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Tanz!

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15.02.2003
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Tanz!

Erwachen.
Dunkelheit. Habe ich...geschlafen? Ich...kann mich nicht erinnern. Kalt. Ein offenes Fenster, ein Fenster muss geöffnet sein, vielleicht...aber warum dann kein Mondlicht, es ist...völlig dunkel. Die Luft ist...ganz ruhig, es gibt keinen Wind, kein Wind. Wo bin ich...wo...bin...ich?
Denk nach...denke...nach!
Versuch dich zu erinnern.
Erinnern.

Da ist...dieser Mann. Er lächelt...er lächelt...mich an. Er nimmt meine Hand und sagt: „Tanz!“

Musik, Gesichter, Lachen, rote Wangen, zuckende Beine, schwingende Arme, schwerelos, ganz...frei, Musik, der Rhythmus dunkel, kreischend bunte Kleider, Bewegung, Musik, Licht und Schatten im rasenden Wechsel, stampfende Füße, er lacht und wirft mich durch die Luft, hält mich fest. Halt mich fest.

Es ist...eine Bar. Die Leute tanzen. Wir tanzen, tanzen uns besinnungslos. Die Band spielt...Jazz...auf der Bühne steht eine Farbige und singt.
Dieses Lied...wir sind verloren, treiben in der Melodie. Lass dich fallen, komm, lass dich einfach fallen, ich fang dich schon. Hab...keine Angst, hab bloß keine Angst.

Die Hitze und der Schweiß, die Körper reiben aneinander. Wir schmelzen, rufe ich und lache dabei.

Etwas zu trinken, Hauptsache etwas zu trinken „Ja,“ sagt er, „Warte.“ Verschwunden. Er ist weg. Warte!

So heiß, so entsetzlich...heiß. Der Atem in meinem Nacken. Die anderen werden immer mehr. Die Luft wird immer weniger. Meine Füße stolpern dem Ausgang entgegen...Exit. Exit!.

Die Straße. Die Lichter. Sind das...Sterne? Nein...es sind...Neonreklamen, sie...flackern ein wenig. „Tony´s Bistro“. „24h Hotel“. Ist er das, dort drüben? Oder dort, oder dort? Vielleicht...Ich kann ja über die Straße gehen, ganz einfach...ganz einfach... Zwischen den Autos und den...Häuserketten.

Einsatzfahrzeug, das Licht so grell, vorne weiß und hinten rot, Strahlenblenden, Sirenenheulen, Rufe, der Wind kühl im Gesicht, das Rauschen der Bäume, ganz fern, Bahnhof, Zug rattert davon, zwei Minuten zu spät, zu spät, zu langsam, vorbei, die Schritte immer weiter, im Takt der Stadt, eins zwei, eins zwei, eine alte Frau tritt mir in den Weg, lächelt, spricht. „Por favor!" sagt sie, streckt die Hände aus, leere Hände, Furchen sind darin, nur...Furchen, die Autos beginnen zu summen, unter den Straßenlampen gibt es helle Flecken. Wie Inseln, denke ich, wie Inseln. Die Frau lächelt, sie lächelt, lächelt. Lächelt mich müde.

Umdrehen. Laufen. Kleine Gassen, Hinterhöfe. Stehenbleiben. Ein Hotel, alt, kaputt, billig. Tür auf, rein, Schlüssel, „Erster Stock, dritte Tür links.“, Treppe rauf, das Knarren der Stufen, den Gang entlang, keine Fenster, es gibt...keine Fenster, Blumen auf der Tapete, hier.

Der Schlüssel...rasselt, knackt...das Schloss klemmt. Nicht schlimm, nicht schlimm, die Tür schwingt auf, mit einem Seufzer, leise nur. Alles leise, und kalt, Licht geht nicht, Schatten an den Wänden auf dem Boden an der Decke. Nicht wichtig, nicht wichtig. Tasten, Stolpern, Fallen, egal. Ich schlafe ein, sofort. Schlafe ein, schlafe ein. Es ist wie ein Flüchten, ich denke...es...ist ein Traum. Ich sehe mich selbst...schlafend...auf einer Wiese. Es gibt keine Blumen...keine Blumen mehr. Ich...
Ich habe etwas getan...es war...nicht gut. Ist es...eine Strafe? Aber was...warum...

Nein! Bitte noch nicht, nicht, nein!

Erwachen.
Dunkelheit. Habe ich...geschlafen? Ich...kann mich nicht erinnern. Kalt. Ein offenes Fenster, ein Fenster muss geöffnet sein, vielleicht...aber warum dann kein Mondlicht, es ist...völlig dunkel. Die Luft ist...ganz ruhig, es gibt keinen Wind, kein Wind. Wo bin ich...wo...bin...ich?

 

Hallo Wolkenkind,
wow, mir ist jetzt noch ganz schwindelig vom Lesen. Ich weiss nicht richtig, wie ich es beschreiben soll, aber es war, als würde man mit dem Lesen deiner ersten Wörter gepackt und bis zum Schluss herumgewirbelt. Ich weiss, das hört sich blöd an, aber ich weiss nicht wie ich es anders sagen soll. Auf jeden Fall war es toll zu lesen.
Liebe Grüsse
Blanca

 

Hi!

Ein Traum? Eingeschränkte Wahrnehmung? Auswirkungen eines Rauschs? Die Prot irrt atem- und orientierungslos umher, als würde sie vor etwas weglaufen. Allerdings läuft sie nach Hause, bevor die Rückblende endet und keine Lösung bietet.
Spannung entsteht durch Angst. In diesem Fall aber ist es nur Unklarheit, die von Anfang bis Ende in mir entsteht. Deswegen verfehlt auch der abgehackte Schreibstil seine Wirkung. Mehr als Orientierungslosigkeit kann ich nicht erkennen, und das reicht mir nicht bei einer Geschichte.

Vielleicht erklärst Du mal ein wenig, was Du Dir so gedacht hast und wie man die Geschichte verstehen sollte.

Fazit: Den hektischen Stil hast Du gut drauf, beschreibst gekonnt in wenigen Worten die Szenen. Inhaltlich nicht mehr als die Wiedergabe facettenhafter Erinnerungen. Aber vielleicht war es auch genau so gedacht?

Uwe

 

Hallo ihr beiden

Danke, dass ihr euch so früh am Morgen habt "herumwirbeln" lassen ;)
War mir ziemlich unsicher, wie der Text ankommt, is ja alles bisschen anders.

Blanca, schön, dass die Sätze dich gepackt haben. Mal sehn, vielleicht trau ich mich mit was ähnlichem in den Contest :)


@Uwe Post
Danke für die ausführliche Kritik, hilft mir, gerade weil das so ne Art Experiment ist. Hatte ehrlich gesagt schon befürchtet, die ersten halten mich für einen Analphabeten, der keine ganzen Sätze hinkriegt :D

Das mit dem Rausch stimmt vielleicht, verzerrte Wahrnehmung auf jeden Fall. Hab versucht, das Pulsiern der Stadt bei Nacht anzudeuten. Sicher lässt sich das noch ausbauen, aber ich wollte erstmal sehn, wie der Stil generell ankommt.

Lösung zeigt sich der Prot nicht. Eine Pointe gibt es allerdings schon, würde ich sagen. Sie ist sozusagen in einer Erinnerungs-Schleife gefangen. Klingt SF-mäßig, naja. Wie gesagt, das is keine Rückblende, sie wacht auf und beginnt von vorne...

Wollte auch absichtlich nur Eindrücke und bruchstückhafte Erinnerungen nehmen, in der Erinnerung gibt es wahrscheinlich keine großen Gedankenketten.
Und ratlos ist der Text sicherlich, "wo bin ich?" hätte auch als Überschrift gepasst.

Würde mich über weiteres Feedback sehr freuen.

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Zur Pointe: Ja, das habe ich auch zuerst so aufgefasst, dass es sich um eine Schleife handelt, dann aber gedacht, dass ich das falsch interpretiere. Wir hatten in SF vor kurzem so eine Geschichte: Déjà vu. Abgesehen von diversen Schwächen jener Story lieferte sie aber eine Begründung für die Schleife in Form irgendeines fremdartigen Artefakts.

Das ist bei Dir anders: Mir ist nicht ersichtlich, warum es zu dieser Schleife kommt. Deshalb empfinde ich die Pointe nicht als solche: Es ist zwar ein Ende, bzw. der Kreis schließt sich, aber warum? Mir fehlt das Aha-Erlebnis.
Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass es eine Metapher für den Teufelskreis ist, in dem sich Drogenabhängige befinden. Falls das so gemeint ist, würde ich versuchen, dort einen Bezug herzustellen, also aufzuzeigen, dass die verzerrte Wahrnehmung mit Drogen und die wiederum mit der Schleife zu tun haben. So wirkt die Schleife willkürlich.

Vielleicht liege ich aber auch total daneben. Sag Du es mir: Warum ist sie in der Schleife?

Uwe

 

Hm, fremdartiges Artefakt, Teufelskreis, Fiebertraum.
Solche Ursachen bringen meiner Meinung nach nichts, wenn sie einfach so gegeben sind. Aha-Erlebnis hätte ich dabei keines.
Interessant wird es erst, wenn der Prot in irgendeiner Weise die Verantwortung dafür trägt oder die Schleife etwas Bestimmtes beim Leser bewirken soll.

Ich will nicht moralisch schreiben, dann schon eher nach dem "was-wäre-wenn" Prinzip.
Interessant fand ich, wie sich die Dinge verändern, wenn sie immer wieder in der selben Reihenfolge erlebt werden, wenn man sieht, dass es kein Ziel gibt, weil alles von vorn beginnt.

Vielleicht könnte man es Hölle nennen, wobei es nur einen Augenblick lang und auch nur ganz am Schluss so etwas wird.

Wollte die Geschichte Junkies anklagen, wäre sie in "Gesellschaft" richtig, wollte sie eine kreative Erklärung für ein Phänomen liefern, wäre es SF.
Denke, mit dem Stil sind auch "logische" Stories möglich ;)

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Hi wolkenkind,

eine interessante Art zu schreiben, das muss ich schon sagen. Bei mir hast du erreicht, was du vemutlich wolltest: Die besondere Wahrnehmung, die man entwickelt, wenn man berauscht ist (oh ja, auch ich war schon einmal betrunken). Erinnert mich stark ein einige Passagen aus dem Film "Jacob´s Ladder".

2 Dinge sind mir aufgefallen:
Zum einen sollte man nicht "Negerin" sagen, das ist heutzutage fast so diskriminierend wie das andere N-Wort (du weißt schon). Da es der Geschichte nicht zu entnehmen ist, dass dein Prot rassistisch ist (was diese Wortwahl rechtfertigen würde), würde ich es gegen "Farbige" oder "Schwarze" austauschen.
Zum anderen sollte es wohl am Anfang des vorletzten Absatzes heißen: "DER Schlüssel...".

Aber du hast es meiner Meinung nach geschafft, ein bestimmtes Gefühl (oder Situation) gut rüberzubringen.

Viele Grüße, Xenomurphy.

 

hi xenomurphy

Freut mich, dass bei dir die Geschichte etwas bewirkt.
Im Grunde war es ein Experiment, aber es ist wohl nicht innovativ genug für die Experimente-Rubrik.

Den Schlüssel hab ich ganz übersehn... ;)

Ich weiß nicht, ob Negerin heute diskrimierend oder diskriminierender als früher sein soll. Hab das nur bei weißen amerikanischen Autoren auch so gelesen und irgendwie gefällt mir das Wort besser als diese Ausweichbegriffe. Ist ja, als ob man Gummihandschuhe anziehen müsste. Typisch deutsches Problem denke ich.

Naja, ein bisschen Provokation verträgt jede Geschichte, insbesondere wenn es sowieso eine Art Experiment ist.

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Hallo Wolkenkind!

Mit dem Ende geht es mir ähnlich wie Uwe: ich empfinde es nicht als Zeitschleife, weil mir jegliche Andeutung zum "warum" fehlt. Für mich kehrt die Prot lediglich zum Ausgangspunkt zurück, greift die Gedanken noch einmal auf, ist aber nicht in eriner Zeitschleife gefangen...
Vom Stil her finde ich den Text sehr gelungen, durch die angefangen Sätze und kursiven Einwürfe kommt die Orientierungslosigkeit und Zerrissenheit sehr gut zur Geltung.
Zu "Negerin": ich habe 2 schwarze Bekannte und mit ihnen auch über dieses "typisch deutsche" Problem diskutiert. Ich sage späterstens seitdem Schwarze. Auch wenn man weiß, das es nicht abwertend gemeit ist, ist es dennoch ein Begriff, der abwertet. Meine Erfahrung, natürlich nur.
Auf der anderen Seite passt "Schwarze" nicht so recht in diesen so ungekünstelten, einfachen Text...

schöne Grüße
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Wolkenkind (und Anne, danke, für deine Unterstützung).

Ich möchte wirklich nicht kleinkariert erscheinen (Karos stehen mir eh´ nicht), aber auf der einen Seite denke ich, wenn du häufigeren Umgang mit Farbigen hast, wird dir die Bezeichnung "Farbiger" auch nicht gekünstelt vorkommen, sondern so normal wie "Neger". Meines Erachtens nach wirkt es umgangssprachlich genau so.
Auf der anderen Seite (und darum hat Anne es sicherlich in Anführungszeichen gesetzt) ist es kein typisch deutsches Problem, da ich in meiner Zeit in Miami niemanden habe das Wort "Negro" benutzen hören.

Fazit: Ich erachte es in einer Story, in der der Protagonist nicht der Handlung folgend rassistisch oder diskriminierend ist, nicht für nötig, Minderheiten zu "beleidigen". Ich sage das nicht nur, weil ich selber einer Minderheit angehöre, sondern weil so etwas schnell nach hinten losgehen kann und man fälschlicherweise dem Autoren/der Autorin vorwerfen könnte, diese Intentionen statt seines/ihrer Protagonisten zu haben.

Liebe Grüße, Xenomurphy.

 
Zuletzt bearbeitet:

ok ich ergebe mich, will da nich an einer Meinung festhalten, für die ich keine überzeugenden Argumente habe.
Danke euch beiden für eure Erfahrungen, ich bin hier auf dem Dorf etwas abgeschottet ;)

Das mit der Schleife sollte ich vielleicht wirklich nochmal überarbeiten.

So, jetzt wird die Protagonistin bestraft. Ich kann mir keine schlimmere Strafe vorstellen, als in einer Zeitschleife zu stecken und nicht zu wissen, was man falsch gemacht hat.
Kafka würde mich auslachen, aber naja... :D

Liebe Grüße
wolkenkind

 

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