Telefonat mit der Vergangenheit
Ein roter Opel Kadett.
Ein Gedanke an Dich.
Ein Gedanke, der weder verschwendet ist, noch ein Gedanke, der mich weiterbringen würde oder zu irgend etwas führen würde.
Ich nehme den Hörer in die Hand, und wähle die Nummer, die ich immer noch auswendig kann.
Du sagst: "Ich habe eine Frau kennengelernt. Und ich habe etwas dummes getan."
Ich weiss, was Du mir damit sagen willst: "Wann und wo?" Und Du erzählst mir, dass sie Dich angerufen hat, und dass sie sich mit Dir treffen wollte. Ihr habt Euch "in der Mitte" zwischen Euren beiden Städten getroffen. Und das was sonst noch war?
"Ich will es nicht wissen, es interessiert mich nicht." Das sage ich, obwohl ich weiss, dass dieser Satz weh tut. Aber ich weiss, dass es besser so ist, wenn Du es mir nicht erzählst. Ich höre Dir zu, und sehe mich um Jahre zurückversetzt. Genau um die Anzahl der Jahre, die ich Dich kenne. Und genau wie damals geht es mir heute.
Ich stelle mir die Frau von damals vor. Die nicht weiss, dass Du neben ihr noch jemanden anderen liebst. Und die andere, die es weiss. Die damit lebt. Mit der Gewissheit, dass Du irgendwann wieder gehen wirst.
Du fragst, "Soll ich es ihr erzählen?". Eine Frage, die so kurz und knapp einen Gewissenskonflikt beschreibt, wie es nur irgendwie geht, und doch, eben weil ich Dich kenne, die ganze Situation beschreibt.
"Liebst Du sie?"
"Ich weiss es nicht, vielleicht... Ich weiss nicht, ob ich sie will, ob es mehr ist, oder ob es für mehr reicht..."
Wieder diese stumme Bitte in Deinen Worten, in dem Klang Deiner Stimme, "Bitte hilf mir, mich zu entscheiden!"
Und ich sitze hier, kenne Deine Gefühle, Deine Bedenken und Deine Ängste, als wären sie meine. Und doch sind sie es nicht. Ich höre in meine Kopf Deine Stimme, die mir erklärt, wie es Dir geht, an was Du denkst. Ich sehe wieder die Zeilen vor mir, die mir mein Leben bedeuten. An denen ich mich festgesaugt habe.
"Denk darüber nach. Mehr kann ich Dir nicht sagen. Mehr weiss auch ich nicht."
Du sagst, ja, das willst Du tun.
Und ich? Ich bin froh, dass ich nicht die Frau an Deiner Seite bin, die das erleben muss, oder auch nicht, je nachdem, wie Du Dich entscheidest.
Bin froh, dass ich nur die Freundin bin, die Dir vielleicht helfen kann, einen Weg einzuschlagen, für den Du allein nicht den Mut hättest, für den Du von Jahren schon nicht die Kraft hattest.
So in Gedanken, jeder für sich, beenden wir unser Telefongespräch. Und ich denke an Deine Freundin, die im Moment weit weg ist, und an eine Situation vor Jahren, in der die Rollen anders verteilt waren, und Du den Mut nicht hattest, zu gehen. Den Mut ein neues Leben anzufangen.
Diesen Mut musste ich aufbringen, denn ich hatte diese Wahl nicht.
".. et je voudrais que tu te rapelles, notre amour est éternel..."
(.. und ich möchte, dass Du Dich immer erinnerst, dass unsere Liebe ewig ist...)
sunny am 09.07.2002
[ 16.07.2002, 11:05: Beitrag editiert von: Sunshine ]