkehr noch vor dem nächsten Vollmond", rief er Haarlem noch emotionslos wie immer hinterher, bevor er die Tür zu Van Zwolls' Anwesen schloss. Haarlem stand nun wieder allein auf der Straße und zog seinen schwarzen Mantel enger um sich, während er durch die immer dichter werdenden Nebelschwaden lief.

Die Kirche von Falkenblick erhob sich langsam am strahlenden Horizont und zeichnete sich als schemenhafte Silhouette ab, die immer weiter wuchs, je näher Haarlem ihr kam. Bald schon konnte er auch einige grob geschnitzte Statuen erkennen, die Engel mit Schild und Schwert darstellten. Wie in diesen abgelegenen Dörfern üblich, befand sich der Gottesacker rings um die Kirche - Leben und Tod waren nur durch einen hüfthohen Holzzaun getrennt, an dem Haarlem sein Pferd festband. Aus dem Inneren der Kirche konnte er leise Gesänge in der alten Sprache vernehmen, traditionelle Lieder, wie sie in den freien Städten längst in Vergessenheit geraten waren. Das Dorf selbst hingegen schien wie ausgestorben zu sein, wo er laut rufende Bauern und geschäftig umhereilende Händler erwartet hatte, sah er nur einen verlassen Dorfplatz. Für ein paar Augenblicke stand Haarlem ein wenig ratlos da und überlegte, wie es weitergehen sollte. Schlussendlich kam Haarlem zu dem Schluss, einfach in die nächstbeste Richtung loszulaufen, so schwer konnte ein Kuriositätenmarkt in einem Kuhdorf wie Falkenblick ja nicht zu finden sein. Diese Annahme erwies sich jedoch schon bald als falsch, Haarlem war an dutzenden einfachen, mit Stroh und Zweigen gedeckten Holzhütten vorbeigelaufen war, wies nichts auf die Anwesenheit von Kaufleuten oder auch nur den Bewohnern der Häuser hin. Haarlem wurde zusehends frustrierter und zwang sich nicht daran zu denken, dass er diesen weiten Weg womöglich umsonst gemacht hatte. Dann fiel ihm jedoch urplötzlich etwas Interessantes auf. Der Trampelpfad, der die Hütten der Bauern verband endete zwar, aber etwa 20 Meter hinter der letzten Hütte konnte Haarlem einen von einem Hirschschädel gekrönten Pfahl entdecken, an dem ein roter, gelber und blauer Wimpel flatterten. Er trat näher an den Pfahl heran und betrachtete die Banner: Auf Jedem prangten in goldenen Lettern die Worte "Salutamus mercatorem et amici artis occultis", während dem Hirschschädel ein Pentagramm mit roter Farbe auf die Stirn gezeichnet worden war. Vor ihm erstreckten sich weite Getreidefelder, auf denen die Bauern ihr Tagwerk verrichten mussten. Menschen konnte Haarlem zwar keine erkennen, jedoch sah er in der Ferne weitere Banner im Wind wehen, die an ähnlichen Pfählen befestigt waren, als sollten sie als Wegweiser dienen. Haarlem beschloss, diesem Wink des Schicksals zu vertrauen und folgte den Pfählen, bis er schließlich an einer größeren Holzkonstruktion ankam. Mitten in den Feldern stand ein Tor, das aus drei aufeinanderliegenden Baumstämmen bestand. Auf dem obersten Stamm thronte erneut ein Hirschschädel, flankiert von grob geschnitzten Statuen menschenähnlicher Wesen, die beide einen Dreizack in der Hand und wie im Siegestaumel über ihren gehörnten Kopf hielten.
Was Haarlem als Nächstes sah, ließ ihn jedoch stutzig werden. Sah er direkt durch das Tor hindurch, so konnte er einige bunte Zelte erkennen. Bisher war er immer der Meinung gewesen, dass es bei der Hexerei, die Van Zwoll betrieb, nur um Taschenspielertricks mit einem düsteren Anstrich ging, mit denen sich ein reicher Snob die Zeit vertrieb, nichts worüber sich ein rational denkender Mensch wie er tiefergehende Gedanken machen musste. Doch eben jener rational denkende Mensch stand hier vor einem Holztor, dass ihm den Weg in eine andere Welt zu öffnen schien. Wenn Haarlem jedoch für eins bekannt war, dann dafür, seine Aufträge hartnäckig zu erledigen. Während er also ein Stoßgebet zum Einen sprach, schloss er seine Augen und durchschritt das Tor.


Erst nach fünf Herzschlägen öffnete Haarlem seine Augen wieder. Er stand inmitten der Zelte, die er eben noch wie durch ein Fenster hindurch gesehen hatte. Die Klänge fremder Instrumente und der Duft exotischen Räucherwerks drangen auf ihn ein. Die verschiedenen Zelte schienen aus den verschiedensten Ländern zu kommen: in einem Zelt aus blau bemaltem Leder mit weißen, nordischen Runen saß ein grimmig dreinblickender, breitschultriger Nordling mit langen Haaren und einem ebenso langem Bart umgeben von antik aussehenden Äxten und Speeren, während neben ihm ein Wagen eines Tan'mir stand, eines hochgewachsenen Halblings, der die mechanischen Konstrukte feilbot, die seine Vorfahren vor Jahrhunderten in mühsamer Handarbeit gebaut hatten.
"Tretet heran, Fremder aus den freien Städten! Ja Ihr, kommt zu Qazïd, dem besten und weisesten Trank-und Giftmischer diesseits des Ostmeeres!"
Haarlem wandte sich reflexartig in die Richtung um, aus der er gerufen worden war. Qazïd war ein hagerer alter Mann mit bräunlicher Haut, die zäh wie Leder aussah, gegerbt unter den Strahlen einer unbarmherzigen Sonne. Sein Stand glich einer Höhle aus tiefblauer Tüchern mit schwarzen Stickereien, in deren Eingang der alte Mann hinter einem Tisch aus Olivenholz saß, auf dem zahlreiche Fläschchen in den verschiedensten Größen, Formen und Farben standen. Obwohl er offensichtlich nicht der höchste Kaufmann war, ging Haarlem langsam auf seinen Stand zu. Wenn er schon so viel Mühe auf sich nahm hierher zu kommen, konnte er auch nach anderen interessanten Gegenständen Ausschau halten, bevor er nach Alant zurückkehrte.
"Ihr weckt durchaus hohe Erwartungen Qazïd. Was habt ihr denn, was mich interessieren könnte?"
"Dies wundervolle Elixier, seht nur, seht!", rief Qazïd voller Begeisterung aus, als er Haarlem ein schmuckloses, tönernes Fläschchen vor die Nase hielt. "Der geheime Trank der Schlange, ein für einen Dieb wie euch unvergleichlicher Schatz! Ein Tropfen schenkt eurem Leib für eine Stunde die Macht der Schlange; heimlich, schnell und tödlich werdet ihr sein!"
"Ihr schätzt mich falsch in, Qazïd. Ich bin kein Dieb, nur ein Bote, in dieser Gegend scheint es von meinesgleichen jedoch nicht zu viele zu geben", entgegnete Haarlem.
"Oh, selbstverständlich werter Herr, ich wollte nicht urteilend klingen. Aber mit Verlaub, ich habe eure Ankunft durchaus erwartet, so wie jeder an diesem Ort." Qazïd entblößte zahlreiche Zahnlücken, als er Haarlem gezwungen anlächelte. "Ihr tragt etwas sehr Kostbares bei euch freier Mann, und ich habe euch ein faires Angebot gemacht. Die Perle für Macht, vor der selbst der Orden zittern wird, also gebt sie mir!"
Instinktiv wollte Haarlem einen Schritt zurücktreten, aber mit beinahe übermenschliche Schnelligkeit griff Qazïd nach seinem Arm. "Nehmt eure Hand weg, wenn Ihr sie behalten wollt, alter Hurensohn!", schrie Haarlem den alten Man erschrocken an. Er versuchte sich aus dem Griff des Alten zu winden, doch der Greis schien über beinah übermenschliche Kraft zu verfügen. "Gib es mir!", schrie Qazïd wie wahnsinnig und begann immer fester an Haarlems Arm zu zerren. Nur den Bruchteil eines Augenblicks später wandelte sich Qazïds wütendes Gezeter zu einem schmerzerfüllten Schrei und Haarlems Arm war frei.

Völlig aus dem Gleichgewicht fiel Haarlem auf den Boden, konnte seine Augen jedoch nicht von dem entsetzlichen Anblick abwenden, der sich ihm bot. Neben ihm stand ein hochgewachsener Mann in einer Rüstung aus Finstererz, mit einer gewaltigen Hellebarde in der Hand, die durch Qazïds Arm geschnitten und ihn sauber abgetrennt hatte. Haarlem war schon oft Zeuge von blutigen Gemetzeln geworden, doch was er jetzt vor sich sah, ließ selbst in ihm Übelkeit aufkommen. Aus dem Stumpf von Qazïds Arm drang kein Blut, sondern eine nach Schwefel riechende, schwarze Flüssigkeit. Während zwei weitere Wachen herbeieilten und den schreienden Greis wegführten, zog die erste Wache ihre Hellebarde aus Qazïds Holztisch und hielt Haarlem dann die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. "Bote, dies ist kein ungefährlicher Ort, wenn man mit einer Ware ,wie ihr sie besitzt, reist", sagte die Wache mit durch den Helm gedämpfter Stimme zu Haarlem.
"Was war das?", fragte Haarlem, dem noch immer der Schock ins bleiche Gesicht geschrieben stand.
"Der wird wieder, keine Sorge. Ist nicht der erste Vorfall mit dem Hundesohn", sagte ihm die Wache. "Den höchsten Kaufmann unseres Marktes findet Ihr in diesem Zelt", fuhr die Wache fort, während sie auf ein leicht höhergelegenes, schlichtes, schwarzes Zelt zeigte.
Mit diesen Worten drehte sich die Wache um und ging davon. Ein wenig verschämt und noch immer verdutzt starrte Haarlem der Wache im gehörnten Helm hinterher. War er gerade wirklich beinahe von einem alten Mann überwältigt worden, der schon mehrmals seinen Arm durch die Marktwache verloren hatte? Noch dazu von einer Wache, deren Mitglieder feingearbeitete Rüstungen und Waffen aus Finstererz trugen, ein Metall teurer als Gold? Haarlem hatte erkannt, dass es echt war, hatte er schließlich mehr als einmal den Adligen von Alant Dolche aus gefälschtem Finstererz angedreht. Es gingen viele Gerüchte darüber um, dass dieses Schmiedewerk von dunkle Druiden gefertigt worden waren, indem sie bei Neumond die Macht heidnischer Götter in das Metall bannten. Haarlem hatte nie viel für diese Geschichten übriggehabt, ihn hatte nur interessiert, dass sie ihm mehr Gold in seinen Beutel brachten. Nun schien dieser Aberglaube jedoch vor seinen Augen Wirklichkeit zu werden. Haarlem beschloss, dass er diesen Ort so schnell wie möglich verlassen musste. Also lief er zielstrebig auf das schwarze Zelt zu, zu dem man ihn geschickt hatte. Ihm war unwohl zumute, zum einen begann sein Kopf schrecklich zu schmerzen, zum anderen fühlte er die bohrenden Blicke der Händler um ihn herum. Eine Wahrsagerin sah über ihre Kugel hinweg düster zu ihm herüber, einige wunderschöne Huren kicherten und zeigten in seine Richtung, während sie vor ihrem Zelt standen und auf Kundschaft zu warten schienen. Mit jedem Schritt wurden seine Kopfschmerzen schlimmer und der Wunsch, sich auf dem Absatz umzudrehen, zum Tor zurück zu rennen und diesen Spießrutenlauf zu beenden überwältigender.
Schlussendlich biss Haarlem jedoch die Zähne zusammen, hielt den Kopf gesenkt und schritt strammen Schrittes auf das Zelt zu. Die Wachen vor dem Zelt sahen ihn mit leeren, grauen Augen durch die Schlitze ihrer Helme an und bedeuteten ihm mit der Hand einzutreten. "Ich sollte erleichtert sein", sagte Haarlem, "bald bin ich Weg von diesem verfluchten Ort. Warum fühle ich mich dann, als würde ich gleich meinem Henker begegnen?"

Hinter ihm schlugen die Wachen einen Stoffvorhang vor dem Eingang zu. Das Innere des Zeltes verbreitete eine düstere, kalte Atmosphäre, im Gegenteil zu den bunten, offenen Marktständen, die im goldenen Licht der Dämmerung lagen, kam das einzige Licht von zahlreichen, kleinen Kerzen, an deren Docht kleine blaue Flammen tanzten. Rund um die Zeltwände waren Regale aus altem, dunklem Holz aufgebaut, in denen Bücher und Schriftrollen standen. Zwischen den Möbeln standen einfache Leinensäcke, die vor Goldmünzen, Edelsteinen und anderen Kostbarkeiten überzuquellen schienen. In der Mitte des Zeltes stand ein mit Schnitzereien verzierter Schreibtisch aus demselben Holz, hinter dem ein Wesen mit runzliger, gelblicher Haut, spitzen Fangzähnen, die ihm aus dem Mund ragten und ein paar Büscheln weißen Haars in ein Gewand aus Purpur gehüllt saß. "Teufel auch", entfuhr es Haarlem. Der vornehm gekleidete Teufel kicherte kehlig, während er Haarlem bedeutete sich zu setzen. "Ihr habt es vortrefflich erfasst. Willkommen in diesem altehrwürdigen Tempel der Habgier. Noch bevor eure Väter geboren waren, kamen die Menschen hierher, die es nach dem Wissen über die Beschaffenheit von Mikrokosmos und Makrokosmos gelüstet hat, ebenso wie die Kunst, diese nach eigenem Willen zu formen." Während der Teufel den Verdacht, der seit seiner Ankunft in Haarlems Unterbewusstsein gelauert hatte bestätigte, sah er ihm tief in die Augen.
"Wer seit Ihr? Was habt ihr mit den Bewohnern von Falkenblick gemacht? Ich habe eine handvoll Leute in der Kirche singen gehört, aber das können nicht alle gewesen sein", sagte Haarlem ohne ein Grußwort zu seinem diabolischen Gastgeber.
Der Gesichtsausdruck des Teufels verfinsterte sich. "Es mangelt Euch an Respekt. Ich habe meinen Wachen befohlen, euch vor den anderen Händlern zu beschützen, aber sicherlich nicht um euretwillen. Die Bauern haben ihren Weg gewählt, so wie Ihr. Ein Handel wurde eingegangen und der Vertrag wird erfüllt werden, bis zum letzten Satz. Jetzt zeigt es mir, was Ihr mitgebracht habt."
Haarlem griff in die Tasche seines Umhangs und holte das Kästchen mit dem schwarzen Juwel darin heraus. Er hob den Arm und setzte an, es auf den Tisch zu stellen. Auf halbem Weg hingegen hielt er inne. Ihm war, als dürfte er den Stein nicht in Griffweite des Teufels stellen. Nicht etwa, weil er fürchtete, dass der Teufel das Juwel an sich reißen und die Wachen hereinrufen konnte, vielmehr überkam ihn das Gefühl, als würde er damit einen Teil seiner selbst an den Teufel übergeben.
"Oberster Händler, was hat Jan van Zwoll mit mir gemacht?"
"Ihr beginnt also zu verstehen. Das Juwel an sich ist ein seltenes Stück Handwerksarbeit, aber noch nichts Außergewöhnliches. Ihr hingegen macht es zu etwas Besonderem. Stellt es euch nicht als hübschen Schmuck vor, vielmehr als einen Käfig. Mag er auch schön anzuschauen sein, sein Zweck ist von finsterer Natur."
"Der fette Bastard hat mich betrogen!" Haarlem riss das Kästchen an sich und ging langsam rückwärts in Richtung Ausgang, den Teufel nicht aus den Augen lassend.
"Wenn ich euch den Stein abnehmen wollte, hätte ich das bereits getan." Der Teufel sah Haarlem mit seinen blassgelben, wolfsähnlichen Augen an.
"Doch das Schicksal ist euch heute gewogen, David Haarlem. Ich denke, wir können eine Übereinkunft treffen, die für uns beide vorteilhaft sein kann. Ihr bekommt die Möglichkeit Rache zu nehmen und ich kann ein Problem aus der Welt schaffen."
Haarlem blieb stehen und einige Augenblicke herrschte eine angespannte Stille. Schließlich setzte er sich wieder auf den Stuhl gegenüber des Teufels.
"Jan van Zwoll hatte es auf ein besonderes Artefakt abgesehen, den Finger Uriels. Eine mächtige Reliquie vom Engel des Feuers. Sie hat die Macht, jedes Lebewesen in Sekundenbuchteilen mit heiligem Feuer zu verzehren. Ich habe jahrzehntelang gebraucht, ihn in meinen Besitz zu bringen und weitere Jahrzehnte, um ihn für mich nutzbar zu machen. Er ist jetzt in dem Dolch da eingeschmiedet", sagte der Teufel, während er auf einen gezackten Dolch aus Finstererz zeigte, der in einer stählernen Halterung in einem Regal an der Zeltwand stand.
"Ihr werdet Jan van Zwoll damit töten. Danach kehrt Ihr hierher zurück und wartet auf den nächsten Auftrag."
Haarlem dachte einige Momente nach. Er hatte sich zu viel auf seine Umsichtigkeit und Gerissenheit eingebildet und war aufs Kreuz gelegt worden. Diesmal hatte er aber nicht einen Sack Gold, sondern sein Leben verspielt. "Und wenn ich mich weigere?", fragte er mit einem leichten Zittern in der Stimme, "Ich bin kein Mörder."
"Van Zwoll ist zu mächtig geworden, man munkelt auf den Gassen des Marktes, dass Zeit wird, dass ein Mensch über diesen Ort herrscht und nicht ein Kind des Abgrunds. Es wäre schade um euer Talent, wenn Ihr sterben müsstet, aber ich werde jemand anderen finden, der weniger Skrupel hat. Dann nehme ich euch den Stein ab und der Odem eures Lebens ist mein. Trefft eure Wahl."
Haarlem seufzte und beugte sich über den Schreibtisch. "Zeigt mir meinen Vertrag."

Die Dämmerung war noch immer nicht vorüber, als Haarlem das Dorf Richtung Alant verließ. Er kehrte zum Zaun zurück, an dem er sein Pferd angebunden hatte, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Während er ritt, versuchte er seinen Blick auf den Weg zu konzentrieren, der vor ihm lag und nicht auf die schwarzen Schriftzeichen, die in seine Arme wie auch den Rest seines Körpers gebrannt waren.
"Seht es als eine Ehre, den alten Puppenspieler zu töten," hatte der Teufel gesagt, "Van Zwoll hat in den letzten Jahrhunderten viele Namen getragen. Ein so langes Leben ist der Schönheit natürlich wenig zuträglich, deswegen begann er irgendwann Talismane nach Art der Druiden von der Schartspitze anzufertigen. Diese Gelehrten sind schon vor Urzeiten in der Lage gewesen, Menschen an sich zu binden und sie wie an Schnüre gebunden tanzen zu lassen. Auf natürlichem Weg kann er nicht sterben, den Flammen von Uriels Finger hingegen wird auch er nicht widerstehen können. Tötet ihn, vernichtet seine Talismane und Götzenbilder. Danach haltet Euch bedeckt, bis ich zu euch komme."

 

Hallo, Viatormundi

Und Willkommen bei den Wortkriegern! Du nimmst Dir ein großes Projekt für den Anfang vor – und ich muss sagen, wann immer ich sehe: Es ist ein Erstling, und es ist Fantasy … Da bin ich schon einmal sehr skeptisch. Entweder ist Fantasy sehr schwer zu schreiben, oder es ist etwas, womit man häufig scheitert. Bei Dir war es allerdings über weite Strecken recht gut lesbar, also hast Du mit meinen Befürchtungen auf jeden Fall gebrochen. Allerdings sei an dieser Stelle auch gesagt, dass ich die Geschichte nicht am Stück gelesen habe, sondern immer dann, wenn ich beim Spieleabend gerade Pause hatte, also bin ich da vielleicht gerade auch sehr genügsam. Denn besonders kurzweilig ist das hier sicher nicht. Schauen wir mal genau drauf:

Reist man durch die Herzlande in Richtung der Michaelsfeste, dem Hauptsitz des Heiligen Ordens, so wird man an zahlreichen kleinen Dörfern vorbeikommen, aneinandergereiht wie Perlen an einer Halskette. Falkenblick ist eines eben dieser Dörfer, umgeben von satten grünen Weiden und herrlichen Obstgärten.

Buah. Am Anfang passiert einfach nichts. Nur Landschaftsbeschreibungen und unbekannte Ortsnamen. Ich würde Dir raten, mit dem Prot zu beginnen und danach mal die Umgebung zu beschreiben. Andersherum zieht man es doch immer sehr in die Länge.

Seit zwei Wochen war er nun schon ohne Pause unterwegs und nichts wäre ihm lieber, als sich im Schatten der Bäume dieses goldenen Gartens auszuruhen und die Früchte zu genießen, seine Mission ließ jedoch keine derartige Zerstreuung zu. immerhin war er David Haarlem, einer der effizientesten und gleichzeitig diskretesten Kuriere von Alant.

Das ist ein verflucht langer Satz. Was spricht gegen ein paar Punkte mehr? Außerdem wird „Immerhin“ groß geschrieben, immerhin ist das mal ein Satzanfang.

Diese ganze Rückblende gefällt mir nicht so richtig. Ich bin ohnehin der Überzeugung, dass man ohne Rückblenden schreiben sollte – weiß nicht genau, woher diese Abneigung kommt; ich glaube, ich habe mal bei John Irving gelesen, dass Rückblenden das Werkzeug unbeholfener Autoren sind, und seitdem ich das gelesen habe, achte ich systematisch drauf und habe immer das Gefühl, dass Irving recht hat. Und ich meine, was ist die Essenz der Rückblende? Die Essenz ist: Da ist dieser reiche Typ, und der gibt dem Prot eine seltsame Perle, die er gegen irgendwas eintauschen kann. Das kann man lockerflauschig ohne Rückblende erzählen und die Geschichte dabei bedeutend kürzen. Und selbst wenn Du unbedingt willst, dass der reiche Dude persönlich auftaucht, dann kannst Du die Rückblende auch einfach an den Anfang stellen und danach einen Zeitsprung machen. Aber ich glaube, ich bin hier gerade sehr nahe am Kern des Problems, das ich an der Geschichte sehe, also gehe ich mal weiter.

Wie oft habe ich dem Boten schon gesagt, dass es nicht gewünscht wird seine Anwesenheit durch derart lautes Klopfen zu verraten?

Komma vor „seine“. Bitte achte mal im ganzen Text systematisch darauf. Wenn zum Infinitivsatz noch ein paar mehr Worte gehören, wie hier „seine Anwesenheit durch derart lautes Klopfen“, dann wird er durch ein Komma vom Hauptsatz getrennt. Das machst Du häufig falsch.

Die Steinwände des Hauses waren aus schlichtem, grob behauenem Granit gefertigt.Der Konvent wollte scheinbar seine Bescheidenheit selbst in er Wahl der Baumaterialien ausdrücken.

Zwei weitere Fehler, die Du häufig machst: 1) Du vergisst Leerzeilen nach einem Satzende. Bitte im ganzen Text korrigieren. Mein Rechtschreibprogramm identifiziert diese Fehler mühelos, also vielleicht einfach mal aktivieren und draufgucken. 2) „scheinbar“ ist ein wundervolles Wort. Es bedeutet: „Etwas scheint so, ist aber anders.“ Du sagst hier also, dass der Konvent seine Bescheidenheit eben doch nicht durch die Wahl der Baumaterialen ausdrückt – es sieht nur so aus. Wahrscheinlich meinst Du „anscheinend“: „Etwas scheint so, vielleicht ist es auch so.“ Du verwendest sehr oft „scheinbar“. Bitte prüfen. Man kann tolle Dinge damit ausdrücken, aber man kann es halt auch durcheinanderbringen.

Ah, mein Flaschengeist ist da! Nehmt Platz, ich werde dafür sorgen, dass euch Schnaps gebracht wird

Ein Fehler, der sich hartnäckig durch den ganzen Text zieht: Anreden wie „Sie“ und „Ihr/e/s“ (beim Siezen) und „Ihr“ und „Euch/Eure/s/Euer“ (beim … Wie heißt das, was Du machst? Ihrzen?) werden groß geschrieben. Beim Duzen, wie ich es mache, nur in der Briefform, nicht in Geschichten. Aber diese Anreden, wie „Ich werde dafür sorgen, dass Euch Schnaps gebracht wird“, werden groß geschrieben, um zu vermeiden, dass der/die Leser/in denkt, Du würdest von mehreren Personen sprechen. Bitte im gesamten Text korrigieren.

Wer seit ihr?

Puh. Ein sehr geläufiger Fehler. Mein Rechtschreibprogramm erkennt das auch, also bitte darauf achten. „Seit“ ist etwas Zeitliches: „Seit letztem Sommer mag ich keine Kirschen mehr.“ „Seit gestern regnet es.“ usw. „Seid“ wiederum ist die zweite Person Plural im Präsens von „sein“. Und natürlich wiederum wird hier „Ihr“ wieder groß geschrieben. Also: „Wer seid Ihr?“

Ein weiterer häufiger Fehler betrifft Nominalisierungen. Beispiele:

Dann fiel ihm jedoch urplötzlich etwas interessantes auf.
Ihr tragt etwas sehr kostbares bei euch freier Mann, und ich habe euch ein faires Angebot gemacht.
Das Juwel an sich ist ein seltenes Stück Handwerksarbeit, aber noch nichts außergewöhnliches.

Auch diese Fehler erkennt mein Rechtschreibprogramm in allen drei Fällen. „etwas“ und „nichts“ sind Hinweise auf eine folgende Nominalisierung. „Interessantes“, „Kostbares“ und „Außergewöhnliches“ verwandeln sich hier also in Nomen und werden … groß geschrieben. Bitte im gesamten Text korrigieren, vielleicht die Regeln zu Nominalisierungen noch einmal zu Gemüte führen, denn es gibt noch viele andere Fälle, in denen sie auftreten können.

Kommen wir zum Ende. Das fand ich sehr unbefriedigend. Du entführst mich in eine ganze andere Welt, die Du bis in die Haarspitzen auserzählt hast. Übrigens ein gewaltiges Machwerk von großartiger Fantasie. Es erinnert mich ein bisschen an meine erste Geschichte hier: Du hast die ganze Welt klar vor Augen, das spüre ich. Das Problem ist, dass ich den Plot nicht richtig erkennen kann. Der Hauptkonflikt scheint zu sein, dass Dein Prot diese Perle irgendwo abgeben muss, was sein normaler Job ist. Das zieht sich über vier Fünftel der Geschichte. Dann plötzlich zeigt sich, er wurde ausgetrickst und seine Seele wurde gehandelt, was Du in zwei Sätzen erzählst. Er entwickelt im nächsten Satz Rachegelüste und wird zurückgeschickt, um den Händler zu töten. Was zur Hölle?

Das heißt, der hauptsächliche Konflikt ist eigentlich, dass Dein Prot ausgetrickst wurde und Rache üben will. Aber darum drehen sich so die letzten zwei Absätze dieser doch eher langen Geschichte. Der ganze Anfang ist reines Welterzählen. Das ist vielleicht auch ein typischer Anfängerfehler: Du magst das Gefühl haben, dass es notwendig ist, die Welt umfangreich einzuführen. Aber so, wie ich das sehe, könntest Du die ersten vier Fünftel der Geschichte einfach wegschneiden und würdest etwas deutlich Spannenderes erzeugen. Weil, so staune ich zwar auf einer Metaebene über Deine Fantasie, aber der Spannungsbogen ist kein Bogen, er ist eine völlig gerade Linie nahe am Nullniveau, die am Ende kurz ausschlägt und mich in heilloser Verwirrung zurücklässt.

Mein Rat: Führe die Welt nicht so umfangreich ein. Schmeiß mich einfach rein. Das verkrafte ich schon. Hab keine Angst, direkt in das Abenteuer zu starten. Frag Dich, was Deinen Prot auf die Probe stellt – denn bis dem einen Händler da der Arm abgehackt wird, ist das ja praktisch Alltag für ihn – und konfrontiere ihn damit. Überleg Dir den Hauptkonflikt und platziere ihn so, dass er Spannung erzeugt – und nicht nur, dass er mal eben schnell die Geschichte zu Ende erzählt.

Puh. Wie gesagt, ich ziehe den Hut vor so viel Fantasie und Kreativität. Jetzt musst Du sie nur noch in einen spannenden Plot verpacken. Ich glaube, das schaffst Du, und hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen. Make it work!

Gute Nacht,
Maria

 

Hallo Maria,
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Ich hab mich sowohl über die Tipps als auch das Lob gefreut. :)
Zum Thema Rechtschreibung kann ich nur sagen, dass ich mir das nochmals zu Gemüte führen und nächstes Mal mehr drauf achten werde.
Und deine Kritik am nicht vorhandenen Spannungsbogen kann ich auf jeden Fall nachvollziehen. Ich glaube, das "Problem" war bei mir einfach, dass ich mir die Welt, in der die Geschichte spielt, sehr ausführlich überlegt habe, bevor ich mit dem Schreiben angefangen habe und deswegen auch viel davon zeigen wollte. Aber letzten Endes sollte ja die Geschichte des Protagonisten im Mittelpunkt stehen, ich werde versuchen das nächstes Mal etwas spannender zu gestalten.
Ich hoffe du hattest aber trotzdem ein bisschen Spaß in meiner Fantasiewelt. :)

MfG,
Viatormundi

 

Hallo nochmal, Viatormundi

Zum Thema Rechtschreibung kann ich nur sagen, dass ich mir das nochmals zu Gemüte führen und nächstes Mal mehr drauf achten werde.

Selbst wenn Du keine inhaltliche Überarbeitung machen möchtest, sondern alles nur in die nächste Geschichte mitnimmst, würde ich Dir raten, auf jeden Fall die formalen Fehler, die ich Dir schon aufgezeigt habe, mit denen Du also keine besondere Arbeit mehr haben dürfest, hier zu korrigieren. Sonst stolpert jede neue Leserin immer wieder darüber, und Du wirst immer die gleiche Anmerkung erhalten. Und das wäre doch wirklich ärgerlich.

Ich glaube, das "Problem" war bei mir einfach, dass ich mir die Welt, in der die Geschichte spielt, sehr ausführlich überlegt habe, bevor ich mit dem Schreiben angefangen habe und deswegen auch viel davon zeigen wollte.

Ja, das habe ich mir schon gedacht. Wie gesagt, ging mir zu Anfang auch so. Ich glaube, damit muss ich als Autorin einfach leben: Solange ich nicht JKR bin und meine Welt auf Pottermore mit jedem Detail meiner Fantasie nerven kann, werde ich immer mehr über meine Welt wissen als die Leser. Und das ist ja vielleicht auch ganz schön so.

Fantastische Grüße,
Maria

 

Hallo Viatormundi, und willkommen auch von mir :)

Jetzt passiert gleich was, was hier oft und gerne vorkommt. Ich bin anderer Meinung als meine Vorkommentatorin.

Und zwar mag ich deinen beschriebenden Anfang.

Reist man durch die Herzlande in Richtung der Michaelsfeste, dem Hauptsitz des Heiligen Ordens, so wird man an zahlreichen kleinen Dörfern vorbeikommen, aneinandergereiht wie Perlen an einer Halskette. Falkenblick ist eines eben dieser Dörfer, umgeben von satten grünen Weiden und herrlichen Obstgärten.

Setzt in zwei Sätzen die Szene und gibt einen kutzen EInblick in die Art von Welt, die einen erwartet. Schön.

Dann aber den Tempus zu wechseln, ohne auch nur einen Absatz zu machen, hat mich beim Lesen irritiert.Vor allem, weil dann weiter beschrieben wird, und zwar sehr viel - so viel muss ich über den Prot an der Stelle nicht wissen. Vor allem nicht, wenn dzu dabei "tellst" statt "showst":

Er trug Stiefel aus braunem Leder, eine verstärkte Hose und ein Wams aus grünem Stoff, verziert mit goldenen Linien, die sich auf seiner Brust zur goldenen Rose vereinigten, dem Wappen seiner Heimatstadt. So erhaben seine Kleidung aber auch war, sein vernarbtes Gesicht verriet, dass er keineswegs wie Geldadel der freien Städte seine Zeit nur in Ballsälen und in Empfangszimmern verbrachte, sondern ein hartes Leben auf der Straße gewohnt war.

Danach gehts an die Story, das wurde auch Zeit. :) Aber sie ist dann auch flüssig geschrieben. Schöne Bilder, und ganz offensichtlich hast du dir Gedanke über deine Welt gemacht. Ähnlich wie Maria fällt mir aber der Plot schwer. Vielleicht könntest du deine Geschichte so überarbeiten, dass du sagst: Okay, was MUSS der Leser über diese Welt wissen, um den Plot verständlicher zu machen oder zu unterstreichen. Und alles andere streichst du raus.

Das ist erstmal hart, hilft aber ungemein. In einem zweiten Schritt kannst du überlegen: Was dient der Atmosphäre der Story, ohner den Plot zu treiben? Davon darf die Hälfte wieder rein.

Mich würde wie Maria auch interessieren, wie das mit der Seele genau von statten gegangen ist - denn das ist die Action, und das ist, was deine Geschichte am Ende interessant macht.

Weiter viel Spass dir und ich freue ich schon auf deine Beiträge! Denn das Worldbuilding liegt dir!

LG Ardandwen

 

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