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Teilzeit Babe

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22.08.2012
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Teilzeit Babe

Wir fuhren in der 17:00 Uhr Kolonne Richtung Stadtrand. Im Radio lief Venus von Air und untermalte die Fahrt mit Sonnenuntergangsfarben. Berni wachte neben mir langsam auf, und alles passte, die Welt drehte sich in der richtigen Geschwindigkeit.

Vor uns schaltete eine Ampel auf Gelb. Mit wehenden Fahnen überquerten wir die ihr zugehörigen Linien und Streifen. Glitten wie Schwalben vor dem Regen ganz tief über den Asphalt und bogen in eine von Ahornbäumen gesäumte Straße, Kopfsteinpflaster mit Teer geflickt und wieder aufgerissen. Die Reifen knallten ihren Bodenkontakt lautstark in den Innenraum und Bernie starrte mir direkt in die Augen. Er hatte diesen Blick drauf, der einfach kein Wegsehen zuließ. Auf seinen gespitzten Lippen sammelte sich ein Spuckebläschen, das schnell zum Tropfen wurde. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, wie immer wenn ich ihn in seiner Babyschale auf dem Beifahrersitz betrachtete.

Schnelle Bremsung, fast hätte ich die Einfahrt verpasst, mit Schulterblick und gekonntem Kurbeln bogen wir in den Privatweg ein. Nutzung auf eigene Gefahr. Eingeschränkter Winterdienst. Es war Sommer und fast 30 Grad Celsius. Berni lächelte und ich hielt an, so geschmeidig, wie es die Komponenten unseres Fahrzeugs zuließen, als würde man in einem gepolsterten Sessel Platz nehmen.

Ankunft pünktlich auf die Minute. Ich lehnte mich nach vorne, so, dass meine Stirn das Lenkrad berührte, um den richtigen Blickwinkel hinzukriegen, meine Hand tastet dabei zu der Brieftasche in der Mittelkonsole, dass Geld war da. Die Tür zur Kanzlei am Ende einer hohen Eingangstreppe war für mich nicht zu erkennen, zu nah dran, alles was ich sah waren Stufen. Die Villa in der sie sich befand, bot genau das richtige Ambiente für anzugtragende Schönlinge, gegelte Schlangen, giftige Vipern und dazwischen unschuldige Praktikantinnen. Ich musste lachen, wenn die wüssten, und schon erkannte ich den ersten Schritt eines Beins, dem ein Zweiter folgte, die Treppe hinunter. Erst Schuh, dann nackt, dann Minirock, Gürtel, Handtasche, Bluse, Fransenlederjacke, Halskette, Hals, blonde Locken, Mund, Nase, Augen, Stirn und noch mehr Locken. Ich grinste noch mal zu Berni und ließ dann sein Fenster hinunter.

„Hallooo! Hier sind wir.“

Der Mund lächelte und beugte sich zum Fenster.

„Hey, wen haben wir denn da? Das ist aber eine Überraschung. Na wie geht’s Dir Kleiner?“

Conny strahlte in unsere Gesichter und wir baten sie, hinten Platz zu nehmen. Sie machte gerade ihr Pflichtpraktikum fürs Studium und musste dazu unbedingt noch etwas nebenbei verdienen, sonst reichte es nicht. Da kam ich ins Spiel, deshalb holten wir sie ab, heute war Entspannung angesagt.

„Was wollen wir jetzt machen?“ fragte Sie und schaute dabei auf Berni, der sein bestes Lächeln auspackte.

Ich erklärte ihr, dass der Babysitter abgesagt hatte und sagte:

„Du kommst erstmal mit nach Hause, dann sehen wir weiter oder hast Du noch was vor?“

Sie lachte: „Zwei Jungs für einen Abend sind mehr als genug. Ihr könnt mich ganz für euch haben.“

Mit Schwung verließen wir den Privatweg und reihten uns wieder in den Verkehr der großen breiten Straßen ein, die nur ein gemächliches Vorankommen zuließen. Langsam drehte ich das Radio lauter, ich wollte den Song erkennen, irgendwas von Joy Division. Berni grölte laut, Songtext in Babysprache, dabei zappelte er als wäre es ein Tanz. Conny begann ihre Locken im Takt zu schwingen und ich nickte zum allgemeinen Bewegungsdrang. Die Rückbank wurde zur Bühne einer lasziven Jackenausziehübung und der Rhythmus beschleunigte sich in dem Moment als, Ampel rot, alles zum Stehen kam. Berni machte ein drei Tage Regenwettergesicht und ich musste ihn trösten, doch hinter uns hatte die Show gerade erst begonnen. Conny versank in der Musik, die Arme Mal ausgestreckt, Mal fest die Brust umschlungen. Ihr Kopf zuckte wild umher, die Locken flogen und mein Blick wanderte ihren Hals hinunter zwischen die geöffneten oberen Knöpfe ihrer Bluse. Berni begann zu heulen. Irgendwo lag der Schnuller, vielleicht sah’s er drauf, der würde ihn beruhigen, nur finden konnte ich ihn nicht. Grün.

Das Fahrzeug neben uns beschleunigte wie wir und blieb ganz nah auf der Nachbarspur. Ich schaute rüber, in zwei glotzäugige Idiotengesichter mit Trendfrisuren. Ihre Münder standen offen, bis auch Conny sie bemerkte und aufhörte zu tanzen. Sie sah ertappt aus und schaute in die entgegengesetzte Richtung. Konzentriertes Wegsehen. Ärgerlich wollte ich aufs Gas drücken, doch an der nächsten Kreuzung musste ich sowieso abbiegen und wir waren die Störenfriede los. Mit ihnen den Song, der vorbei war und unseren kurzen Ausbruch der Gefühle. Nur Berni war noch nicht ganz beruhigt, erst als ich seinen Schnuller fand, ging es wieder, er hatte tatsächlich drauf gesessen.

Im Rückspiegel war Conny, ganz leise und magnetisch. Ich spürte, wie sich alle feinen Härchen auf meinem Körper nach ihr ausrichteten. Als ich wieder auf die Straße schaute, wunderte ich mich, wie weit wir schon gekommen waren.

„Wie war dein Tag heute?“

„Ist doch völlig egal.“ Sagte Sie abwesend.

„Wie soll das nachher eigentlich laufen? Mit dem Kleinen meine ich.“ Sie lehnte sich bei ihrer Frage nach vorne und schaute auf Berni, der gerade wieder vom Schlaf übermannt wurde.

„Lass das nur meine Sorge sein. Wir sind ein eingespieltes Team.“ War meine Antwort und nahm dabei kurz den Geruch ihrer Haare wahr, als hätte ein unsichtbares Seidentuch meine Nase gestreift. Ein Geruch nach Shampoo und vertrockneten Blumen.

„Wir fahren nochmal schnell zur Tanke ran.“

„Kein Problem.“

Sie stieg aus und ging ein paar Schritte vom Auto weg. Sofort zündete sie sich eine an. Mit der Zigarette im Mund sah sie aus wie einem Film entsprungen.
„Muss das sein?“

„Ja. Tut mir leid. Hast Du Kaugummi?“

„Hole ich gleich drinnen.“

Der Tank war voll. Sie stand bei Berni und schaute ihm beim Schlafen zu. Ihre Silhouette zeichnete sich gegen die Sonne ab. Als ich die Kasse verließ, ging ich ihr entgegen wie ein Verdurstender einer Fata Morgana. Selbst direkt vor ihr konnte ich nun kaum die Details ihrer Gesichtszüge erkennen, unweigerlich legte ich meine Hände auf ihre Hüften und sah weiter nach Details suchend in ihre Augen. Tief, immer tiefer bis zum Aufschlag; und meine Lippen berührten ihre. Meine Zungenspitze fand ihre und die Zeit wurde unwirklich, wie in dem Moment, bei dem aus Fliegen abstürzen wird, oder flüssiges Wasser zu Gas, nur länger.

„Was war das?“

„Wahnsinn!“

Wir lachten und stiegen wieder ein. Es waren nur noch Minuten bis nach Hause und die Erde drehte sich uns entgegen, den Wind im Rücken erreichten wir unser Ziel. Bremsend fuhr ich die Einfahrt zum Haus hinauf und sah schon die Frau vor der Haustür stehen, die mir einen stirnrunzelnden Blick zuwarf. Mir wurde kurz übel, ich dachte sie hätte heute keine Zeit.
„Hallo, Regine. Schön, dass dus doch noch geschafft hast. Nimmst du Berni mit?“
Nichtssagend ging sie zum Auto und öffnete die Tür. Ihre Kittelschürze plusterte sich auf. Ein Hauch. Warmer Wind strich über uns. Sie beugte sich nach Berni und sah zu Conny, die dabei war auszusteigen und ein schüchternes Hallo herausquetschte. Regine flößte Respekt ein.
„Wir kennen uns noch nicht, ich bin die Regine.“ Sagte sie und löste die Schnallen der Babyschale. Conny wurde rot und wirkte auf einmal so zerbrechlich, dass ich dem Drang widerstehen musste sie in den Arm zu nehmen, während gleichzeitig mein Herz bis zum Hals schlug.
„Hallo, sie können Conny zu mir sagen.“

Regine schnaubte: „Ich kann noch was ganz anderes sagen.“, und würdigte Conny keines Blickes mehr, obwohl da genug Funken in aus ihrem Blick sprühten, beängstigend anzuschauen. Ohne ein weiteres Wort hatte sie Berni, der nicht mal aufwachte auf den Arm genommen und brachte ihn zu dem Kinderwagen, der unter dem Vordach des Hauses stand. Wir blieben am Auto stehen und sahen zu, wie sie sich auf den Weg machte, bis sie das Grundstück verlassen hatte und hinter den hohen Büschen am Straßenrand verschwand.

„Was war denn das?“ Conny schüttelte sich mit verschränkten Armen. „Das alte unfreundliche Schrapnell ist der Babysitter? Dein Ernst jetzt?“

Ich blickte noch Richtung Straße, die Übelkeit von der Ankunft hatte sich im Magen breit gemacht.

„Das ist meine Schwiegermutter.“

Conny kam näher und schmiegte sich an mich, die verheißungsvolle Berührung ihres Körpers zog an mir.

„Ich muss zum Glück nicht alles verstehen.“ Hauchte sie in mein Ohr und fragte:

„Wollen wir reingehen?“

 
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Hallo Lem,

also deinen Musikgeschmack musst du noch mal überdenken. :D
Nicht ganz ernst gemeint, aber: Air malt doch keine Sonnenuntergangsfarben. Das ist aber gar nicht der Hauptpunkt. Sondern Joy Division, wie soll das gehen, dass die mit ihrem düsteren Zeug ein Baby swingen lassen oder die Frau zum Ausflippen und Tanzen bringen. Vielleicht zum Prügeln oder aus dem Auto stürzen. Joy Division ist ungefähr so ekstatisch und fröhlich wie ein melancholisches Käsebrett.
Super Musik okay, und vielleicht Geschmackssache, aber ich weiß nicht, Joy Division passt echt nicht zu der Szene. Ich mein, hörs mal direkt zu der Situation. Ich finde ja auch immer, dass man nicht nur Musik schreiben sollte, wenn die im Text angeht, sondern ein bestimmtes Lied, oder eine Gruppe, aber jetzt hast du halt den Salat und jemanden, der da völlig andere Vorstellungen hat.

Ansonsten fand ich, dass der Anfang der Geschichte sehr in die Irre schreibt. man erwartet ein Roadmovie und zwei erwachsene Männer. Und dann lösts sich auf, dass der eine Partner im Babykörbchen hockt. War das Absicht? Wenn ja, warum? Ich jedenfalls hab mich ein bisschen geärgert. Du spielst halt mit einem genretypischen Anfang und dann kommt was ganz anderes, das finde ich ja eigentlich gut, wenn es gut gemacht ist, mit den Erwartungen der Leser zu spielen, aber hier schien es mir halt nicht so richtig zusammenzupassen.
Dann ist mir die Geschichte insgesamt viel zu sehr auf dieses Ende hingeschrieben. Man hat zwar den Titel "Hure" im Kopf und denkt sich dadurch, dass er eine Prostituierte abholt. Aber von zuhause? Also wenn ich eine Prostituierte wäre, ich wollte nicht, dass irgendein Kunde wüsste, wo ich wohne. Also kennt er sie doch besser? Warum heißt das dann Hure? Also da passts für mich auch wieder nicht. Und dann bringt er sein Baby mit der Profi- wie auch immer Liebesbegleitung zusammen zur Oma? Warum macht er es denn nicht umgekehrt? Lässt erst das Baby abholen? Wer ist denn so blöd? Außer dem Protagonist in einer Kurzgeschichte.
Was mir nicht gefällt an deiner KG, die durchaus viele sehens- und lesenswerte Bilder und Stellen hat, die ich auch gerne gelesen habe, sie wirkt zusammengestückelt, als hättest du Logik, Bausteine etc mit einem Holzhammer zurechtgehauen, damit auch ja deine Pointe, Babysitter ist die Schwiegermutter für das Entspannungsdate des glücklichen Vaters zusammenkommt.
Geblieben ist für mich am Ende nur die Frage, was um alles in der Welt ist da los, dass die Schwiegermutter das möglich macht. Ja, neugierig gemacht hast du mich schon auf die Beziehung, oder warum die Schwiegermutter ihm nicht eins auf den Kopf haut. Aber du beantwortest die Neugierde weder, noch, so habe ich leider das schale Gefühl, kam es dir auf diese Neugierde ernsthaft an. Denn dann würde man auch was damit anfangen und nicht nur eine Pointe setzen.

Anbei, ein paar Fehler sind da noch drin:

Mit wehenden Fahnen überquerten wir die ihr zugehörigen Linien und Streifen. Glitten wie Schwalben vor dem Regen ganz tief über den Asphalt und bogen in eine von Ahornbäumen gesäumte Straße,
Mit wehenden Fahnen find ich hier unpassend, vielleicht würd das für ein Schiff passen. Das Bild mit den Schwalben find ich ganz schön, bin trotzdem unsicher, ob das für das Gleiten des Autos passt. Ich würd den Punkt zwischen Streifen und Glitten wegmachen.Der unterbricht zu sehr die Fahrt, stoppt sie ab. Generell funtionieren Punkte eher wie Stoppschilder, das merkst du, wenn du was laut vorliest. Im Kopf macht ein Leser das mit. Und bremst prompt ab, obwohl er doch eigentlich schön über die Streifen und so rüberrauschen soll.
Das Fette find ich übergenau. Jeder ist schon mal über eine Ampel gefahren und weiß, dass da mit Linien abmarkiert ist.

Ich erkannte den ersten Schritt eines Beins, dem ein Zweiter folgte, die Treppe hinunter.
dem ein zweiter folgte.
Die Regel ist, dass du klein schreiben musst, wenn das Nomen, auf das sich das Adjektiv, Zahlwort ... bezieht, noch in der Nähe steht. Und das tut es: Schritt ist das dazugehörige Nomen. Bei den ersten S. würdest du ja ersten auch nicht großschreiben.

Erst Schuh, dann nackt, dann Minirock, Gürtel, Handtasche, Bluse, Fransenlederjacke, Halskette, Hals, blonde Locken, Mund, Nase, Augen, Stirn und noch mehr Locken. Ich grinste noch mal zu Berni und ließ dann sein Fenster hinunter.
Das fand ich eine hübsche Beschreibung.

„Hey, wen haben wir denn da? Das ist aber eine Überraschung. Na wie geht’s dir KOMMA kleiner?“
Kleiner

„Was wollen wir jetzt machen?“ KOMMA fragte Sie und schaute dabei auf Berni, der sein bestes Lächeln auspackte.
sie. Ist doch keine Höflichkeitsform hier.

Berni grölte laut, Songtext in Babysprache, dabei zappelte er KOMMA als wäre es ein Tanz.

Conny versank in der Musik, die Arme Mal ausgestreckt, Mal fest die Brust umschlungen.
mal

Irgendwo lag der Schnuller, vielleicht sah’s er drauf, der würde ihn beruhigen, nur finden konnte ich ihn nicht.
saß

Ich schaute rüber KEIN KOMMA in zwei glotzäugige Idiotengesichter mit Trendfrisuren.

Bis hierhin mal. Aber einen Tipp noch, schau dir mal die Regeln für die Zeichensetzung bei der wörtlichen Rede an. Machst du auch danach immer wieder falsch.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo Lem,

also erst mal Kompliment für Deine unkonventionelle Geschichte. Bin gerade etwas verwirrt, als ich Novaks Beitrag gelesen habe, denn ich habe die Geschichte ganz anders verstanden...
Aber erst auch noch zwei Dinge, die mir aufgefallen sind:

bei dem aus Fliegen abstürzen wird, oder flüssiges Wasser zu Gas
kapier ich nicht, abstürzende Fliegen??

Nichtssagend ging sie zum Auto und öffnete die Tür.
Nichtssagend passt hier nicht, eher wortlos/schweigend/ohne ein Wort

Zu Beginn hast Du mich auch in die Irre geführt, was ich aber gut fand. Dachte, Bernie ist ein Junge/Mann und der Erzähler eine Frau. Erzähler ist (reime ich mir zusammen) alleinerziehender Vater, der natürlich auch körperliche Bedürfnisse hat und sich diese "kauft". Trotzdem nicht ganz niveaulos, denn die "Hure" oder vielleicht eher Eskort, ist Studentin, und verdient sich so nebenbei ihr Studium. Warum eigentlich nicht, wenn beide Seiten kein Problem damit haben.
Dann kommt die alte Schrapnelle/Schwiegermutter, und muss gute Miene zu allem machen, denn (wiederum meine Auffassung), ihre Tochter hat sich wahrscheinlich aus dem Staub gemacht und den Vater sitzen lassen.

Ich fand es sprachlich und inhaltlich sehr gelungen. Gerne gelesen!

Gruß Kerkyra

 

Hallo Lem Pala

Eigentlich wollte ich nichts zum Titel bemerken, obwohl er mir in dieser Formulierung billig wirkt. Doch inzwischen habe ich die Geschichte gelesen und er dünkt mich schlicht verfehlt. Es ist ein subtiler Text, den Du da aufbereitet hast. Zwischendurch treten einige mir überzeichnend wirkende Worte/Sätze auf, die mir unnötig erscheinen, ansonsten aber bietet sich der Stoff dem Leser angenehm an. Wäre der Titel nicht so brüskierend, könnte es schon sein, dass manch Leser das fein eingewobene Nebeneinkommen der Studentin vielleicht nicht treffend deutete. Mit dem Verlassen der Villa (ihres „Gönners“) hebst Du sie ja auch auf eine niveauvolle Erscheinung. Da würde es behutsamer angesagt dem Gesamtbild stärker entsprechen, ohne die Wirklichkeit zu verwischen.

Nachfolgend einige Gedanken, die mir beim Lesen auftraten:

Wir fuhren in der 17:00 Uhr Kolonne Richtung Stadtrand.

Hier zeichnete sich in meiner Vorstellung ein Militärkonvoi, vermutlich durch die präzise Zeit und dem Wort Kolonne ausgelöst. Erst die „Babyschale“ berichtigte meinen falschen Eindruck. Es ist keineswegs falsch, aber den weichen Konturen des kommenden Inhalts entsprechend, wäre es mir in etwa so anschaulicher: Wir fuhren im frühen Feierabendverkehr Richtung Stadtrand.

Im Radio lief Venus von Air und untermalte die Fahrt mit Sonnenuntergangsfarben.

Statt Sonnenuntergangsfarben hätte ich mir ein malerisches Abendrot gewünscht, doch inzwischen schaute ich mir noch eine Live-Aufnahme des Stücks auf YouTube an. Da wurde mir die poetischere Ausschmückung verständlich. :D

Glitten wie Schwalben vor dem Regen ganz tief über den Asphalt und bogen in eine von Ahornbäumen gesäumte Straße,

Ich mag Poesie, dennoch irritierte mich dieses Bild der Schwalben. Ein Auto schwebt ja nicht über der Strasse, verliert seine Bodenhaftung nicht. Wenn schon, müsste es klarer als Gleichnis zum Ausdruck kommen.

Die Reifen knallten ihren Bodenkontakt lautstark in den Innenraum und Bernie starrte mir direkt in die Augen.

Hier ist, wenn ich es richtig bemerkte, die einzige Stelle an der der Name Berni auf ie endet.

Erst Schuh, dann nackt, dann Minirock, Gürtel, Handtasche, Bluse, Fransenlederjacke, Halskette, Hals, blonde Locken, Mund, Nase, Augen, Stirn und noch mehr Locken.

Mir gefällt die Szene, wie sich Conny allmählich ins Bild bringt. Nur, die Details offenbaren sich zu extrem gesondert. Mir wäre es da realistischer, wenn ihre Erscheinung sich partiell aber breitflächiger einbringt, also einige der äusserlichen Attribute wegfielen.

„Hey, wen haben wir denn da? Das ist aber eine Überraschung. Na wie geht’s dir kleiner?“

Kleiner

„Was wollen wir jetzt machen?“[KOMMA] fragte Sie und schaute dabei auf Berni, der sein bestes Lächeln auspackte.

sie

Irgendwo lag der Schnuller, vielleicht sah’s er drauf, der würde ihn beruhigen, nur finden konnte ich ihn nicht.

saß.

Im Rückspiegel war Conny, ganz leise und magnetisch.

Es ist die Empfindung des Protagonisten, was mit wirkte oder erschien mir eher zutreffend umschrieben ist.

„Ist doch völlig egal.“ Sagte Sie abwesend.

Auch hier nochmals das Personalpronomen kleingeschrieben, zudem würde ich es in einen Satz binden: „Ist doch völlig egal“, sagte sie abwesend.

Soweit meine Gedanken, die sich während des Lesens an den genannten Stellen kurz verselbständigten. Dennoch konnte es meinem Vergnügen an der Geschichte keinen Abbruch tun. Ich fand es sympathisch vorgetragen, wenngleich ich der jungen Dame eine andere Tätigkeit wünschte. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon


PS: Jetzt sah ich eben, dass Dich Novak bereits auf Vertipper hinwies. Ich lass es dennoch stehen.

 

Hallo Novak, hallo Kerkyra, hallo Anakreon,

zuerst einmal Danke für eure umfangreichen Kommentare. Ich schätze eure Meinungen sehr und will auch auf jeden von euch einzeln eingehen. Ihr habt mich teilweise echt zum Lachen gebracht, und einige Denkanstöße gegeben.


Novak,

Du hast es geschafft, dass ich total verunsichert erst vorhin meine Musikwahl noch mal überprüft habe. Und es ist wie Du sagst, jetzt hab ich den Salat. Zum Glück ist mir aber wieder eingefallen, wie ich die Geschichte geschrieben habe. Die Musik lief, die Titelauswahl war auf Zufall eingestellt und ich habe mich einfach vom Sound tragen lassen. Dem guten Gefühl beim Schreiben sei geschuldet, dass ich die Interpreten jetzt einfach so stehen lasse.

Dass der Anfang in die Irre führt war nicht geplant, ist einfach so passiert. Ich wollte dieses Gefühl vermitteln, von diesem Typen der mit sich völlig im reinen durch den zähen Verkehr juckelt, neben ihm sein Sohn, sein Kumpel, Baby zwar, aber eben doch schon mit Charakter. Eltern interpretieren ja gerne mal die interessantesten Charakterzüge in die Verhaltensweisen ihrer Babys, und er sieht seins eben als einen mit dem man Pferde stehlen kann.

Auf das Ende hingeschrieben, sagst Du und hast Recht. Ich wusste von Anfang an, wo ich hinwollte und ich bin sehr froh drüber, dass ich dort sogar angekommen bin. Oft genug komme ich beim Texten auf Irrwege. ;)

Trotzdem sprichst Du da was an, nämlich den Titel. Mir ist einfach nichts Vernünftiges eingefallen und ich befürchte, dass der Titel, die Erwartungshaltung die Du durch ihn unbewusst als Leser einnimmst, in eine Ecke schiebt aus der Dich der Text dann wieder rausholen muss. Ich würde jetzt gerne schreiben, wie Du die Geschichte verstehen sollst und wie ich alles gemeint habe. Ich würde Dir sogar gerne sagen was es mit dem Protagonisten auf sich hat, aber wenn ich das täte, ginge der ganze Zauber verloren.

An manchen Stellen hast Du mich falsch verstanden oder ich habe unverständlich geschrieben:

Conny wird nicht zuhause abgeholt, sondern von ihrem Pflichtpraktikum. (Vielleicht kriege ich diese Info noch schärfer gestellt, wie bei einem Fernseher das Bild.)

Mit der Oma hatte der Protagonist gar nicht gerechnet. Er sagt ja:

Mir wurde kurz übel, ich dachte sie hätte heute keine Zeit.
Sie löst auch nicht umsonst Übelkeit und Herzrasen bei ihm aus. ;)

Noch mal Danke für die Kritik. An dieser Stelle musste ich lachen:

Joy Division ist ungefähr so ekstatisch und fröhlich wie ein melancholisches Käsebrett.

Kerkyra,

Dein Beitrag ist ein schönes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Lesarten und Sichtweisen von uns Usern sind. Ich werde Deine Anregungen mal ausprobieren und schauen wies dann Aussieht.

die Zeit wurde unwirklich, wie in dem Moment, bei dem aus Fliegen abstürzen wird, oder flüssiges Wasser zu Gas

Das ist einfach so ein undurchschaubarer Moment, wenn der Pilot denkt: Wir werden gleich abstürzen. Er fliegt noch, gleitet aber schon in den Sturz und kann nicht sagen, wann das eine endet und das andere beginnt. Deswegen auch der zweite Vergleich im selben Satz, wenn Wasser zu Gas wird. In dem Moment, in dem sich der Aggregatzustand von Wasser ändert, befindet sich das erhitzte Wasser im sogenannten Nassdampfgebiet, dort ist die Unordnung der Wassermoleküle so groß, dass man flüssiges nicht von gasförmigen unterscheiden kann. Irgendwie halt ziemlich verrückt.

kapier ich nicht, abstürzende Fliegen??

Einmalig wie das bei Dir ankam, abstürzende Fliegen, ein echt lustiges Bild für die Strahlkraft eines Kusses. Irgendwie so: „Sie pressten ihre Lippen, so voller Leidenschaft aufeinander, dass die Fliegen von den Wänden fielen.“:D

Freut mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat.


Anakreon,

ich glaube Du bist mit Deinem Verständnis der Geschichte, sehr nah bei dem was ich ausdrücken wollte. Tatsächlich ist der Titel tragisch verfehlt, da ich gerade an dem Punkt sehr mit mir gehadert habe. "Was will ich mit dem Titel erreichen?" wäre die Frage gewesen die ich mir hätte stellen sollen. Nun kommt es mir so vor, als wollte ich den Leser für dumm verkaufen, in dem ich ihn mit der Nase auf etwas stoße. Dabei hätte an dieser Stelle ein klein wenig Subtilität wirklich gut getan. Leider bin ich ratlos. Sollte mich dennoch eine gute Idee ereilen, werde ich den Titel ändern lassen. Vorschläge sind gern gesehen ;)


Es freut mich, dass die Geschichte so gut von allen aufgenommen wurde. Den Anmerkungen und Änderungsvorschlägen, besonders aber Fehlern werde ich mich in einer folgenden Überarbeitung widmen.

Beste Grüße an euch Drei

Lem Pala

 

Hallo Lem Pala

Du tust Dich schwer mit dem Titel, dabei bist Du nah dran, wenn es Dir gelingt, den Sinn dieser Geschichte annähernd widerzuspiegeln. Ich kenne Deine Intention nicht, es können da verschiedene Motive vorliegen, so wird es für Aussenstehende schwierig, da Vorschläge einzubringen.

Da Du mit Hure die einfachste Form wähltest, die Figur quasi vorab blossstelltest, wäre hier eine Niveauanhebung mit einem Titel in dem „Student Escort“ oder dergleichen vorkommt, nicht verfehlt. Aber Vorsicht wegen allfällig geschützten Handelsregistereinträgen, solche Agenturen gibt es wirklich. ;)

Für mein Empfinden müsste es jedoch stärker auf ihre Persönlichkeit abgestellt sein, nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ihr Motiv ist schon das Geld, doch nur deswegen überwindet niemand eine solch seelische und soziale Hürde, da steht mehr dahinter. – Irgendwo habe ich noch eine kleine psychologische Studie, die sich auf Interviews mit ein paar Domina abstützte und zu verblüffenden Ergebnissen kam. Deren Tätigkeit ist zwar etwas anders gelagert, doch Parallelen sind da schon. Also verinnerliche Dir ihre Persönlichkeit, ihre Haltung und auch - wie er, der Protagonist dazu steht.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Conny wird nicht zuhause abgeholt, sondern von ihrem Pflichtpraktikum. (Vielleicht kriege ich diese Info noch schärfer gestellt, wie bei einem Fernseher das Bild.)
Das geht aus deinem Text nicht hervor. Find ich aber auch egal. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Frau von einem Begleitservie oder eine Prostituierte (wiie auch immer du es nennen willst) sich von ihrem Privatjob abholen lässt.
Wenn die beiden befreundet sind und sie sich bezahlen lässt. Gut, das wäre eine spezielle Beziehung. Aber davon steht im Text nichts. Was aus dem text rauskommt, ist, dass sie sich saugut verstehen und er sich sehr von ihr angezogen fühlt.

Mit der Oma hatte der Protagonist gar nicht gerechnet. Er sagt ja:
Mir wurde kurz übel, ich dachte sie hätte heute keine Zeit.
Das stimmt, Das habe ich überlesen. Trotzdem war sie doch wohl als ursprünglicher Babysitter geplant? So verstehe ich nämlich diesen Satz:
„Hallo, Regine. Schön, dass dus doch noch geschafft hast. Nimmst du Berni mit?“

Tut mir lied, Lem Pala, dennoch bleibt mir der Text zu sehr auf das Ende hin geschrieben. Um den Zauber des Zusammenseins mit der jungen Frau zu zeigen, völlig wurscht, was sie für einen Nebenjob hat, hätte es weder des Titels noch des Endes bedurft. Wolltest du die Ambivalenz zeigen, mit der man ihr gegenübertritt, also einerseits der flattrige Vater, der einen Höllenkuss mit ihr erlebt, andererseits die böse Reaktion der Schwiegermutter, dann finde ich das Schweigermutterende immer noch zu plakativ, weil es die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenkt.
Deine Zielsetzung für diesen Text, was du mit ihm agen/zeigen willst, das bleibt für mich unklar. Aber völlig wurscht, bei den anderen klappt es ja.

Wenn ich schon noch mal da bin, dann hab ich noch diese Verbesserlis:

Nichtssagend ging sie zum Auto und öffnete die Tür.
Wenn du nichtssagend zusammenschreibst, dann hat es die Bedeutung: inhaltsleer, bedeutungslos.
Du meinst doch hier bestimmt, dass die Omma einfach nicht redet. Ich würde es dann trennen oder anders ausdrücken.

„Wir kennen uns noch nicht, ich bin die Regine.“ Sagte sie und löste die Schnallen der Babyschale.
Warum trennst du die Redeformeln immer so komisch durch den Punkt ab?
..., ich bin die Regine", sagte sie ....

Liebe Grüße, Mister Pala, von Novak

 

Sooo maria.meerhaba,

nicht mal zwei Jahre später und schon eine Antwort auf deinen Kommentar =D

Call me: The Flash

Wie du vielleicht siehst habe ich ein paar kleine Änderungen vorgenommen.
Zum einen der Titel, der Alte war einfach zu plakativ, zum anderen ein kleines Feintuning im Text, um gewisse Aspekte die mir wichtig waren klarer ersichtlich zu machen.

Ich befürchte jedoch, dass du die Story weiterhin nur "so lala vielleicht" finden wirst, da ich nichts Grundlegendes geändert habe. Ich hoffe aber, dass der ein oder andere die nun überarbeitete Geschichte liest und Gefallen daran findet.

Schöne Grüße
Lem Pala

 

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