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Tales from the World Wide Crypt - Episode 3
Man hört von einigen merkwürdigen Geschichten im Internet. Nicht allen
darf man trauen und ohne die Kontinuität in den uns zugesagten Nachrichten
aus aller Welt würde man schnell in Zweifeln ob eines natürlichen Fortgangs
taumeln.
Diese Geschichte hat sich jedoch wirklich so zugetragen und wurde bezeugt
von einem M, die in dieser Geschichte Max heisst.
Episode 3: Milas Garten
Max hat schon seit Anfang der Woche einen starken Husten gehabt. Jeden
Morgen mit dieser schlibbrigen Suppe an den Lungen klebend mit Gurgeln
und einem ausstossendem Husten begleitet die eigenen Augen im Spiegel
zu suchen führte unterschwellig dazu, dass Max die eigene Zerbrechlichkeit
wie für einen Augenblick fühlen konnte. "Igitt, ist das eklig" dachte sich Max
und dachte an etwas anderes, putzte die Zähne und spülte nochmal mit dem
Eukalyptuspräparat die zugänglichen Erwundungen.
Es war ja auch kein Wunder, auch der Aschenbecher war schon wieder voll
von Gestern. Wenn es einen gab, der Kette rauchte, dann sicherlich Max. Eine
Fluppe vor dem Essen knetet die Geschmacksnerven kurz zu öde, eine Fluppe
danach entkrampft den Magen für die Entwertung der für das Kneten und
Entkrampfen benötigten Nährstoffe. Praktisch jeden Morgen dachte er daran,
mit dem Rauchen aufzuhören. Irgendwie. Aber nicht wirklich. Würde er das
sicher vergessen, wenn er seine wirklichen Probleme betrachtete, dachte er sich.
Max legte das Nachhemd ab und nahm die schwarze Hose aus dem Schrank,
zog sich ein schwarzes T-Shirt an und ein dunkel- und hellblau geschecktes
Hemd. Bluejeans wären nichts für ihn gewesen. Einmal soll er gesagt haben,
er trage schwarze Hosen aus Trauer um seine verlorene Jugend, doch das
nahm ihm denn so auch jeder für aber. Er konstruierte unfreiwillig eine
merkwürdige Handbewegung als er gleichzeitig versuchte in Richtung Tür
zu gehen und dabei das Licht auszuknipsen und freute sich sehr, dass ihm
diese Kapriole gelungen ist. In der Ruhe liegt der Tod, dachte er sich. Im
Schaffen liegt die Kraft. Er wickelte noch zwei leicht belegte Stullen in das
Pergament und knöpfte sich dieses wie üblich ins ausgebeulte Fach
seines Rucksacks.
Irgendwie begann dieser Tag schon relativ früh zu drücken. Nach den dunklen
Tagen mir starkem Regen brutzelte die Sonne heute die nassdurchtränkte
Erde zu einer flockigen Bolognese, und emsig sammelten Ameisen kleinere
Bröckchen und die Würmer wuselten sich ein wenig tiefer in die kühle Erde
ab, allerlei Blumen witterten ihre Köpfe nach dem Licht, gleichwohl sie sich
den Wegen der Würmer nacheifern zu wollen sehnten. Max trampelte seine
Abkürzung über die Wiese zu Ende und musste nur noch den Hang darunter
und dann die Treppe und in der Halle am Bahnhof noch einen Kaffee nehmen,
bevor der erwartete Zug ihn ohne zu fragen mitnahm.
Nach einer halben Stunde Fahrt brauchte er nur noch wenige Minuten zu Fuß,
bis er sich wieder in seinen Tabellen nach verborgenen Möglichkeiten suchend
verlor. Er verzehrte die letzte Stulle in der Mittagspause und wetzte wieder
an seinen Reihen und Spalten, und je mehr die Sonne sein Gehirn erweichte,
desto mehr knobelten die Daten auf seinem Schirm höhnische Löcher aus
den Augen. Mila würde diesen Typen immer noch hassen. Hassen müssen.
Weil sie sich selbst hasste. Max glotzte aus dem Fenster und sah eine flimmernde
Welt mit der er sich in einer heilen Phantasie ablöste. Gegen Abend wurde
der Husten eine Art verblasste Erinnerung von Gestern. Bis zum folgenden Morgen.
Mila war sich keiner Schuld bewusst. Was konnte sie dafür, dass sie diese
Stimmen hörte? dachte sie sich und fuhr grob über den Garten und sah nirgendwo
Unkraut wachsen. Die Knollen drückten grüne Schläge aus der Erde und draussen
glotzte heute irgendwie alles blöd. Mila ging in den Garten und hebte ihre Stimme
zu einem sanften, anklingenden Gefühl des Durchlebens eines jahrhundertealten
Mythos. Sie sah das Glas auf dem Tisch und wie voll es geregnet war: das schickt.
Und sie hasste ihn. Tief in ihrem Inneren betete Sie für ihren Hass. Dort im Garten
soll er liegen, und die Birke soll an ihm laben. Eine schöne Birke, selbst die
Tanne nebenan hat selbstlos alle Blätter abgeworfen, um der Birke das Wasser
nicht zu entwenden. Max war der Natur nie verbunden. Wo die Fische laichen und
der Molch motzt war kein Platz für ihn. Sollen sich doch alle selbst vollkotzen, und
schon läuft alles wie von selbst. Trotzdem erzählte Mila ihrer Tochter Jacklin die
tragische Geschichte. Das Geheimnis von dem Foto an der Wand, das eine Frau
zeigte, die nicht mehr lebte.
Sie grub den Garten auf und schüttete frische Erde dazu, und grub die Kräuter
unter und hob sich in hohen Erwartungen. Den nahenden Sommer konnte sie
förmlich riechen. Max fuhr einige Tage später gegen einen Baum und war tot.
Es hiess, er hätte einen Asthma Anfall gehabt und die Kontrolle verloren. Jacklin
vermisste seither etwas an Mila sehr, doch hat sie nie die Geschichten ihrer Mutter
verstanden und wer die tote Frau auf dem Foto an der Wand ist. Mila sagte nicht:
Sie liegt bei mir im Garten. Mila lebte nach aussen wie auf einem Badeschaum,
und Jacklin brauchte auch nicht zu wissen, dass Max der Grund für den schwarzen
Balken am Foto der toten Frau war. Jacklin spielte oft in dem Garten und war
gerne dort, nah bei ihrer toten Mutter.