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Tagtraum

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16.03.2003
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Tagtraum

Ein stiller Wohnblock. Eine Bushaltestelle. Eine leere Bank, deren grüner Anstrich langsam abblättert.
Ein Rabe spaziert über eine leere Straße. Ein junger Mann lehnt an einem der Pfosten die das kleine Vordach über der Haltestelle stützen. Er trägt kurz geschorene Haare und einen Schal um seinen Hals und Mund gewickelt, nur noch die Nase schaut darüber hinaus. Er ist nicht gerade groß, aber er selbst würde sich wohl eher als mittelgroß bezeichnen. Sein Körper hat die Form einer Ziegelsteinmauer, robust und stämmig, trotzdem scheint er mit seiner Kleidung sein Äußeres verbergen zu wollen. Er lehnt an einem Pfosten, die Augen geschlossen, einen Ohrstöpsel im Ohr, das andere frei. Sein Atem bildet kleine Wolken an der kühlen Luft, die sich wie Geister vor seinem Gesicht hin und her winden, unter einer unsichtbaren Qual leidend um sich schließlich wie mit einem erlösenden Seufzer nach oben steigend in Luft aufzulösen. Der Rabe findet einen toten Wurm auf der schlecht geteerten Straße und beginnt an ihm herumzupicken, dann dreht er den Kopf, gesteuert durch uralte Reflexe, die verhindern, dass er als brauner Fleck auf irgendeiner Landstraße endet. Der Rabe fliegt davon.
Ein Bus hält direkt vor dem jungen Man und mit einem leisen Zischen öffnen sich die Türen. Der Fahrer sieht ihn an. Er scheint nicht zu der Sorte zu gehören, die wohl jede Sekunde ihres Lebens damit verbringen schlechte Laune zu haben. Er fängt auch nicht an ungeduldig zu werden, als der junge Mann nicht sofort einsteigt. Er sieht ihm einfach nur ruhig in die Augen.
Der junge Mann hat die Augen geschlossen, er scheint einen Kampf in sich zu führen, der all seine Konzentration erfordert. Eine kleine Falte bildet sich auf seiner Stirn, als würde er angestrengt über etwas nachdenken.
Er öffnet die Augen, schaut dem Busfahrer ins Gesicht. Er scheint dem jungen Mann direkt durch die Augen in die Seele blicken zu können. Der Busfahrer nickt ihm zu, ein stummer Gruß, der sowohl eine Aufforderung wie auch eine Ermunterung darstellt, dem stillen Wohnblock den Rücken zuzukehren, alles hinter sich zu lassen, nur für den einen Moment sich treiben lassen. Mit gesenktem Blick steigt er langsam die Stufen nach oben. Er dreht sich langsam um. Vor ihm liegt eine leere Bushaltestelle, ein Rabe sitzt auf einer Parkbank, deren grüner Anstrich langsam abblättert. Die Bustüren schließen sich wieder, der Bus setzt sich langsam in Bewegung. Jetzt liegt die Bushaltestelle seitlich seines Blickfelds. Nun ist sie ganz verschwunden.
Mit einem leise gemurmelten:“3Zonen, ein Erwachsener“ legt der junge Mann ein paar Münzen in eine schwarze Hartplastikmulde. Der Fahrer nimmt das Geld heraus, steckt es in verschiedene Schlitze und reicht dem jungen Mann ein kleines rechteckiges orange farbenes Kärtchen. Aus dem Ohrstöpsel sickert leise eine melancholische Melodie, getragen durch die schweren Akkorde einer Bassgitarre und den leisen klaren Klängen einer E-Gitarre. Der junge Mann wandert durch den Bus. Links und rechts von ihm befinden sich Sitze. Er sieht sich um, er scheint der einzige zu sein, der sich außer dem Fahrer im Bus befindet. Am Ende des Busses angekommen setzt er sich auf einen flachen blauen Plastiksitz, der mit einem schon fast unkenntlich schmutzigem Orange überzogen ist. Er schließt die Augen.

Vor ihm geht eine große gelbe Sonne auf, er steht auf einem Parkplatz, trägt die selben Schuhe, die selbe Hose, den selben Pullover. Um ihn herum stehen lauter Koffer. Eine junge Frau wirft sich ihm um den Hals, er kennt sie nur flüchtig. Sie sieht ihm in die Augen und sagt etwas in einer Sprache die er nicht versteht, dann lächelt sie, dreht sich um und greift ihre Reisetasche auf. Jetzt kommt ein anderer junger Mann auf ihn zu, streckt ihm seine Hand entgegen und grinst ihn an. Der Gegenüber trägt einen schwarzen Pullover, die Ärmel hochgekrempelt, es ist ein warmer Frühlingstag. Der junge Mann erinnert sich daran ihn zu kennen. Er kennt ihn noch nicht sehr lange, aber er scheint mit ihm befreundet zu sein. Er erwidert den Händedruck und sein Gegenüber zieht ihn zu sich heran, klopft ihm mit der flachen Hand auf den Rücken und fügt in gebrochener Sprache langsam einen Satz zusammen:“ War nett dich kennen zu lernen, vielleicht sehen wir uns irgendwann mal wieder. Viel Glück mit deiner Band.“
Der junge Mann sieht ihm in die Augen, sie scheinen sein ganzes Blickfeld auszufüllen. Ihre Hände sind immer noch zu einem letzten Händedruck geschlossen. Durch seine Hand scheint eine unsichtbare Energie zu fließen, ein kleiner Teil Erinnerung des anderen. Der andere sieht ihn verunsichert an und der junge Mann bemerkt, wie er dem Gesicht des anderen näher gekommen ist. Er weicht zurück, durch seine grünen Augen kann man sehen wie tausend Gedanken durch seinen Kopf schwirren.
Verwirrung, Unsicherheit, Angst, aber vor allem Trauer. Er hat erkannt, dass der Abschied endgültig ist und es tut ihm leid, dass er die stürmische Umarmung der jungen Frau nicht erwidert hatte. Er sieht zu dem Bus hinüber. Die anderen Personen um ihn herum umarmen sich um sich dann in 2 Gruppen aufzuteilen. Die einen beginnen die vielen Koffer und Reisetaschen, die auf dem Parkplatz herumstehen, in den Bus einzuladen und dann selbst einzusteigen, wie wenn sie sich selbst verladen wollten. Der junge Mann beginnt nach dem Gesicht der jungen Frau zu suchen. Der Bus setzt sich langsam in Bewegung, durch das Heckfenster sieht er ein Gesicht, dass ihm zulächelt. Die junge Frau winkt ihm noch einmal zu, neben ihr sitzt der junge Mann mit dem schwarzen Pullover . Der junge Mann winkt zurück, unbestimmt ob er die junge Frau meint, oder ihren Nebensitzer. Er weiß es selbst nicht. Langsam verschindet der Bus aus seinem Blickfeld, hinterlässt eine Gruppe von Leuten die langsam auf ihre geparkten Autos zugehen und einen einsamen jungen Mann.
Er schließt die Augen.
Er öffnet sie wieder. Er sitzt immer noch auf dem blauen Plastiksitz. Noch immer lässt er sich treiben, lässt den Busfahrer sein Reiseziel bestimmen. Er schaut in die Scheibe neben ihm. Er erkennt ein Gesicht, es ist nicht seines. Es ist das Gesicht des jungen Mannes mit dem schwarzen Pullover. Es grinst ihm entgegen. Wie zuvor die kleinen Atemwolken löst es sich auf und ein anderes Bild erscheint in der Scheibe. Es ist das Gesicht der jungen Frau. Sie winkt ihm zu. Es ist ein Winken zum Abschied. Auch sie löst sich langsam auf und zurück bleibt das fragende Gesicht eines jungen Mannes. Eine Träne sickert aus dem rechten Auge des Spiegelbilds. Sie beginnt ihre Reise über die Wangen. Die Träne weiß nicht, ob sie Trauer, Schmerz oder Freude ausdrückt. Sie setzt ihre Reise fort, vorbei an Bartstoppeln die sich die geschwungenen Wangen hinunterziehen. Sie setzt an der breiten Nase an, folgt ihrem Lauf wie ein Boot eine Fluss. An der Nasenspitze verharrt sie einen kurzen Moment, als wolle sie auf ihre Gefährten warten, doch es kommen keine weiteren. Die Träne zieht sich länger, versucht den Moment des Loslassens ins Unendliche zu ziehen. Doch so unausweichlich der Tag der Nacht folgt, so unausweichlich ist es für die Träne zu einem kleinen dunklen Fleck auf der Hose des jungen Mannes zu werden. Sie wird trocknen, irgendwann wird man sie nicht mehr sehen.
Hin und her gerissen zwischen zwei Welten sieht der Mann nach vorne. Er sieht in einen kleinen rechteckigen Spiegel. Darin erkennt er die beiden Augen des Busfahrers. Der Bus hält. Wie von weit her vernimmt der junge Mann das Zischen der sich öffnenden Türen. Die Augen sehen ihn fragend an. Er blickt auf die geöffneten Schiebetüren. Niemand steigt ein. Der junge Mann steht auf und läuft zur Türe. An der Schwelle bleibt er stehen, sieht hinauf in den Himmel. Geblendet von der Sonne hebt er eine Hand vor seine Augen. Langsam beginnt sich sein rechter Fuß über die Schwelle hinwegzuheben um ihm den ersten Schritt zu weisen. Der kleine dunkle Fleck auf der Jeans des jungen Mannes ist schon fast verblasst, trotzdem fühlt er sich bei Berührung mit dem Bein durch die kühle Luft an wie ein kleiner Eiskristall. Der junge Mann dreht sich im Kreis und breitet dabei die Arme aus, als könnten sie ihm die richtige Richtung weisen. Er verharrt in der Bewegung, dann beginnt er loszulaufen. Er weiß noch nicht wohin seine Reise geht, aber dass kann er auch gar nicht. Sein Ziel liegt vor ihm, unbestimmt.

 

Hallo less,

hey, Du bist aber ungeduldig ;) Manchmal dauert es halt ein paar Tage bis man einen Kommentar zu seiner Geschichte bekommt. Und die Leser als faul zu bezeichnen verschreckt natürlich auch, denn wer ist schon gerne faul ;) Ich mach jetzt auf jeden Fall mal den Anfang.

Also: das Thema Deiner Geschichte gefällt mir gut. Sie ist von Abschied geprägt, von Vergänglichkeit, von der Orientierungslosigkeit des jungen Mannes. Sprachlich muss ich sagen, dass deine Geschichte noch etwas holprig wirkt, einige Formulierungen wirken ein wenig umständlich. Wenn Du magst, kann ich die die ich meine gerne auch nochmal raussuchen. Einige Fehler, die mir aufgefallen sind, liste ich Dir mal auf, vielleicht willst Du sie korrigieren:

Schaal
Schal
Sein Körper hat die Form einer Ziegelsteinmauer
Ich muss zugeben, dass es mir schwerfällt mir das vorzustellen ;)
sein äußeres
sein Äußeres
Mann
nur für den einen Moment sich treiben lassen.
nur für den einen Moment sich treiben zu lassen.
Rabe
entgültig
endgültig
fügt in gesprochener Sprache langsam einen Satz zusammen
der Ausdruck "gesprochene Sprache" wirkt etwas verwirrend
Der junge Mann sieht im in die Augen
Der junge Mann sieht ihm in die Augen

Die zwei Ebenen der Geschichte, Realität und Erinnerung, konnte ich nachvollziehen - es macht Sinn, dass während einer Busfahrt die Erinnerung an eine andere Gegebenheit in der ein Bus eine Rolle gespielt hat wiederkommt. Noch einfacher wäre es für den Leser, wenn Du die Übergänge zwischen den beiden Ebenen etwas eindeutiger gestalten würdest - vielleicht wäre schon eine Leerzeile zwischen den Absätzen hilfreich?

Liebe Grüße
Juschi

 

du darfst mir gern die "holprigen" Formulierungen aufzählen, ich will mich ja verbessern.
danke für die kritik<-das ist nicht sarkastisch
gemeint:)
less

 

Hallo less,

der Einfachheit halber hab ich Dir meine Anregungen gemailt, da es doch etwas ausführlicher geworden ist.

Liebe Grüße,
Juschi

 

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