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Tageszyklus nenne ich das
„Schneller Schätzchen, schneller!“ rief mir meine Trainerin zu. Es ist über dreißig Grad. Ein typischer Sommertag in Kairo. „Gut gemacht, nimm dir ´ne Pause, meine Liebe,“ sagte sie mir dann. Es ist drei Uhr dreißig, ich habe noch viel zu tun. Hausaufgaben und so, das übliche. Mathe, Bio und Chemie. Hab noch einen langen Tag vor mir. Ferien sind erst in ein Monat oder so. Ich zähl nicht mehr mit. „Gehst du in das Team-Training?“ fragte sie dann. Ich habe kein Bock drauf, erwiderte ich. Eine Stunde mit dieser Russin ist zwar nicht genug, aber Zeitverschwendung leide ich nicht. Seit neun Jahren spiele ich jetzt hier und werde bis heute noch scheiße behandelt. Ist mir auch egal. Ich hab bewiesen was ich beweisen will. Schon eine lange Zeit her. Ich spiel jetzt nur mit dieser Russin. Auch auf Tuniere verzichte ich. Alles ist anders. Alles hat sich dieses Jahr verändert.
Fünf Kilo mehr, drei Kilo weniger, zwei Stunden Schlaf, drei in der Schule, Kino am Donnerstag, drei Kilo mehr, Suche x und y, beschreibe die Evolution, hundert Schläge, drei kilo weniger, lächeln und dann wieder weinen. So sieht mein Leben aus. Kann sich jemand so ein Leben vorstellen? Hab ich mir schon gedacht. Ich mecker einfach zu viel, wie alle behaupten. Mir gefällt nichts, wie alle sagen und ich bin langweilig, wie meine Freunde es wahrscheinlich ahnen. Ist mir auch egal was die denken. Noch zwei Jahre dann werde ich keinen von ihnen sehen. Auch gut. Ich bin aber nicht allein. Auch keine Außenseiterin, bin ich nicht. Oder wohl doch? Sie denkt jetzt wohl, dass mir zu warm ist. Ich geh dann mal, dachte ich. Weg hier einfach nur weg hier.
Umziehen und ab nach Hause. Ich will aber nicht nach Hause. Wie war dein Tag? Was hast du gegessen? Wie geht es der Nina und wie war dein Training? Immer diese Fragen. Zu viel geplapper auf einmal. Ich will doch nur in mein Zimmer sein. Tür schließen, kaltes Wasser, Klimaanlage an und ein schönes Buch in der Hand. Ein Hündchen wäre auch nicht schlecht, aber wegen den Unbegründeten Negationen des Alten im Hause, ist ein Hündchen auf einmal doch schlecht. Lange Autofahrt und heute ist ein Arbeitstag! Feierabend ist gleich. Bin also erst um fünf zu Hause. Und wo steckt der Bekloppte jetzt. Sie nimmt ihr Handy und tippt seine Nummer ein. Er sagt, das Auto funktioniere nicht. Die Batterie sei kaput. Kaput. Ja, das sagte er. Scheiße. Echt jetzt. Taxi, sagte er. Ich bring dich mit ein Taxi nach Hause. Wir stehen außerhalb des Klubs und er versucht inzwischen ein Taxi anzuhalten. Ja, geschafft. Ein alter, zerstörter Wagen. Mal hoffen, dass der nicht kracht. Stau, Stau und mehr Stau. Und da sind wir auf der Autobahn. Ein Lastwagen rechts ist nicht zu finden, zehn links sind schon da. Ein Motorradfahrer mit drei Kindern und dann ein kaputes Auto in der Mitte auf den Weg stehen. Da ist ein Unfall und da liegt wieder Müll. Das Schild, wie immer, hängt noch da. Fünf Minuten. Ja, da sind wir endlich. Da schreit sie mich an anstatt mich zu wilkommen. Ich habe hunger. Jetzt aber nicht mehr, danke. Cool bleiben, nicht antworten. Eins, zwei, drei... da sind wir. Endlich alleine. Schuhe aus, Kopfhörer und i-Pod da, da liegt mein Roman. Schön das Bett ist gemacht. Es ist jetzt schon fast halb sieben. Hausaufgaben mach ich bevor ich ins Bett gehe. Muss morgen wieder um sechs aufstehen. Jetzt aber keine Störungen bitte, danke.