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Telefonate nach Nirwana

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Telefonate nach Nirwana

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Als Frau Böglmeier auf ihrem Kontoauszug bemerkte, dass eine Firma namens AUL 7 Euro 67 abgebucht hatte, fragte sie eine Bekannte, was das heiße - AUL?
„Ich glaub, das heißt 'Abnormale User-Linke', des is was ganz was Neues aufm Markt!“, sagte diese mit feuchten Augen. „Die verarschen jetz die Leute mitm ganz neuen System! Da macht jetz wieder jeder mit!“
„Was soll des denn sein, - genau?“, fragte Frau Böglmeier.
„Da werden“, sagte die Freundin, „User halt abnormal gelinkt. Des is modern jetz.“
„Was is denn das, ein Jusa?“, fragte Frau Böglmeier.
„So heißen Internetbenutzer und Drogensüchtige“, sagte die Freundin.
Frau Böglmeier konnte sich nicht erinnern, drogensüchtig zu sein (obwohl die Vorstellung nicht schlecht war) und machte die Buchung rückgängig.
Als die Mahnung kam (7,67 Euro 'Mitgliedsbeitrag', 5 Euro Mahngebühren und 8,69 Euro Bankkosten), enthielt jene die Telefonnummer der AUL-Kundenbetreuung.

Frau Böglmeier entschloss sich, zu handeln.
Sie hatte sieben Kinder aufgezogen. Nach dem dritten hatte ihr Mann gesagt, dass eins schon noch gehe. Sie hatte dann Vierlinge bekommen, und der Mann war gleich anschließend an Gehirnhautentzündung gestorben, obwohl für sie unklar blieb, wozu er eine Gehirnhaut gebraucht hatte - jedenfalls wusste sie, wie das Leben war.
Sie wählte die Nummer und hörte eine dieser Melodien (didel-di-wap-dingel-dingel-glocki-klingel-di), während die Stimme sagte: „Alle Anschlüsse sind im Moment besetzt - haben Sie einen Augenblick Geduld - Sie werden mit unserem nächsten freien Mitarbeiter verbunden!“
Es didel-di-wap-dingel-dingel-glocki-klingel-dingelte etwa 25-mal, bis jemand sich meldete.
„Willkommen bei AUL, Sie sind verbunden mit Frau Frontzeki, was kann ich für Sie tun?“

„Böglmeier ist mein Name. Ich habe eine Mahnung von Ihrer Firma bekommen. Wollte nur sagen, dass ich kein abnormaler Drogensüchtiger bin, damit wir uns verstehen“, sagte Frau Böglmeier. „Deshalb können Sie auch keine Gebühren von mir verlangen - oder?“
Frau Frontzeki schwieg einen Augenblick, dann machte es klick, und dann hörte man 'didel-di-wap-dingel-dingel-glocki-klingel-di', 'Nächster-freier-Mitarbeiter-kwa-kwa-kwa', genau 28-mal, bis wieder jemand in der Leitung war. Es waren siebeneinhalb Minuten vergangen seitdem Frau Böglmeier angerufen hatte.
„Willkommen bei AUL, Sie sind verbunden mit Herrn Ogglsack, was kann ich für Sie tun?“
Frau Böglmeier beschloss, diesmal taktisch vorzugehen.
„Ich habe angeblich meine Gebühren nicht bezahlt“, sagte sie. „Deshalb haben Sie mir eine Mahnung geschickt.“
„Wie ist Ihr Name?“, fragte Ogglsack.
„Böglmeier, Roselinde“, sagte Frau Böglmeier.
„Guten Tag, Frau Roselinde Böglmeier!“, sagte Ogglsack. „Wir freuen uns so, dass Sie uns anrufen! Wenn Sie mir jetzt Ihren AUL-Hauptnamen noch sagen könnten?“
„Den was?“
„Ihren AUL-Hauptnamen, - jeder AUL-Kunde hat einen Hauptnamen“, erklärte Ogglsack.
„Sehen Sie - genau darüber sollten wir sprechen“, sagte Frau Böglmeier. „Ich bin nämlich kein Kunde von AUL.“
„Wieso rufen Sie dann an?“, fragte Ogglsack.
„Weil ich eine Mahnung bekommen habe - wegen des nicht-bezahlten Mitgliedsbeitrags“, sagte Frau Böglmeier.
„Das heißt aber doch“, sagte Ogglsack, „dass Sie Kunde sind, stimmts? Warum sollten Sie sonst Beitrag zahlen?“
Frau Böglmeier atmete durch. Sie durfte Ogglsack nicht unterschätzen, er war ein Logiker.
„Nein“, sagte sie. „Eben nicht. Ganz genau deshalb rufe ich an. Ich habe keine Ahnung, was AUL eigentlich ist.“
„Wir“, sagte Ogglsack, „sind Ihr Internet-Provider.“
„Ist Internet das mit den Computern?“, fragte Frau Böglmeier.
„Sieht ganz so aus...“, sagte Ogglsack.
„Ich habe keinen verdammten Computer, und ich habe ganz bestimmt kein Internet, ich habe stattdessen etwas für den Erhalt der Menschheit getan und sieben Kinder aufgezogen“, sagte Böglmeier.
„Wie dem auch sei, ich kann Ihnen nur helfen, wenn Sie mir irgendeinen AUL-Hauptnamen sagen“, sagte Ogglsack. „Auf etwas anderes einzugehen ist nicht möglich, leider.“
„Und woher soll ich den wissen, wenn ich kein AUL-Kunde bin?“ -
„Vielleicht auf der Mahnung?“ -
„Moment... ich suche... ah, da steht was... BatB903485... so was nennt ihr also einen Namen?“
„Ah, Frau BatB903485“, kommt es nach kurzer Pause. „Ja, Sie sind bei uns seit Dezember 2001 - was kann ich für Sie tun?“
„Sie könnten mir ausnahmsweise erklären, wieso ich nicht weiß, dass ich bei Ihnen Kunde bin?“, schlug Böglmeier vor. „Und woher Sie meine Daten haben?“
„Ihre Daten?“ fragte Ogglsack. „Die haben Sie durchgegeben, als Sie sich bei uns angemeldet haben, telefonisch.“
„Hier“, sagte Böglmeier, „ist der Grund für die Verschiedenheit unserer Realität. Denn ich habe mich nicht angemeldet, ich habe keinen verdammten Computer, ich bin kein Kunde, ich habe schon gar nichts unterschrieben, und ich kenne AUL überhaupt nicht!“

„Nun“, sagte Ogglsack, „da AUL eine reine Internet-Firma ist, ist gar keine Unterschrift nötig, um sich anzumelden. Laut Computer sind Sie Kunde. Sie haben sich angemeldet. Wie könnten wir sonst Ihre Daten kennen?“
„Die Daten sind schon meine, meine Kontonummer zum Beispiel“, sagte Böglmeier. „Aber ich habe mich nicht angemeldet. Diese Daten stehen auf allen möglichen Rechnungen - jemand hat sie benutzt, verstehen Sie?“
„Nun, dann rate ich Ihnen“, sagte Ogglsack. „Ihre Mitgliedschaft bei uns einfach wieder zu kündigen.“
„Wie soll ich eine Mitgliedschaft kündigen, wenn ich gar kein Mitglied bin?“ - „Sie sind aber in meinem Computer“, sagte Ogglsack. „Und Sie haben einen AUL-Hauptnamen. Und das bedeutet, dass sie Mitglied sind. Schreiben Sie einfach einen Widerspruch, reichen Sie diesen bei der AUL-Mitgliederbetreuung ein - und schildern Sie Ihren Sachverhalt.“
„Und das wars dann?“, fragte Böglmeier.
„Fast“, sagte Ogglsack. „Allerdings müssen Sie Ihre offenen Rechnungen bezahlen. Außerdem bleibt Ihr AUL-Internet-Zugang gesperrt - Sie können also nicht mehr mit AUL ins Internet... nie mehr... denn wir setzen Sie auf eine schwarze Liste, auf die alle verdächtigen, subversiven, aufsässigen Personen kommen und sorgen dafür, dass Sie nie wieder ins Internet dürfen. Das Gleiche gilt für Ihre Söhne und Töchter, Neffen und Nichten, Brüder und Schwestern, Ihren Vater und Ihre Mutter sowie sonstige Verwandte, außerdem Ihre Freunde und Bekannte, Ihre Nachbarn, Arbeitskollegen und alle Personen, die Ihnen zufällig beim Metzger begegnen - wir müssen ein bisschen durchgreifen, verstehen Sie? Schließlich sind wir Amerikaner. Für Späße haben wir keine Zeit.“
Das leuchtete Frau Böglmeier ein, und sie beschloss das Opfer zu bringen, - Hauptsache sie war nicht mehr bei AUL. Denn die Freundin hatte was Falsches gesagt... 'Amerikas User-Linke' musste es heißen. So on.

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Hallo FlicFlac,

ich bin zwar zu blöd, um zu kapieren, was das wiederholte ctm bedeuten soll (bin kein AUL-Kunde :D ), habe mich aber ansonsten weggelacht.

Das Tempo stimmt, die Dialoge stimmen, und als ich gegen Ende einen Moment lang fürchtete, jetzt wird das schon so oft strapazierte Buchbinder-Wanninger-Behörden-Computer-Logik-Thema wiederholt, da kam der wunderschöne Schluss mit den Konsequenzen für die arme siebenfache Mutter bei einer Kündigung der AUL-Mitgliedschaft ... :lol:

Und der von Plasticbrain zitierte Satz hat auch mir wunderbar gefallen.

Ansonsten ... *NachWasZumMeckernSuchUndNIxFind* ... war's das. :thumbsup:

Viele Grüße
Pischa

 

Hallo Flic Flac,

eigentlich sollte das Internet Bürokratie als freies Forum umgehen oder überflüssig machen, doch leider ist die Thematik deiner Geschichte sehr aktuell. Richtig bei den Firmen `beliebte´ Kunden werden ohnehin zur Bandansage weitergereicht…

Die Situation der Frau, ihr Anrennen gegen den `Logiker´ ist gut beschrieben, richtig schön skurril wir´s am Schluss, wenn der armen Frau mit dem gedroht wird, was sie `am meisten trifft´- so verselbständigen sich Mechanismen, sie führen zur Betriebsblindheit.

„Ich habe keinen verdammten Computer, und ich habe ganz bestimmt kein Internet, ich habe stattdessen etwas für den Erhalt der Menschheit getan und sieben Kinder aufgezogen“, sagte Böglmeier.

- Guter Satz.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Flic Flac,

das ist eine wirklich lustige Geschichte, die du da geschrieben hast. :huldig:
Zu meckern gibt es von meiner Seite nichts, außer STELLT DIE AUL'S UND SCHNABELDEUTSCHLAND'S UND TELEKONG'S AN DEN PRANGER. :dagegen: Sorry, da sind wohl die Emotionen mit mir durchgegangen.

tschüß mik

 

Hallo Mik, Pischa, Woltochionon,

danke!

Aus all dem schließe ich : ich kann's so lassen wie es ist; mir selbst kam der Dia etwas lang vor. Geeignet zum Vorlesen?

Schöne Tage,
Flc

 

Hallo FlicFlac,

bis auf die Zeilen vorweg und hintennach mit dem ctm..., die ich zum einen nicht verstehe und insoweit für überflüssig halte, kannste die Story so lassen wie sie ist. Gut gemacht! :thumbsup:

Ist ne Realsatire aus meiner Sicht und erinnert mich an Selbsterlebtes vor einigen Wochen:

auf unserem Bankkonto zog amazon 67 Euro ein. Weder ich noch Männe sind Kunden bei amazon. Anrufen kann man bei amazon nicht und im Internet hab ich erst nach einer halben Stunde des Hin- und Herklickens einen Weg gefunden, die anzumailen, ohne deren Kunde zu sein, denn amazon kann nur anmailen, wer amazon-Kunde ist.
Nachdem meine Mail, in der ich nachfragte, welcher Kriminelle meine Bankdaten für seine Bestellung benutzt hat, bei amazon eingetroffen war, erhielt ich von einem Unternehmen, welches amazon beauftragt hatte, eine sog. Kundenzufriedenheitsnachfrage. Anhand eines Formulars sollte ich via Internet ausfüllen wie sehr ich mit der Behandlung meiner Beschwerde zufrieden sei.
:lol:
Amazon selbst teilte mir in aller Kürze mit, dass ich eine Strafanzeige erstatten könnte und sie der Polizei die Userdaten übergeben würden, aber mir sie nicht aushändigen könnten. Datenschutz! :D Ich liebe unsere deutschen Gesetze manchmal sehr, insbesondere hat mir das Datenschutzgesetz schon zu vielen nervlich schön aufregenden Stunden verholfen. Im vorliegenden Fall hat mir amazon bis heute nicht geantwortet, wieso sie glauben, dass der Schutz des Täters vor Datenpreisgabe höher anzusetzen ist als mein Schutz vor Räuberung meines Bankkontos. :D

Du siehst, lieber FlicFlac, deine Geschichte ist voll aus dem Leben gegriffen.

Ich hatte am Ende deiner Story nur gedacht, dass Frau B. noch für ihren Anruf, der ja minutenlang gewesen ist, auf der Rechnung ihrer Telefongesellschaft einen saftigen Betrag vorfindet. :D
Noch schöner hätte ich auch ein Ende gefunden, indem sie es zwar schafft aus dem Vertrag rauszukommen, aber am Ende in nem neuen noch erdrückenderem Vertrag drin steckt. Wie das gehen soll? Nunja, vielleicht hat einer der hiesigen Leser sowas bereits erlebt und schildert es dir. ;)

Lieben Gruß
lakita

 

Danke Lakita,

für deine Kritik. Sonderbar, gerade diese Story hilet ich für ein wenig sperrig, aber sie scheint zu funktionieren. Vielleicht lese ich sie mal im Frankfurter "Bett".

Über deine Schlussidee werde ich grübeln, das gefällt mir; ich weiß es nur noch nicht konkret. Ich komm kaum noch zum Schreiben und werd wohl bald hier rausgeschmissen deswegen... ;-))

Viele Grüße

 

Über deine Schlussidee werde ich grübeln, das gefällt mir; ich weiß es nur noch nicht konkret. Ich komm kaum noch zum Schreiben und werd wohl bald hier rausgeschmissen deswegen... ;-))

Also mir geht es meist so, dass ich nix zustande bringe, wenn ich anfange zu grübeln. Daher mein Rat, das Grübeln zu lassen. Oder sind deine Geschichten allesamt deswegen nur gut, weil du sie hart ergrübelt hast? :D

Die Idee mit dem Rauswurf für Mitglieder, die nie oder selten eine Story posten, ist saugut!!! :thumbsup: Die werd ich Mirko gleich mal vorschlagen. :lol:
Ausgefeilter könnte man noch abstufen und Geld verlangen von denjenigen, die kaum oder nie Kritiken schreiben, und alternativ dürfen sie sich auch löschen lassen, so wie die anderen faulen Autoren.
Ich selbst wäre dann übrigens auch nicht mehr hier, aber das merkt eh keiner. :D

 

Also mir geht es meist so, dass ich nix zustande bringe, wenn ich anfange zu grübeln. Daher mein Rat, das Grübeln zu lassen. Oder sind deine Geschichten allesamt deswegen nur gut, weil du sie hart ergrübelt hast?

Hm, 1. Sind sie denn überhaupt gut? Und 2. hatte ich schon den Eindruck, die Schnellschüsse wurden mehr verrissen; allerdings ist Grübel nicht der richtige Ausdruck - "es" arbeitet von Zeit zu Zeit "selbst".

Vorliegende Story habe ich aber viel schwächer eingeschätzt, als ihr. Das gabs auch schon umgekehrt ;-)) .

Gut Nacht!

 

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