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Tagesmarsch

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23.01.2017
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Tagesmarsch

„Aufgestanden faules Pack! Es geht weiter!“
Ein Fuß traf Franz Sellmayer und weckte ihn unsanft aus seinen Träumen. Erschrocken blinzelte er und erblickte durch einen Schleier den Unteroffizier Motzkow, welcher die Reihen der im Gras liegenden Soldaten abschritt und diese unsanft zurück in die erbarmungslose Wirklichkeit holte. Nach sechs Stunden Marsch gönnte man ihnen also nur eine halbe Stunde Ruhe. Gequält nahm Franz seinen Tornister auf und hängte ihn sich um die Schultern. Anschließend nahm er seine Muskete, setzte seinen Raupenhelm auf und trat aus dem angenehm kühlen Schatten der Linde, unter der er gelegen hatte, hinaus auf die staubige Straße. Konnte ihnen den wirklich keine längere Pause nach all den Strapazen gegönnt werden?
Leise fluchend reihte er sich hinter seinen Kameraden ein, welche ebenfalls mit einem leisen Stöhnen aufgestanden waren und sich anschickten, ihre Marschformation einzunehmen.

Seit drei Tagen marschierten sie nun bereits in Richtung der Österreicher, welche sich unter ihrem Erzherzog Karl in der Nähe von Wien sammelten. Gerüchteweise sollten sich dort bei einem Dorf namens Wagram bereits etwa 140 000 Österreicher aufgestellt haben und auf das Eintreffen der Franzosen und ihrer Verbündeten warten.
Wenn es nach Franz ginge, könnten sie dort auch noch ein halbes Stündchen länger warten. Der Krieg lief niemandem weg.
Aus seinem früheren Leben als Landwirt war Franz körperliche Anstrengungen gewohnt, dennoch litt auch er an den Folgen der Gewaltmärsche, welche Napoleons Armee so berühmt und schlagkräftig gemacht hatten.
Seit knapp einer Woche bestand sein Tagesablauf nur noch aus stundenlangem Marschieren und dem abendlichen Lagerbau. Dazwischen gönnte man ihnen etwas Schlaf, der jedoch wiederum durch Wachdienste unterbrochen war.
Franz hatte es satt! Seine Füße waren wund und bestanden größtenteils nur noch aus aufgeplatzten, eiternden Blasen, welche bei jeder Bewegung einen brennenden Schmerz durch seine Füße sandten. Und auch die Riemen des umgeschnallten Tornisters hatten bereits wunde Stellen an seinen Schultern hinterlassen. Dazu kamen noch die ungewöhnlich hohen Temperaturen, so dass sich Franz in seiner dicken, hellblauen Uniform mit den gelben Aufschlägen vorkam, als ob er lebendig gegart würde.
Während er nun in der prallen Mittagssonne darauf wartete, dass sich die Marschkolonne endlich in Bewegung setzte, zupfte er unruhig an seinem Tornister herum und versuchte ihn so zu tragen, dass er nicht auf den wunden Stellen auflag.

Unteroffizier Motzkow schritt die Reihen ab und prüfte die Vollzähligkeit. Nachdem er sie dem Befehlshaber der Kompanie, Oberst von Steinfels, gemeldet hatte, rief dieser laut:
„Dritte Kompanie! Ohne Tritt… Marsch!“
Wie ein einziger großer Organismus setzte sich die Kompanie in Bewegung. Die Musketen waren geschultert und man rückte mit etwa einer Armlänge Abstand zu seinem Vordermann auf der staubigen Straße in Richtung Wien vor.
‚In Richtung Wien und dem unvermeidlichen Leid entgegen, welches uns dort erwarten wird, sollten es sich die Österreicher nicht doch noch einmal anders überlegen und einer großen Schlacht ausweichen‘ dachte sich Franz, als er ohne Gleichschritt seinen Kameraden folgte.

Franz marschierte auf der rechten Seite der Marschkolonne, zu seiner linken ging Richard, ein stets gut gelaunter Zeitgenosse, welcher wie Franz aus dem oberbayrischen Bruck kam, einem kleinen Ort in der Nähe von München, der großen Hauptstadt des bayrischen Königreichs. Beide waren im September 1808 dort von der Armee eingezogen worden und hatten anschließend die Strapazen der Grundausbildung gemeinsam durchstanden. Durch diese Erfahrungen hatte sich eine ehrliche Freundschaft zwischen beiden entwickelt und Franz war froh, dass er jemanden wie Richard um sich hatte. Dadurch wurde sein Heimweh wenigstens etwas gelindert, welches in letzter Zeit verstärkt aufkam und sich mit jedem Schritt vergrößerte, je weiter er sich von zu Hause entfernte.
Kurz vor der Musterung hatte er sich nämlich in Katharina verliebt, die Tochter eines befreundeten Bauern seines Vaters. Sie kannten sich schon seit Kindertagen und immer wenn er sie um sich hatte, hüpfte sein Herz vor Freude und er vergaß seine ganzen Sorgen.
Franz hatte allerdings nie den Mut aufgebracht, ihr von seiner Liebe zu erzählen. Und nun war er weit entfernt von ihr und würde womöglich noch Jahre zusammen mit diesem Napoleon durch Europa ziehen, bevor er endlich nach Hause zurückkehren konnte. Wenn er es überhaupt wieder bis nach Hause schaffen würde. Bis dahin hätte Katharina, mit ihrem dunklen Haar und ihren strahlend blauen Augen, bestimmt andere Männer in ihren Bann gezogen. Vermutlich wäre sie dann auch schon verheiratet und hätte zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, wie es immer ihr Traum gewesen war.
Dieser Gedanke versetzte ihm einen Stich in sein Herz. Er konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass Katharina einen anderen Mann heiraten sollte. Warum nur hatte er ihr seine Liebe nicht gestanden, als er noch die Gelegenheit dazu hatte! Bestimmt hätte dann Katharina auf ihn gewartet und in der Kirche für seine Rückkehr gebetet.

Frustriert schüttelte Franz den Kopf und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Zum Beispiel an seine wunden Füße!
„Verdammt! Sollte mir jemals die Person über den Weg laufen, welche diese Stiefel verbrochen hat, ich werde ihr persönlich den Hals umdrehen!“ murmelte Franz und blickte auf seine Stiefel, bei denen sich bereits an einigen Stellen die Sohle abzulösen begann.
„Immerhin hast du noch Stiefel aus dem Bestand der Armee bekommen“ sagte Richard, welcher den grimmigen Ausdruck seines Freundes bemerkt hatte.
„Ich dagegen musste mir selbst Stiefel kaufen und das bei den Preisen, welche die Halunken von Schustern jetzt überall verlangen!“
„Dafür hast du aber auch richtige Stiefel erhalten und nicht diese ausgehölten Baumstämme, welche die Armee als Stiefel verkauft!“ erwiderte Franz.
Richard sah Franz in die Augen, lächelte und meinte schließlich „Du hast wieder an Katharina gedacht, stimmt‘s? Immer wenn du an sie denkst, bekommst du schlechte Laune und meckerst an irgendwas herum.“ Er stieß Franz freundschaftlich an, wodurch dieser aus dem Tritt kam und leicht nach rechts wankte. Dies handelte ihm sofort einen strafenden Blick des Unteroffiziers Motzkow ein, welcher zwei Reihen vor ihnen ging und sich gerade in diesem Moment umgedreht hatte.
„Soldat Sellmayer! Bleiben Sie gefälligst im Glied, oder Sie können sich auf zwei Tage Latrinendienst einstellen!“ schnauzte er Franz an.
Dieser blickte schuldbewusst zu Boden, musste jedoch grinsen, als sich Motzkow wieder umgedreht hatte.
„Dank deines Aufmunterungsversuchs hätte ich mir jetzt beinahe einen Latrinendienst eingefangen.“ flüsterte er Richard zu. Dieser grinste nur und erwiderte „Immerhin hat meine Ablenkung wohl funktioniert. Du lächelst wieder und das war alles, was ich erreichen wollte“.
Nach dem kurzen Gespräch marschierten beide schweigend weiter. Richard hatte es zwar geschafft Franz kurzzeitig von seinen Gedanken an Katharina und der Heimat abzulenken, jedoch würden diese schon bald wieder in den Vordergrund rücken. So war es immer.

Am frühen Nachmittag machte sich die Hitze des Tages unter den Männern deutlich bemerkbar. Um Franz herum zupften sich die Soldaten an ihren engen Stehkrägen herum und versuchten diese zu lockern. Wirkliche Linderung verschaffte dies nicht, jedoch nahm es einem wenigstens das Gefühl erdrosselt zu werden. Außerdem verursachte der enge Stehkragen, in Verbindung mit dem Schweiß, der in Strömen über ihre Gesichter floss, wunde Stellen an ihren Hälsen.

Während sich auch Franz gerade mit einer Hand versuchte seinen Kragen zu lockern, erblickte er am Himmel einen Adler, der seine ruhigen Kreise über der Marschkolonne zog. Plötzlich beschleunigte dieser und flog in Richtung des Waldes davon, welcher sich zu ihrer Linken entlang zog. Etwas hatte ihn offenbar aufgeschreckt. Ein Hufgetrampel erklang und Franz blickte in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Zuerst konnte er nichts erkennen, doch dann sah er, dass ein Reiter sein Pferd im gestreckten Galopp über einen vor ihnen gelegenenen gräsernen Hügelkam trieb. Franz erkannte, dass es sich um einen Husar der Vorhut handeln musste. Er schien etwas zu rufen und hielt direkt auf Oberst Steinfels zu. Mit einem Arm deutete er immer wieder auf den Hügelkamm hinter sich.
Der schlammbespritze Husar erreichte schließlich Oberst Steinfelds und zügelte sein erschöpftes Pferd vor diesem. Schaum tropfte dem Tier aus seinem Maul und es tänzelte unruhig um das Pferd des Oberst umher, während der Husar mit hektischen Bewegungen auf den Oberst einredete. Der Oberst machte ein ernstes Gesicht und befahl der Kompanie anzuhalten. Kurz darauf ritten der Oberst und sein Stab, zusammen mit dem Husaren, den Hügel hinauf und verschwanden hinter diesem.

Obwohl die Soldaten ermüdet waren, wurde ihnen nicht gestattet, sich während des Wartens abseits der Straße niederzulassen. Franz griff nach seiner Wasserflasche und trank gierig zwei große Schluck aus dieser. Es herrschte eine angespannte Ruhe unter den Soldaten.
„Was meinst du, hat das zu bedeuten?“ fragte er Richard.
„Ich denke auf der anderen Seite des Hügels erwartet uns ein Wirtshaus mit kühlem Bier.“ spottete dieser und ein nervöses Lachen entfuhr seiner Kehle. Als ihn Franz jedoch weiterhin ernst ansah, verfinsterte sich Richards Miene und er sagte ernst: „Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass wir auf eine feindliche Patrouille gestoßen sind, welche uns den Weg nach Wien versperren will.“ Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von seiner Stirn und blickte in Richtung des Hügels. „Da wir momentan nur aus unserer Kompanie bestehen und den etwa 20 Husaren unserer Vorhut, könnte ich auf ein Zusammentreffen mit dem Feind, gleich welcher Art, allerdings noch gut verzichten. Mit unseren derzeit etwa 200 Mann sind wir vermutlich den meisten Gegnern unterlegen.“
Franz nickte und starrte angespannt auf den Hügelkamm vor ihnen.
Plötzlich hörte er ein Grollen, welches an Lautstärke zunahm und von hinter dem Hügel zu kommen schien. Auch die verbliebenen Offiziere vernahmen dies und starrten in die Richtung des Grollens.
Es waren nun auch Schüsse und Rufe zu hören und auf einmal sprengte die Gruppe des Oberst zusammen mit etwa 10 verbliebenen Husaren über den Hügelkamm! Der Oberst brüllte etwas, was jedoch aufgrund der Entfernung von etwa 200 Metern nicht zu vernehmen war. Schließlich zeichnete er mit seinen Händen ein Quadrat in die Luft und deutete hinter sich.
Im Abstand von etwa 100 Metern jagten nun hunderte feindliche Reiter über den Hügelkamm und verfolgten die bayrischen Reiter.
„Oh mein Gott, das sind österreichische Dragoner!“ rief Franz und blickte mit weit aufgerissenen Augen dem Feind entgegen. Im selben Augenblick schrie einer der Offiziere: „3. KOMPANIE! SOFORT EIN KARREE BILDEN! BAJONETTE PFLANZT AUF!“.
Es war ein junger Offizier, welcher als vorübergehender Befehlshaber der Kompanie zurückgelassen wurde und der nun Probleme hatte, die Panik in seiner Stimme zu unterdrücken.
Sofort kam Bewegung in das Bataillon und aus der Marschkolonne formierte sich ein nahezu gleichseitiges Quadrat mit je zwei Reihen Soldaten an jeder Seite. Die Soldaten der ersten Reihe knieten sich dabei ab, so dass die hinter ihnen stehenden Soldaten über ihre Köpfe hinweg feuern konnten. Da der Angriff überraschend kam, hantierten einige Soldaten noch hektisch mit ihren Bajonetten herum und versuchten sie mit zitternden Händen auf ihre Musketen zu stecken. Hier und da klafften noch Lücken im Karree, welche jedoch zügig geschlossen wurden.

Unterdessen näherte sich die Gruppe des Obersts. Als sie noch etwa 50 Meter entfernt waren, schrie der Unteroffizier Motzkow „Öffnet das Karree für den Oberst!“.
Sofort öffnete sich das Karree an der dem Feind zugewandten Seite und der Oberst gelangte mit seinen Begleitern in das Innere des Karrees. Die Pferde waren schweißbedeckt und verdrehten wild schnaubend ihre Augen, während ihre Reiter sie versuchten zu bändigen.
„SCHLIEßT DAS KARREE! Fertig machen um Kavallerieangriff zu empfangen!“ erklang die kraftvolle Stimmte des Oberst.
Die Soldaten der ersten Reihe rammten nun ihre Musketen mit den Schulterstücken in den Boden, so dass die aufgepflanzten Bajonette in Richtung des Feindes zeigten. Die zweite Reihe stand aufrecht und richtete ihre Gewehre in Richtung des Feindes aus. Franz und Richard standen auf der Seite, von welcher der Hauptangriff der heranstürmenden Feinde zu erwarten war. Beide starrten über den Lauf ihrer Musketen in Richtung der feindlichen Reiter. Normalweise wäre ein Frontalangriff auf ein feindliches Karree reiner Selbstmord für die Kavallerie, allerdings schätzte Franz, dass es sich um mindestens 500 feindliche Reiter handeln musste, welche unaufhaltsam auf das Karree zustürmten und nicht den Anschein erweckten, als ob sie abdrehen würden.
Der Boden vibrierte unter den Hufen der herannahenden Reiter. Franz merkte, dass sein Herz wie wild schlug. Er spürte eine Beklemmung in seiner Brust und er hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Unwillkürlich ließ er seine Muskete sinken und wollte sich mit einer Hand den Kragen lockern. Richard bemerkte die Anspannung seines Freundes und murmelte „Nur ruhig Franz, denk an unseren Drill! Atme gleichmäßig und bleib im Karree, dann kann uns nichts passieren.“ Franz nickte und atmete ein paar Mal tief durch, wodurch sich sein Herzschlag etwas beruhigte und zielte wieder auf den Feind. Das ihm nichts passieren konnte, bezweifelte er jedoch stark.
Es blieb ihm keine weitere Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen, denn die Reiter befanden sich nun in Schussweite der Musketen und schon hörte er den kraftvollen Befehl des Oberst.
„Kompanie…FEUER!“
Franz betätigte nahezu gleichzeitig mit seinen Kameraden den Abzug des Gewehrs. Ein Krachen erklang und die Muskete schlug ihm gegen seine rechte Schulter. Sofort versperrte ihm beißender weißer Pulverdampf die Sicht, während ein lautes Knattern an der Seite des Karrees entlang lief. Franz konnte undeutlich erkennen, dass mehrere Reiter der anrückenden Österreicher zu Fall gekommen waren. Pferde überschlugen sich und Reiter stürzten aus ihren Sätteln. Wodurch dem Angriff der Österreicher erst einmal die größte Wucht genommen worden war.
Die gestürzten Pferde und ihre gefallenen Reiter verursachten ein kurzzeitiges Chaos in der Angriffslinie der Österreicher, da diese den unglücklichen Kreaturen ausweichen mussten. Statt also frontal anzugreifen, strömten die Reiter nun links und rechts an dem Karree vorbei und schossen mit ihren Karabinern auf selbiges. Franz hörte das Pfeifen der vorbeifliegenden Kugeln und das schmatzende Geräusch, wenn sie ihr Ziel fanden. Im Karree erschollen die ersten Schmerzensschreie von verwundeten Kameraden.

„Nachladen und Feuern nach eigenem Ermessen!“ erscholl die Stimme des Oberst. Franz benötigte diesen Befehl nicht, da er bereits automatisch nach seiner Schussabgabe damit begonnen hatte seine Muskete nachzuladen. Er stellte dazu das Gewehr senkrecht auf den Boden und griff sich eine Papierpatrone aus seiner Munitionstasche. Die darin befindliche Kugel biss er ab und behielt sie im Mund. Anschließend streute er etwas Schießpulver in die Zündpfanne und schloss diese. Das restliche Schießpulver kam in den Lauf und er ließ die Kugel aus seinem Mund in den Lauf fallen. Zuletzt stopfte er das Papier nach und verdichtete alles mit seinem Ladestock. Für den ganzen Vorgang benötigte Franz mittlerweile nur noch etwas mehr als 10 Sekunden.
Nachdem er fertig geladen hatte, legte er seine Muskete an und zielte in die Masse der vorbeiströmenden Reiter. Ihm fiel ein prächtig gekleideter Dragoner auf, welcher aus dem Rauch vor ihm auftauchte. Vermutlich handelte es sich dabei um einen der Offiziere. Franz zielte auf diesen und drückte ab. Die Muskete schlug ihm erneut in seine rechte Schulter und sofort war ihm die Sicht wieder durch den Pulverdampf versperrt. Dennoch erkannte er schemenhaft, dass der Reiter in seinem Sattel nach hinten geschleudert wurde und sich nur mit Mühe auf seinem Pferd halten konnte. Anschließend verschwand er in der Menge der Angreifer.
Monoton setzte Franz den wochenlang geübten Ablauf aus Laden, Zielen und Schießen fort. Von dem Horror um ihn herum bekam er bald fast nichts mehr mit. Seine Ohren dröhnten, der Pulverdampf nahm ihm die Sicht und sein Mund war durch das Schießpulver trockener als die staubige Straße, auf der sie so lange marschiert waren.
Die Feinde umschwirrten das Karree wie Fliegen einen Misthaufen und gelegentlich traf eine ihrer Kugeln jemanden im Karree. Erst wenn sie das Karree genügend ausgedünnt hatten, würden sie einen direkten Angriff wagen.
Allerdings zeigte sich bald, dass die Verluste bei den Österreichern bei weitem höher waren, als die der Bayern. Die geballten Volleys der bayrischen Infanteristen hinterließen immer mehr gefallene Pferde und Reiter auf dem Schlachtfeld. Wohingegen die Österreicher nur sehr ungenau von den Rücken ihrer Pferde aus auf die Bayern schießen konnten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte Franz schließlich ein Trompetensignal und die Reiter zogen sich auf den Hügel zurück von dem sie gekommen waren.

„Feuer einstellen!“ brüllte der Oberst und das Knattern der Musketen erstarb.
Eine seltsame Stille legte sich über das Schlachtfeld, unterbrochen nur von dem Stöhnen der Verwundeten und den herzzerreißenden Lauten der sterbenden Pferde.
Franz blickte sich erschöpft und mit aufgerissenen Augen um und sah, dass etwa 150 Reiter ein Opfer ihrer Kugeln geworden sein mussten. Auf ihrer eigenen Seite hatten sie etwa 30 Tote und 20 Verwundete zu beklagen.
Richard legte eine Hand auf Franz‘ Schulter und riss ihn aus seinen Gedanken
„Bist du verletzt?“

„Verletzt?“ stammelte Franz und blickte Richard mit leerem Blick an.

„Ja, hier, du hast Blut an deinem rechten Arm und deiner rechten Backe.“

Franz sah an sich herab und bemerkte das Blut. Erschrocken tastete er seinen Arm ab und fasste sich mit der linken Hand in sein Gesicht. Als er seine Finger ansah, waren auch diese blutverschmiert. Er spürte jedoch keinen Schmerz und auch seine Uniform wies keine Beschädigungen auf. Erst jetzt bemerkte er, dass der Soldat Prenzel, welcher während des Gefechts zu seiner Rechten stand, neben ihm auf dem Boden lag. Er lag mit dem Gesicht nach unten und an seinem Hinterkopf klaffte eine riesige Wunde. Sein Blut und Gehirn war über das Gras und auch Franz verteilt.
Panisch versuchte Franz sich das fremde Blut aus seinem Gesicht wegzuwischen und er spürte wie sein Mageninhalt nach oben kam. Er drehte sich um und übergab sich.
Richard tätschelte seinen Rücken und gab ihm seine Feldflasche. „Trink etwas und wasch dir das Gesicht. Deine eigene Feldflasche scheint ja nicht mehr zu gebrauchen zu sein.“
Franz sah nach seiner Flasche und bemerkte ein kleines Loch in dieser. Ein Karabinerschuss hatte sie wohl getroffen und das ganze Wasser war aus ihr herausgeströmt.

„Ich denke das wird noch nicht alles für heute gewesen sein.“ sagte Richard und blickte zum Hügel auf welchem sich die Österreicher erneut in Linie formierten. Franz sah ebenfalls hinauf und gab Richard dankend dessen Flasche zurück.
„Was meinst du, woher kamen diese Reiter?“ fragte er.

„Hm. Ich denke es handelt sich um eine Einheit Dragoner, welche sich ebenfalls auf den Weg nach Wien gemacht hatten. Allerdings mit dem Ziel die Österreichischen Einheiten dort zu verstärken. Dass sie uns allerdings gerade hier über den Weg laufen, kann kein Zufall gewesen sein.“

„Wieso das?“

„Eine so große Anzahl an feindlichen Reitern, fernab ihrer eigentlichen Marschroute?
Nein, ich denke sie haben irgendwie davon erfahren, dass sich unsere Kompanie noch nicht mit dem Rest des Bataillons vereinigt hat. Eine so leichte Beute wollten sie sich wohl nicht entgehen lassen.“

„Dumm nur, dass sich die ‚leichte Beute‘ ganz schön gewehrt hat.“ schnaubte Franz, der sich wieder gefangen hatte und mit einem Nicken auf die gefallenen Gegner deutete. „Denen haben wir es ganz schön gezeigt!“.
Richard lächelte „Das stimmt. Wir hatten aber auch Glück, dass wir durch unsere Vorhut gewarnt wurden. Hätten wir uns nicht rechtzeitig zu einem Karree formiert, so wären wir einfach niedergeritten worden.“
Ein entferntes Grollen lies beide aufhorchen. Sie blickten zum Hügel, auf welchem immer noch die Reiter in ihren prächtigen, dunkelblauen Uniformen standen. Die Sonne funkelte von ihren Helmen und polierten Aufschlägen. ‚Was für ein bitterschöner Anblick‘ dachte sich Franz.

Das Grollen wurde lauter und plötzlich erkannte Franz das Geräusch. Trommeln! Das Geräusch stammte eindeutig von Trommeln und das bedeutete, dass Infanterie auf dem Weg war! Er erstarrte, als er den Rhythmus vernahm.

‚Bram Bram Brampara Pam, Bram Bram Brampara Pam!‘

Auch Richard hatte das Geräusch erkannt. Erschrocken starrten sie zum fernen Hügel. Die Reiter dort teilten sich in der Mitte und wichen nach links und rechts aus. In der Mitte erschien eine Flagge mit dem doppelköpfigen Adler der Donaumonarchie…und einer Kompanie Linieninfanterie!

„Oh mein Gott! Das sind zu viele!“ stammelte ein Soldat zur Linken Richards und schmiss sein Gewehr auf den Boden. Er drehte sich um und wollte aus dem Karree fliehen. Ein Kolbenschlag des Unteroffiziers Motzkow beendete abrupt seine Flucht. Der Soldat wurde nach hinten geschleudert und landete unsanft auf dem Boden. Über ihm stand Motzkow und hielt ihm den Lauf seiner Muskete ins Gesicht.
„Sofort zurück auf deinen Posten, Soldat!“ zischte Motzkow „Wenn du dich noch einmal von deiner Position wegbewegst und sei es nur ein Zentimeter, dann puste ich dir persönlich dein Hirn weg!“
Der Soldat starrte Motzkow einen Moment an, dann kroch er nach hinten weg, rappelte sich auf und lief wieder an seine Position im Karree. Auch Oberst von Steinfels hatte den Vorfall bemerkt und hielt mit kräftiger Stimme eine Ansprache.

„Männer der 3. Kompanie! Wir haben nur eine Chance diesen Tag lebend und in Freiheit zu überstehen! Wir müssen zusammenbleiben und diesen Boden, auf dem wir stehen, verteidigen!
Der Gegner dort oben mag noch in der Überzahl sein! Doch ich habe zu Beginn des Kampfes einen Meldereiter zum Rest unseres Battalions losgeschickt!“
Ein Raunen ging durch die Reihen der Männer und Gemurmel setzte sein.

„RUHE IM GLIED!“ schrie Motzkow und blickte grimmig in die Reihen.
Der Oberst wartete, bis wieder Ruhe einkehrt war und setzte seine Rede fort.
„Ich bin mir sicher, dass unser Melder mittlerweile bei General La Roche eingetroffen ist und ihm unsere Lage dargelegt hat. So Gott will ist dieser bereits mit seinen Männern auf dem Weg zu uns und es kann nicht mehr lange dauern, bis er sich mit uns vereinigt!
Es ist also unsere Pflicht hier standzuhalten! Ein Rückzug wäre unser sicherer Untergang. Haltet stand Männer und denkt an eure Ausbildung!“
Oberst Steinfeld riss seinen Säbel in die Höhe und schrie „Kämpft für euch, kämpft für eure Familien, kämpft für euren Nebenmann und…kämpft…für…euren...KÖNIG!“

„FÜR DEN KÖNIG!“ erwiderten die Soldaten wie aus einer Kehle. Der Ruf erscholl durch das Tal und wurde durch die Hügel zurückgeworfen.
Anschließend senkte sich eine angespannte Ruhe über das Schlachtfeld, lediglich unterbrochen durch das Schnauben der Pferde und dem bedrohlichen Rhythmus der fernen Trommeln.

‚Bram Bram Brampara Pam‘
Franz klopfte sein Herz bis zum Hals. Sollten sie doch noch gerettet werden? Erneut kamen ihm Gedanken an Katharina in den Sinn. Was sie wohl gerade machte? Vermutlich saß sie zusammen mit ihren Eltern am Mittagstisch unter der alten Eiche in ihrem Garten und genoss ihr Leben. Ob sie einen Gedanken an ihn verschwendete? Ob sie sich vorstellen konnte, in welch einer Hölle er sich gerade befand, während über ihr die Vögel sangen? Franz schluckte schwer. Was machte er nur hier? Wieso mussten sich die Menschen immer aufs Neue für den Größenwahn einiger Weniger gegenseitig umbringen. War denn nie Schluss mit diesem Krieg?
„KANONEN!!“
Der Ruf riss Franz jäh aus seinen Gedanken. Kanonen? Zusammen mit den anderen blickte er zum Hügelkamm hinauf und erstarrte. Zwei Kanonen erschienen dort und wurden durch die Österreicher in Stellung gebracht!
„4 Pfünder“ bemerkte Richard trocken „Das hat uns gerade noch gefehlt…“
„Das ist unser Ende“ murmelte Franz „In Karreeformation sind wir ein gefundenes Fressen für ihre Kanonen und wenn wir uns in Linie aufstellen, oder gar den Rückzug wagen, so würden wir von ihrer Kavallerie niedergeritten und vernichtet werden. Was wir ab jetzt auch versuchen, wir sind des Todes!“

Die Männer um ihn herum schienen die gleichen Gedanken zu haben und unwillkürlich begann sich das gesamte Karree zu verschieben und nach hinten auszuweichen.

„Haltet gefälligst eure Stellung!!“ schrie Motzkow und prügelte auf jeden ein, der sich bewegte. Auch Franz wurde von einem Fußtritt Motzkows getroffen. Doch noch bevor er sich darüber ärgern konnte, sah er in seinem Augenwinkel einen Blitz auf dem Hügelkamm. Rauch stieg auf und kurz danach erklang ein gewaltiger Donnerschlag.

Die Kanonen hatten ihr Bombardement begonnen!

Der erste Schuss war zu kurz und ließ lediglich Erdreich auf Franz herabregnen, als sich die Kanonenkugel etwa 10 Meter vor ihm in den Boden fraß.
Ein zweiter Donnerschlag erklang und Franz zog instinktiv den Kopf ein.
‚Als ob das etwas bringen würde…‘ dachte er bei sich und ärgerte sich über seine Feigheit.

Der zweite Schuss war deutlich zu lang und flog heulend über die Köpfe der Männer hinweg.
„Sie schießen sich ein.“ zischte Richard durch geschlossene Zähne. Auch ihm war nun eine deutliche Anspannung anzusehen.
Wieder ein Donnergrollen. Franz konnte den Flug der Kugel diesmal in der Luft verfolgen. Polternd schlug diese kurz vor dem Karree ein. Doch anstatt im Erdboden zu versinken, prallte sie wie ein Stein, den man über das Wasser springen lies, vom harten Erdreich ab und schlug in die Reihen des Karrees ein.
Franz sah, wie zwei hintereinander stehende Männer in einer Wolke aus Blut und Knochensplitter verschwanden. Die Umstehenden wurden durch den Luftdruck zu Boden geschleudert.
„Füllt die Lücke! Haltet stand!“ erklang der Befehl des Oberst.
Die Verletzten wurden in die Mitte des Karrees gezogen und die Reihen rückten wieder zusammen. Von den zwei unglücklichen Soldaten, welche der Schuss getroffen hatte, war nicht viel mehr als eine Masse aus Gewebe und Knochensplittern übriggeblieben, auf welcher die nachrückenden Soldaten nun ausrutschten.

Das Bombardement ging unaufhörlich weiter. Wann immer ein Schuss sein Ziel traf, erklang ein widerliches Geräusch und mehrere Soldaten gingen zu Boden. Die Reihen der Bayern schrumpften zusehends. Jedoch war an eine Flucht nicht zu denken, da die österreichische Kavallerie ausgerückt war und nur darauf wartete, dass sich einzelne Soldaten aus dem Karree entfernten.

„Das ist doch Wahnsinn!“ rief schließlich einer der Soldaten, der dem Druck des Bombardements nicht mehr standhielt „Wir werden hier alle zusammengeschossen!“
Er drehte sich um, warf seinen Helm und Tornister fort und rannte los. Diesmal hielt ihn niemand auf. Stattdessen ergriff auch den Rest der Kompanie die Panik. Nach kurzem Zögern rannten die ersten Soldaten in Richtung des nahen Waldstücks davon. Dies löste eine Kettenreaktion aus und schon bald befand sich die gesamte Kompanie in Auflösung.
„Stellung halten verdammt!!“ rief der Oberst und er versuchte von dem Rücken seines Pferdes aus auf die Männer einzuwirken.
„Stellung halten!! Wenn ihr flieht, seid ihr ebenso verloren! Kommt zurück ihr…“

weiter kam er nicht.

Ein Kanonenschuss hatte ihm den Kopf von den Schultern gerissen. Blut spritzte in hohem Bogen aus seinem Hals und sein Körper verharrte noch kurz im Sattel, bis er schließlich schlaff von seinem Pferd herunterrutschte und auf dem Boden aufschlug. Das Pferd selbst ging daraufhin durch und ritt in seiner Panik zwei bei ihm stehende Männer nieder.

Entsetzt hatte Franz das Ganze verfolgt. Nun hatten sie auch noch ihren Anführer verloren.
Geistesabwesend bemerkte er Richard, der ihn am Arm packte und fortzog. „Komm Franz, es hat keinen Sinn, wir müssen uns auch in den Wald zurückziehen!“
Beide drehten sich um und rannten in Richtung des Waldstücks. Es herrschte blankes Chaos. Die Kompanie hatte aufgehört zu existieren. Jeder dachte nur noch an sich und daran, diesen Tag irgendwie zu überleben. Es wurde gestoßen, getreten und beiseite gerempelt, sobald man einen langsameren Kameraden vor sich hatte, der einem selbst den Fluchtweg versperrte. Die Menschlichkeit wurde durch die Furcht aus den Köpfen der Soldaten vertrieben und hinterließ nur ein Tier, das sich selbst am nächsten war.

Franz und Richard rannten durch den von Kanonenschüssen und Hufgetrampel durchpflügten Boden. Links und rechts von ihnen sahen sie, wie einzelne Kameraden von den österreichischen Dragonern niedergemacht wurden. Doch immer noch war der Waldrand etwa 200 Meter von ihnen entfernt. Ein Kanonenschuss schlug neben ihnen ein und ließ Erdreich auf sie herabregnen. Franz bemerkte ein Klackern, als ihm die Erdklumpen gegen den Helm schlugen. Er duckte sich und rannte weiter.
Auf einmal bemerkte er von hinten Hufgetrampel, welches sich ihnen schnell näherte. Er blickte sich um und bemerkte zwei Dragoner, welche sich wohl Franz und Richard als ihre nächsten Opfer ausgesucht hatten. Die Dragoner hatten ihre Säbel zum Schlag erhoben und ritten im gestreckten Galopp auf ihre Opfer zu.
Franz konnte das grimmige Lächeln eines der Dragoner erkennen und die weit aufgerissenen Augen des Pferdes. Auch Richard hatte die Reiter bemerkt und starrte in deren Richtung.
„Ist deine Muskete noch geladen?“ fragte er Franz.
„Ja ist sie“ erwiderte dieser und wunderte sich darüber, dass er keine Angst mehr empfand. Er hatte auf sonderbare Weise mit seinem Leben bereits abgeschlossen.
Die Chancen, dass sie diesem Gemetzel heil entkämen, standen alles andere als gut. Warum sich also noch an das unnütze Leben klammern und so die letzten Minuten seiner Existenz verschwenden?

„Gut, dann ziel auf die Pferde!“ befahl Richard und legte seine Muskete an. Franz tat es ihm gleich und beide feuerten zeitgleich auf die nahenden Reiter. Durch den Pulverdampf sah Franz, dass sein Schuss das rechte Pferd genau in die Brust getroffen hatte. Seine Vorderbeine knickten weg und es überschlug sich, wobei sein Reiter unter dem massigen Körper des Pferdes zerquetscht wurde und reglos liegenblieb. Glücklich darüber, dem sicheren Tod erneut von der Schippe gesprungen zu sein, lachte Franz ungläubig auf.
Doch da bemerkte er, dass Richard sein Ziel verfehlt hatte. Er sah noch, dass Richard verzweifelt versuchte dem heranstürmenden Reiter nach links auszuweichen. Verzweifelt riss er seine Muskete hoch und versuchte den Schlag des Österreichers abzuwehren.
Doch der Dragoner war schneller und hieb im Vorbeireiten mit seinem Säbel auf Richard ein.

Richard wirbelte herum und fiel zu Boden.

„RICHARD!“ schrie Franz und rannte zu seinem Kameraden.
Als er bei ihm angelangt war, bemerkte er eine klaffende Wunde am Hals seines Freundes.
Mit beiden Händen versuchte Richard verzweifelt sein ausströmendes Blut zurückzuhalten. In Panik und mit weit aufgerissenen Augen wälzte sich Richard auf dem Boden umher.
Geschockt starrte Franz auf seinen Freund. Hektisch kramte er nach seinem Taschentuch und presste es auf Richards grässliche Halswunde. Sofort wurde seine Hand von Blut umströmt und Franz begriff, dass er Richard nicht helfen konnte. Tränen stiegen in ihm auf, als Richard nach seinem Arm griff und ihn mit panischen Augen ansah. Er schien etwas sagen zu wollen, doch seine Worte gingen in einem Gurgeln unter.

Da bemerkte Franz im Augenwinkel eine Bewegung und sah, dass der Dragoner sein Pferd gewendet hatte und bereits auf Franz zustürzte. Er war bereit sein Werk an Franz zu vollenden.

Gerade noch rechtzeitig konnte sich Franz aus dem Griff Richards befreien und den Säbelhieb des Österreichers mit dem Schaft seiner Muskete parieren. Die Wucht des Einschlags ließ ihn zurücktaumeln. Der Säbel glitt an der Muskete ab und traf seine rechte Hand. Mit einem Schmerzensschrei ließ Franz sein Gewehr fallen und bemerkte, dass sein Daumen am Gelenk nahezu abgetrennt worden war.
Der Dragoner preschte weiter und wendete in einiger Entfernung sein Pferd. Wieder nahm er Kurs auf Franz, doch diesmal konnte Franz sich nicht mehr wehren. Er kniete auf dem Boden und presste mit seiner linken Hand seine nutzlos gewordene rechte Hand an seinen Körper. All seine Kraft hatte ihn verlassen. Mit Tränen in den Augen blickte er zu Richard, welcher nun still auf dem Rücken lag und dessen Augen in die Unendlichkeit blickten. Eine Hand immer noch um seinen Hals gelegt. Er hatte es überstanden, der Krieg war für ihn zu Ende.

Franz atmete tief durch und machte sich bereit seinem Freund zu folgen. Die Zeit schien still zu stehen. Er blickte sich um und nahm nur noch gedämpft den Kampf um sich herum war.

Er sah das Chaos der fliehenden und fallenden Soldaten, sah herumirrende Pferde, welche reiterlos und mit vor Angst geweiteten Augen an ihm vorbeiliefen.
Er hörte die herzzerreißenden Schreie Sterbender, welche in ihren letzten Augenblicken verzweifelt nach ihren Müttern riefen.
Er spürte die dumpfen Einschläge der Kanonenkugeln, welche das Erdreich aufrissen und rauchende Krater hinterließen.

Und er sah einen einsamen Vogel am Himmel, der scheinbar unbeeindruckt von der menschlichen Barbarei, vor dem strahlend blauen Himmel seine Kreise zog. Er blinzelte zu ihm hinauf und zum letzten Mal nahm er bewusst die warmen Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht war, spürte das weiche Gras an seinen Händen und schloss die Augen, bereit diese Welt für immer zu verlassen. Sein letzter Gedanke gehörte Katharina…

Doch der Schlag kam nicht.
Verwundert öffnete er seine Augen und kam wieder zu sich.
Er sah, wie sich der Dragoner im Galopp von ihm entfernte. Und nicht nur er floh, sondern auch die restlichen Österreicher hatten ihre Pferde gewendet und strebten nun panisch ihren Truppen auf dem Hügelkamm entgegen!
Da bemerkte Franz, dass die Erde unter ihm vibrierte. Er drehte sich um und sah aus dem Waldstück hunderte Reiter hervorpreschen. Er kniff die Augen zusammen und erkannte die grünen Uniformen der bayrischen Chevaulegers mit ihren tiefbraunen Pferden und den weißen Helmbüschen. Sie brachen auf der gesamten Breite des Waldes aus diesem hervor und nahmen im gestreckten Galopp die Verfolgung der Österreicher auf.
Hinter diesen erschien nun auch Infanterie, welche zum Klang der Trommeln vorrückte. Franz erkannte die bayrischen Rauten auf den Fahnen. Ihr Meldereiter hatte es also doch noch rechtzeitig zum Bataillon geschafft!
Franz kniete immer noch im Gras neben seinem toten Freund, als die bayrische Kavallerie mit lautem ‚Hurra!‘ an ihm vorbeisprengte.
Benommen blickte er den Reitern nach und sah, dass sich die Österreicher in panischer Flucht vom Hügelkamm zurückzogen.

Die Schlacht war gewonnen.
Er hatte überlebt.

Dann fiel er zur Seite und die Welt um ihn herum wurde schwarz. Auch für ihn war der Krieg nun vorbei.


ENDE

 
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Lieber Bonapartey,

ich begrüße dich bei den Wortkriegern.

Deinen langen Text habe ich mit Interesse gelesen. Dein Sprachstil gefällt mir, er ist klar und schnörkellos und ich hatte kaum Probleme, dem zu folgen, was du erzählst. Du stellst in den Mittelpunkt deiner Geschichte einen bayerischen Soldaten, der im napoleonischen Heer dient und 1809 an der Schlacht bei Wagram in der Nähe von Wien teilnimmt. Ganz richtig hast du den Tag ‚Historik’ gewählt, weil deine fiktive Handlung im realen Zusammenhang der Schlacht bleibt.

Aber du hast auch den Tag ‚Spannung’ gewählt und da bin ich nicht sicher, ob er richtig gewählt ist. Spannung entsteht für mich immer dann, wenn ich mich in eine Handlung hineinversetzen kann, wenn ich sie miterlebe und vor allem, wenn ich mit dem oder den Protagonisten mitleiden kann. Doch obwohl du alles aus der Perspektive des Soldaten Franz darstellst, erreicht mich dein Text allein auf einer rationalen Ebene. Nur wenn ich mich von ihm löse, meiner eigenen Fantasie freien Lauf lasse, erschließt sich mir die in ihm enthaltene Tragik und Dramatik des Geschehens, kann ich mir ausmalen, wie ängstlich, verzweifelt und verstört deine Personen sein müssen. Deinem Text fehlt über weite Strecken diese menschliche Dimension. Das liegt mMn an der sehr berichtenden, beinahe dokumentarischen Art, mit der du das Geschehen darstellst. Ich gebe dir ein paar Beispiele für das von mir Gemeinte:

Außerdem verursachte der enge Stehkragen, in Verbindung mit dem Schweiß, der in Strömen über ihre Gesichter floss, wunde Stellen an ihren Hälsen.

Hier beschreibst du immer stärker werdende und vermutlich irgendwann quälende Schmerzen, ohne auch nur einen Moment darauf einzugehen, wie Franz sich fühlt. Der enge Stehkragen verursacht wunde Stellen. Punkt.

Statt also frontal anzugreifen, strömten die Reiter nun links und rechts an dem Karree vorbei und schossen mit ihren Karabinern auf selbiges. Franz hörte das Pfeifen der vorbeifliegenden Kugeln und das schmatzende Geräusch, wenn sie ihr Ziel fanden. Im Karree erschollen die ersten Schmerzensschreie von verwundeten Kameraden.
Die Soldaten in diesem Karree bedrohen den Gegner nach jeder Seite, sind aber gleichzeitig auch Ziel der Angriffe. Sie sind in dieser Formation gefangen, können sie nicht verlassen, können den feindlichen Kugeln nicht ausweichen Wie werden sich diese Männer gefühlt haben?

Dennoch erkannte er schemenhaft, dass der Reiter in seinem Sattel nach hinten geschleudert wurde und sich nur mit Mühe auf seinem Pferd halten konnte. Anschließend verschwand er in der Menge der Angreifer.
Monoton setzte Franz den wochenlang geübten Ablauf aus Laden, Zielen und Schießen fort. Von dem Horror um ihn herum bekam er bald fast nichts mehr mit.

Franz agiert, lädt, zielt und schießt. Aber was denkt oder empfindet er, während er das tut?

Franz blickte sich erschöpft und mit aufgerissenen Augen um und sah, dass etwa 150 Reiter ein Opfer ihrer Kugeln geworden sein mussten. Auf ihrer eigenen Seite hatten sie etwa 30 Tote und 20 Verwundete zu beklagen.

Franz sieht 150 Tote auf der gegnerischen Seite, 30 auf der eigenen Seite. Er sieht sie, aber was dieses Bild in ihm auslöst, erfährt der Leser nicht.

„Das ist unser Ende“ murmelte Franz „In Karreeformation sind wir ein gefundenes Fressen für ihre Kanonen und wenn wir uns in Linie aufstellen, oder gar den Rückzug wagen, so würden wir von ihrer Kavallerie niedergeritten und vernichtet werden. Was wir ab jetzt auch versuchen, wir sind des Todes!“

Emotionslos registriert hier Franz das Geschehen, analysiert es sogar, fast so, als beträfe es ihn selbst gar nicht. Er scheint keine Angst zu haben, keine zitternden Hände oder etwas Ähnliches.

Hin und wieder verlässt du deine recht äußere Betrachtungsweise und zeigst einen erschrockenen, sogar panischen Franz:

Franz sah an sich herab und bemerkte das Blut. Erschrocken tastete er seinen Arm ab und fasste sich mit der linken Hand in sein Gesicht. Als er seine Finger ansah, waren auch diese blutverschmiert. Er spürte jedoch keinen Schmerz und auch seine Uniform wies keine Beschädigungen auf. Erst jetzt bemerkte er, dass der Soldat Prenzel, welcher während des Gefechts zu seiner Rechten stand, neben ihm auf dem Boden lag. Er lag mit dem Gesicht nach unten und an seinem Hinterkopf klaffte eine riesige Wunde. Sein Blut und Gehirn war über das Gras und auch Franz verteilt.
Panisch versuchte Franz sich das fremde Blut aus seinem Gesicht wegzuwischen und er spürte wie sein Mageninhalt nach oben kam. Er drehte sich um und übergab sich.

Aber auch hier bleibst du letztendlich beschreibend: Das Leiden dieser Person erreicht mich als Leser nicht.

Lieber Bonapartey, vermutlich gehöre ich nicht zu deiner Zielgruppe. Mich interessieren das geschilderte Kriegsgeschehen und seine Einzelheiten nicht. Dir scheint genau das sehr wichtig zu sein. Du beschreibst alles sehr genau und in vielen Einzelheiten. Ich hätte dagegen gerne mehr von deiner Hauptfigur erfahren. Wie sich der kleine bayerische Soldat im napoleonischen Heer fühlt, was er denkt, was er empfindet, warum er eigentlich kämpft. Für’s Vaterland sicher nicht, auch nicht für Napoleon. Er hasst die Feinde, die Österreicher, nicht. Ebenso wenig verteidigt er die Errungenschaften der Französischen Revolution, wenn sie ihm überhaupt bekannt sind. Er ist ein einfacher Soldat, der seinen heimischen Hof nur deshalb verlassen musste, um für einen Machthaber, mit dem er nichts zu tun hat, zu kämpfen und u.U. sein Leben zu lassen. Und damit teilt er das Schicksal vieler Soldaten. Dieser Aspekt fehlt mir in deiner Darstellung und damit leider auch eine Gegenwartsbedeutung deines ansonsten gut geschriebenen Textes.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm :)

Ersteinmal freue ich mich ebenso, hier in diesem Forum angekommen zu sein! Ich danke Dir auch gleich für deine ausführliche und ehrliche Kritik, und dafür, dass du diesen doch etwas längeren Text durchgelesen hast (auf meinem PC kam mir die Geschichte gar nicht so lang vor :)

Bei "Tagesmarsch" handelt es sich um meinen allerersten Schreibversuch, der weiter als 10 Zeilen kam.
Die Geschichte ist inspiriert von Autoren wie Bernard Cornwell (Sharpe), Simon Scarrow (The Eagle Series) und Patrick O'Brian (Master and Commander), welche ich sehr gerne lese. Ich selbst bin sehr geschichtsinteressiert und lese gerne Texte, die einen realistischen Hintergrund haben und einem etwas von der damaligen Zeit beibringen können. Sogesehen habe auch ich versucht, in meiner Geschichte manche Dinge etwas genauer zu schildern, damit auch Leser, die mit der damaligen Zeit nicht so vertraut sind, sich zurechtfinden und sich das Ganze besser vorstellen können.

Ich muss somit zugeben, dass deine Kritik meines teils "dokumentarischen" Schreibstils durchaus berechtigt ist. Vermutlich habe ich es damit wohl etwas übertrieben, wenn er auch an mancher Stelle bewusst so beabsichtigt war :)

Die fehlende Tiefe der Hauptfigur kann man wohl damit erklären, dass ich bei dieser Geschichte einfach mal "drauflos" geschrieben habe. D.h. die Geschichte entwickelte sich erst, während ich sie schrieb. Dass das ein Fehler war und man bei guten Geschichten wohl ersteinmal vor Schreibbeginn die Hauptfiguren genauern herausarbeiten sollte, ist mir nun klar. Auch hast du recht, dass man an mancher Stelle noch die ein oder andere Emotion von Franz hätte deutlicher herausstellen können.

Aber wie gesagt, ich bin noch ein blutiger Anfänger und bin schonmal sehr froh, dass dir mein Sprachstil soweit gefallen hat :) Dieser ist bewusst recht klar und einfach gehalten, da ich finde, dass sich Geschichten so einfach flüssiger und entspannter lesen lassen. Das dies nicht jedermanns Sache ist, ist mir aber auch klar.

Wie gesagt, vielen Dank für deine Kritik und deine Zeit!


Liebe Grüße,

Bonapartey

 
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Hallo und herzlich willkommen hierorts,

Bonapartey
(deutet der Name auf Verehrung Buonapartes?),

das ist mit zwölf Seiten Manuskript ein stattliches Debut. Barnhelm hat schon einiges gesagt, dass ich mich auf andere Dinge konzentrieren will, wie etwa direkt zu Anfang ein Flüchtigkeit

Konnte ihnen den[n] wirklich keine längere Pause nach all den Strapazen gegönnt werden?
Wobei die Flüchtigkeit gar nicht erst aufscheinen müssen, ist dieses "denn" eigentlich entbehrlich. Oder?

Hier schnappt m. E. die Fälle-Falle zu, wenn es im Dativ heißt

Leise fluchend reihte er sich hinter seinen Kameraden ein, welche ebenfalls mit einem leisen Stöhnen aufgestanden waren und sich anschickten, ihre Marschformation einzunehmen.
Tatsächlich ist das sich Einreihen ein dynamischer Vorgang, der den Akkusativ „seine Kameraden“ verlangt, wenn er dann eingereiht ist, also in Reih und Glied steht, kommt der Dativ zum Zuge – aber der Satz zeigt zugleich eine gewisse Scheu vor den Standard Relativpronomen, wenn hier erstmals „welche“ genutzt wird und auch im Folgesatz
Seit drei Tagen marschierten sie nun bereits in Richtung der Österreicher, welche sich unter ihrem Erzherzog Karl in der Nähe von Wien sammelten.
Was dabei auffällt sind die Füllesel (hier „nun bereits“, gleich „auch noch“ …)
Wenn es nach Franz ginge, könnten sie dort auch noch ein halbes Stündchen länger warten
die sich, wenn schon nicht gänzlich beseitigen, doch immerhin halbieren ließen („ Seit drei Tagen marschierten sie (bereits) in Richtung ...“, „Wenn es nach Franz ginge, könnten sie dort ein halbes Stündchen länger warten“

Aus seinem früheren Leben als Landwirt war Franz körperliche Anstrengungen gewohnt, …
Die einleitende Passage ist m. E. entbehrlich, denn dass er nicht als Bauer in die Schlacht zieht (das tun etwa zur gleichen Zeit Bauern unterm Sandwirt zu Tirol gegen die Bayern) verrät ja schon die Uniform. Genügte nicht, „als Landwirt war Franz körperliche Anstrengungen gewohnt, …“?

Dann fällt neben den Füllseln – ich denke, Du wirst sie selbst erkennen - eine keineswegs notwendige Substantivierung auf, wenn es heißt

Seit knapp einer Woche bestand sein Tagesablauf nur noch aus stundenlangem Marschieren und dem abendlichen Lagerbau,
dabei gibt es für das Verb „marschieren“ schon ein wunderbares Substantiv, den Marsch. Besser vllt. „Seit knapp einer Woche bestand sein Tagesablauf aus stundenlangen Märschen und dem abendlichen Lagerbau ...“

Hier wäre ein Komma nachzutragen

..., zupfte er unruhig an seinem Tornister herum und versuchte[,] ihn so zu tragen, dass er nicht auf den wunden Stellen auflag.
(die Infinitivgruppe ist von einem Substantiv, dem Tornister abhängig, der durch das Pronomen vertreten wird, geschieht Dir öfter, musstu selbst nachschauen)

Hier nun behaupten die Auslassungspunkte, dass am vorhergehenden Wort wenigstens ein Buchstabe fehle (tatsächlich wäre der Befehl „Tritte Marsch“ möglich, aber ungewöhnlich, und Preußen hätten gegrinst wegen Zeitverschwendung … wäre es denn dortselbst vertreten gewesen). Da wäre ein Apostroph schon viel rationeller einzusetzen. Besser also ein Leerzeichen zwischen Wort und Auslassungspunkten

Ohne Tritt[...]… Marsch!“

Hier nun wäre – analog der wörtlichen Rede – ein Komma zwischen gedachter/wörtl. Rede und dem übergeordneten Satz zu setzen
‚In Richtung Wien und dem unvermeidlichen Leid entgegen, welches uns dort erwarten wird, sollten es sich die Österreicher nicht doch noch einmal anders überlegen und einer großen Schlacht ausweichen‘[,] dachte sich Franz, als er ohne Gleichschritt seinen Kameraden folgte.
(Und warum das Refelxivpronomen, denkt Franz nicht einfach?)

Sie kannten sich schon seit Kindertagen und immer[,] wenn er sie um sich hatte, hüpfte sein Herz …

Dieser Gedanke versetzte ihm einen Stich in sein Herz.
(wessen Herz sonst?)

Hier wieder das Komma zur wörtl. Rede wie oben zu den Gedanken

„Verdammt! Sollte mir jemals die Person über den Weg laufen, welche diese Stiefel verbrochen hat, ich werde ihr persönlich den Hals umdrehen!“[,] murmelte Franz …
Geschieht Dir häufig, musstu selber gucken!

Hier ist beim Aussagesatz der wört. Rede der Abschluss fast richtig

„Immerhin hast du noch Stiefel aus dem Bestand der Armee bekommen“[,] sagte Richard, …

Hier wird das Verb holen mit der verbalisierten Höhle verwechselt (und natürlich das Komma nicht vergessen!)
„Dafür hast du aber auch richtige Stiefel erhalten und nicht diese ausgehö[h]lten Baumstämme, welche die Armee als Stiefel verkauft!“[,] erwiderte Franz.
Und wieder sind‘s Satzzeichen

„Dank deines Aufmunterungsversuchs hätte ich mir jetzt beinahe einen Latrinendienst eingefangen.“[,] flüsterte er Richard zu. Dieser grinste nur und erwiderte[:] „Immerhin hat meine Ablenkung wohl funktioniert. Du lächelst wieder und das war alles, was ich erreichen wollte[.]“[…]
(da empfehl ich jetzt grundsätzlich die ersten hundert Seiten des Rechtschreibdudens, in denen ein umfassender und knapper Einstieg geboten wird. Wer geht schon gerne mit 1300 Seiten Duden Grammatik zu Bett, gäbe ja nur blaue Flecken)

Hier seh ich einen Widerspruch

Franz erkannte, dass es sich um einen Husar der Vorhut handeln musste.
Entweder erkennt Franz, dass es ein Husar ist – oder vermutet, dass es einer sein müsste/könnte …

Der schlammbespritze Husar erreichte schließlich Oberst Steinfelds …
wie denn nun, „Steinfels“ oder „...felds“?

Kurz darauf ritten der Oberst und sein Stab, zusammen mit dem Husaren, den Hügel hinauf und verschwanden hinter diesem.
Und was hat es mit „dies...“auf sich, wenn es gleich schon wieder auftaucht
Franz griff nach seiner Wasserflasche und trank gierig zwei große Schluck aus dieser.
(Ich weiß, man sagt, man trinke zwei Schluck Wasser, aber der Plural ist eigentlich "Schlucke", oder?) Und eigentlich entbehrlich ist, wenn der Stab hinterm Hügel verschwindet und Franz aus der Flasche (woraus sonst?) trinkt.

Es waren nun auch Schüsse und Rufe zu hören und auf einmal sprengte die Gruppe des Oberst zusammen mit etwa 10 verbliebenen Husaren über den Hügelkamm!
Zahlen bis zwölf werden üblicherweise ausgeschrieben in literarischen Texten.

Und dass auch mal ein Komma zu viel gesetzt wird, zeigt sich hierorts

Allerdings zeigte sich bald, dass die Verluste bei den Österreichern bei weitem höher waren[...] als die der Bayern.
Warum?
Die vergleichende Konjunktion vergleicht tatsächlich nur und leitet eben keinen vollständigen (und wär‘s nur ein Neben-)Satz ein.

Und – hier ermüdet mich ein wenig der „Hügelkamm“, dass ich zusammenfasse: Da steckt Kürzenswertes drin

- Füllsel sind schon genannt,
- Adjektive können auf notwendigste beschränkt werden,
- Selbstverständliches braucht nicht aufgezählt zu werden (wie etwa seine Schulter, sich denken u. a.)
- konzentrieren musstu Dich aber selbst, um Flüchtigkeit auf ein Minimum zu drücken.

Und am Schluss der Hinweis aufs „Ende“ ist entbehrlich, der Leser kriegt das bestimmt mit!

Ist alles kein Beinbruch bei zwölf Seiten. Aber wenn es - wie ich vermute – kein Heldenepos , sondern eine Antikriegsgeschichte sein soll, passt irgendwie dieser abwertende Vergleich nicht so ganz

Die Feinde umschwirrten das Karree wie Fliegen einen Misthaufen …

Tschüss

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

Vielen Dank für deine ausführliche und vermutlich sehr zeitraubende Korrektur! Deine hilfreichen Ratschläge werde ich auf jeden Fall beherzigen.
Gerade bei der Kommasetzung ist man sich doch immer etwas unsicher.
Auch werde ich versuchen in Zukunft Füllsel zu reduzieren, ebenso wie unnötige Adjektive.

Und du hast recht, es soll kein Heldenepos sein, sondern dem Leser die Schrecken des Krieges aus Sicht des einfachen Soldaten vermitteln.

Meinen Namen habe ich gewählt, da ich mich zur Zeit relativ intensiv mit der napoleonischen Zeit beschäftige. Eine direkte Verehrung Napoleons soll er aber nicht darstellen. Er klingt einfach gut

Vielen Dank und beste Grüße!

Bonapartey

 

Hallo Bonapartey

Mit dem Text hast du dir, auch angesichts der Länge, einiges vorgenommen, Respekt. Du hast eine Menge Personal neben der Hauptfigur und du beschreibst ein Geschehen, das einerseits weit in der Vergangenheit liegt und sich andererseits nicht alleine auf die Zeichnung der Figur selbst bezieht. Manches gelingt dir auch. Zum Beispiel die Schilderung des Gefechts, aus der man eine Vorstellung bekommen kann, wie eine Schlacht im 18.Jahrhundert (?) ablief. (wenngleich darin ein Problem verborgen ist: ich halte es für eine Illusion ein Ereignis aus der Vergangenheit wahrheitsgetreu zu schildern).

Besonders schwierig ist es, die Gedanken einer Person zu schildern, die aus einer anderen Zeit stammt. Die haben ein historisches Bewusstsein, das uns fremd ist, das muss uns aber klar sein, das müssen wir berücksichtigen. Was denkt Hitler, als er auf dem Obersalzberg beschließt, die UdSSR zu überfallen? Etwa: nachher ficke ich Eva Braun? Was denken die Soldaten in diesem Text auf dem Marsch, kämpfen sie wirklich fürs Vaterland, für einen König oder sind sie einfache Söldner.

Spannend fände ich es in diesem Text auch, mit der Erzählzeit was zu machen. Die Zeit verrinnt auf dem Marsch, den du schilderst, langsam und gemächlich, das kommt auch so rüber. Als die Österreicher auftauchen, angreifen, das Chaos ausbricht, das Schlachten beginnt, ändert sich aber nichts daran. Du behältst denselben Tonfall, erzählst weiter im selben Tonfall. Hier könntest du, ja müsstest du beschleunigen, kürzere Sätze machen, unvollständige Konstruktionen, die Atemlosigkeit zeigen, ganz nah an die Panik der Beteiligten rücken.

So viel erst mal. Sprachlich liest sich das über weite Strecken ganz gut, wenngleich du einiges an Füllmaterial kürzen müsstest. Ah: es ist mutig mit einem solchen Text zu debütieren. Willkommen hier!:thumbsup:

Paar Textstellen:

Gerüchteweise sollten sich dort bei einem Dorf namens Wagram bereits etwa 140 000 Österreicher aufgestellt haben
woher will dein Erzähler das so genau wissen?

Dadurch wurde sein Heimweh wenigstens etwas gelindert, welches in letzter Zeit verstärkt aufkam und sich mit jedem Schritt vergrößerte, je weiter er sich von zu Hause entfernte.
Kurz vor der Musterung hatte er sich nämlich in Katharina verliebt, die Tochter eines befreundeten Bauern seines Vaters. Sie kannten sich schon seit Kindertagen und immer wenn er sie um sich hatte, hüpfte sein Herz vor Freude und er vergaß seine ganzen Sorgen.
da müsste man direkter reingehen, das klingt runtergespult.

Frustriert schüttelte Franz den Kopf und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Zum Beispiel an seine wunden Füße!
na ja, der Witz mit den wunden Füßen geht so.

Franz hörte das Pfeifen der vorbeifliegenden Kugeln und das schmatzende Geräusch, wenn sie ihr Ziel fanden.
solche Stellen bräuchte es mehr, das ist intensiv.

Franz blickte sich erschöpft und mit aufgerissenen Augen um und sah, dass etwa 150 Reiter ein Opfer ihrer Kugeln geworden sein mussten. Auf ihrer eigenen Seite hatten sie etwa 30 Tote und 20 Verwundete zu beklagen.
Richard legte eine Hand auf Franz‘ Schulter und riss ihn aus seinen Gedanken
„Bist du verletzt?“
klar: der zählt mitten in der Schlacht die Toten. :sealed: und fragt dann ganz cool, wie es seinem Freund geht.

„Eine so große Anzahl an feindlichen Reitern, fernab ihrer eigentlichen Marschroute?
Nein, ich denke sie haben irgendwie davon erfahren, dass sich unsere Kompanie noch nicht mit dem Rest des Bataillons vereinigt hat. Eine so leichte Beute wollten sie sich wohl nicht entgehen lassen.“
holprig und unnatürlich: so groß, so viel

Oberst Steinfeld riss seinen Säbel in die Höhe und schrie „Kämpft für euch, kämpft für eure Familien, kämpft für euren Nebenmann und…kämpft…für…euren...KÖNIG!“
für den König, echt?

Was machte er nur hier? Wieso mussten sich die Menschen immer aufs Neue für den Größenwahn einiger Weniger gegenseitig umbringen. War denn nie Schluss mit diesem Krieg?
meinst du wirklich, dass er so gedacht hat?

war nicht viel mehr als eine Masse aus Gewebe und Knochensplittern übriggeblieben, auf welcher die nachrückenden Soldaten nun ausrutschten.
und der Gestank und das Geschrei, ich will das spüren.

„Komm Franz, es hat keinen Sinn, wir müssen uns auch in den Wald zurückziehen!“
zurückziehen klingt nicht merkwürdig, so beliebig.

Die Menschlichkeit wurde durch die Furcht aus den Köpfen der Soldaten vertrieben und hinterließ nur ein Tier, das sich selbst am nächsten war.
dann zeig mir besser das Tier:Pfeif:

viele Grüße
Isegrims

 

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